K121.390/0001-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. BLAHA, Dr. KOTSCHY, Dr. HEISSENBERGER und Mag. HEILEGGER sowie der Schriftführerin Mag. FRITZ in ihrer Sitzung vom 21. Januar 2009 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Markus K*** (Beschwerdeführer) aus N***, vertreten durch Dr. Dietrich V***, Rechtsanwalt in **** N***, vom 26. Mai 2008 gegen die Bundespolizeidirektion Wien (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Löschung infolge Weigerung der Beschwerdegegnerin, das Löschungsbegehren vom 22. März 2008 hinsichtlich der Verfahrensdokumentation und der Erhebungsakten zu erfüllen, wird entschieden:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Rechtsgrundlagen: §§ 6 Abs. 1 Z 5, 8 Abs. 4 Z 1 und 2, 27 Abs. 1 sowie 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF in Verbindung mit § 13 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde vom 26. Mai 2008 eine Verletzung im Recht auf Löschung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin sein Löschungsbegehren vom 22. März 2008 betreffend „sämtliche (automationsunterstützt oder nicht automationsunterstützt) verarbeitete Daten“ abgelehnt habe. Gegen ihn sei 2007 ein kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der pornografischen Darstellung Minderjähriger (§ 207a StGB) und des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen (§ 207b StGB) durchgeführt worden. Er sei als Beschuldigter verhört worden, die gegen ihn erstattete Strafanzeige habe die Staatsanwaltschaft Wien jedoch im September 2007 zurückgelegt. Die über dieses Verfahren verarbeiteten Daten (- es bestehe kein reiner Papierakt, sondern ein Akt in elektronischer Form, auf den die Rechtsprechung zu Papierakten nicht anzuwenden sei -) würden nicht mehr benötigt und wären daher zu löschen.
Die Beschwerdegegnerin brachte in ihrer Stellungnahme vom 17. Juni 2008, GZ: P3/12***3/2/2008, unter Anschluss einer (Akten ) Kopie und einer Reihe von Ausdrucken vor, die Verweigerung der Löschung sei rechtskonform erfolgt. Es sei tatsächlich zur Zl. B1/9***87/2007 von Dienststellen der Beschwerdegegnerin ein Ermittlungsverfahren wegen der angegebenen Verdachtsdelikte durchgeführt und eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien) erstattet worden. Am 26. September 2007 sei die Beschwerdegegnerin zu GZ: 1* St *2/07d-8 von der StA Wien verständig worden, dass die Strafanzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt worden sei. Daraufhin sei unverzüglich die Löschung der Daten des Beschwerdeführers im Kriminalpolizeilichen Aktenindex im EKIS veranlasst worden. Daten des Beschwerdeführers wären in einem unstrukturierten Kopienakt, der nicht dem Löschungsrecht unterliege, sowie im EDV-System mit der Bezeichnung „PAD“ enthalten, das nach Zweck und Umfang der Standardanwendung SA 029 Aktenverwaltung – Büroautomation entspreche. Die Protokolldaten des Verfahrens würden der Wiederauffindbarkeit des Kopienaktes und der Nachvollziehbarkeit des Aktenlaufes dienen. Diese Daten müssten bis zur Skartierung (physischen Vernichtung) des Kopienaktes nach zehn Jahren gespeichert bleiben. Es sei richtig, dass das System PAD das Einscannen von Dokumenten und den elektronischen Versand von Erledigungen umfasse. Entsprechende Aktenstücke würden aber häufig mehrere Personen betreffen und hätten Dokumentationscharakter, der durch die nachträgliche Veränderung der Schriftstücke (etwa die selektive Löschung bestimmter Namen) ad absurdum geführt würde. All diese Daten würden gestützt auf § 13 SPG verarbeitet, und das Löschungsrecht gemäß § 63 SPG sei auf diesen Fall nicht anzuwenden.
Nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens brachte der Beschwerdeführer (Stellungnahme vom 15. Juli 2008) vor, die Daten betreffend das Ermittlungsverfahren würden nicht mehr benötigt, da sich seine Unschuld erwiesen habe. Die verarbeiteten Daten seien hingegen geeignet, nach wie vor den Verdacht zu erwecken, er habe die ihm zur Last gelegten Straftaten doch begangen. Überdies sei das kriminalpolizeiliche Ermittlungsverfahren auch im Gerichtsakt dokumentiert. Weiters seien die verarbeiteten Daten wegen des Bezugs zu seinem Sexualleben sensibel.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin verpflichtet war, sämtliche von ihr über den Beschwerdeführer verarbeitete Daten (einschließlich von Papierakten) zu löschen.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer geriet am 21. April 2004 unter Verdacht, die Vergehen nach § 207a Abs. 1 oder 3 StGB (Pornographische Darstellungen Minderjähriger) und § 207b Abs. 3 StGB (Sexueller Missbrauch von Jugendlichen) begangen zu haben. Die Bundespolizeidirektion Wien (Landespolizeikommando Wien, Landeskriminalamt, Kriminalkommissariat M***) leitete zu Zl. B1/9***87/2007 ein Ermittlungsverfahren (im Sinne der damals geltenden Terminologie: sicherheitsbehördliche Vorerhebungen im Dienste der Strafjustiz) gegen den Beschwerdeführer ein und erstattete, datiert mit 21. April 2007, zur angeführten Zahl Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer an die Staatsanwaltschaft Wien. Nach weiteren Ermittlungsschritten teilte die StA Wien der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 29. September 2007, GZ: 1* St *2/07d-8, mit, die Strafanzeige sei gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt bzw. das Verfahren eingestellt worden, dies mit dem Beisatz „aus Beweisgründen“.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem gesamten Inhalt des der Datenschutzkommission (Beilage 1 zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 17. Juni 2008, GZ: P3/12***3/2/2008) in Kopie vorliegenden Ermittlungsaktes.
Bei der Beschwerdegegnerin wird zur Aktendokumentation das EDV-System mit der technischen Bezeichnung „PAD“ (Abkürzung für „Protokollieren-Anzeigen-Daten“) in der Version 2.0 verwendet. Die Eintragungen im Kanzleiindexteil des PAD betreffen zunächst „äußere“ Verfahrensdaten wie Identitäts-, Adress- und Kontaktdaten sowie Daten zum Verfahrensgegenstand, wie Sachverhalt („Kurzsachverhalt“), Rolle des Betroffenen, Tatverdacht, befasste Behörden und allenfalls Verfahrensausgang - hinsichtlich des Beschwerdeführers sind Angaben zu den meisten der angeführten Datenarten im Zusammenhang mit dem oben zitierten kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren vorhanden. Darüber hinaus können in der seit Ende 2007 bei der Beschwerdegegnerin verwendeten Version 2.0. des PAD auch Volltexte elektronisch gespeichert werden; hinsichtlich des Beschwerdeführers sind Aktenstücke zu dem genannten Ermittlungsverfahren elektronisch gespeichert.
Parallel zu den in den „Allgemeinen Protokolle“ gespeicherten Daten existiert auch ein behördenüblicher, nicht besonders strukturierter Papierakt mit Schriftgut wie Anzeige, Personalblatt und Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers, Ausdrucke der für die Kriminalstatistik erfassten Falldaten etc. Teilweise sind PAD-Dokumentation und Kopienakt identisch, der Kopienakt ist jedenfalls umfangreicher.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich hinsichtlich der Inhalte und Funktionen des PAD auf amtsbekannte Tatsachen (siehe etwa den Bescheid der Datenschutzkommission vom 26. September 2008, GZ. K121.377/0008-DSK/2008), hinsichtlich der im vorliegenden Fall vorhandenen Daten auf die Beilage 2 zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 17. Juni 2008, GZ: P3/12***3/2/2008 bzw. hinsichtlich der mit Hilfe des PAD dokumentierten Schriftstücke auf das glaubwürdige Vorbringen der Beschwerdegegnerin in der bereits mehrfach zitierten Stellungnahme und die dazu vorgelegten Ausdrucke, Beilage 3 zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 17. Juni 2008, GZ: P3/12***3/2/2008. Der Kopienakt (Beilage 1) unterscheidet sich von den PAD-Ausdrucken etwa durch eigenhändige Unterschriften und Paraphen sowie erkennbar nachträglich angebrachte Stampiglien und handschriftliche Vermerke.
Der Beschwerdeführer richtete am 22. März 2008 ein Löschungsbegehren an die Beschwerdegegnerin. Darin verlangte er (A = Antragsteller), „sämtliche zur Person des A im Zusammenhang mit dem o.a. sicherheitsbehördlichen Ermittlungen (automationsunterstützt oder nicht automationsunterstützt) verarbeitete Daten, insb. im KPA, in den Allgemeinen Protokollen und in den entsprechenden Erhebungsakten zu löschen und den A, zu Handen des ausgewiesenen Vertreters, hievon zu verständigen.“
Mit Erledigung vom 8. Mai 2008, AZ: 12***3/1/2008, wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass mit diesem Stichtag keine Daten in den in Frage kommenden Datenanwendungen (v.a. KPA) verarbeitet würden, weshalb auch keine Löschung erfolgen könne. Die Erhebungsakten selbst seien keine Datenanwendungen und unterlägen nicht dem Löschungsrecht.
