K121.031/0010-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. HEISSENBERGER, Dr. KOTSCHY, Mag. MAITZ-STRASSNIG und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 2. August 2005 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Dr. Wolfgang E*** in Bregenz (Beschwerdeführer) gegen die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird gemäß den §§ 1 Abs. 5 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer durch die Weitergabe der Information, dass der Beschwerdeführer Halter des Kraftfahrzeugs mit dem Kennzeichen B ***** ist, an die Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein, welche über ihn hierauf am 27. Oktober 2004 ein Bußgeld wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verhängte, im Recht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs. 1 DSG 2000 iVm § 7 Abs. 2 Z 3 und § 8 Abs. 1 Z 1 DSG 2000, § 47 Abs. 4 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG), BGBl Nr. 267/1967 idF BGBl I Nr. 151/2004, § 1 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die wechselseitige Amtshilfe in Kraftfahr-(Straßenverkehrs-) angelegenheiten, BGBl Nr. 64/1983 sowie der Präambel und den Art. 3, 4 und 6 des Vertrages zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden, BGBl III Nr. 120/2001, verletzt.
B e g r ü n d u n g:
Der Beschwerdeführer behauptete eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin die Zulassungsdaten des Beschwerdeführers ohne weitere Prüfung und ohne Zustimmung des Beschwerdeführers aufgrund einer Rechtshilfeanfrage an die Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein weitergegeben habe. Daraufhin sei er von dieser Behörde wegen einer Geschwindigkeitsübertretung bestraft worden.
Die Beschwerdegegnerin bestreitet die Weitergabe nicht, hält sie jedoch für zulässig.
Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:
Die Landespolizei des Fürstentums Lichtenstein hat über den Beschwerdeführer ein Bußgeld verhängt, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 8 km/h überschritten habe. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 27.10.2004 zugestellt.
Diese Bestrafung des Beschwerdeführers geht darauf zurück, dass die Landespolizei zuvor an die Beschwerdegegnerin eine Anfrage gerichtet hatte, wer Halter des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen B ***** sei. Die Anfrage wurde von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz ohne nähere Prüfung des Grundes erledigt und der Beschwerdeführer auf Grund einer Abfrage in der zentralen Zulassungsevidenz als Halter genannt. Dies geschah durch händisches Ausfüllen eines von der Landespolizei geschickten Computerausdruckes. Weder wurde hierüber ein Akt angelegt noch die Erteilung der Halterauskunft auf andere Art und Weise dokumentiert. Vielmehr entspricht es der bei der Beschwerdegegnerin geübten Praxis, Rechtshilfeersuchen (jedenfalls aus Liechtenstein) ungeprüft zu entsprechen.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem unwidersprochenen Beschwerdevorbringen.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Anzuwendende bzw. zu Interpretationszwecken heranzuziehende
Rechtsvorschriften:
Nach der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 DSG 2000 hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind nach Abs. 2 leg. cit. Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) genannten Gründen notwendig ist. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
Gemäß § 4 Z 2 DSG 2000 sind ”sensible Daten” (”besonders schutzwürdige Daten”) Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben.
Gemäß § 4 Abs. 8 DSG 2000 ist unter dem "Verwenden von Daten" jede Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung, also sowohl das Verarbeiten als auch das Übermitteln von Daten zu verstehen.
Gemäß § 4 Abs. 12 DSG ist unter dem "Übermitteln von Daten" die Weitergabe von Daten einer Datenanwendung an andere Empfänger als den Betroffenen, den Auftrageggeber oder einen Dienstleister, insbesondere auch das Veröffentlichen solcher Daten, darüber hinaus auch die Verwendung von Daten für ein anderes Aufgabengebiet des Aufraggebers zu verstehen.
§ 7 DSG 2000 lautet:
„§ 7. (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen
der Betroffenen nicht verletzen.
(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn
1. sie aus einer gemäß Abs. 1 zulässigen Datenanwendung stammen und
2. der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis soweit diese nicht außer Zweifel steht im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat und
3. durch Zweck und Inhalt der Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden.
