K120.983/0009-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. Dr. Maier und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. Blaha, Dr. Duschanek, Dr. Kotschy, Dr. Staudigl und Mag. Zimmer, sowie des Schriftführers Mag. Suda in ihrer Sitzung vom 20. Mai 2005 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Die Beschwerde des Igor E*** in P*** (Beschwerdeführer), vertreten durch Dr. H***, Rechtsanwalt in P***, vom 21. Juli 2004 gegen das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Löschung wird gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 iVm § 27 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 sowie gemäß §§ 1 Abs. 5 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999, abgewiesen .
[Anmerkung Bearbeiter: Gemäß Erkenntnis des VwGH vom
25. November 2008, Zl. 2005/06/0301-5, ist der abweisende
Spruch aufgehoben, „soweit er die Protokollbuch-Eintragungen
mit der Grundzahl ... des Gendarmeriepostens ... sowie die
Eintragung zur Zl. ... in der elektronischen Datenanwendung
AVTN [Anmerkung Bearbeiter: gemeint „AVNT“] des
Gendarmeriepostens ... betrifft.“]
B e g r ü n d u n g:
Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Löschung dadurch, dass der Beschwerdegegner seinem Löschungsersuchen vom 19. Juni 2004 nicht nachgekommen sei. Davon umfasst waren sämtliche Daten (insbesondere in Protokollen, Erhebungsakten und Indexkarteien) im Zusammenhang mit jenen sicherheitsbehördlichen Ermittlungen in Richtung § 209 StGB, die am 7. August 2001 zur Erstattung einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft N*** geführt hatten.
Der Beschwerdegegner hält dem hinsichtlich der Papierakten entgegen, die darin enthaltenen Daten würden mangels Datenanwendungs- bzw. Dateiqualität der Akten nicht dem Löschungsrecht unterliegen. Hinsichtlich der in Protokollen und Steckzetteln enthaltenen Daten beruft er sich auf den Dokumentationszweck dieser Daten, der nach § 27 Abs. 3 DSG 2000 eine Löschung ausschließe.
Folgender Sachverhalt wurde festgestellt:
Gegen den Beschwerdeführer wurden von verschiedenen Gendarmeriedienststellen in Niederösterreich Ermittlungen wegen des Verdachts der Begehung von Straftaten nach § 209 StGB geführt, die letztlich am 7. August 2001 in die Erstattung einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft N*** durch das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich (Kriminaldirektion) mündeten.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem unbestrittenen Beschwerdevorbringen.
Über diese Ermittlungen sind beim Beschwerdegegner im Einzelnen ausschließlich die folgenden Aufzeichnungen vorhanden:
Es findet sich zur Grundzahl 7***5/98 eine Eintragung in der AMKO („Automatisierte Kanzleiordnung“). In der Rubrik „Betreff“ scheinen die Eintragungen „Sitte Unzucht E*** Igor ****19** [Anmerkung Bearbeiter: Geburtsdatum] ZN“ sowie „****2001 GP A*** P 7**/01 Aktenübersendung“ auf, in der Rubrik „zur Einsicht“ die Eintragungen
„am 07.08.2001 an CAP 4** M***
am an BGK K***
am an GP A***
am 08.08.2001 an Anzeigenkopie
am an BG K***
am an GP A***“.
Weiters existiert zur Geschäftszahl 7***5/98 ein Papierakt, der die Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer dokumentiert. Dieser Akt wurde bereits im Jahr 1998 angelegt und betrifft auch nicht beschwerdegegenständliche Ermittlungen aus dieser Zeit.
Es finden sich die folgenden beschwerderelevanten Protokollbuch-Eintragungen:
[Anmerkung Bearbeiter: grafische Darstellungen im Originalbescheid (Kästen, Raster) nur annähernd dargestellt]
Grund-|Datum |Stelle, |Gegenstand |Erledigung |Anmerkung
zahl |des |Datum | | |
|Ein- |und | | |
|ganges |Geschäfts | | |
| |zahl | | |
------------------------------------------------------
719 |10/06 |GP-Q*** |R*** |18.6.KA f. | DV 2**
| |v.9.6.2001|Anzeige |NÖ zur | E
| | GZP-3**/ |gegen Igor |Übernahme | ***
| | 01/Bd |E*** n. |der wei- |(Paraphe
| | |§ 209 StGB |teren Amts-|des ein-
| | | StGB |handlg. |tragenden
| | | |Übersendet | Beamten)
[..]