Die Daten der Allgemeinen Protokolle würden für Zwecke der Wiederauffindung der Aktenkopie und der Dokumentation behördlichen Handelns „jedenfalls auf Dauer der Aufbewahrung der Aktenkopie (5 Jahre) noch benötigt.“
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der zitierten Urkunden, die der Datenschutzkommission in Kopie vorliegen (Beilagen zur Beschwerde).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
§ 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundsätze“:
„ § 6 . (1) Daten dürfen nur
§ 8 Abs. 4 Z 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nichtsensibler Daten“:
„(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn
§ 27 Abs. 1 DSG 2000 lauten unter der Überschrift „Recht auf Richtigstellung oder Löschung“:
„ § 27 . (1) Jeder Auftraggeber hat unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar
§ 31 Abs. 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Beschwerde an die Datenschutzkommission“:
„(2) Zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung nach diesem Bundesgesetz ist die Datenschutzkommission dann zuständig, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, der nicht als Organ der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit tätig ist.“
§ 13 SPG idF BGBl. I Nr. 151/2004 lautet unter der Überschrift „Kanzleiordnung“:
„§ 13. (1) Die formale Behandlung der von den Sicherheitsdirektionen, den Bundespolizeidirektionen und den Polizeikommanden (§ 10) zu besorgenden Geschäfte ist vom Bundesminister für Inneres jeweils in einer einheitlichen Kanzleiordnung festzulegen. Für die Bundespolizeidirektion Wien können, soweit dies wegen der Größe dieser Behörde erforderlich ist, Abweichungen von der sonst für die Bundespolizeidirektionen geltenden Kanzleiordnung vorgesehen werden.
(2) Der Bundesminister für Inneres, die Sicherheitsdirektionen, Bundespolizeidirektionen und Polizeikommanden sind ermächtigt, sich bei der Wahrnehmung gesetzlich übertragener Aufgaben für die Dokumentation von Amtshandlungen und die Verwaltung von Dienststücken der automationsunterstützten Datenverarbeitung zu bedienen. Zu diesen Zwecken dürfen sie Daten über natürliche und juristische Personen sowie Sachen verwenden, auf die sich der zu protokollierende Vorgang bezieht, wie insbesondere Datum, Zeit und Ort, Fahrzeugdaten, Betreff und Aktenzeichen samt Bearbeitungs- und Ablagevermerken sowie Namen, Rolle des Betroffenen, Geschlecht, frühere Namen, Aliasdaten, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnanschrift und andere zur Erreichbarkeit des Menschen dienende Daten. Soweit es erforderlich ist, dürfen auch sensible Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000) sowie Daten im Sinne des § 8 Abs. 4 DSG 2000 verwendet werden. Die Auswählbarkeit von Daten aus der Gesamtmenge der gespeicherten Daten nur nach dem Namen und nach sensiblen Daten darf nicht vorgesehen sein, vielmehr ist für die Auswahl ein auf den protokollierten Sachverhalt bezogenes weiteres Datum anzugeben.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Die Verweigerung der Löschung betrifft angesichts des erhobenen Sachverhalts nunmehr einen Papierakt („Kopienakt“), einen inhaltlich damit weitgehend identen, elektronisch im PAD 2.0 gespeicherten Text (Akt) und die im Kanzleiindexteil des PAD enthaltenen „äußeren“ Verfahrensdaten, die der Auffindung der Akten dienen. Dass die Daten des Beschwerdeführers in den übrigen Datensammlungen des Innenressorts bereits gelöscht wurden, hat auch der Beschwerdeführer nicht bestritten.
