JudikaturDSB

K121.836/0009-DSK/2012 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
14. September 2012

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. HILD in ihrer Sitzung vom 14. September 2012 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Dipl.-Inform. Univ. Ernst Ä*** (Beschwerdeführer) aus C***, Deutschland, vom 29. März 2012 gegen die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzungen in den Rechten auf Geheimhaltung in Folge Zustellung in einem Verwaltungsstrafverfahren (Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Februar 2012) sowie im Recht auf Auskunft über eigene Daten wird entschieden:

1. Die B e s c h w e r d e wird, soweit sie eine Verletzung

im R e c h t a u f A u s k u n f t über eigene Daten

geltend macht, z u r ü c k g e w i e s e n.

2. Der B e s c h w e r de wird, soweit sie eine Verletzung

im R e c h t a u f G e h e i m h a l t u n g geltend

macht, a b g e w i e s e n.

Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 1, 2 und 3 Z 1, § 7 Abs. 2 Z 3, § 8 Abs. 1 Z 4, § 26 Abs. 1 und § 31 Abs. 1, 2, 3, 4 und 7 des Datenschutzgesetzes 2000, DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 13 Abs. 3 und § 21 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, § 2 Z 1, 2, 3, 4 und 7, § 4, und § 5 des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idgF.

Begründung:

A. Vorbringen der Parteien

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner vom 29. März 2012 datierten und am 4. April 2012 bei der Datenschutzkommission eingegangenen Beschwerde Verletzungen in den Rechten auf Geheimhaltung und auf Auskunft. Sein Recht auf Geheimhaltung sei dadurch verletzt worden, dass die Beschwerdegegnerin in einem Verwaltungsstrafverfahren wiederholt, insbesondere durch die in Kopie vorgelegte „Aufforderung zur Rechtfertigung“, sein Geburtsdatum ins Adressfeld behördlicher Schreiben drucke und diese (im Fensterkuvert) per Brief in Deutschland zustellen lasse. Seine rein persönlichen Daten stünden so zur Verfügung. Nach deutschem Recht sei dies jedenfalls unzulässig, er gehe davon aus, dass auch hier das nationale Recht dem Standard der europäischen Datenschutzrichtlinie entspreche. Er habe auch durch Unterlassungsaufforderungen seinen Widerspruch zum Ausdruck gebracht. Die Antwort der Beschwerdegegnerin, dass das Geburtsdatum zur Identitätsprüfung bei der Postzustellung notwendig sei, übersehe, dass es sich um eine einfache, nicht persönlich zuzustellende Postsendung gehandelt habe, die einfach in den Briefkasten eingeworfen oder Mitbewohnern ausgehändigt werde. Auch sei ihm bisher eine Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten mit dem Hinweis verweigert worden, dass dazu ein Identitätsnachweis (z.B. ein Lichtbildausweis mit eigenhändiger Unterschrift) erbracht werden müsse. Er halte die Übersendung einer solchen Ausweiskopie für unzulässig und wegen des Missbrauchspotenzials ebenfalls für bedenklich.

Die Datenschutzkommission forderte den Beschwerdeführer hinsichtlich des Auskunftsrechts zunächst am 5. April 2012 zur Behebung von Inhaltsmängeln, insbesondere gestützt auf § 31 Abs. 4 DSG 2000 zur Vorlage einer Kopie eines schriftlichen Auskunftsbegehrens auf. Auf diesen Mangelbehebungsauftrag (mit Hinweisen auf die Rechtsprechung zum Identitätsnachweis) hat der Beschwerdeführer nicht reagiert.

Die Beschwerdegegnerin , hinsichtlich der behaupteten Verletzung im Recht auf Geheimhaltung zur Stellungnahme aufgefordert, brachte mit Schreiben vom 20. Juni 2012 vor, dass die Zustellung der vom Beschwerdeführer in Kopie vorgelegten „Aufforderung zur Rechtfertigung“ in einer Verwaltungsstrafsache in Folge eines Fehlers bei der Postabfertigung nicht zu eigenen Handen und im geschlossenen Kuvert, sondern als Einschreibbrief im Fensterkuvert veranlasst worden sei.

