JudikaturDSB

K121.636/0010-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 2010

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. HUTTERER, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie der Schriftführerin Mag. HAJICEK in ihrer Sitzung vom 17. Dezember 2010 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Detlev P*** (Beschwerdeführer) aus W***, Deutschland, vom 16. Juni 2010 gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland (Beschwerdegegner, auch kurz: UVS) in Eisenstadt wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Zustellung eines Straferkenntnisses unter Beifügung des Geburtsdatums in der Adressierung wird entschieden:

- Die B e s c h w e r d e wird a b g e w i e s e n.

Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs. 1 und 2, 4 Z 2, 7 Abs. 2 und 3, 8 Abs. 1 Z 4 und Abs. 3 Z 1 sowie 31 Abs. 2 und 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr 165/1999 idgF, iVm § 11 Abs. 1 des Zustellgesetzes, BGBl Nr. 200/1982 idgF.

Begründung:

A. Vorbringen der Parteien

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner am 23. Juni 2010 bei der Datenschutzkommission eingelangten (und mit Schreiben vom 12. Juli 2010 auftragsgemäß verbesserten) Beschwerde (ursprünglich gerichtet an den Beschwerdegegner und von diesem auf Gefahr des Einschreiters gemäß § 6 Abs. 1 AVG weitergeleitet) eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass der Beschwerdegegner eine Erledigung in einem Verwaltungsstrafverfahren unter Beifügung seines Geburtsdatums adressiert und ihm an seiner Adresse in Deutschland zugestellt habe. Für dieses Öffentlichmachen seines Geburtsdatums gebe es weder seine Zustimmung – er habe vielmehr widersprochen -, noch entspreche dies gesetzlichen Vorschriften. Vielmehr verstoße die Vorgangsweise insbesondere gegen europäisches Recht.

Der Beschwerdegegner erwiderte dem mit Stellungnahme vom 5. August 2010, der Beschwerdeführer habe wohl seinen Unmut zum Ausdruck gebracht, jedoch nicht widersprochen. Außerdem sei, auch nach der Rechtsprechung der Datenschutzkommission, die Verwendung des Geburtsdatums als Unterscheidungsmerkmal für Zustellzwecke auch ohne Zustimmung von Gesetzes wegen zulässig, wenn dies der Sicherung der Geheimhaltung „sensiblerer“ Daten (wie beispielsweise der Tatsache eines anhängigen Strafverfahrens), diene. Im Beschwerdefall sei dem Beschwerdeführer ein Straferkenntnis des UVS mit internationalem Rückschein zugestellt worden.

Der Beschwerdeführer replizierte darauf mit Schreiben vom 29. August 2010. Er betonte, der Beschwerdegegner könne keine Rechtsnorm angeben, die sein Vorgehen für zulässig erkläre. Er behalte sich weitere Schritte auf europäischer Ebene vor.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob der Beschwerdegegner berechtigt war, ein Straferkenntnis an den Beschwerdeführer unter Beifügung von dessen Geburtsdatum im Adressfeld postalisch zustellen.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdegegner ließ dem Beschwerdeführer am 14. Mai 2010 (Datumsvermerk auf dem Kuvert) ein Straferkenntnis in einer Verwaltungsstrafsache als Einschreibbrief an seiner Postadresse in Deutschland zustellen, wobei die aufgedruckte, für jeden Inhaber des Zustellstücks sichtbare Adressierung lautete:

Detlev P*** 01.02. 19*8

T***str. 33

D **34* W***

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien sowie aus den vom Beschwerdeführer (Beilage zur verbesserten Beschwerde vom 12. Juli 2010) vorgelegten Kopien dreier Zustellkuverts.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

Grundrecht auf Datenschutz

§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

§§ 4 Z 1 und 2, 7 Abs. 1 bis 3 und 8 Abs. 1 und 2 und 3 Z 1 DSG 2000 lauten samt Überschriften:

Definitionen

§ 4 . Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

Zulässigkeit der Verwendung von Daten

§ 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“

Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei

Verwendung nicht-sensibler Daten

§ 8 . (1) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn

(2) Bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten oder von nur indirekt personenbezogenen Daten gelten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt. Das Recht, gegen die Verwendung zulässigerweise veröffentlichter Daten gemäß § 28 Widerspruch zu erheben, bleibt unberührt.

