JudikaturDSB

2025-0.607.071 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht
10. September 2025

Text

GZ: 2025-0.607.071 vom 10. September 2025 (Verfahrenszahl: DSB-D124.1942/24)

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BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Sebastian A*** (Beschwerdeführer), vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Karl M***, vom 21. August 2024, ergänzt am 4. September 2024, gegen 1. Franz N*** (Erstbeschwerdegegner) und Helga N*** (Zweitbeschwerdegegnerin) [nachfolgend auch: Beschwerdegegner:innen], vertreten durch die H*** B***-Rechtsanwälte GmbH, wegen behaupteter Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:

1. Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt , dass die Beschwerdegegner:innen den Beschwerdeführer dadurch im Recht auf Geheimhaltung verletzt haben, indem sie den Beschwerdeführer bei Benutzung der öffentlichen Straße durch den Betrieb von unzulässigen Videokameras (Kamera 1, Kamera 2 und Kamera 5) aufgenommen haben.

2. Den Beschwerdegegner:innen wird die durch Kamera 2 und Kamera 5 vorgenommene rechtsgrundlose Videoüberwachung der öffentlichen Straße in der derzeitigen Form mit sofortiger Wirkung untersagt .

3. Den Beschwerdegegner:innen wird die durch Kamera 1 vorgenommene rechtsgrundlose Videoüberwachung der öffentlichen Straße in der derzeitigen Form mit sofortiger Wirkung untersagt .

4. Den Beschwerdegegner:innen wird die durch Kamera 1, Kamera 3 und Kamera 4 vorgenommene Videoüberwachung von Gäst:innen und Mitarbeiter:innen in der derzeitigen Form bis zum Vorliegen rechtsgültiger Einwilligungserklärungen mit sofortiger Wirkung untersagt .

Rechtsgrundlagen : Art. 4 Z 1, Z 2 und Z 7, Art. 5 Abs. 1 lit. a und lit. c sowie Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 lit. f, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f, Art. 58 Abs. 2 lit. f sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 1 Abs. 1 und Abs. 2, 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

1. Mit verfahrenseinleitender Eingabe vom 21. August 2024, verbessert am 4. September 2024, behauptete der Beschwerdeführer durch dessen rechtsfreundliche Vertretung eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch eine behauptetermaßen unzulässige Bildverarbeitung durch die Beschwerdegegner:innen. Er brachte hierzu zusammengefasst wie folgt vor:

Die Beschwerdegegner:innen hätten an ihrem Gastlokal Videoüberwachungskameras angebracht. Eine Kamera würde eine öffentliche Durchfahrtsstraße, die der Beschwerdeführer nutzt, erfassen und eine weitere sei direkt auf das gegenüber befindliche Grundstück des Beschwerdeführers gerichtet und erfasse bildlich und akustisch hauptsächlich das Grundstück des Beschwerdeführers. Die Beschwerdegegner:innen hätten keine berechtigten Interessen für die Videoüberwachungen. Der Beschwerde waren mehrere Lichtbilder in Kopie beigelegt.

2. Am 24. September 2024 brachten die Beschwerdegegner:innen durch deren rechtsfreundliche Vertretung wie folgt vor:

Die Beschwerdegegner:innen seien je zur Hälfte Eigentümer:innen des verfahrensgegenständlichen Grundstückes. Im Erdgeschoss des genannten Gebäudes würden die Beschwerdegegner:innen seit 2005 ein Restaurant betreiben. In den oberen Stockwerken würden die Beschwerdegegner:innen gemeinsam mit ihren Kindern und den Eltern leben. Hintergrund der Installation der gegenständlichen Kameras sei gewesen, dass es seit mehreren Jahren erhebliche Probleme mit dem Beschwerdeführer gebe. Der Beschwerdeführer würde die Beschwerdegegner:innen, deren Familienangehörigen, deren Mitarbeiter:innen und deren Gäst:innen regelmäßig beschimpfen und bedrohen. Obwohl sich die Beschwerdegegner:innen mehrfach an die Polizei und ihre rechtsfreundliche Vertretung gewandt hätten, habe sich das Verhalten des Beschwerdeführers weiter verschlimmert. Manche Vorfälle seien sogar strafrechtlich relevant. Der Beschwerdeführer habe etwa Unkraut und Silage auf das Grundstück der Beschwerdegegner:innen geworfen und einen Gast körperlich angegriffen. Dass mit den Kameras die Vorfälle vor Gericht nachgewiesen werden können, sei auch der einzige Grund für die Kamerainstallation gewesen. Die fünf gegenständlichen Kameras würden nur die Liegenschaft der Beschwerdegegner:innen filmen. Bereiche außerhalb der Liegenschaft der Beschwerdegegner:innen würden unkenntlich gemacht werden. Es würden auch klare Hinweise auf die Kameras vorliegen. Akustische Aufnahmen würden dann entstehen, wenn der Beschwerdeführer lautstark brülle. Aufzeichnungen würden für 14 Tage gespeichert.