Darauf replizierte der Beschwerdeführer , es handle sich beim Beschwerdesachverhalt um keine Panne bei der Postabfertigung sondern um ein wiederholtes Verhalten, das ausdrücklich entgegen seinem Widerspruch fortgesetzt worden sei. Insgesamt nannte der Beschwerdeführer acht entsprechende Zustellstücke der Beschwerdegegnerin seit dem 13. Jänner 2012. Auch sei es unerheblich, ob dabei ein geschlossenes oder ein Fensterkuvert verwendet worden sei, da die Schreiben nicht als „persönlich“ gekennzeichnet gewesen (und daher an Dritte wie seine Ehefrau oder eine Mitbewohnerin ausgeliefert worden) seien. Das aufgedruckte Geburtsdatum werde daher überhaupt nicht zur Identitätsprüfung herangezogen.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, für Zwecke bestimmter Zustellungen in einem Verwaltungsstrafverfahren das Geburtsdatum des Beschwerdeführers der lesbaren Adressierung der Zustellstücke beizufügen.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Gegen den Beschwerdeführer war am 3. Februar 2012 ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachts zweier straßenpolizeilicher Übertretungen (Geschäftszeichen VerkR**- 000-2012 und VerkR**-0000-2012) anhängig. Mit Schreiben von diesem Tag erließ die Beschwerdegegnerin eine „Aufforderung zur Rechtfertigung“ an den Beschwerdeführer mit folgendem Anschreiben:

„Herrn

Ernst Ä***

geb. 0*.0*.19**

*** Straße 3

00000 C***

DEUTSCHLAND“

Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer als gewöhnlicher Einschreibbrief ohne Rückschein mit dem im Fensterkuvert sichtbaren obigen Anschreiben als Adressierung zugestellt.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführer und den vorliegenden Kopien der „Aufforderung zur Rechtfertigung“ vom 3. Februar 2012 (Beilage zur Beschwerde vom 29. März 2012).

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Grundrecht auf Datenschutz

§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

Die §§ 7 und 8 Abs. 1 Z 1 bis 4 DSG 2000 lauten samt Überschrift:

„Zulässigkeit der Verwendung von Daten

§ 7. (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.

Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei

Verwendung nicht-sensibler Daten

§ 8. (1) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn

Die §§ 26 Abs. 1 und 31 Abs. 1 bis 4 und 7 DSG 2000 lauten samt Überschriften:

„Auskunftsrecht

§ 26. (1) Ein Auftraggeber hat jeder Person oder Personengemeinschaft, die dies schriftlich verlangt und ihre Identität in geeigneter Form nachweist, Auskunft über die zu dieser Person oder Personengemeinschaft verarbeiteten Daten zu geben. Mit Zustimmung des Auftraggebers kann das Auskunftsbegehren auch mündlich gestellt werden. Die Auskunft hat die verarbeiteten Daten, die Informationen über ihre Herkunft, allfällige Empfänger oder Empfängerkreise von Übermittlungen, den Zweck der Datenverwendung sowie die Rechtsgrundlagen hiefür in allgemein verständlicher Form anzuführen. Auf Verlangen eines Betroffenen sind auch Namen und Adressen von Dienstleistern bekannt zu geben, falls sie mit der Verarbeitung seiner Daten beauftragt sind. Wenn zur Person des Auskunftswerbers keine Daten vorhanden sind, genügt die Bekanntgabe dieses Umstandes (Negativauskunft). Mit Zustimmung des Auskunftswerbers kann anstelle der schriftlichen Auskunft auch eine mündliche Auskunft mit der Möglichkeit der Einsichtnahme und der Abschrift oder Ablichtung gegeben werden.“

„Beschwerde an die Datenschutzkommission

§ 31. (1) Die Datenschutzkommission erkennt über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Auskunft nach § 26 oder nach § 50 Abs. 1 dritter Satz oder in ihrem Recht auf Darlegung einer automatisierten Einzelentscheidung nach § 49 Abs. 3 verletzt zu sein, soweit sich das Auskunftsverlangen (der Antrag auf Darlegung oder Bekanntgabe) nicht auf die Verwendung von Daten für Akte im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit bezieht.