A. Papierakt (Ermittlungs-, Erhebungs-, Kopienakt)
Die Frage, ob herkömmliche Papierakten, die aus einem Konvolut schriftlicher Unterlagen bestehen, die nicht besondere Dateiqualität aufweisen, dem datenschutzrechtlichen subjektiven Recht auf Löschung unterliegen (§§ 1 Abs. 3 Z 2, 27 DSG 2000), wurde inzwischen von beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts beantwortet. Laut Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2004/06/0086) wie Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis vom 15. Dezember 2005, Zl. B 1590/03) genügt ein Akt oder Aktenkonvolut bzw. ein nicht personenbezogen strukturierter Papierakt den gesetzlichen Anforderungen an eine Datei gemäß § 4 Z 6 DSG 2000 nicht und kann daher auf Grundlage datenschutzrechtlicher Bestimmungen, insbesondere des § 27 DSG 2000, keine „Löschung“ des Aktes oder darin enthaltener Angaben zu Personen verlangt werden.
Da die Sachverhaltsfeststellungen zu dem Schluss geführt haben, dass in Form des Kopienaktes kein besonders strukturierter Papierakt mit Dateiqualität vorliegt, kommt der Beschwerde in Bezug auf diesen bzw. auf den „Erhebungsakt“ (Bezeichnung des Beschwerdeführers) keine Berechtigung zu.
B. Daten der Datenanwendung „Allgemeine Protokolle der BPD Wien“ ( „PAD“)
1) Die Frage, wann Daten des PAD (spätestens) zu löschen sind, stellt sich nach Meinung der Datenschutzkommission in identer Weise für die „äußeren“ Verfahrensdaten wie für die im PAD 2.0. auch enthaltenen elektronischen Textdokumente. Die folgenden Erwägungen beziehen sich daher gleichermaßen auf alle Eintragungen über den Beschwerdeführer im PAD-System der Beschwerdegegnerin.
2) Der Beschwerdeführer hat die Löschung aller Daten über die seinerzeit gegen ihn eingeleiteten kriminalpolizeilichen Untersuchungen mit der Begründung verlangt, dass
a) Zur Maßgeblichkeit der „Sensibilität“ strafrelevanter Daten für die Verpflichtung zu ihrer Löschung:
Aus dem bloßen Umstand, dass bei kriminalpolizeilichen Ermittlungen über Sexualstraftaten unvermeidlicherweise Daten über das Sexualverhalten von Menschen verwendet werden, kann nicht gefolgert werden, dass andere Löschungsverpflichtungen als bei der Speicherung von Daten über andere Straftatbestände gelten: Unabhängig davon, dass Daten über das Sexualverhalten „sensible Daten“ im Sinne des § 4 Z 2 DSG 2000 sind, findet auf Daten über Straftatbestände - und damit auch auf Sexual straftatbestände - nicht § 9 DSG 2000, sondern ausschließlich § 8 Abs. 4 DSG 2000 Anwendung, der keine grundsätzlichen Unterschiede hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Behandlung von Straftatbeständen aus dem Blickwinkel einer allfälligen unterschiedlichen „Sensibilität“ vorsieht. Die Frage, ob § 9 im Verhältnis zu § 8 Abs. 4 als speziellere – und damit vorrangige – Norm anzusehen ist, oder umgekehrt § 8 Abs. 4 als lex specialis zu § 9, ist zugunsten der Spezialität von § 8 Abs. 4 zu beantworten. Dies ist die Konsequenz der diesbezüglichen Regelungen im Art. 8 der Datenschutz-RL 95/46/EG, zu welchen etwa Dammann-Simitis , EG-Datenschutzrichtlinie, Kommentar (1997), RZ 22 zu Art. 8 klarstellend ausführen: „Für die Verarbeitung von Daten über Straftaten enthält Abs. 5 eine selbständige [ Sperrung im Originaltext ] Regelung. Sie steht systematisch neben den Regelungen der Absätze 1 bis 4“. (Vgl. hiezu weiters ausführlich Kotschy , „Datenschutzrechtliche Rechtsfragen der Videoüberwachung“ in: Bammer/Holzinger/Vogl/Wenda (Hrsg), Rechtsschutz gestern – heute – morgen (2008), 264 f). Es liegt auch auf der Hand, dass es an der sachlichen Angemessenheit fehlen würde, wenn bei der kriminalpolizeilichen Datenverwendung Daten über den Verdacht der Begehung eines Sexualdeliktes datenschutzrechtlich strenger geschützt wären als etwa Daten über einen Mordverdacht.
Daraus folgt, dass Erwägungen zur Frage der Löschungspflicht für Daten aus kriminalpolizeilichen Ermittlungen nach Verfahrensabschluss nicht sinnvoll auf Ermittlungsverfahren über Sexualdelikte beschränkt werden können, sondern mit Gültigkeit für alle Straftatbestände gleichermaßen angestellt werden müssen.