Der Eingabe war ein Konvolut an Lichtbildern und Dokumenten beigelegt.

3. Es erfolgten weitere schriftliche Eingabe der Verfahrensparteien.

4. Am 6. Juni 2025 führte die Datenschutzbehörde eine mündliche Einvernahme der Beschwerdegegner:innen durch (online). Eine Kopie der Niederschrift wurde dem Beschwerdeführer zum Parteiengehör übermittelt.

5. Mit Eingabe vom 24. Juli 2025 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst wie folgt vor:

Es sei unzutreffend, dass die Videoüberwachungsanlage zum Schutz der Mitarbeiter:innen und Gäst:innen installiert worden sei. Vielmehr seien diese nur wegen dem Beschwerdeführer montiert worden. Auch lägen keine schriftlichen Einwilligungserklärungen der Mitarbeiter:innen vor. Das lediglich im Eingangsbereich befindliche Hinweisschild stelle keine ausreichende Information gegenüber den Gäst:innen dar. Zusätzlich werde die von jedermann benutzbare Straße durchgehend mit Film- und Tonaufnahmen überwacht.

B. Beschwerdegegenstand

Beschwerdegegenstand ist die Frage, ob die Beschwerdegegner:innen den Beschwerdeführer durch eine unzulässige Videoüberwachung in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt haben.

C. Sachverhaltsfeststellungen

1. Die Datenschutzbehörde legt das Vorbringen unter Punkt A ihren Sachverhaltsfeststellungen zugrunde.

2. Die Beschwerdegegner:innen sind seit 2005 gemeinsam Eigentümer:innen einer Liegenschaft mit der Adresse: V***dorf *6*, **** L***markt. Die oberen Stockwerke des Gebäudes dienen als Wohnsitz der Beschwerdegegner:innen, während im Erdgeschoss das Restaurant „***hof“ betrieben wird. In dem Betrieb werden fünf Mitarbeiter:innen beschäftigt.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um den Eigentümer und Bewohner der Liegenschaft mit der Adresse V***dorf 18*, **** L***markt.

Die jeweiligen Liegenschaften der Verfahrensparteien liegen einander gegenüber und stehen die Verfahrensparteien somit in einem nachbarschaftlichen Verhältnis zueinander.

3. Die Beschwerdegegner:innen haben spätestens im Jahr 2023 und nach gemeinsamer Entscheidung fünf Videokameras durch ein externen Unternehmen anbringen bzw. installieren lassen und werden die Videokameras seit diesem Zeitpunkt durchgehend betrieben.

Bei den Videokameras handelt es sich jeweils um das Modell „K***watch *6 MP IR ***dome Network Video***“.

Die Videokameras zeichnen seit Inbetriebnahme durchgehend (24h) auf und übermitteln die Aufzeichnungen über eine App auf die Mobiltelefone der Beschwerdegegner:innen, wo diese gespeichert und nach 14 Tagen automatisch gelöscht werden. Die Kameras verfügen über eine Bild- und Tonaufnahmefunktion.

4. Die fünf Videokameras befinden sich an der Außenfassade des Hauses der Beschwerdegegner:innen.

Die Kamera 1, welche sich im Eingangsbereich befindet, nimmt den Gastgarten des Restaurants der Beschwerdegegner:innen sowie in Teilen eine öffentliche Straße auf. Im Aufnahmebereich der Kamera 1 befinden sich regelmäßig Mitarbeiter:innen, Gäst:innen sowie Personen, welche die öffentliche Straße benutzen.

Die Kamera 2 an der Nordseite nimmt eine öffentliche Straße auf. Im Aufnahmebereich der Kamera 2 befinden sich regelmäßig Personen, welche die öffentliche Straße benutzen.