995 | 10.8. |KA f. NÖ |E*** Igor |10.8. | DV 4**
| |v.07.08.01|Verd. nach |zur | B**
| |GZ P- |§ 209 StGB |Kenntnis | ***
| |77.***/01 | |genommen |(Paraphe
| |-SE | | |des ein-
| | | | |tragen-
| | | | |den
| | | | |Beamten)
Grund-|Datum |Stelle, |Gegenstand |Erledigung |Anmerkung
zahl |des |Datum | | |
|Ein- |und | | |
|ganges |Geschäfts | | |
| |zahl | | |
------------------------------------------------------
396 |09/06 |ED |R***; | |
| | |Anzeige- |09.06. GP |E
| | |Erstattung |A*** |***
| | | |abgetreten |(Paraphe
| | | | |des ein-
| | | | |tragen-
| | | | |den
| | | | |Beamtenden
Beim Gendarmerieposten V*** sind in der elektronischen Datenanwendung „AVNT“ Name, Geschlecht, Geburtsdatum und Adresse des Beschwerdeführers gespeichert. Zu diesem Personendatensatz sind drei im Zusammenhang mit den Beschwerdevorwürfen relevante Aktenzahlen gespeichert (weitere Zahlen betreffen nicht beschwerdegegenständliche Tätigkeiten des Gendarmeriepostens für die Bezirkshauptmannschaft), nämlich die laufenden Nummern 3**8, 3**5 und 3**3 jeweils aus dem Jahr 2001. Sämtliche Akten bestehen aus nur einer einzigen Ordnungszahl.
Bei der Zahl 3**8/2001 ist das Schlagwort „Sachverhaltsmitteilung“ eingetragen. Es finden sich nochmals die vorgenannten Personendaten des Beschwerdeführers (mit dem „Personen-Status“ „Partei“) sowie ein Verweis auf die Personendaten von D*** (ebenfalls als „Partei“ bezeichnet). In der Rubrik „Versand“ ist „KA f NÖ“ (Kriminalabteilung für Niederösterreich) eingetragen.
Die Zahl 3**5/2001 enthält als Schlagwort „Dienstleistung für andere Dienststelle“, als Absendestelle ist die KA f NÖ, als Versandempfänger der Gendarmerieposten selbst eingetragen. Als Bezugsperson ist ausschließlich der Beschwerdeführer wiederum mit dem Personen-Status „Partei“ vermerkt.
Zur Zahl 3**3/2001 schließlich ist das Schlagwort „ED-Behandlungen“ (für erkennungsdienstliche Behandlungen) vermerkt. Als Absendestelle wird „ED“, als Versandempfänger „DASTA f NÖ“ (Datenstation für Niederösterreich) angegeben. Der Beschwerdeführer ist wiederum als einzige Bezugsperson, diesmal jedoch mit dem Personen-Status „Verdächtiger“, eingetragen.
Bei allen Aktenzahlen finden sich Bearbeiter, eine Beschreibung des posteninternen Aktenlaufes, das Datum von Bearbeitungsvorgängen sowie der Ablagevermerk („AVM“) „E1“. Akteninhalte werden in AVNT nicht verarbeitet, diese finden sich vielmehr ausschließlich in den entsprechenden Papierakten des Gendarmeriepostens.
Die im Protokollbuch bzw. AVNT verwendeten Abkürzungen haben die folgende Bedeutung: DV = Dienstvorschreibung: Dabei handelt es sich um einen dienstrechtlichen Auftrag an einen Exekutivbeamten, zu einer bestimmten Zeit Dienst zu versehen. Gleichzeitig ist dies auch eine Art „Arbeitsnachweis“, also eine Auflistung der vom Beamten in diesem Dienst verrichteten Tätigkeiten. E (Protokollbuch) bzw. E1 (AVNT), B: Hinweise auf Ablageordner (E/E1 = Allgemeines, B= Strafanzeigen).
