K121.252/0012-DSK/2007 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. BLAHA, Dr. KOTSCHY, Mag. ZIMMER und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 21. März 2007 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Dr. Richard A*** (Beschwerdeführer) aus R*** vom 30. August 2006 gegen die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird gemäß den §§ 1 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 Z 1 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, iVm § 86 Abs. 3 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967), BGBl Nr 267/1967 idF BGBl. I Nr. 151/2004, entschieden:
- Die Beschwerde wird abgewiesen
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Partei und der belangten Behörde:
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerdeschrift vom 30. August 2006 (bei der Datenschutzkommission eingegangen am 5. September 2006) eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten dadurch, dass die Beschwerdegegnerin seine Daten als Zulassungsbesitzer des Pkw B-2** N** an die Behörden des Schweizer Kantons Graubünden übermittelt habe. Diese Übermittlung sei im Zuge eines im Kanton Graubünden laufenden Strafverfahren und Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung wegen Lenkens eines Kraftfahrzeugs mit überhöhter Geschwindigkeit erfolgt. Wie aus der Begründung des Bescheids der Datenschutzkommission GZ: K121.031/0010-DSK/2005 hervorginge, sei die Datenübermittlung durch die Beschwerdegegnerin mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig.
Die Beschwerdegegnerin brachte in ihrer Stellungnahme vom 15.9.2006 hiezu vor, dass sich der vom Beschwerdeführer zitierte Bescheid der DSK auf einen Fall der Halterbekanntgabe an die Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein bezogen habe. Im Bescheid der DSK vom 9.6.2006, K121.124/11- DSK/2006 habe die DSK hinsichtlich von Datenübermittlungen aus der Zulassungsevidenz an Schweizer Behörden festgestellt, dass § 86 Abs. 3 KFG 1967 eine taugliche Rechtsgrundlage sei. „Diese Rechtsvorschrift bestimmt, dass in Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr Auskunft zur Ermittlung von Lenkern zu geben ist, wenn sich diese Personen wegen Übertretung von Verkehrsvorschriften strafbar gemacht haben. Hiermit vertritt die Bezirkshauptmannschaft Bregenz die Ansicht, die Datenübermittlung an die Schweizer Behörden auf § 86 Abs. 3 KFG 2967 stützen zu können.“
B. Beschwerdegegenstand
Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch Übermittlung seiner Daten als Zulassungsbesitzer (Namen und Adresse) an die Behörden des Schweizer Kantons Graubünden im Zusammenhang mit Erhebungen wegen der Übertretung von Verkehrsvorschriften in seinem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Die Behörden des Schweizer Kantons Graubünden haben gegen den Lenker des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen B-2** N** wegen einer Verkehrsübertretung ermittelt und sich im Zuge dieser Ermittlungen an die Beschwerdegegnerin mit folgendem „Rechtshilfegesuch“, in dem als „Halter: DR. A*** RICHARD, M***GASSE *1, A-**** R***“ angegeben war, gewendet: Der verantwortliche Fahrzeuglenker sei zu ermitteln, zum Sachverhalt zu befragen, seine allfälligen Rechtfertigungen entgegenzunehmen und ihm „die Verzeigung“ (gemeint im Sinne der österreichischen Rechtssprache wohl: die Erstattung einer Strafanzeige, die Einleitung eines Strafverfahrens) zu eröffnen.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der vorgelegten, übereinstimmenden Kopien des Ersuchens der Kantonspolizei Graubünden, (Beilage zur ergänzenden Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 21. September 2006, protokolliert zu GZ: K121.252/0004- DSK/2006).
Am Sachverhalt fällt auf, dass im Ersuchen der Kantonspolizei Graubünden Name und Anschrift des Kraftfahrzeughalters bereits angeführt sind, woraus folgt, dass diese Daten an die Schweizer Behörden bereits vor Übersendung des „Rechtshilfegesuchs“ an die Beschwerdegegnerin und dessen Beantwortung weitergegeben worden sein müssen.
Wann genau und in welcher Form (etwa schriftlich oder telefonisch) dies geschehen ist, konnte im Ermittlungsverfahren nicht eindeutig geklärt werden.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:
„ § 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 7 Abs. 2 und 3 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Zulässigkeit der Verwendung von Daten“:
„ § 7. [...]
(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn
(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“
§ 8 Abs. 1 Z 1 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nichtsensibler Daten“:
„ § 8. (1) Gemäß § 1 Abs. 1 bestehende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn
1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht [...]“
§ 47 Abs. 1 KFG 1967 lautet unter der Überschrift „Zulassungsevidenz“:
„ § 47. (1) Die Behörde hat, sofern die Zulassung nicht durch Zulassungsstellen vorgenommen wird, eine Evidenz über die in ihrem örtlichen Wirkungsbereich zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuge und Anhänger zu führen. In diese Evidenz hat sie das zugewiesene Kennzeichen, das Datum der Anmeldung, der Abmeldung, der Hinterlegung des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln, der Aufhebung oder des Erlöschens der Zulassung, bei natürlichen Personen den Namen des Zulassungsbesitzers, den akademischen Grad, das Geburtsdatum, das Geschlecht, den Beruf und die Anschrift, bei juristischen Personen und Personengesellschaften des Handelsrechtes den Namen oder die Firma, die Art des Betriebes und die Anschrift, im Falle einer Miete des Fahrzeuges aus einem anderen EU-Mitgliedstaat auch die Daten des Mieters, außerdem andere mit der Zulassung und der Beschaffenheit des Fahrzeuges zusammenhängende Daten, soweit dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben als Zulassungsbehörde erforderlich ist, aufzunehmen. Die Daten sind nach sieben Jahren ab Abmeldung, Aufhebung oder Erlöschen der Zulassung des Fahrzeuges zu löschen. Die Behörde muss die Zulassungsdaten der in ihrem örtlichem Wirkungsbereich zugelassenen oder zuzulassenden Fahrzeuge in der von der Gemeinschaftseinrichtung der zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung berechtigten Versicherer geführten Zulassungsevidenz für die Erfüllung ihrer Aufgaben als Zulassungsbehörde verwenden können.“
§ 86 Abs. 3 KFG 1967 lautet unter Überschrift „Aberkennung des Rechtes, Kraftfahrzeuge und Anhänger auf Grund ausländischer Zulassungsscheine zu verwenden“:
„ § 86. [...]
