JudikaturDSB

K121.453/0003-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
20. März 2009

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. STAUDIGL, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER und Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER sowie der Schriftführerin Mag. FRITZ in ihrer Sitzung vom 20. März 2009 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Dr. Anton T*** (Beschwerdeführer) aus H*** vom 20. Oktober 2008 gegen die Bundespolizeidirektion Wien (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Löschung in Folge Ablehnung des Löschungsbegehrens vom 23. September 2008 wird entschieden:

- Die Beschwerde wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen : §§ 6 Abs. 1 Z 5, 8 Abs. 4 Z 1 und 2, 27 Abs. 1 und 3 sowie 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, in Verbindung mit § 13 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Parteien

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde vom 20. Oktober 2008 (bei der Datenschutzkommission eingelangt am 21. Oktober 2008, Mängel behoben mit Schreiben vom 31. Oktober 2008) eine Verletzung im Recht auf Löschung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin sich mit Schreiben vom 13. Oktober 2008, GZ: P3/14***/*3/2008, geweigert habe, ihn betreffende Daten (Dokumentation des kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens Zl. B1/15***3/07 im Protokollier-, Anzeige- und Datensystem [kurz: PAD]) zu löschen. Er verwies dazu auf Rechtsprechung des VfGH (Erkenntnis vom 7. März 2007, B 3517/05) und führte aus, er sei auf Grund einer unrichtigen Anzeige unter Verdacht einer Straftat geraten, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens habe aber nicht einmal für ein strafgerichtliches Hauptverfahren Anlass gegeben. Die Speicherung der Daten im PAD stelle eine Gefahr für sein Ansehen dar und lasse befürchten, er werde wiederum Objekt polizeilicher Ermittlungen werden, da im PAD jederzeit an Hand seines Namens eine Verbindung zwischen dem widerlegten Tatverdacht und seiner Person hergestellt werden könnte. Als **** in gesellschaftlich exponierter Stellung habe er überdies ein besonders hoch zu gewichtendes Interesse an der Wahrung seines Ansehens. Die Daten im PAD dienten zu Zwecken, die über das bloße Auffindbarmachen des Kopienaktes und die Dokumentation behördlichen Handelns (auf welche Zwecke sich die Beschwerdegegnerin berufen habe) hinausgingen.

Nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, er wende sich nicht vollständig gegen jede Dokumentation des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens (der Kopienakt, der an Hand der Aktenzahl auffindbar sei, genüge dem Zweck, das behördliche Handeln zu dokumentieren), sondern nur gegen die automationsunterstützte Verarbeitung seiner Daten im PAD. Das technische System PAD, das nur unzureichend gegen Missbrauch (etwa private Abfragen durch einzelne Polizeibeamte) gesichert sei, erlaube bei Suche an Hand des Namens und des Geburtsdatums das Auffinden von Daten zu jedweder Person, die mit einem kriminalpolizeilichen Verfahren der Beschwerdegegnerin in Zusammenhang stehe (gleich ob etwa als Anzeiger, Angezeigter oder Zeuge).