Dieser Rechtsauffassung können die höchstgerichtlichen Erkenntnisse, die sich in den letzten Jahren mit der Frage der Pflicht zur Löschung von Aufzeichnungen über kriminalpolizeiliche Ermittlungen hinsichtlich von sexualstrafrechtlichen Sachverhalten beschäftigt haben, nicht entgegengehalten werden, da sie eine Verpflichtung zur Löschung bisher nur im Zusammenhang mit der völlig außergewöhnlichen Situation ausgesprochen haben, dass ein zunächst strafbarer Tatbestand (§ 209 StGB) in der Folge straflos gestellt wurde, da in der Strafbarkeit ein Verstoß gegen Grundrechte zu erblicken war . So führt etwa der VwGH in seiner jüngsten Entscheidung Zl 2005/06/0301-5 v. 25. Nov. 2008 zur Begründung der Löschungspflicht Folgendes aus:
„Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 2005, Zl. 2005/06/0140, VwSlg. 16.779/A, zu Protokollbucheintragungen, die – ähnlich wie im vorliegenden Fall – sensible Daten enthielten, ausgesprochen, vor dem Hintergrund, dass der Straftatbestand, wegen dessen Erfüllung der Beschwerdeführer für schuldig befunden worden war, wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden war, und eben wegen dieser strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ein verurteilendes Erkenntnis des EGMR ergangen ist, bei der gegebenen (dem gegenständlichen Fall vergleichbaren ) Verfahrenslage erschienen aus dem Blickwinkel des im Datenschutz bestehenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Argumente, die für eine Löschung sprechen, gewichtiger, als die Gründe, auf welche die belangte Behörde den von ihr angesprochenen Dokumentationszweck gestützt hat. Daher kommt die Löschung (Schwärzung) des Namens des Beschwerdeführers in der entsprechenden Eintragung in Betracht“.
Im selben Sinne rückt der VfGH in seinem jüngsten Erkenntnis zur vorliegenden Problematik, B295/05 v. 14.12. 2007, ebenfalls die Verfassungswidrigkeit des ehemaligen § 209 StGB als Grund für die von ihm festgestellte Löschungsverpflichtung in den Vordergrund:
„ 2.3.1. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 21.6.2002, VfSlg. 16.565, wurde §209 StGB – unter Fristsetzung - als verfassungswidrig aufgehoben. Mit dem nachfolgenden, am 14.8.2002 in Kraft getretenen Entfall des §209 StGB durch das StrafrechtsänderungsG 2002, BGBl. I 134, sind die sensiblen
personenbezogenen Daten betreffend Anzeigen nach §209 StGB - mögen sie nun zu Freisprüchen oder Verurteilungen geführt haben - in Protokollbüchern und Steckzetteln (Indexkarteien) nicht mehr nötig. Sie sind daher zu löschen.“
Die Annahme einer Löschungsverpflichtung bzw. Anonymisierungsverpflichtung für Verfahrensdaten kann somit auf der alleinigen Grundlage dieser Erkenntnisse nicht verallgemeinernd auf alle Fälle der Dokumentation von kriminalpolizeilichen Ermittlungen ausgedehnt werden.
b) Zur Zulässigkeit der Speicherung von Verfahrensdaten nach Verfahrensbeendigung durch Einstellung:
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass nach Einstellung kriminalpolizeilicher Ermittlungen die weitere Speicherung von Verfahrensdaten für ihren Ermittlungszweck erforderlich sei, „da seine Unschuld nunmehr erwiesen sei“, und schließt daraus eine generelle Löschungsverpflichtung betr. alle aktenmäßigen Aufzeichnungen samt Aktensuchbehelfen über diese Ermittlungen; dies umso mehr als aus der weiteren Datenspeicherung Gefahr für die Vermutung seiner Unschuld drohe.