(3) Den Behörden der Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 289/1982, des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 222/1955, und des Pariser Übereinkommens über den Verkehr von Kraftfahrzeugen, BGBl. Nr. 304/1930, sind auf Verlangen die notwendigen Auskünfte zur Ermittlung von Lenkern zu geben, wenn sich diese Personen wegen Übertretungen von Verkehrsvorschriften strafbar gemacht haben.“
Gemäß Kundmachung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 585/1993, hat die Schweiz das in Wien am 8. November 1968 abgeschlossene Übereinkommen über den Straßenverkehr (BGBl. Nr. 289/1982) durch Hinterlegung der Beitritts- bzw. Ratifikationsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen am 11. Dezember 1991 im Verhältnis zu Österreich in Kraft gesetzt.
2. Rechtliche Schlussfolgerungen
Im Ermittlungsverfahren konnte zwar nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob die Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit den im Kanton Graubünden gegen den Beschwerdeführer wegen der Übertretung von Verkehrsvorschriften laufenden Verfahren die beschwerdegegenständlichen Daten des Beschwerdeführers nur anlässlich der Beantwortung des „Rechtshilfegesuchs“ oder schon früher übermittelt hat, doch kann dies mangels rechtlicher Erheblichkeit auch dahingestellt bleiben:
Die Beschwerdegegnerin ist mit ihrer Ansicht, eine Übermittlung der beschwerdegegenständlichen Daten jedenfalls auf § 86 Abs. 3 KFG 1967 stützen zu können, im Recht. In dieser Bestimmung sind keine formalen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Auskunftserteilung an die ausländische Behörde genannt, sodass auch eine allenfalls vor Eintreffen des schriftlichen Rechtshilfegesuches erteilte Auskunft mit Erfolg auf § 86 Abs. 3 KFG 1967 gestützt werden kann.
Zur Behauptung des Beschwerdeführers, dass sich aus dem Bescheid der DSK K121.031/0010-DSK/2005 die Rechtswidrigkeit der geleisteten Rechtshilfe ergäbe, ist Folgendes auszuführen:
Aus den unter D) 1. zitierten Rechtsvorschriften und Kundmachungen ist zu entnehmen, dass Österreich und die Schweiz Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 289/1982 sind. Auf den vorliegenden Sachverhalt konnte daher § 86 Abs. 3 KFG 1967 angewendet werden.
Diese Rechtsvorschrift, die der zwischenstaatlichen Amtshilfe/Rechtshilfe in Straßenverkehrssachen durch Datenübermittlung dient, enthält keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Art des verfolgten Delikts oder der Höhe der Strafdrohung. Eine gerichtlich oder verwaltungsstrafrechtlich zu ahndende Geschwindigkeitsüberschreitung ist, dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut und der üblichen Bedeutung der verba legalia, eine „Übertretungen von Verkehrsvorschriften“ im Sinne von § 86 Abs. 3 KFG 1967. Da der Zulassungsbesitzer nach österreichischer Rechtsordnung gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 verpflichtet ist, über den Lenker seines Kraftfahrzeugs Auskunft zu geben, war seine Bekanntgabe an die zur Strafverfolgung zuständigen Schweizer Behörden auch im Sinne der Bestimmung zur Ermittlung eines Lenkers notwendig.
Diese weite Auslegung des § 86 Abs. 3 KFG findet auch in den EB (708 BlgNR 20. GP) Deckung, wo ebenfalls keine Einschränkung hinsichtlich der Art der Übertretung – insbesondere nicht im Hinblick auf die insofern irreführende Überschrift des § 86 KFG – gemacht wird. Darüber hinaus wird genau die Konstellation, dass der ausländischen Behörde nur das Kennzeichen bekannt ist, als Anwendungsfall der Bestimmung angeführt.
Zum Hinweis des Beschwerdeführers auf den Bescheid der Datenschutzkommission vom 2. August 2005, GZ: K121.031/0010- DSK/2005, ist weiters festzuhalten, dass das Fürstentum Liechtenstein nicht Vertragspartei des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr ist. Bezüglich einer für Österreich relevanten Mitgliedschaft Liechtensteins zum Pariser Übereinkommen, BGBl. Nr. 304/1930, bestehen bei der Datenschutzkommission Bedenken im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Kundmachung diese Umstandes. Die Frage einer tauglichen Rechtsgrundlage für eine grenzüberschreitende Fahrzeughalterauskunft ist somit hinsichtlich der Schweiz einerseits und hinsichtlich Liechtensteins andrerseits nicht gleich zu beurteilen.
Der Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten war somit rechtmäßig und die Beschwerde daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.