JudikaturJustizRS0074103

RS0074103 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
13. Juli 1994

Art VI der Genozid-Konvention, wonach Personen, denen Völkermord oder eine sonstige der in Art III angeführten Handlungen zur Last gelegt wird, vor ein zuständiges Gericht des Staates, in dessen Gebiet die Handlung begangen worden ist, oder vor das internationale Strafgericht gestellt werden, das für jene vertragschließenden Parteien zuständig ist, die seine Gerichtsbarkeit anerkannt haben, setzt den ihm immanenten Grundgedanken nach voraus, daß im Tatortstaat eine funktionierende Strafgerichtsbarkeit (und darauf basierend die Möglichkeit einer justizförmigen Auslieferung des Verdächtigen dorthin) gegeben ist, zumal andernfalls - zum Zeitpunkt des Abschlusses der Genozid-Konvention bestand kein internationales Strafgericht - sich die den Intentionen der Konvention geradezu diamentral zuwiderlaufende Folgerung ergäbe, daß ein des Völkermordes oder sonstiger im Art III der Konvention aufgezählter Handlungen Verdächtiger bei nicht funktionierender Strafgerichtsbarkeit im Tatortstaat und Nichtbestehen eines internationalen Strafgerichtes (oder Nichtanerkennung dieser Gerichtsbarkeit durch einen Vertragsstaat) überhaupt nicht verfolgt würde.