(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, dass die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und dass die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“
§ 8 Abs. 1 DSG 2000 lautet:
„§ 8. (1) Gemäß § 1 Abs. 1 DSG bestehende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn
1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht oder
2. der Betroffene der Verwendung seiner Daten zugestimmt hat, wobei ein Widerruf jederzeit möglich ist und die Unzulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten bewirkt, oder
3. lebenswichtige Interessen des Betroffenen die Verwendung erfordern oder
4. überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten die Verwendung erfordern. […]”
§ 47 Abs. 4 KFG lautet auszugsweise:
„(4) Der Bundesminister für Inneres führt eine zentrale Zulassungsevidenz. [...] Auskünfte sind im Wege der Datenfernverarbeitung dem Bundesministerium für Inneres, dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, den Sicherheitsdirektionen, den Bundespolizeibehörden, den Bezirksverwaltungsbehörden, den Magistraten der Städte mit eigenem Statut, den Dienststellen der Bundespolizei, den Grenzkontrolldienststellen, den militärischen Organen und Behörden zum Zwecke der Vollziehung des Militärbefugnisgesetzes, BGBl. I Nr. 86/2000, und - nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Voraussetzungen und kostenneutral für den Bund - den Gemeindesicherheitswachen zu erteilen, soweit diese zur Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung bilden.[...]“
Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die wechselseitige Amtshilfe in Kraftfahr-(Straßenverkehrs-) angelegenheiten, BGBl Nr. 64/1983, leisten die Vertragsstaaten einander Amtshilfe in Verwaltungsangelegenheiten auf dem Gebiete des Kraftfahrwesens Straßenverkehrswesens); ausgenommen sind jedoch Strafsachen.
Die Präambel samt den Artikeln 1 – 4 und 6 des Vertrages zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden lauten:
„Die Republik Österreich, die Schweizerische Eidgenossenschaft und das Fürstentum Liechtenstein in der Absicht, zum Zwecke der Wahrnehmung gemeinsamer Sicherheitsinteressen zusammenzuarbeiten, in der Absicht, insbesondere die enge polizeiliche und grenzpolizeiliche Zusammenarbeit umfassend weiterzuentwickeln, in der Absicht, den grenzüberschreitenden Gefahren sowie der internationalen Kriminalität durch ein kooperatives Sicherheitssystem wirksam zu begegnen, im Bestreben nach einer weiteren Entwicklung des polizeilichen Amtshilfeverkehrs sind wie folgt übereingekommen:
Kapitel I
Grundsatzbestimmungen
Artikel 1
Gemeinsame Sicherheitsinteressen
Die Vertragsstaaten unterrichten einander über die Schwerpunkte ihrer Kriminalitätsbekämpfung sowie über bedeutsame Vorhaben auf polizeilichem Gebiet mit Auswirkungen auf die Belange der anderen Vertragsstaaten. Sie tragen bei der Erarbeitung polizeilicher Konzepte und der Durchführung polizeilicher Maßnahmen den gemeinsamen Sicherheitsinteressen angemessen Rechnung. Ist ein Vertragsstaat der Auffassung, daß die anderen Vertragsstaaten bestimmte Schritte zur Gewährleistung der gemeinsamen Sicherheit ergreifen sollen, kann er dazu einen Vorschlag unterbreiten.
Artikel 2
Gemeinsame Sicherheitsanalyse
Die Vertragsstaaten streben einen möglichst einheitlichen Informationsstand über die polizeiliche Sicherheitslage an. Zu diesem Zweck tauschen sie periodisch und anlaßbezogen nach festgelegten Kriterien erstellte Lagebilder aus und analysieren mindestens einmal jährlich gemeinsam die Schwerpunkte der Sicherheitslage.
Artikel 3
Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung
Die Vertragsstaaten verstärken die Zusammenarbeit bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie zur Kriminalitätsbekämpfung und handeln dabei unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der anderen Vertragsstaaten. Dies geschieht im Rahmen des nationalen Rechts, soweit sich aus diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes ergibt. Die Regelungen über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung durch nationale Zentralstellen, insbesondere im Rahmen der internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (IKPO-Interpol), werden durch die nachfolgenden Bestimmungen ergänzt.