Die Kamera 3 beim Leergutplatz nimmt den Eingang zum Kühlbereich, den Lagerbereich des Restaurants und Teile des Privatgrundstückes der Beschwerdegegner:innen auf. Im Aufnahmebereich befinden sich regelmäßig Mitarbeiter:innen.

Die Kamera 4 nimmt den Mitarbeiter:innenparkplatz auf. Im Aufnahmebereich befinden sich somit regelmäßig Mitarbeiter:innen.

Die Kamera 5 nimmt eine öffentliche Straße auf. Das Grundstück des Beschwerdeführers, welches sich grundsätzlich auch im Aufnahmebereich der Videokameras befinden würde, wurde seit Beginn der Inbetriebnahme durchgehend mittels schwarzem Balken unkenntlich gemacht. Im Aufnahmebereich der Kamera 5 befinden sich regelmäßig Personen, welche die öffentliche Straße benutzen.

Die Bildqualität der Kameras 1 bis 5 ermöglicht die Erkennung von physischen Merkmalen von Personen (etwa ungefähre Gesichtszüge oder Geschlecht).

Der Beschwerdeführer wird und wurde bei Benutzen der öffentlichen Straße regelmäßig von den Videokameras erfasst. Dabei sowohl bildlich als auch akustisch.

5. Die Beschwerdegegner:innen haben im Eingangsbereich beim Gastgarten ein Piktogramm mit der Aufschrift „Achtung Videoüberwachung“ angebracht.

6. Zwischen den Verfahrensparteien gab es in der Vergangenheit zahlreiche Konflikte, wobei der Beschwerdeführer auch wiederholt (verbal) ausfallend gegenüber den Beschwerdegegner:innen, deren Mitarbeiter:innen und Gäst:innen geworden ist und diese zum Teil auch bedroht hat.

Ab dem Jahr 2021 bzw. 2022 gab es zahlreiche Vorfälle, in welchen der Beschwerdeführer u.a. Unkraut auf das Grundstück der Beschwerdegegner:innen - im unmittelbaren Bereich zum Wohnhaus und Restaurant - geworfen hat. Dabei befanden sich teilweise auch Gäst:innen im Gastgarten.

In diesem Zusammenhang wurden gegen den Beschwerdeführer auch mehrere Strafverfahren geführt. Insgesamt kam es neben einer diversionellen Vorgehensweise zu zwei strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen gefährlicher Drohung bzw. Nötigung. Die Verurteilungen erfolgten u.a. deshalb, da der Beschwerdeführer die Beschwerdegegner:innen und weitere Personen gefährlich mit zumindest der Zufügung einer Körperverletzung bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Davon abgesehen, ist es bislang zu keinen Einbrüchen oder Sachbeschädigungen am Grundstück der Beschwerdegegner:innen gekommen.

Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen sind Großteiles unstrittig und beruhen auf den stringenten schriftlichen Stellungnahmen der Parteien sowie auf den von den Parteien vorgelegten Unterlagen, Lichtbildern und Videoaufzeichnungen, deren Echtheit und Richtigkeit zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gestanden sind. Darüber hinaus beruhen die Feststellungen auf den Angaben der Beschwerdegegner:innen in ihrer mündlicher Einvernahme am 6. Juni 2025. Die Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Beschwerdegegner:innen wurde durch den persönlichen Eindruck im Rahmen der mündlichen Einvernahmen bestätigt.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

D1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 1 Abs. 1 DSG hat jede Person, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung ihres Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der sie betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

Gemäß § 1 Abs. 2 DSG sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung, soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des oder der Betroffenen oder mit seiner oder ihrer Zustimmung erfolgt, nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen oder einer anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

„Personenbezogene Daten“ sind laut Art. 4 Z 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.

„Verarbeitung“ ist laut Art. 4 Z 2 DSGVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.

„Verantwortliche*r“ ist laut Art. 4 Z 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.

Personenbezogene Daten müssen gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO stets auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden („Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz“).

Datenverarbeitungen müssen gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein („Datenminimierung“).

Der Verantwortliche ist laut Art. 5 Abs. 2 DSGVO für die Einhaltung des Art. 5 Abs. 1 DSGVO verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können („Rechenschaftspflicht“).