Die Beschwerdegegnerin brachte mit Stellungnahme vom 20. November 2008 vor, gegen den Beschwerdeführer sei ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Sexualstraftat geführt worden, das die Staatsanwaltschaft Wien aber aus Gründen der Beweislage gemäß § 90 Abs. 1 StPO eingestellt habe. Die Löschung der EKIS-Daten (KPA und erkennungsdienstliche Daten) des Beschwerdeführers sei veranlasst worden. Weiters sei auf Grund des Löschungsbegehrens eine Aktualisierung der PAD-Daten (Bezeichnung der Datenanwendung: „Allgemeine Protokolle der Bundespolizeidirektion Wien“) durch Ergänzung des Verfahrensausgangs veranlasst worden. Die Beschwerdegegnerin sei durch § 13 Abs. 2 SPG ermächtigt, für den Zweck der Dokumentation von Amtshandlungen und der Verwaltung von Dienststücken automationsunterstützt personenbezogene Daten (einschließlich sensibler Daten, soweit erforderlich) zu verarbeiten. Die Suche nach PAD-Daten sei entsprechend der zitierten Gesetzesbestimmung gestaltet, von einem „automatischen Aufscheinen“ sämtlicher Daten einer Person bei Abfrage nach Namen und Geburtsdatum könne nicht die Rede sein. Die „Allgemeinen Protokolle“ (PAD) hätten keinen Evidenzcharakter, hierfür seien die gesetzlich eingerichteten Evidenzen (KPA und Strafregister) vorgesehen. Die im PAD verwirklichte Aktendokumentation sei eine der Grundlagen des in der novellierten StPO vorgegebenen Informations- und Berichtsaustausches zwischen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei. Eine Löschung der Daten einzelner Personen aus Textdokumenten würde deren Dokumentationszweck ad absurdum führen. Durch eine Löschung der PAD-Dokumentation könnte die Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde ihrem gesetzlichen Auftrag, ihr Handeln zu dokumentieren und nachvollziehbar zu halten, nicht mehr nachkommen. Überdies könnte eine Einstellung eines Strafverfahrens aus Beweisgründen sicherheitspolizeilich relevant sein und sei interessenmäßig anders zu gewichten als etwa ein Freispruch wegen erwiesener Unschuld. Die Dokumentation der behördlichen Maßnahmen als Feststellung von Tatsachen sei jedenfalls weiterhin richtig. Die zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen hätten einen spezifischen Bezug zum als verfassungswidrig aufgehobenen früheren § 209 des StGB, würden jedoch Dokumentation von Ermittlungsverfahren betreffend andere Delikte (im Fall des Beschwerdeführers: §§ 107a und 201 StGB) nicht völlig ausschließen.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin verpflichtet war, sämtliche Daten des Beschwerdeführers aus der Dokumentation des zu Zl. B1/15***3/07 geführten kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens im Protokollier-, Anzeige- und Datensystem (kurz: PAD) zu löschen.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

1.1 Betreffend den Beschwerdeführer ist verfahrensgegenständlich ein kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren (im Sinne der früheren Praxis:

sicherheitsbehördliche Vorerhebungen im Dienste der Strafjustiz) aktenkundig. Das Verfahren zur Zl: B1/15***3/07 wegen Verdachts der beharrlichen Verfolgung (§ 107a StGB) und der Vergewaltigung (§ 201 StGB) wurde gemäß § 90 Abs. 1 StPO iVm § 2 StGB durch Zurücklegung der Strafanzeige des Landeskriminalamts Wien, Kriminalkommissariat G*** vom 29. Oktober 2007 durch die Staatsanwaltschaft Wien am 23. November 2007 beendet.

1.2 Dementsprechend findet sich zur erwähnten Geschäftszahl eine Eintragung in der Datenanwendung „Allgemeine Protokolle der Bundespolizeidirektion Wien“ (im Folgenden nach der technischen Systembezeichnung kurz: „PAD“). Das elektronische System „PAD“ ist ein Aktenprotokollierungssystem (Aktenindex), das in der neueren Version „PAD 2.0“ zusätzlich mit einem elektronischen Aktenbearbeitungs- und Aktenaufbewahrungssystem verbunden ist. Der nunmehr bei der Beschwerdegegnerin zum Einsatz kommende „PAD 2.0“ besteht somit aus einem „formalen“ Teil, der die „äußeren“ Verfahrensdaten der Geschäftsfallbehandlung (Identitäts-, Adress- und Kontaktdaten von Betroffenen sowie Daten zum Verfahrensgegenstand, wie Sachverhalt [„Kurzsachverhalt“], Rolle der Betroffenen, Tatverdacht, befasste Behörden und allenfalls Verfahrensausgang) enthält und einem „inhaltlichen“ Teil in Form von Aktentextdokumenten.