Beim Gendarmerieposten W*** befindliche Aufzeichnungen stehen nicht mit den Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer, die zur Anzeigeerstattung am 7. August 2001 führten, im Zusammenhang.
In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 24. August 2001 vom Landesgericht N*** nach § 209 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe (5 Monate unbedingt, 10 Monate bedingt) verurteilt. Das Urteil wurde am 23. Oktober 2001 rechtskräftig.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen des Beschwerdegegners und den von ihm vorgelegten Urkundenkopien, denen der Beschwerdeführer in sachverhaltsmäßiger Hinsicht im Parteiengehör nicht entgegengetreten ist.
Am 19. Juni 2004 beantragte der Beschwerdeführer beim Beschwerdegegner die Löschung sämtlicher zu seiner Person verarbeiteter Daten im Zusammenhang mit diesen sicherheitsbehördlichen Ermittlungen.
Am 14. Juli 2004 lehnte der Beschwerdegegner die beantragte Löschung unter Hinweis auf § 13 SPG iVm der Kanzleiordnung der Bundesgendarmerie ab.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem unbestrittenen Beschwerdevorbringen.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Gemäß der Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 hat jedermann, soweit ihn betreffende Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuellen, d.h. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.
§ 27 DSG 2000 ist als einfachgesetzliche Ausführungsbestimmung zu § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 („nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen“) Anspruchsgrundlage für das individuelle Recht auf Löschung.
Gemäß § 27 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 hat jeder Auftraggeber unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten auf begründeten Antrag des Betroffenen richtig zu stellen oder zu löschen.
Der Pflicht zur Richtigstellung nach Z 1 unterliegen nur solche Daten, deren Richtigkeit für den Zweck der Datenanwendung von Bedeutung ist. Die Unvollständigkeit verwendeter Daten bewirkt nur dann einen Berichtigungsanspruch, wenn sich aus der Unvollständigkeit im Hinblick auf den Zweck der Datenanwendung die Unrichtigkeit der Gesamtinformation ergibt. Sobald Daten für den Zweck der Datenanwendung nicht mehr benötigt werden, gelten sie als unzulässig verarbeitete Daten und sind zu löschen, es sei denn, dass ihre Archivierung rechtlich zulässig ist und dass der Zugang zu diesen Daten besonders geschützt ist.
Gemäß § 27 Abs. 3 DSG 2000 ist eine Richtigstellung oder Löschung von Daten ausgeschlossen, soweit der Dokumentationszweck einer Datenanwendung nachträgliche Änderungen nicht zulässt. Die erforderlichen Richtigstellungen sind diesfalls durch entsprechende zusätzliche Anmerkungen zu bewirken.
Gemäß § 27 Abs. 4 DSG 2000 ist innerhalb von acht Wochen nach Einlangen eines Antrags auf Richtigstellung oder Löschung dem Antrag zu entsprechen und dem Betroffenen davon Mitteilung zu machen oder schriftlich zu begründen, warum die verlangte Löschung oder Richtigstellung nicht vorgenommen wird. Gemäß § 58 DSG 2000 gelten manuelle Dateien in Angelegenheiten, die durch Bundesgesetz zu regeln sind, als Datenanwendungen (mit Ausnahmen betreffend die Meldepflicht); es sind die Bestimmungen betreffend das Löschungsrecht daher auch auf manuelle Dateien anwendbar.
Gemäß § 10 Abs. 2 1. und 3. Satz SPG werden die Angelegenheiten des inneren Dienstes der Landes- und Bezirksgendarmeriekommanden von diesen selbst besorgt. Soweit sie für den inneren Dienst automationsunterstützt Daten verarbeiten, sind sie Auftraggeber (§ 4 Z 4 des Datenschutzgesetzes).