Die Verarbeitung ist nur dann rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 lit. a bis lit. f DSGVO genannten Bedingungen erfüllt ist. Etwa laut lit. f leg. cit., wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

D2. Zur Beschwerde (Spruchpunkt 1)

a. Eröffnung des Anwendungsbereiches

Das von einer Videokamera aufgezeichnete (aufgenommene) Bild einer Person fällt dann unter den Begriff der personenbezogenen Daten, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (vgl. EuGH 11.12.2014, C-212/13, Rz 22). Sofern Personen, welche den überwachten Bereich betreten, anhand ihres Aussehens oder anderer spezifischer Merkmale identifizierbar sind, handelt es sich um die Verarbeitung von personenbezogenen Daten.

Zudem stellen Bildverarbeitungen (mittels Kameras) regelmäßig eine automatisierte Verarbeitung iSd. DSGVO dar. Die Legaldefinition nach Art. 4 Z 2 verlangt dabei keine „Mindestverarbeitung“, etwa in Form einer andauernden Aufzeichnung bzw. Speicherung, womit bereits die Echtzeitüberwachung von diesem Begriff mitumfasst ist (vgl. hierzu Erkenntnis des BVwG vom 3.9.2019, GZ: W214 2219944-1).

Zu den gegenständlichen Videokameras ist festzuhalten, dass deren Bildqualität - wie auch den Feststellungen zu entnehmen ist - jedenfalls als derart hoch bzw. ausreichend einzustufen ist, als dass sie die Erkennung besonderer physischer Merkmale von Personen (wie bspw. Geschlecht, Größe, Haarfarbe und ungefähre Gesichtszüge) und somit deren Identifizierbarkeit ioS und iSv. Art. 4 Z 1 DSGVO ermöglicht.

Dies trifft darüber hinaus auch auf die akustischen Aufnahmen von Stimmen bzw. Gesprächen zu.

Da jedenfalls davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer die öffentlichen Straßen in unmittelbarer Nähe regelmäßig nutzt, kann in einem ersten Schritt festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer von den Videokameras 1, 2 und 5 erfasst wurde und wird, womit dessen personenbezogene Daten (automatisiert) verarbeitet werden.

Hierfür sind die Beschwerdegegner:innen unbestrittenermaßen gemeinsame Verantwortliche iSd. Art. 4 Z 7 iVm Art. 26 Abs. 1 DSGVO.

Vor diesem Hintergrund kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 DSG (sowie der DSGVO) eröffnet ist und die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung näher zu prüfen war.

Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle noch darauf hinzuweisen, dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Rechtsverletzung von Mitarbeiter:innen und Gäst:innen iZm seiner Beschwerde als irrelevant erweist. Beim Recht auf Geheimhaltung handelt es sich nämlich um ein höchstpersönliches Recht, womit auch eine „stellvertretende“ Beschwerdeerhebung im Namen dieser Personengruppen nicht möglich wäre.

b. Rechtmäßigkeit

Mangels Vorliegen einer Zustimmung oder anderer Rechtfertigungsgründe kommt im vorliegenden Fall ausschließlich der Erlaubnistatbestand „berechtigte Interessen“ (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO und § 1 Abs. 2 DSG) in Betracht, weshalb in weiterer Folge eine Bewertung der berechtigten Interessen der Beschwerdegegner:innen (und dritter Personen) zu erfolgen hat und diese Interessen mit jenen des Beschwerdeführers abzuwägen sind.

Die DSGVO und insbesondere auch die darin verankerten Grundsätze sind zur Auslegung des Rechts auf Geheimhaltung heranzuziehen (vgl. den Bescheid der DSB vom 31. Oktober 2018, GZ DSB-D123.076/0003-DSB/2018).

Die Datenverarbeitung auf der Rechtsgrundlage von „berechtigten Interessen“ ist unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: i) Wahrnehmung eines berechtigten Interesses durch den bzw. die Verantwortliche*n oder den bzw. die Dritte*n ii) Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses und iii) kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der vom Datenschutz betroffenen Person über das wahrgenommene berechtigte Interesse (vgl. in Bezug auf die insofern vergleichbare Rechtslage nach der Richtlinie 95/46/EG das Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2019, C-708/18 [TK] Rz 40 mwN) .

Berechtigtes Interesse

Die Beschwerdegegner:innen führten dazu aus, dass die verfahrensgegenständlichen Videokameras ausschließlich dazu dienten, wider- bzw. strafrechtliches Verhalten des Beschwerdeführers zu dokumentieren, um dies in weiterer Folge gerichtlich zu verwenden. Darüber hinaus diene die Videoüberwachung auch ihrem persönlichen Schutz sowie dem Schutz ihrer Gäst:innen und Mitarbeiter:innen.