1.3 Im vorliegenden Fall sind „äußere“ Verfahrensdaten zum genannten Geschäftsfall gespeichert. Eine mit Hilfe des EDV-Systems PAD direkt erschließbare (abrufbare) elektronische Dokumentation von Volltexten der Verfahrensakten (Textdokumenten, Scans) besteht hinsichtlich dieses Ermittlungsverfahrens teilweise. Im PAD gespeichert sind der Aktenvermerk sowie die Niederschrift der Polizeiinspektion R***gasse vom 31. August 2007, GZ: B1/22***/2007 (das vermeintliche Tatopfer erstattete bei dieser Dienststelle Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer, zunächst wegen „beharrlicher Verfolgung“, gab während der niederschriftlichen Befragung jedoch an, vom Beschwerdeführer am 31. Mai 2006 in dessen Wohnung vergewaltigt worden zu sein, worauf die Sache dem nach dem angegebenen Tatort zuständigen Kriminalkommissariat G*** abgetreten wurde). Weiters die Niederschrift vom 18. Oktober 2007 über die Befragung der Anzeigerin durch Beamte des Kriminalkommissariats G*** (der Name der Frau ist in den der Datenschutzkommission vorliegenden Aktenausdrucken bzw. Kopien unleserlich gemacht), die Anfrage (betreffend Möglichkeit der Auswertung von Rufdaten des Polizeinotrufs 133 vom 31. Mai 2006), der Aktenvermerk vom 26. Oktober 2007 (Ergebnis der Rufdatenauswertung), die Auflistung von Beweisurkunden und Ausdrucken vom 22. Oktober 2007, der Aktenvermerk vom 25. September 2007, die Ermittlungsberichte vom 13. September und vom 26. Juli 2007, die Niederschrift über die Einvernahme der Anzeigerin vom 4. September 2007, die Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers vom 10. September 2007 (in Anwesenheit eines Rechtsanwalts als Verteidiger) sowie die Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Wien vom 29. Oktober 2007 (alle Aktenstücke des Kriminalkommissariats G*** zu Zl. B1/15***3/07) samt Verständigung von der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Wien (GZ: 1* St **2/07f-1 vom 23. November 2007).

1.4 Neben der PAD-Dokumentation besteht auch ein behördenüblicher Kopienakt (Papierakt) zur Dokumentation des Ermittlungsverfahrens.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich hinsichtlich der Inhalte und Funktionen des PAD auf amtsbekannte Tatsachen (siehe etwa den Bescheid der Datenschutzkommission vom 26. September 2008, GZ.:

K121.377/0008-DSK/2008), hinsichtlich der im vorliegenden Fall vorhandenen Daten auf die von der Beschwerdegegnerin mit Stellungnahme vom 20. November 2008, GZ: P3/14***/*4/2008, vorgelegten Aktenkopien und EDV-Ausdrucke (Beilage 2 und 3) sowie das glaubwürdige Vorbringen in der Stellungnahme selbst. Im Parteiengehör ist der Beschwerdeführer dem nicht entgegen getreten.

2.1 Der Beschwerdeführer richtete mit Schreiben vom 23. September 2008 ein Löschungsbegehren betreffend die PAD-Dokumentation an die Beschwerdegegnerin.

2.2 Mit Schreiben vom 13. Oktober 2008, AZ: P3/14***/*3/2008, hat die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass auf Grund des von ihm gestellten Löschungsbegehrens eine Löschung von Daten aus den Allgemeinen Protokollen (PAD) nicht vorgenommen wird. Als Gründe dafür wurden die Notwendigkeit der Dokumentation von Amtshandlungen sowie die Aktenverwaltung (Auffindbarkeit des Kopienaktes) angegeben.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf der Beschwerde und dem als Beilage dazu vorgelegten zitierten Ablehnungsschreiben der Beschwerdegegnerin.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

§ 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundsätze“:

§ 6 . (1) Daten dürfen nur

§ 8 Abs. 4 Z 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nichtsensibler Daten“:

„(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn

§ 27 Abs. 1 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Recht auf Richtigstellung oder Löschung“:

§ 27 . (1) Jeder Auftraggeber hat unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar

§ 31 Abs. 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Beschwerde an die Datenschutzkommission“:

„(2) Zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung nach diesem Bundesgesetz ist die Datenschutzkommission dann zuständig, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, der nicht als Organ der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit tätig ist.“

§ 13 SPG idF BGBl. I Nr. 151/2004 lautet unter der Überschrift „Kanzleiordnung“:

§ 13 . (1) Die formale Behandlung der von den Sicherheitsdirektionen, den Bundespolizeidirektionen und den Polizeikommanden (§ 10) zu besorgenden Geschäfte ist vom Bundesminister für Inneres jeweils in einer einheitlichen Kanzleiordnung festzulegen. Für die Bundespolizeidirektion Wien können, soweit dies wegen der Größe dieser Behörde erforderlich ist, Abweichungen von der sonst für die Bundespolizeidirektionen geltenden Kanzleiordnung vorgesehen werden.