Gemäß § 13 SPG ist die formale Behandlung der von den Sicherheitsdirektionen, den Bundespolizeidirektionen und der Bundesgendarmerie zu besorgenden Geschäfte vom Bundesminister für Inneres jeweils in einer einheitlichen Kanzleiordnung festzulegen; hiebei ist auch zu bestimmen, in welchem Umfang diese formale Behandlung automationsunterstützt erfolgen darf.
Nach dem Beschwerdevorbringen sowie dem festgestellten Sachverhalt lassen sich unterscheiden:
1. Papierakten
2. Protokollbucheintragungen sowie Eintragungen in AMKO und AVNT
Zu 1.) Papierakten:
Die Datenschutzkommission vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB den Bescheid vom 4. Mai 2004, GZ K120.841/0001- DSK/2004, abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes unter www.ris.bka.gv.at) die Auffassung, dass ein behördenüblicher Papierakt weder eine automationsunterstützt geführte Datenanwendung noch eine manuelle Datei bildet, es daher keinen Anspruch auf Löschung von Daten aus einem solchen Akt, etwa durch Entfernen und Vernichten von einzelnen Blättern oder durch Unkenntlichmachung von einzelnen Schriftpassagen gibt. Dieser Rechtsauffassung hat sich der Verwaltungsgerichtshof in dem den vorzitierten Bescheid betreffenden Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2004/06/0086 angeschlossen.
Es ergibt sich also weder aus § 1 Abs. 3 Z 2 noch aus § 27 Abs. 1 DSG 2000 ein Recht auf „Löschung“ eines Papieraktes, sodass die Beschwerde hinsichtlich der Papierakten abzuweisen war.
Zu 2.) Protokollbucheintragungen sowie Eintragungen in AMKO und AVNT:
Die Datenschutzkommission vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa den vorzitierten Bescheid sowie jenen vom 8. Oktober 2004, K120.982/0005-DSK/2004, ebenfalls im RIS abrufbar) weiters die Auffassung, dass sich aus den §§ 10 und 13 SPG und der darauf beruhenden Kanzleiordnung der Bundesgendarmerie die Zugehörigkeit der Dokumentation im Protokoll zum inneren Dienst der Bundesgendarmerie und damit die - auch ausdrücklich in Anspruch genommene und vom Beschwerdeführer nicht bestrittene - Auftraggebereigenschaft des Landsgendarmeriekommandos für diese manuellen Dateien ergibt. Dasselbe muss für die ebenfalls für Zwecke des inneren Dienstes der Gendarmerie geführten Datenanwendungen AMKO und AVNT – sie traten schrittweise an die Stelle der Protokollbücher und Steckzettelindizes - gelten. Die Anwendbarkeit des § 27 DSG 2000 auf die noch manuell geführten Dateien (Protokollbücher) ergibt sich aus § 58 DSG 2000.
Diese ständige Rechtsprechung besagt sodann, dass die Eintragungen im Protokollbuch lediglich einen behördeninternen Dokumentationszweck, und zwar die reine aktenmäßige Protokollierung eines unwidersprochen stattgefundenen Verwaltungshandelns, nämlich Ermittlungen im Dienste der Strafjustiz, erfüllen. Sie dienen nicht zur inhaltlichen Verwendung der Daten, sondern lediglich zur Dokumentation bzw. zur Wiederauffindung der entsprechenden Papierakten. Für eine Verwendung der Daten für andere Zwecke lieferte dementsprechend § 13 SPG keine Grundlage.
Auch die Eintragungen in den Systemen AMKO und AVNT verfolgen ausschließlich diesen Dokumentationszweck. Das Ermittlungsverfahren hat keine Widmung für andere Zwecke, etwa der Sicherheitspolizei oder der Strafverfolgung, ergeben. Daher sind auch insbesondere die Bestimmungen des 4. Teils des SPG, über das Verwenden personenbezogener Daten im Rahmen der Sicherheitspolizei (§§ 51 bis 80), auf die der Beschwerdeführer sein Vorbringen maßgeblich stützt, im vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
Der Dokumentationszweck steht aber gemäß § 27 Abs 3 erster Satz DSG 2000 einer Löschung entgegen. Eine allfällige Richtigstellung durch Anmerkung des Ausganges des Strafverfahrens gemäß dem zweiten Satz des § 27 Abs. 3 DSG 2000 (rechtskräftige Verurteilung nach § 209 StGB) ist vom Löschungsantrag des Beschwerdeführers nicht umfasst.