Die Suche nach gesetzlichen Regelungen über die zulässige Dauer der Aktenspeicherung führt im vorliegenden Fall zunächst zur StPO, da die beschwerdegegenständlichen Daten für Zwecke der Kriminalpolizei ermittelt wurden: Die §§ 95 – 97 StPO bringen unter der Überschrift „Protokollierung“ Regelungen betr. die Pflicht und Art und Weise der Dokumentation von „bedeutsamen Vorgängen“ im Verfahrensverlauf; darunter finden sich aber keine Anordnungen hinsichtlich der zulässigen Dauer der Aufbewahrung des Dokumentationsmaterials. Weiters enthält § 18 StPO unter der Überschrift „Kriminalpolizei“ in seinem Abs. 2 die Vorschrift, dass „die Kriminalpolizei den Sicherheitsbehörden (obliegt), deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung richtet“. Die „Organisation der Sicherheitsverwaltung“ ist im 2. Hauptstück des SPG (§§ 2 – 15c) geregelt. Dort finden sich in § 13 Regelungen über das Kanzleiwesen bei den Sicherheitsbehörden, Bundespolizeidirektionen und Polizeikommanden, die im Wege des § 18 StPO im vorliegenden Fall kriminalpolizeilicher Ermittlungen Anwendung zu finden haben. Hinsichtlich der erlaubten Dauer der Aufbewahrung von Daten in Akten und Kanzleisuchbehelfen enthält jedoch auch § 13 keine besondere Regelung.
Die §§ 51 ff des SPG (insbes. § 63 SPG) können im vorliegenden Fall keine Anwendung finden, da sie nur die Verwendung von Daten für sicherheitspolizeiliche Zwecke, nicht aber für kriminalpolizeiliche Zwecke betreffen.
Hinsichtlich des § 13 SPG vertritt der VfGH in nunmehr ständiger Judikatur (vgl. die Erk. B1158/03, B1590/03, B3517/05 u.a.m.) die Rechtsansicht, dass „die Verarbeitung personenbezogener Daten über Personen, auf die sich sicherheitspolizeiliche Maßnahmen beziehen, nicht dem inneren Dienst zugerechnet werden können, soweit damit deren Rechtsposition gestaltet wird.
Es sind damit die Regelungen des Sicherheitspolizeigesetzes über das Verwenden personenbezogener Daten anzuwenden“. Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar um kriminalpolizeiliche Daten, sodass das Sicherheitspolizeigesetz schon deshalb – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Organisation und örtliche Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden (vgl. § 18 Abs. 1 StPO ) - nicht zur Anwendung kommen kann, doch ist aus dem Verbot der Zurechnung von Aufzeichnungen von personenbezogenen Daten über Außenstehende zum „inneren Dienst“ zu folgern, dass Regelungen im Bereich der Aktenverwaltung, die die Rechtssphäre von Außenstehenden berühren, nicht durch interne Weisung mit rechtlicher Außenwirkung getroffen werden können, sondern nur durch gesetzliche Anordnung. Skartier- oder Kanzleiordnungen mit dem Charakter interner Organisationsvorschriften kommen daher als relevante Regelungen über die zulässige Speicherdauer von Akten/Aktensuchbehelfen nicht in Betracht.
Somit kann nur auf die allgemeinen Grundsätze des § 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 über die zulässige Speicherdauer von personenbezogenen Daten zurückgegriffen werden: Nach § 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 dürfen „Daten nur solange in personenbezogener Form aufbewahrt werden, als dies für die Erreichung der Zwecke, für die sie ermittelt wurden, erforderlich ist; eine längere Aufbewahrungsdauer kann sich aus besonderen gesetzlichen, insbesondere archivrechtlichen Vorschriften ergeben“.
Die Datenschutzkommission ist der Ansicht, dass es im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 einer „besonderen gesetzlichen Vorschrift“ über die Aufbewahrungsdauer jedoch im vorliegenden Fall nicht bedarf, da schon „die Erreichung der Zwecke, für die (die Daten) ermittelt wurden“ eine Aufbewahrung der Verfahrensdokumentation über die Verfahrensdauer hinaus erfordert.
Entscheidend ist hiebei, dass auch Verfahren, die zur Einstellung oder zum Freispruch geführt haben, unter Umständen nach ihrem Abschluss wieder eröffnet werden können (vgl. insbes. das XX. Hauptstück der StPO „Von der Wiederaufnahme und der Erneuerung des Strafverfahrens sowie der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ und auch das 10. Hauptstück über die „Einstellung, Abbrechung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens“). Schon dies setzt augenfällig voraus, dass eine Dokumentation über den bisherigen Verfahrensverlauf in jedem Fall auch nach dem Verfahrensabschluss noch vorhanden sein muss.