Kapitel II
Allgemeine Bestimmungen über die Zusammenarbeit
Artikel 4
Zusammenarbeit auf Ersuchen
(1) Die Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten leisten einander im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten Amtshilfe, soweit ein Ersuchen oder dessen Erledigung nach nationalem Recht nicht den Justizbehörden vorbehalten ist. Ist die ersuchte Behörde für die Erledigung nicht zuständig, leitet sie das Ersuchen an die zuständige Behörde weiter.
(2) Ersuchen nach Absatz 1 zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten und die Antworten werden grundsätzlich zwischen den nationalen Zentralstellen der Vertragsstaaten übermittelt. Ersuchen sind unmittelbar an die nationalen Zentralstellen der Vertragsstaaten zu richten und von diesen zu beantworten. Eine Übermittlung und Beantwortung von Ersuchen unmittelbar zwischen den zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten kann erfolgen, soweit
a) sich der grenzüberschreitende Dienstverkehr auf Straftaten bezieht, bei denen der Schwerpunkt der Tat und ihrer Verfolgung in den Grenzgebieten im Sinne des Absatzes 9 liegt, oder
b) die Ersuchen nicht rechtzeitig über den Geschäftsweg zwischen den nationalen Zentralstellen gestellt werden können oder
c) eine direkte Zusammenarbeit auf Grund von tat- oder täterbezogenen Zusammenhängen im Rahmen abgrenzbarer Fallgestaltungen zweckmäßig ist und dazu die Zustimmung der jeweiligen nationalen Zentralstellen vorliegt.
(3) Ersuchen um Hilfe zur Abwehr von unmittelbar drohenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung werden unmittelbar zwischen den zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten übermittelt und beantwortet.
(4) Ersuchen nach den Absätzen 1 bis 3 können insbesondere betreffen:
a) Halterfeststellungen und Fahrerermittlungen bei Straßen-, Wasser- und Luftfahrzeugen,
b) Anfragen nach Führerscheinen, Schiffahrtspatenten und vergleichbaren Berechtigungen,
c) Aufenthalts- und Wohnsitzfeststellungen, Aufenthaltsberechtigungen,
(5) Die Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten übermitteln einander für fremdenrechtliche Zwecke einschließlich entsprechender polizeilicher Überprüfungen auf Anfrage in konkreten Einzelfällen personenbezogene Daten von Fremden, die für die Beurteilung der Einreise- und Aufenthaltsberechtigung von Bedeutung sind. Die übermittelten Daten können den zur Regelung des Aufenthaltes und der Erteilung von Visa zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden.
(6) Die Sicherheitsbehörden können ferner einander Ersuchen im Auftrag der zuständigen Justizbehörden stellen und gemäß Absatz 2 übermitteln und beantworten.
(7) Die Unterrichtung der nationalen Zentralstellen über ein- und ausgehende direkte Ersuchen erfolgt nach Maßgabe des nationalen Rechts.
(8) Im Verhältnis zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft gilt der direkte Dienstverkehr für alle polizeilichen Informationsübermittlungen.
(9) Als Grenzgebiete gelten in der Republik Österreich die Zuständigkeitsbereiche der Sicherheitsdirektionen für die Bundesländer Vorarlberg und Tirol, in der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Gebiete der Kantone St. Gallen und Graubünden sowie im Fürstentum Liechtenstein das gesamte Hoheitsgebiet.
(10) Sicherheitsbehörden im Sinne dieses Vertrages sind in der Republik Österreich der Bundesminister für Inneres, die Sicherheitsdirektionen, die Bundespolizeidirektionen und außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereiches der Bundespolizeidirektionen die Bezirksverwaltungsbehörden, in der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Polizei-, Ausländer- und Zollbehörden des Bundes, die Polizei- und Fremdenpolizeibehörden der Kantone und das Grenzwachtkorps sowie im Fürstentum Liechtenstein die Landespolizei und die Fremdenpolizei nach Maßgabe der innerstaatlichen Kompetenzordnung.
[...]