Die Beschwerde war daher auch in diesem Punkt abzuweisen.
Mit Erkenntnis vom 25. November 2008, Zl. 2005/06/0301-5, hat
der VwGH den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines
Inhaltes aufgehoben , „soweit er die Protokollbuch-
Eintragungen mit der Grundzahl ... des Gendarmeriepostens ...
sowie die Eintragung zur Zl. ... in der elektronischen
Datenanwendung AVTN [Anmerkung Bearbeiter: gemeint „AVNT“] des
Gendarmeriepostens ... betrifft.“ Im Übrigen wurde die
Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
aus den Entscheidungsgründen des VwGH:
Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs, der Sachverhaltsfeststellungen der Datenschutzkommission und der anzuwendenden Rechtsvorschriften hat der VwGH erwogen:
„Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, jenes Verhalten, hinsichtlich dessen Aufzeichnungen ihn betreffend geführt worden seien, sowie hinsichtlich dessen gegen ihn ermittelt worden sei, sei seit dem 13. August 2002 nicht mehr strafbar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe mit Urteil vom 21. Oktober 2004 erkannt, dass ein gegen ihn geführtes Strafverfahren samt sicherheitsbehördlicher Ermittlungen eine schwere Menschenrechtsverletzung dargestellt habe, der Republik Österreich seien Schadenersatzzahlungen an ihn auferlegt worden. Seine Verurteilung habe der OGH mit Urteil vom 7. Juni 2005 gemäß § 363a StPO aufgehoben. Mit Beschluss des Landesgerichts N*** vom 6. Juli 2005 sei er gemäß § 227 StPO außer Verfolgung gesetzt worden.
Der bekämpfte Bescheid sei mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weil die in den Kopienakten und den Protokollen und Steckzetteln enthaltenen personenbezogenen Daten als Gesamtheit zu sehen seien. Die Protokolle und Steckkarten würden der Wiederauffindbarkeit der Kopienakten dienen. Damit handle "es sich aber bei den personenbezogenen Daten (auch) in den Kopienakten um (Teile) eine(r) strukturierte(n) Sammlung, die (durch Steckkarten und Protokolle) nach mindestens einem Kriterium (hier etwa der Name des Bf) zugänglich" seien. Die von der belangten Behörde vorgenommene Trennung der personenbezogenen Daten im Kopienakt einerseits und den Protokollen und Steckkarten andererseits, sei künstlich und entspreche nicht dem Schutzzweck des Gesetzes.
Auch habe er sich nicht nur auf § l Abs. 3 Z. 2 DSG 2000 berufen, sondern vor allem auf Art. 8 EMRK, welcher jedenfalls einen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Anspruch auf Löschung (auch) unstrukturiert (konventionell) verarbeiteter Daten verleihe. Auch die einfachgesetzlichen Bestimmungen des § 63 SPG und der § 6 Ahs. 1 Z. 2 und Z. 5 DSG seien nicht auf personenbezogene Daten in Dateien beschränkt. Die Kopienakte würden nicht mehr benötigt, zumal der EGMR festgestellt habe, dass die polizeilichen Ermittlungen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzt habe. An einmal erfolgte Menschenrechtsverletzungen dürften keine weiteren negativen Folgen geknüpft werden. Die weitere Aufbewahrung von aus der am Beschwerdeführer begangenen Grundrechtsverletzung stammenden stigmatisierenden Daten stelle eine solche Knüpfung weiterer negativer Folgen an die damalige Grundrechtsverletzung dar. Dürften die Kopienakten nicht weiter aufbewahrt werden, so entfalle auch die Dokumentationsfunktion der Protokollbucheintragungen sowie der Eintragungen in AMKO und AVNT. Er sei durch die Verweigerung der Löschung (Skartierung, Anonymisierung) durch das LGK Niederösterreich in seinem Recht auf Löschung verletzt, woraus folge, dass die belangte Behörde die auf Löschung gerichtete Beschwerde nicht abweisen hätte dürfen, sondern die Löschung anzuordnen gehabt hätte.