(2) Die Datenschutzkommission erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet.

(3) Die Beschwerde hat zu enthalten:

(4) Einer Beschwerde nach Abs. 1 sind außerdem das zu Grunde liegende Auskunftsverlangen (der Antrag auf Darlegung oder Bekanntgabe) und eine allfällige Antwort des Beschwerdegegners anzuschließen. Einer Beschwerde nach Abs. 2 sind außerdem der zu Grunde liegende Antrag auf Richtigstellung oder Löschung und eine allfällige Antwort des Beschwerdegegners anzuschließen.

(5) [...] (6) [...]

(7) Soweit sich eine Beschwerde nach Abs. 1 oder 2 als berechtigt erweist, ist ihr Folge zu geben und die Rechtsverletzung festzustellen. Ist eine festgestellte Verletzung im Recht auf Auskunft (Abs. 1) einem Auftraggeber des privaten Bereichs zuzurechnen, so ist diesem auf Antrag zusätzlich die – allenfalls erneute – Reaktion auf das Auskunftsbegehren nach § 26 Abs. 4, 5 oder 10 in jenem Umfang aufzutragen, der erforderlich ist, um die festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen. Soweit sich die Beschwerde als nicht berechtigt erweist, ist sie abzuweisen.“

§ 13 Abs. 3 und § 21 AVG lauten samt (Abschnitts-)Überschriften:

„Anbringen

§ 13. (1) [….] (2)

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.“

„4. Abschnitt: Zustellungen

§ 21. Zustellungen sind nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.“

Die §§ 40 und 42 VStG lauten samt Abschnittsüberschrift:

„Ordentliches Verfahren

§ 40. (1) Sieht die Behörde nicht schon auf Grund der Anzeige oder der darüber gepflogenen Erhebungen von der Verfolgung ab (§ 45), so hat sie dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, sich zu rechtfertigen.

(2) Die Behörde kann den Beschuldigten zu diesem Zweck zur Vernehmung laden oder ihn auffordern, nach seiner Wahl entweder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu seiner Vernehmung zu erscheinen oder sich bis zu diesem Zeitpunkt schriftlich zu rechtfertigen. Dabei ist der Beschuldigte auf sein Recht hinzuweisen, zur Vernehmung einen Rechtsbeistand seiner Wahl beizuziehen.

(3) Hält sich der Beschuldigte nicht in der Gemeinde auf, in der die Behörde ihren Sitz hat, so kann sie die Vernehmung des Beschuldigten durch die Gemeinde seines Aufenthaltsortes veranlassen.“

§ 42. (1) Die Aufforderung nach § 40 Abs. 2 hat zu enthalten:

(2) Diese Aufforderung ist zu eigenen Handen zuzustellen.“

Die §§ 2 Z 1 bis 7, 4, 5, 11 Abs. 1, 21 und 26 Abs. 1 ZustG lauten samt Überschriften:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1. “Empfänger”: die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll;

„Stellung des Zustellers

§ 4. Wer mit der Zustellung betraut ist (Zusteller), handelt hinsichtlich der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Zustellung als Organ der Behörde, deren Dokument zugestellt werden soll.“

„Zustellverfügung

§ 5. Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.“

„Besondere Fälle der Zustellung

§ 11. (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.“

„Zustellung zu eigenen Handen

§ 21. Dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Dokumente dürfen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.“

„Zustellung ohne Zustellnachweis

§ 26. (1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.“

Art. 10 Abs. 1 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen lautet samt Überschrift:

„Zustellungen

Artikel 10

(1) Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 werden unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig” und „Rückschein” zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstücks nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

a) Hinsichtlich des Auskunftsrechts

Der Beschwerde vom 29. März 2012 war keine Kopie eines schriftlichen Auskunftsbegehrens angeschlossen. Gemäß § 31 Abs. 4 DSG 2000 gehört diese Urkundenvorlage zwingend zu den einer Beschwerde anzuschließenden Beilagen. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers war überhaupt unklar, ob er jemals ein schriftliches Auskunftsbegehren an die Beschwerdegegnerin gerichtet hat.