Artikel 6
Austausch von Fahrzeug- und Halterdaten
(1) Auf Ersuchen eines Vertragsstaates übermittelt der ersuchte Vertragsstaat gespeicherte Daten über Kraftfahrzeuge, Schiffe sowie Halter beziehungsweise Zulassungsbesitzer und Eigner, wenn dies zur Feststellung oder Bestimmung einer Person in ihrer Eigenschaft als Halter von Fahrzeugen, der Fahrzeuge eines Halters oder der Fahrzeugdaten für Zwecke der Verhütung und Bekämpfung von Straftaten, der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.
(2) Die Sicherheitsbehörden des ersuchenden Vertragsstaates können das Ersuchen an die Behörde, bei der die Kraftfahrzeugzulassungsdaten zentral erfaßt sind, oder bei Dringlichkeit sowie bei Auskünften aus amtlichen Verzeichnissen über Kennzeichen von Schiffen an eine Sicherheitsbehörde des ersuchten Vertragsstaates richten.
[...]“
Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr. 566/1991 idF BGBl I Nr. 151/2004, lautet auszugsweise:
„1. Teil
[...]
2. Hauptstück
Organisation der Sicherheitsverwaltung
Besorgung der Sicherheitsverwaltung
§ 2. (1) Die Sicherheitsverwaltung obliegt den Sicherheitsbehörden.
(2) Die Sicherheitsverwaltung besteht aus der Sicherheitspolizei, dem Paß- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten.
Sicherheitspolizei
§ 3. Die Sicherheitspolizei besteht aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art. 10 Abs. 1 Z 7 B VG), und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht.
Sicherheitsbehörden
§ 4. (1) Oberste Sicherheitsbehörde ist der Bundesminister für Inneres.
(2) Dem Bundesminister für Inneres unmittelbar unterstellt besorgen Sicherheitsdirektionen, ihnen nachgeordnet Bezirksverwaltungsbehörden und Bundespolizeidirektionen, die Sicherheitsverwaltung in den Ländern.
[...]
3. Hauptstück
Begriffsbestimmungen
Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff,
Gefahrenerforschung
§ 16. (1) Eine allgemeine Gefahr besteht
(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand
1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder
(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.
[...]
2. Teil
Aufgaben der Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet der Sicherheitspolizei
[...]
2. Hauptstück
Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit
[...]
Gefahrenabwehr
§ 21. (1) Den Sicherheitsbehörden obliegt die Abwehr allgemeiner Gefahren.
[...]“
2. Verletzung im Recht auf Geheimhaltung:
Die Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein gehört nicht zu den in § 47 Abs. 4 KFG genannten Empfängern von Übermittlungen aus der zentralen Zulassungsevidenz. Die Aufzählung des § 47 Abs. 4 KFG ist erkennbar abschließend und kann daher nur durch besondere Rechtsvorschriften im Rang eines Gesetzes erweitert werden. Eine Übermittlung auf Grundlage des § 8 Abs. 1 Z 4 DSG 2000 ist somit – mangels eines berechtigten Interesses außerhalb der abschließend gemeinten Regelung – nicht möglich.
Der Beschwerdegegner beruft sich auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die wechselseitige Amtshilfe in Kraftfahr- (Straßenverkehrs-)angelegenheiten. Dieser Vertrag kommt aber als Rechtsgrundlage für die den Gegenstand der Beschwerde bildende Übermittlung von Daten nach Liechtenstein schon deshalb nicht in Betracht, weil diese für Zwecke eines Strafverfahrens erfolgte und daher gemäß Art. 1 Abs. 1 des Vertrages nicht in dessen Anwendungsbereich fällt.
Somit ist als staatsvertragliche Erweiterung des § 47 Abs. 4 KFG nur mehr Art. 6 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden vorstellbar. Diese Bestimmung erlaubt eine Weitergabe von Halterdaten allerdings nur für Zwecke der Verhütung und Bekämpfung von Straftaten oder der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Die „Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ ist, wie ein Vergleich mit § 3 SPG zeigt, in Österreich (wesentlicher) Teil der „Sicherheitspolizei“, zu der nach § 16 Abs. 1 bis 3 iVm § 21 Abs. 1 SPG zwar die Abwehr gerichtlich strafbarer Handlungen, nicht aber die Verfolgung von kraftfahr- bzw. straßenverkehrsrechtlichen Übertretungen gerechnet werden kann.