Der Beschwerdeführer leitet aus dem ihn betreffenden Urteil des EGMR vom 21. Oktober 2004 ab, dass ein Löschungsbegehren hinsichtlich der Kopienakten und der Protokolle und Steckkarte vor allem auch auf die Bestimmung des Art. 8 EMRK sowie jene des Art. 13 EMRK gestützt werden könne, welche jedenfalls einen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Anspruch auf Löschung (auch) unstrukturiert (konventionell) verarbeiteter Daten und ein Recht auf ein diesbezügliches Rechtsmittel beinhalte.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Urteile des EGMR
in den Fällen Amann gegen Schweiz vom 16. Februar 2000, par.
78ff; Rotaru gegen Rumänien vom 4. Mai 2000 (Große Kammer),
aus denen er ableitet, dass aus Art. 8 EMRK (und Art. 14 EMRK)
ein Anspruch auf Löschung (auch) unstrukturiert
(konventionell) verarbeiteter Daten abzuleiten sei. Aus dem
Urteil des EGMR im Fall Thlimmenos gegen Griechenland vom 6.
April 2000, insb. par. 44, leitet er den Grundsatz ab, dass an einmal erfolgte Menschenrechtsverletzungen keine weiteren negativen Folgen geknüpft werden dürfen. Die weitere Aufbewahrung von aus der am Beschwerdeführer begangenen Grundrechtsverletzung stammenden stigmatisierenden Daten stelle eine solche Anknüpfung weiterer negativer Folgen an die damalige Grundrechtsverletzung dar. Auch die einfachgesetzlichen Bestimmungen des § 63 SPG und des § 6 Abs. 1 Z. 2 und Z. 5 DSG seien nicht auf personenbezogene Daten in Dateien beschränkt. Der Beschwerdeführer regt letztlich die Befassung des EuGH durch den Verwaltungsgerichtshof zur Frage des Begriffs der Datei im Sinne des Art. 2 lit. c der Datenschutzrichtlinie, 95/46/EG, an.
Weshalb eine Vorlage an den EuGH im vorliegenden Fall nicht
erforderlich ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits
ausführlich in seinem insofern gleich gelagerten hg.
Erkenntnis vom 19. Dezember 2005, Zl. 2005/06/0140, VwSlg.
16.779/A, dargelegt, auf dieses Erkenntnis kann daher insofern
gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden.
Zu den Protokollbucheintragungen hat der
Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Oktober
2004, ZI. 2004/06/0086, VwSlg. 16.477/A, dargelegt,
dass diese Eintragungen bestimmungsgemäß dazu dienen, den
Geschäftsfall zu konkretisieren und den Akt auffinden zu
können. Diese Eintragungen sind daher der behördeninternen
Kanzleitätigkeit zuzuordnen. Mit Erkenntnis vom
13. Dezember 2004, Zl. 2004/06/0018, hat er festgehalten, dass
dies auch für Indexkarteikarten zu gelten habe. Auf Grund der
funktionellen Nähe zum Protokollbuch, Steckzetteln und
lndexkarteikarten muss dies auch für die elektronischen
Aktendokumentationssysteme AMKO und AVNT gelten. Auf das
angeführte Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom
19. Dezember 2005, ZI. 2005/06/0140, VwSlg. 16.779/A, zu
Protokollbucheintragungen. die - ähnlich wie im vorliegenden
Fall - sensible Daten enthielten, ausgesprochen. vor dem
Hintergrund, dass der Straftatbestand, wegen
dessen Erfüllung der Beschwerdeführer für schuldig befunden
worden war, wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden war,
und eben wegen dieser strafgerichtlichen Verurteilung des
Beschwerdeführers ein verurteilendes Erkenntnis des EGMR
ergangen ist, bei der gegebenen (dem gegenständlichen Fall
vergleichbaren) Verfahrenslage erschienen aus dem Blickwinkel
des, im Datenschutz bestehenden
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Argumente, die für eine
Löschung sprechen, gewichtiger, als die Gründe, aufweiche die
belangte Behörde den von ihr angesprochenen
Dokumentationszweck gestützt hat. Daher komme die Löschung