Auf den ihm zugestellten Mangelbehebungsauftrag der Datenschutzkommission, in dem auf die möglichen Rechtsfolgen aufmerksam gemacht worden ist, hat der Beschwerdeführer nicht reagiert.

Die Beschwerde war daher hinsichtlich der behaupteten Verletzung im Recht auf Auskunft über eigene Daten gemäß § 13 Abs. 3 AVG spruchgemäß zurückzuweisen.

b) Hinsichtlich des Geheimhaltungsrechts

Die Beschwerde hat sich insoweit als nicht berechtigt erwiesen.

Im Beschwerdefall hat die Beschwerdegegnerin nicht-sensible Daten des Beschwerdeführers, nämlich Vorname, Familien- /Nachname, Zustelladresse und Geburtsdatum für Zwecke eines Zustellvorgangs (Adressierung, Ausdruck und Kuvertierung) automationsunterstützt verwendet.

Eine ausdrückliche Ermächtigung zur Verwendung des Geburtsdatums für diesen Zweck besteht nicht, sodass erwogen werden muss, ob überwiegende berechtigte Interessen der Beschwerdegegnerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 DSG 2000 den Eingriff in diesem speziellen Fall gerechtfertigt haben.

Es besteht eine langjährige Spruchpraxis der Datenschutzkommission, wonach bei Zustellung behördlicher Erledigungen die Beifügung des Geburtsdatums zur Adressierung gerechtfertigt sein kann. In einer in jüngerer Zeit bei ähnlicher Fallkonstellation ergangenen Entscheidung heißt es dazu:

„Die Datenschutzkommission vertritt in ständiger und langjähriger Entscheidungspraxis die Auffassung, dass die Verwendung des Geburtsdatums auf amtlichen Schriftstücken zur eindeutigen Identifikation des Adressaten dann gerechtfertigt ist, wenn aus der fehlerhaften Identifikation des Empfängers besondere Nachteile entstehen könnten, wie etwa dadurch, dass bei Zustellung des amtlichen Schriftstücks an die falsche Person sensible Daten des eigentlichen Adressaten einem Dritten rechtswidrigerweise zur Kenntnis gelangen könnten (K120.794/007-DSK/2002 vom 3. Dezember 2002, abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes http://www.ris.bka.gv.at/dsk/, mwH), bspw. wenn an der Abgabestelle mehrere Personen mit gleichem Namen, aber unterschiedlichen Geburtsdaten leben.

Da der Beschwerdegegner als zustellende Behörde nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes zur „Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe“ gemäß §§ 21f AVG verpflichtet war, den Beschwerdeführer als Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und nicht in jedem Fall nachprüfen kann, ob konkret an der Abgabestelle namensgleiche Personen wohnhaft sind, verletzte die Verwendung des Geburtsdatums in der Adressierung zwecks eindeutiger Identifikation des Empfängers diesen daher nicht in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten, da der vorgenommene Eingriff in sein Geheimhaltungsrecht leichter wiegt als die Gefahr, die im Fall eines Zustellfehlers seinem Interesse an der Geheimhaltung verwaltungsstrafrechtlicher Vorwürfe gedroht hätte. Strafrechtliche Vorwürfe sind zwar keine sensiblen Daten im Sinne des Gesetzes, durch ihre Einordnung unter die Sonderregel des § 8 Abs. 4 DSG 2000 im Hinblick auf das Geheimhaltungsinteresse jedoch klar „sensibler“ als das bloße Geburtsdatum.“ (Bescheid der Datenschutzkommission vom 17. Dezember 2010, K121.636/0010-DSK/2010, RIS)

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass die Beschwerdegegnerin die hier verfahrensrechtlich geltenden Vorschriften für die Zustellung nicht beachtet hat.