Damit stellt sich die Frage, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung, die die Landespolizei dazu veranlasste, den Beschwerdeführer als Halter seines Kraftfahrzeuges zu ermitteln, eine „Straftat“ im Sinn des Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens ist. Dieser Begriff ist insofern mehrdeutig, als in der Rechtssprache darunter verschiedentlich nur gerichtlich strafbare Handlungen, in anderen Fällen aber auch von Verwaltungsbehörden zu verfolgende und zu ahndende Handlungen verstanden werden. Für die Auslegung ist auf einen dem Übereinkommen entnehmbaren Zweck zurückzugreifen.
Der Titel des Übereinkommens spricht von der Zusammenarbeit von „Sicherheitsbehörden“, die dann in Art. 4 Abs. 10 bezeichnet werden. In Österreich handelt es sich um die in § 4 Abs. 1 und 2 SPG genannten Behörden. Aufgabe der Sicherheitsbehörden ist in Österreich nach § 4 Abs. 2 SPG die Besorgung der in § 2 Abs. 2 leg. cit. definierten Sicherheitsverwaltung (insbesondere der Sicherheitspolizei), außerdem Teilbereiche der Verfolgung gerichtlich strafbarer Handlungen nach den Bestimmungen der StPO (zB §§ 24, 86 Abs. 1, 88 Abs. 1 und 3). Die Verfolgung von Übertretungen straßenverkehrs- und kraftfahrrechtlicher Bestimmungen ist zwar auf Grund der Bestimmung des § 26 VStG den Bezirksverwaltungsbehörden bzw. Bundespolizeidirektionen übertragen, zählt jedoch nicht zu deren Aufgaben als Sicherheitsbehörden.
Art. 3 des Übereinkommens zeigt, dass vordringlicher Zweck des Übereinkommens neben der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstärkte Zusammenarbeit bei der „Kriminalitätsbekämpfung“ ist. Darunter wird in der Regel die Bekämpfung gerichtlich strafbarer Handlungen, nicht aber die Verfolgung von Verwaltungsübertretungen verstanden.
Auch aus den immer wieder verwendeten Begriffen „(öffentliche) Sicherheit“ und „(Abwehr von) Gefahren“ ohne Bezug auf ein konkretes Verwaltungsrechtsgut lässt sich ableiten, dass das Übereinkommen im Wesentlichen jenen Bereich regeln will, den auch das österreichische SPG bzw. die StPO umfassen (Sicherheits- und Kriminalpolizei).
Somit ist die Verfolgung einer Geschwindigkeitsüberschreitung, die keinem dieser beiden Bereiche zuzurechnen ist, auch keine „Straftat“ im Sinn des Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens. Dadurch wird diese Bestimmung keineswegs überflüssig, stehen doch insbesondere Kraftfahrzeuge gerade im internationalen Verkehr häufig auch im Zusammenhang mit der Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen (man denke nur an Autodiebstähle oder Schlepperei, deren Bekämpfung und Verfolgung zweifellos vom Anwendungsbereich des Übereinkommens umfasst wäre).
Die Beschwerdegegner konnte daher die beschwerdegegenständliche Übermittlung nicht auf Art. 6 Abs. 1 und 2 des Übereinkommens stützen. Für diese fehlt damit eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage im Sinn des § 8 Abs. 1 Z 1 DSG 2000. Da die Z 2-4 dieser Bestimmung nicht in Betracht kommen (zu Z 4 s. bereits oben), hat der Beschwerdegegner entgegen § 7 Abs. 2 Z 3 DSG 2000 schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Beschwerdeführers nach § 1 Abs. 1 DSG 2000 verletzt. Der Beschwerde war somit spruchgemäß Folge zu geben.
[Literaturhinweis: veröffentlicht; ZVR 2006/38 ( Pürstl )]