(Schwärzung) des Namens des Beschwerdeführers in der
entsprechenden Eintragung in Betracht.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde festgestellt,
dass Protokollbuch-Eintragungen mit dem Namen des
Beschwerdeführers und der ihm vorgeworfenen, vormals
strafbaren Handlung beim GP ... sowie eine
Eintragung betreffend den Beschwerdeführer, in welcher er als
"Verdächtiger" bezeichnet wird, in der elektronischen
Datenanwendung AVNT des Gendarmeriepostens ... vorliegen. Die
belangte Behörde hat es aber unterlassen, zu den
gegenständlichen Protokollbuch-Eintragungen des GP ... sowie
zur Eintragung in der elektronischen Datenanwendung AVNT des
Gendarmeriepostens ... eine gebotene Interessensabwägung
vorzunehmen. In Betracht kommt daher auch im vorliegenden Fall die Löschung (Schwärzung) des Namens des Beschwerdeführers in diesen Eintragungen, womit die Verknüpfung der Eintragung mit der Person des Beschwerdeführers unterbrochen wird. Werden die Eintragungen im Protokollbuch oder AVNT, die den Beschwerdeführer betreffen, unkenntlich gemacht, so ist - wie dies der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 7. März 2007, B 1708106, ausgeführt hat - der "Papierakt" personenbezogen (dh mit dem Namen des Beschwerdeführers) nicht mehr auffindbar und angesichts dessen davon auszugehen, dass die Zugänglichkeit (Erkennbarkeit) der den Beschwerdeführer betreffenden personenbezogenen Daten im "Kopienakt" bzw. "Papierakt" derart reduziert wurde, dass diesbezüglich - auch vor dem Hintergrund der angeführten Urteile des EGMR - von einem Eingriff in das aus Art. 8 EMRK erfließende Recht auf Achtung des Privatlebens nicht mehr die Rede sein kann.
Bei den übrigen im angefochtenen Bescheid erfassten Eintragungen ist eine Rückführbarkeit auf einen gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwurf nicht ersichtlich, weshalb seinem diesbezüglichen Begehren auf Löschung zu Recht keine Folge gegeben worden und auch vom Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich keine Rechtsverletzung zu erkennen ist.
Hinsichtlich des im vorliegenden Fall gegebenen behördenüblichen "Papierakts" ist der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg.
Erkenntnis vom 19. Dezember 2005, Zl. 2005/06/0140, VwSlg. 16.779/A) zu entnehmen, dass ein diesbezüglich mit Beschwerde an die Datenschutzkommission gemäß §§ 27 und 31 DSG 2000 geltend gemachter Anspruch auf Löschung nur hinsichtlich einer Datei im Sinne des § 4 Z 6 DSG 2000 geltend gemacht, und ein "Papierakt" nur dann als solche Datei qualifiziert werden kann, wenn er ein Mindestmaß an "Organisationsgrad" im Sinne einer "Strukturierung" aufweist. Im vorliegenden Fall ist nichts hervorgekommen, was für eine derartige "Strukturierung" des gegenständlichen "Papierakts" spräche. Es ist auch nicht ersichtlich. dass die dateimäßige Aufschließung des "Papierakts" über Protokollbuch, Steckzettel (Indexkartei) oder auf sonstige Weise bei Vornahme der im Vorausgegangenen für erforderlich erachteten Schwärzungen und Löschungen noch möglich wäre. Auch in diesem Umfang kann der Beschwerdeführer durch den kann der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid auf dem Boden der hg. Rechtsprechung daher nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten als verletzt erachtet werden.
Dadurch, dass die belangte Behörde die angeführten Umstände verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid insofern mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er im angeführten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. I VwGG als unbegründet abzuweisen.“
[Begründung des Kostenpunkts nicht wiedergegeben]