(2) Der Bundesminister für Inneres, die Sicherheitsdirektionen, Bundespolizeidirektionen und Polizeikommanden sind ermächtigt, sich bei der Wahrnehmung gesetzlich übertragener Aufgaben für die Dokumentation von Amtshandlungen und die Verwaltung von Dienststücken der automationsunterstützten Datenverarbeitung zu bedienen. Zu diesen Zwecken dürfen sie Daten über natürliche und juristische Personen sowie Sachen verwenden, auf die sich der zu protokollierende Vorgang bezieht, wie insbesondere Datum, Zeit und Ort, Fahrzeugdaten, Betreff und Aktenzeichen samt Bearbeitungs- und Ablagevermerken sowie Namen, Rolle des Betroffenen, Geschlecht, frühere Namen, Aliasdaten, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnanschrift und andere zur Erreichbarkeit des Menschen dienende Daten. Soweit es erforderlich ist, dürfen auch sensible Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000) sowie Daten im Sinne des § 8 Abs. 4 DSG 2000 verwendet werden. Die Auswählbarkeit von Daten aus der Gesamtmenge der gespeicherten Daten nur nach dem Namen und nach sensiblen Daten darf nicht vorgesehen sein, vielmehr ist für die Auswahl ein auf den protokollierten Sachverhalt bezogenes weiteres Datum anzugeben.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

1) Die Frage, wann Daten des PAD (spätestens) zu löschen sind, stellt sich nach Meinung der Datenschutzkommission in identer Weise für die „äußeren“ Verfahrensdaten wie für die im PAD 2.0 auch enthaltenen elektronischen Textdokumente. Die folgenden Erwägungen beziehen sich daher gleichermaßen auf alle Eintragungen über den Beschwerdeführer im PAD-System der Beschwerdegegnerin.

2) Der Beschwerdeführer hat die Löschung aller Daten über die seinerzeit gegen ihn eingeleiteten kriminalpolizeilichen Ermittlungen mit der Begründung verlangt, dass

1. diese nicht mehr benötigt würden, da sich seine Unschuld erwiesen habe (- überdies sei das kriminalpolizeiliche Ermittlungsverfahren ohnehin im Kopienakt dokumentiert);

2. die weitere Verarbeitung dieser Daten geeignet sei, nach wie vor den Verdacht zu erwecken, er habe die ihm zur Last gelegten Straftaten doch begangen, und sein Ansehen als **** zu gefährden;

3. die Verwendung dieser Daten innerhalb des PAD eine besondere Gefährdung der zu 1. und 2. aufgezählten Interessen bedeuten würde, da die Daten in diesem System leicht missbräuchlich abgefragt und verwendet werden könnten.

a) Zur Zulässigkeit der Speicherung von Verfahrensdaten nach Verfahrensbeendigung durch Einstellung/Zurücklegung:

Der Beschwerdeführer bestreitet, dass nach Einstellung kriminalpolizeilicher Ermittlungen die weitere Speicherung von Verfahrensdaten für ihren Ermittlungszweck erforderlich sei, da er unbescholten sei, und schließt daraus auf eine generelle Löschungsverpflichtung betreffend alle aktenmäßigen Aufzeichnungen samt Aktensuchbehelfen über diese Ermittlungen; dies umso mehr als aus der weiteren Datenspeicherung Gefahr für die Vermutung seiner Unschuld drohe.

Dazu kann auf die Entscheidung der Datenschutzkommission vom 21. Jänner 2009, GZ: K121.390/0001-DSK/2009, verwiesen werden.