Der gesetzmäßig vorgezeichnete Weg für die nachweisliche, physische Zustellung eines Behördendokuments zu eigenen Handen des genau bezeichneten Empfängers ist bei Zustellungen in Deutschland gemäß § 11 Abs. 1 ZustG iVm Art. 10 Abs. 1 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen der eingeschriebene, eigenhändig zuzustellende Rückscheinbrief.

Eine Aufforderung zur Rechtfertigung ist gemäß § 42 Abs. 2 VStG zwingend eigenhändig zuzustellen.

Mit der eigenhändigen Zustellung erfolgt auch die Identitätsprüfung durch den Zusteller der, jedenfalls bei inländischen Zustellungen, dabei als Hilfsorgan der Behörde tätig wird, was einen zusätzlichen Schutz im Sinne der Geheimhaltungsinteressen des Empfängers bedeutet.

Aber auch bei der hier von der Beschwerdegegnerin gewählten Zustellmethode überwiegt das Interesse am Schutz der Geheimhaltung des Inhalts einer Briefsendung das Interesse an der Geheimhaltung des Geburtsdatums vor den am Zustellvorgang beteiligten Personen (insbesondere Mitarbeitern von Postunternehmen). Die Praxis des behördlichen Zustellwesens, nicht nur der Verwaltung (z.B. im Bereich des Verwaltungsstrafwesens) sondern auch der Gerichtsbarkeit (z.B. Im Strafprozess oder bei der Zustellung von familienrechtlichen Dokumenten, etwa Vaterschaftsklagen), hat immer wieder Fälle aufgezeigt, in denen eine Verwechslung namensgleicher Personen (etwa Vater und Sohn, wohnhaft im selben Haushalt) einen besonders schwerwiegenden Eingriff in persönliche Geheimhaltungsinteressen bilden kann. Dies gilt nicht nur für den Zustellvorgang selbst sondern auch für die weitere Gebarung mit dem Zustellstück innerhalb des Haushalts (in der „Sphäre“ des Empfängers), etwa der irrtümlichen Öffnung eines Kuverts durch einen Nicht-Empfänger.

§ 5 ZustG sieht überdies die eindeutige Bezeichnung des Empfängers vor und schließt für diesen Zweck die Verwendung des Geburtsdatums zur Identifizierung des Empfängers jedenfalls nicht aus. Dies wird auch durch die einschlägigen Erläuterungen zu § 5 ZustG untermauert. Die Bestimmung, dass die Identität des Empfängers möglichst eindeutig zu bezeichnen ist, hat in dieser Form erstmals durch BGBl. I Nr. 10/2004 in das ZustG Eingang gefunden.

In den EB GP XXII, RV 252 zu § 5 ZustG idF BGBl. I Nr. 10/2004 ist zu lesen:

„Durch diese Regelung soll die Verantwortung zwischen Behörde und Zustelldienst klar abgegrenzt werden. Die Zustellverfügung ist kein förmlicher Akt und insbesondere kein Bescheid. Auch § 18 Abs. 3 AVG schafft für den Empfänger keinen subjektiven Rechtsanspruch auf die Übermittlung von Mitteilungen der Behörde in einer bestimmten Form; dies gilt sowohl für die Frage, ob überhaupt eine Zustellung erforderlich ist oder etwa eine telefonische Mitteilung genügt, als auch hinsichtlich der unterschiedlichen Arten der Zustellung.

[…]

Das Erfordernis einer möglichst eindeutigen Bezeichnung des Empfängers soll eine ausdrücklichere Rechtsgrundlage als bisher dafür schaffen, dass in manchen Fällen das Geburtsdatum als Identifikationsdatum des Empfängers in der Adressierung angeführt wird. Die Datenschutzkommission hat mehrfach entschieden, dass dies dann zulässig ist, wenn nach dem Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks (z.B. ein Strafbescheid) die eindeutige Bezeichnung des Empfängers besonders wichtig ist.

...“

Die Beschwerde war daher in der Frage des Geheimhaltungsrechts als unbegründet abzuweisen.

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