Auch würde die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach das bloße Vorhandensein von Verfahrensdokumentation die Geltung der Unschuldsvermutung für ihn gefährde – konsequent durchdacht – dazu führen müssen, dass nicht nur die Akten über kriminalpolizeiliche Ermittlungen bei den Sicherheitsbehörden, sondern auch alle Akten nach Einstellungen oder Freisprüchen bei den Strafgerichten umgehend zu vernichten wären. Damit ginge aber auch jeder Nachweis eines erfolgten Freispruchs verloren, was nicht im Interesse des Betroffenen sein kann. Diese Nachweisbarkeit der „Unschuld“ ist vom Zweck des Strafverfahrens mitumfasst, da hiebei ja nicht nur alles zu berücksichtigen ist, was die Schuld des Verdächtigen nachweisen könnte, sondern auch alles, was seine Unschuld beweist. Tatsache ist jedenfalls, dass eine Vorgangsweise, wonach etwa Gerichtsakten im Falle eines Freispruchs des Angeklagten sofort zu vernichten wären, der österreichischen Rechtspraxis völlig fremd ist.
Vielmehr ist es – ganz abgesehen von einer möglicherweise notwendigen neuerlichen Verfahrensdurchführung – für einen Rechtsstaat unerlässlich, dass Dokumentation über staatliches Handeln in Aktenform mindestens so lange vorhanden ist, als die unterschiedlichen, zur Prüfung der Rechtmäßigkeit außerhalb von Rechtsmittel- und fristgebundenen Beschwerdeverfahren berufenen Institutionen ihre Prüfkompetenz ausüben dürfen. Diese Aufbewahrung der Dokumentation über staatliches Handeln zum Zweck der Nachprüfbarkeit seiner Rechtmäßigkeit ist als vom „Zweck der Ermittlung“ mitgetragen anzusehen. Die Annahme einer Pflicht zur sofortigen Vernichtung der Verfahrensdokumentation nach Verfahrensbeendigung würde demgegenüber die Gefahr der Förderung von Rechtswillkür und Korruption in sich bergen, da Organwalter – und von ihnen begünstigte Außenstehende – die nachgängige Kontrolle von staatlichem Handeln auf seine Rechtmäßigkeit hin in weit geringerem Maße fürchten müssten als bisher. Gerade im Zusammenhang mit kriminalpolizeilichen Ermittlungen ist aber die nachgängige Überprüfbarkeit der Vorgangsweise der kriminalpolizeilichen Organwalter für die Effektivität eines Rechtsstaates von besonderer Bedeutung.
Dass eine Pflicht zur Aufbewahrung von Akten auch nach Verfahrensbeendigung in der österreichischen Rechtsordnung ganz generell als selbstverständliches Erfordernis in einem Rechtsstaat vorausgesetzt wird, ergibt sich im Übrigen auch aus zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen. So wird etwa in den §§ 5 ff des Bundesarchivgesetzes, BGBl I Nr. 162/1999 idgF, auf die Skartierung von Akten ausdrücklich Bezug genommen, d.h. auf die Praxis, dass Akten während einer gewissen, mehrere Jahre dauernden „Skartierfrist“ jedenfalls aufzubewahren sind, und erst dann darüber entschieden wird, ob sie vernichtet oder infolge Archivwürdigkeit dem Staatsarchiv zur dauernden Aufbewahrung übergeben werden. Auch sämtliche gesetzlichen Vorschriften über die nachprüfende Kontrolle des Verwaltungshandelns außerhalb von Rechtsmittel- oder fristgebundenen Beschwerdeverfahren, wie etwa die Tätigkeit der Volksanwaltschaft oder des Rechnungshofs – aber auch der Datenschutzkommission -, setzen voraus, dass Verfahrensdokumentation auch nach Abschluss von Verwaltungsverfahren für einen bestimmten Zeitraum noch vorhanden ist.
Zur Forderung des VfGH (vgl. z.B. Erk. B1581/03 v. 26.1.06 oder B1590/03 v. 15.12.2005), dass speziell im Hinblick auf Akten-Suchhilfen zu begründen wäre, wieso nicht mit nichtpersonenbezogenen Dokumentationssuchhilfen das Auslangen gefunden werden könne (- und zumindest in den Suchbehelfen der Personenbezug „gelöscht“ werden könnte -), ist zu bemerken, dass gerade im Bereich der beschwerdegegenständlichen, d.h. auf § 13 SPG gegründeten Dokumentationshilfen eine Beschränkung des Personenbezugs ohnehin verwirklicht ist, indem im PAD (- gleichgültig welcher Version -) die Möglichkeit eines Zugriffs nur mit Hilfe eines Namens nicht existiert. § 13 Abs. 2 letzter Satz SPG verbietet ausdrücklich die Auswählbarkeit von Daten aus der Gesamtmenge der gespeicherten Daten nur nach dem Namen. Der PAD kann somit nicht in gleicher Weise wie etwa der kriminalpolizeiliche Aktenindex zur Überblicksgewinnung über frühere Fälle eines Verdachtes gegen eine bestimmte Person verwendet werden.