Die Suche nach gesetzlichen Regelungen über die zulässige Dauer der Aktenspeicherung führt im vorliegenden Fall zunächst zur StPO, da die beschwerdegegenständlichen Daten für Zwecke der Kriminalpolizei ermittelt wurden: Die §§ 95 – 97 StPO bringen unter der Überschrift „Protokollierung“ Regelungen betreffend die Pflicht und Art und Weise der Dokumentation von „bedeutsamen Vorgängen“ im Verfahrensverlauf; darunter finden sich aber keine Anordnungen hinsichtlich der zulässigen Dauer der Aufbewahrung des Dokumentationsmaterials. Weiters enthält § 18 StPO unter der Überschrift „Kriminalpolizei“ in seinem Abs. 2 die Vorschrift, dass „die Kriminalpolizei den Sicherheitsbehörden (obliegt), deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung richtet“. Die „Organisation der Sicherheitsverwaltung“ ist im 2. Hauptstück des SPG (§§ 2 – 15c) geregelt. Dort finden sich in § 13 Regelungen über das Kanzleiwesen bei den Sicherheitsbehörden, Bundespolizeidirektionen und Polizeikommanden, die im Wege des § 18 StPO im vorliegenden Fall kriminalpolizeilicher Ermittlungen Anwendung zu finden haben. Hinsichtlich der erlaubten Dauer der Aufbewahrung von Daten in Akten und Kanzleisuchbehelfen enthält jedoch auch § 13 keine besondere Regelung.

Die §§ 51 ff des SPG (insbes. § 63 SPG) können im vorliegenden Fall keine Anwendung finden, da sie nur die Verwendung von Daten für sicherheitspolizeiliche Zwecke, nicht aber für kriminalpolizeiliche Zwecke betreffen.

Hinsichtlich des § 13 SPG vertritt der VfGH in nunmehr ständiger Judikatur (vgl. die Erk. B1158/03, B1590/03, B3517/05 u.a.m.) die Rechtsansicht, dass „die Verarbeitung personenbezogener Daten über Personen, auf die sich sicherheitspolizeiliche Maßnahmen beziehen, nicht dem inneren Dienst zugerechnet werden können, soweit damit deren Rechtsposition gestaltet wird. Es sind damit die Regelungen des Sicherheitspolizeigesetzes über das Verwenden personenbezogener Daten anzuwenden“. Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar um kriminalpolizeiliche Daten, sodass das Sicherheitspolizeigesetz schon deshalb – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Organisation und örtliche Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden (vgl. § 18 Abs. 1 StPO) - nicht zur Anwendung kommen kann, doch ist aus dem Verbot der Zurechnung von Aufzeichnungen von personenbezogenen Daten über Außenstehende zum „inneren Dienst“ zu folgern, dass Regelungen im Bereich der Aktenverwaltung, die die Rechtssphäre von Außenstehenden berühren, nicht durch interne Weisung mit rechtlicher Außenwirkung getroffen werden können, sondern nur durch gesetzliche Anordnung. Skartier- oder Kanzleiordnungen mit dem Charakter interner Organisationsvorschriften kommen daher als relevante Regelungen über die zulässige Speicherdauer von Akten/Aktensuchbehelfen nicht in Betracht.

Somit kann nur auf die allgemeinen Grundsätze des § 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 über die zulässige Speicherdauer von personenbezogenen Daten zurückgegriffen werden: Nach § 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 dürfen „Daten nur solange in personenbezogener Form aufbewahrt werden, als dies für die Erreichung der Zwecke, für die sie ermittelt wurden, erforderlich ist; eine längere Aufbewahrungsdauer kann sich aus besonderen gesetzlichen, insbesondere archivrechtlichen Vorschriften ergeben“.

Die Datenschutzkommission ist der Ansicht, dass es im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 einer „besonderen gesetzlichen Vorschrift“ über die Aufbewahrungsdauer jedoch im vorliegenden Fall nicht bedarf, da schon „die Erreichung der Zwecke, für die (die Daten) ermittelt wurden“ eine Aufbewahrung der Verfahrensdokumentation über die Verfahrensdauer hinaus erfordert.

Entscheidend ist hiebei, dass auch Verfahren, die zur Einstellung oder zum Freispruch geführt haben, unter Umständen nach ihrem Abschluss wieder eröffnet werden können (vgl. insbes. das XX. Hauptstück der StPO „Von der Wiederaufnahme und der Erneuerung des Strafverfahrens sowie der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ und auch das 10. Hauptstück über die „Einstellung, Abbrechung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens“). Schon dies setzt augenfällig voraus, dass eine Dokumentation über den bisherigen Verfahrensverlauf in jedem Fall auch nach dem Verfahrensabschluss noch vorhanden sein muss.