(3) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem Grunde des Abs. 1 Z 4 insbesondere dann nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten

1. für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe ist oder“

§§ 21 und 22 AVG lauten samt Abschnittsüberschrift:

4. Abschnitt: Zustellungen

§ 21 . Zustellungen sind nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.

§ 22 . Wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen, ist eine schriftliche Ausfertigung mit Zustellnachweis zuzustellen. Bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist, ist die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken.“

§ 11 Abs. 1 ZustG lautet samt Überschrift:

Besondere Fälle der Zustellung

§ 11 . (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.“

Art. 10 Abs. 1 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen lautet:

Zustellungen

Artikel 10

(1) Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 werden unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig” und „Rückschein” zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstücks nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

Das Geburtsdatum ist ein personenbezogenes Datum iSd § 4 Z 1 DSG 2000 und fällt daher grundsätzlich unter den Schutz des DSG 2000.

Das Geburtsdatum ist jedoch kein sensibles Datum gemäß § 4 Z 2 DSG 2000 bzw. Art. 8 Abs. 1 der europäischen Datenschutzrichtlinie 95/46/EG. Es unterliegt daher keinem erhöhten Schutz. In seine Geheimhaltung kann daher nach einer Interessenabwägung auch aus überwiegenden berechtigten Interessen gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 DSG 2000 eingegriffen werden.

Die §§ 21 f AVG verpflichten den Beschwerdegegner, behördliche Erledigungen dem Empfänger zuzustellen.

Eine postalische Zustellung an Empfänger in Deutschland ist gemäß § 11 Abs 1 ZustG iVm Art. 10 Abs. 1 des deutschösterreichischen Amts- und Rechtshilfeabkommens durchzuführen.

Die Datenschutzkommission vertritt in ständiger und langjähriger Entscheidungspraxis die Auffassung, dass die Verwendung des Geburtsdatums auf amtlichen Schriftstücken zur eindeutigen Identifikation des Adressaten dann gerechtfertigt ist, wenn aus der fehlerhaften Identifikation des Empfängers besondere Nachteile entstehen könnten, wie etwa dadurch, dass bei Zustellung des amtlichen Schriftstücks an die falsche Person sensible Daten des eigentlichen Adressaten einem Dritten rechtswidrigerweise zur Kenntnis gelangen könnten (K120.794/007-DSK/2002 vom 3. Dezember 2002, abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes http://www.ris.bka.gv.at/dsk/, mwH), bspw. wenn an der Abgabestelle mehrere Personen mit gleichem Namen, aber unterschiedlichen Geburtsdaten leben.

Da der Beschwerdegegner als zustellende Behörde nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes zur „Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe“ gemäß §§ 21f AVG verpflichtet war, den Beschwerdeführer als Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und nicht in jedem Fall nachprüfen kann, ob konkret an der Abgabestelle namensgleiche Personen wohnhaft sind, verletzte die Verwendung des Geburtsdatums in der Adressierung zwecks eindeutiger Identifikation des Empfängers diesen daher nicht in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten, da der vorgenommene Eingriff in sein Geheimhaltungsrecht leichter wiegt als die Gefahr, die im Fall eines Zustellfehlers seinem Interesse an der Geheimhaltung verwaltungsstrafrechtlicher Vorwürfe gedroht hätte. Strafrechtliche Vorwürfe sind zwar keine sensiblen Daten im Sinne des Gesetzes, durch ihre Einordnung unter die Sonderregel des § 8 Abs. 4 DSG 2000 im Hinblick auf das Geheimhaltungsinteresse jedoch klar „sensibler“ als das bloße Geburtsdatum.

Eine alternative und dem Aufwand nach vergleichbare Zustellmethode, ein „gelinderes Mittel“ gemäß § 7 Abs. 3 DSG 2000, ist weder zu erkennen, noch wurde eine solche vom Beschwerdeführer aufgezeigt.

Die Beschwerde war daher auf Grund der vorgenommenen Interessenabwägung als unbegründet abzuweisen.

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