D. Die vorstehenden Erwägungen über die Erforderlichkeit der Aufbewahrung von Verfahrensakten stehen nur scheinbar im Widerspruch zu dem Anliegen des Beschwerdeführers:
Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass die Aufbewahrung von Verfahrensakten und der diesbezüglichen kanzleimäßigen Suchhilfen nach Verfahrensbeendigung „nicht mehr erforderlich“ sei, sobald sich die Unschuld eines Verdächtigten herausgestellt habe, wird von ihm allein aus einem einzigen Aspekt erhoben, nämlich jenem der Angst vor der Präjudizierung künftiger Meinungsbildung über seine Person durch allfälligen Rückgriff (von Polizeiorganen) auf die bereits bestehende Verfahrensdokumentation im Falle der Untersuchung später eingetretener, neuer Sachverhalte. Tatsächlich sind derartige Befürchtungen nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Die besondere Eingriffsintensität einer derartigen Verwendung von Daten in die Grundrechtssphäre des Betroffenen, insbesondere in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte, gebietet es, den „Zweck der Ermittlung“ nach § 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 bei strafrelevanten Daten eng zu ziehen und daher das Erheben von Daten zur Aufklärung eines bestimmten strafrelevanten Sachverhalts nicht gleichzusetzen mit dem generellen Zweck der Aufklärung von strafrelevanten Sachverhalten schlechthin.
Das Anliegen des Beschwerdeführers betrifft daher im Kern die Weiterverwendung von Verfahrensdaten für einen neuen – vom ursprünglichen Ermittlungszweck verschiedenen – Zweck , nämlich die Aufklärung anderer strafrelevanter Sachverhalte: Was der Beschwerdeführer unterbinden will, ist die Heranziehung der Dokumentation über bestimmte frühere Ermittlungsergebnisse zur Informationsgewinnung im Hinblick auf spätere, neue Vorfälle, die denselben Beschuldigten betreffen – eine Verwendung, die im Folgenden als „Informationsrückgriff“ bezeichnet werden soll.
Dass es tatsächlich notwendig sein sollte, zur Vermeidung eines derartigen Informationsrückgriffs die Dokumentation der Verfahrensdaten nach Verfahrensbeendigung umgehend zu löschen und dabei in Kauf zu nehmen, dass dadurch die Möglichkeit einer Wiedereröffnung oder der nachprüfenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Verfahrens vereitelt wird, wird von der Datenschutzkommission bestritten: Gerade seitdem das Handeln staatlicher Organe nahezu ausschließlich elektronisch dokumentiert wird, ist jeder Zugriff auf Verfahrensdokumentationsdaten kontrollierbar. Eine vom Gesetz nicht vorgesehene Weiterverwendung kann daher mit vernünftigem technischem und organisatorischem Aufwand unterbunden werden, sodass die Löschung generell nicht mehr als der einzige verlässliche Weg zur Vermeidung einer unerwünschten Weiterverwendung von Daten angesehen werden kann.
E. Im Übrigen hat auch der VfGH ausschließlich im Zusammenhang mit Verfahren betr. den wegen Grundrechtswidrigkeit aufgehobenen § 209 StGB eine generelle Löschungsverpflichtung elektronischer Dokumentationsdaten ausgesprochen. Außerhalb des Problembereichs des aufgehobenen § 209 StGB hat der VfGH die Zulässigkeit der Aufbewahrung strafrelevanter Daten für Zwecke des späteren Informationsrückgriffs bei neuerlichen strafrechtlichen Ermittlungen nicht generell verneint, sondern jeweils an eine vorhergehende Prüfung im Einzelfall unter Vornahme einer Interessensabwägung gebunden (vgl. etwa VfSlg 16149).
Dass die bei der Beschwerdegegnerin noch vorhandene Dokumentation (Verfahrensakten und Kanzleiindex) von der Beschwerdegegnerin für den Zweck des Rückgriffs auf kriminalpolizeiliche Vorinformation über den Beschwerdeführer tatsächlich verwendet worden wäre und dadurch der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden wäre, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht behauptet. Die Frage, ob überhaupt und wenn ja, unter welchen Kautelen eine solche Weiterverwendung zulässig wäre, musste daher im vorliegenden Bescheid nicht abschließend beurteilt werden, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.