Auch würde die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach das bloße Vorhandensein von Verfahrensdokumentation die Geltung der Unschuldsvermutung für ihn gefährde – konsequent durchdacht – dazu führen müssen, dass nicht nur die Akten über kriminalpolizeiliche Ermittlungen bei den Sicherheitsbehörden, sondern auch alle Akten nach Einstellungen oder Freisprüchen bei den Strafgerichten oder der Staatsanwaltschaft umgehend zu vernichten wären. Damit ginge aber auch jeder Nachweis eines erfolgten Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung durch die Anklagebehörde verloren. Diese Nachweisbarkeit der „Unschuld“ ist vom Zweck des Strafverfahrens mit umfasst, da hiebei ja nicht nur alles zu berücksichtigen ist, was die Schuld des Verdächtigen nachweisen könnte, sondern auch alles, was seine Unschuld beweist. Tatsache ist jedenfalls, dass eine Vorgangsweise, wonach etwa Gerichtsakten im Falle eines Freispruchs des Angeklagten sofort zu vernichten wären, der österreichischen Rechtspraxis völlig fremd ist.

Vielmehr ist es – ganz abgesehen von einer möglicherweise notwendigen neuerlichen Verfahrensdurchführung – für einen Rechtsstaat unerlässlich, dass Dokumentation über staatliches Handeln in Aktenform mindestens so lange vorhanden ist, als die unterschiedlichen, zur Prüfung der Rechtmäßigkeit außerhalb von Rechtsmittel- und fristgebundenen Beschwerdeverfahren berufenen Institutionen ihre Prüfkompetenz ausüben dürfen. Diese Aufbewahrung der Dokumentation über staatliches Handeln zum Zweck der Nachprüfbarkeit seiner Rechtmäßigkeit ist als vom „Zweck der Ermittlung“ mitgetragen anzusehen. Die Annahme einer Pflicht zur sofortigen Vernichtung der Verfahrensdokumentation nach Verfahrensbeendigung würde demgegenüber die Gefahr der Förderung von Rechtswillkür und Korruption in sich bergen, da Organwalter – und von ihnen begünstigte Außenstehende – die nachgängige Kontrolle von staatlichem Handeln auf seine Rechtmäßigkeit hin in weit geringerem Maße fürchten müssten als bisher. Gerade im Zusammenhang mit kriminalpolizeilichen Ermittlungen ist aber die nachgängige Überprüfbarkeit der Vorgangsweise der kriminalpolizeilichen Organwalter für die Effektivität eines Rechtsstaates von besonderer Bedeutung.

Dass eine Pflicht zur Aufbewahrung von Akten auch nach Verfahrensbeendigung in der österreichischen Rechtsordnung ganz generell als selbstverständliches Erfordernis in einem Rechtsstaat vorausgesetzt wird, ergibt sich im Übrigen auch aus zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen. So wird etwa in den §§ 5 ff des Bundesarchivgesetzes, BGBl I Nr. 162/1999 idgF, auf die Skartierung von Akten ausdrücklich Bezug genommen, d.h. auf die Praxis, dass Akten während einer gewissen, mehrere Jahre dauernden „Skartierfrist“ jedenfalls aufzubewahren sind, und erst dann darüber entschieden wird, ob sie vernichtet oder infolge Archivwürdigkeit dem Staatsarchiv zur dauernden Aufbewahrung übergeben werden. Auch sämtliche gesetzlichen Vorschriften über die nachprüfende Kontrolle des Verwaltungshandelns außerhalb von Rechtsmittel- oder fristgebundenen Beschwerdeverfahren, wie etwa die Tätigkeit der Volksanwaltschaft oder des Rechnungshofs – aber auch der Datenschutzkommission –, setzen voraus, dass Verfahrensdokumentation auch nach Abschluss von Verwaltungsverfahren für einen bestimmten Zeitraum noch vorhanden ist.

b. Die vorstehenden Erwägungen über die Erforderlichkeit der Aufbewahrung von Verfahrensakten stehen nur scheinbar im Widerspruch zu dem Anliegen des Beschwerdeführers:

Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass die Aufbewahrung der Verfahrensdokumentation nach Verfahrensbeendigung nicht mehr erforderlich sei, sobald sich die Unschuld eines Verdächtigten herausgestellt habe, wird von ihm vorrangig aus Sorge vor der Präjudizierung künftiger Meinungsbildung über seine Person durch allfälligen Rückgriff (von Polizeiorganen) auf die bereits bestehende Verfahrensdokumentation im Falle der Untersuchung später eingetretener, neuer Sachverhalte. Tatsächlich sind derartige Befürchtungen nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Die besondere Eingriffsintensität einer derartigen Verwendung von Daten in die Grundrechtssphäre des Betroffenen, insbesondere in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte, gebietet es, den „Zweck der Ermittlung“ nach § 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 bei strafrelevanten Daten eng zu ziehen und daher das Erheben von Daten zur Aufklärung eines bestimmten strafrelevanten Sachverhalts nicht gleichzusetzen mit dem generellen Zweck der Aufklärung von strafrelevanten Sachverhalten schlechthin.

Das Anliegen des Beschwerdeführers betrifft daher im Kern die Weiterverwendung von Verfahrensdaten für einen neuen – vom ursprünglichen Ermittlungszweck verschiedenen – Zweck , nämlich die Aufklärung anderer strafrelevanter Sachverhalte: Was der Beschwerdeführer unterbinden will, ist die Heranziehung der Dokumentation über bestimmte frühere Ermittlungsergebnisse zur Informationsgewinnung im Hinblick auf spätere, neue Vorfälle, die denselben Beschuldigten betreffen – eine Verwendung, die im Folgenden als „Informationsrückgriff“ bezeichnet werden soll.

Dass es tatsächlich notwendig sein sollte, zur Vermeidung eines derartigen Informationsrückgriffs die Dokumentation der Verfahrensdaten nach Verfahrensbeendigung umgehend zu löschen und dabei in Kauf zu nehmen, dass dadurch die Möglichkeit einer Wiedereröffnung oder der nachprüfenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Verfahrens vereitelt wird, wird von der Datenschutzkommission bestritten: Gerade seitdem das Handeln staatlicher Organe nahezu ausschließlich elektronisch dokumentiert wird, ist jeder Zugriff auf Verfahrensdokumentationsdaten kontrollierbar. Eine vom Gesetz nicht vorgesehene Weiterverwendung kann daher mit vernünftigem technischem und organisatorischem Aufwand unterbunden werden, sodass die Löschung generell nicht mehr als der einzige verlässliche Weg zur Vermeidung einer unerwünschten Weiterverwendung von Daten angesehen werden kann.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass eine missbräuchliche Verwendung der PAD-Daten (er erwähnt dabei die Möglichkeit, dass Polizeibeamte ohne dienstliche Veranlassung nach den zu bestimmten Personen gespeicherten Daten suchen könnten) nicht ausgeschlossen werden kann, zeigt zwar eine denkmögliche Gefährdung seines Grundrechts auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1 DSG 2000) auf, vermag aber keinen Grund darzulegen, warum die Verarbeitung der Daten an sich unrechtmäßig und ein darauf gestützter Löschungs anspruch rechtmäßig sein sollte.

c. Im Übrigen hat auch der VfGH ausschließlich im Zusammenhang mit Verfahren betreffend den wegen Grundrechtswidrigkeit aufgehobenen § 209 StGB eine generelle Löschungsverpflichtung elektronischer Dokumentationsdaten ausgesprochen. Außerhalb des Problembereichs des aufgehobenen § 209 StGB hat der VfGH die Zulässigkeit der Aufbewahrung strafrelevanter Daten für Zwecke des späteren Informationsrückgriffs bei neuerlichen strafrechtlichen Ermittlungen nicht generell verneint, sondern jeweils an eine vorhergehende Prüfung im Einzelfall unter Vornahme einer Interessensabwägung gebunden (vgl. etwa VfSlg 16149).

Dass die bei der Beschwerdegegnerin noch vorhandene Dokumentation von der Beschwerdegegnerin für den Zweck des Rückgriffs auf kriminalpolizeiliche Vorinformation über den Beschwerdeführer tatsächlich verwendet worden wäre und dadurch der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden wäre, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht behauptet. Die Frage, ob überhaupt und wenn ja, unter welchen Kautelen eine solche Weiterverwendung zulässig wäre, musste daher im vorliegenden Bescheid nicht abschließend beurteilt werden, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

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