Der EuGH hat bereits festgehalten, dass der Betrieb einer Videosystemanlage zum Schutz des Eigentums grundsätzlich ein berechtigtes Interesse darstellt (vgl. das Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2019 a.a.O. Rz 42) und wird dies auch in ständiger Spruchpraxis durch die Datenschutzbehörde vertreten (vgl. etwa den Bescheid der DSB vom 11. August 2021, GZ: 2021-0.540.958).

Dies muss umso mehr für den Schutz der körperlichen und psychischen Integrität gelten.

Da es - wie den Feststellungen zu entnehmen ist - in der Vergangenheit bereits zu mehreren (strafrechtlichen) Vorfällen mit dem Beschwerdeführer gekommen ist, in welchen der Beschwerdeführer durch aggressives und bedrohliches Verhalten aufgefallen ist (und auch gerichtlich dafür bestraft wurde), ist jedenfalls eine tatsächliche Gefährdungslage und somit ein berechtigtes Interesse zu bejahen (vgl. Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2019, C-708/18 [TK] Rz 44 mwN).

Erforderlichkeit

Laut EuGH ist die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung gemeinsam mit dem sogenannten „Grundsatz der Datenminimierung“ (vgl. nach neuer Rechtslage: Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO) zu sehen (vgl. Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2019, C-708/18 [TK] Rz 48 mwN).

Es ist daher zu prüfen, ob die Videoüberwachung geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, dem Zweck angemessen und erforderlich ist, sowie, dass der Zweck nicht durch gelindere Mittel erreicht werden kann, die weniger in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person eingreifen.

Dazu ist eingangs festzuhalten, dass die Videoüberwachung zweifelsohne dazu geeignet ist, ein allfälliges übergriffiges und gefährliches Verhalten durch den Beschwerdeführer zu dokumentieren und gerichtlich nachzuweisen.

Allerdings vermag die Zweckmäßigkeit einer Videoüberwachung alleine noch keine datenschutzrechtliche Zulässigkeit zu begründen:

Die Datenschutzbehörde vertritt in langjähriger Spruchpraxis, dass das Anfertigen von Bildmaterial für den Zweck der Erstattung einer Anzeige grundsätzlich nur anlassbezogen und im vertretbaren Ausmaß erfolgen darf (vgl. die Empfehlung vom 22. November 2017, GZ: DSB-D216.309/0007-DSB/2017).

Den Feststellungen ist zu entnehmen, dass die Aufnahmebereiche der Kameras 1, 2 und 5 (teilweise weit) über den Verfügungsbereich der Beschwerdegegner:innen hinausreichen und auch öffentlich begeh- und befahrbare Straßen, die der Beschwerdeführer als Bewohner regelmäßig nutzt und auch nutzen muss, umfasst.

Bei der Aufnahme weiter Teile einer öffentlichen Straße kann nach Ansicht der Datenschutzbehörde – schon isoliert betrachtet – in keinem Fall von einem vertretbaren Ausmaß gesprochen werden. Dazu kommt, dass die Videokameras durchgehend aufnehmen und diese Aufnahmen darüber hinaus 14 Tage gespeichert werden.

Neben einer Einschränkung der Aufnahmebereiche auf das private Grundstück sowie einer deutlich verkürzten Aufnahme- bzw. Speicherdauer (auf Öffnungszeiten bzw. auf höchstens 72h) käme als (deutlich) gelinderes Mittel etwa das anlassbezogene Anfertigen einer Videoaufnahme (bspw. mittels Mobiltelefon) in jenen Fällen, in denen sich der Beschwerdeführer unangemessen verhält, in Frage.

Im Übrigen haben die Beschwerdegegner:innen auch zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass die Videoüberwachung in der derzeitigen Form das einzig mögliche Mittel darstellt.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Videoüberwachung durch Kamera 1, 2 und 5 als überschießend und damit als nicht erforderlich. Infolgedessen erübrigte sich eine weitergehende Interessensabwägung und war der Beschwerde des Beschwerdeführers in diesem Punkt gemäß § 24 Abs. 5 DSG stattzugeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden (Spruchpunkt 1).

D3. Zu den Leistungsaufträgen

Die Abhilfebefugnisse der Aufsichtsbehörden sind in Art. 58 Abs. 2 DSGVO normiert.

Gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO kann die Aufsichtsbehörde eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, verhängen.

Ist die Aufsichtsbehörde am Ende einer Untersuchung der Ansicht, dass die Verarbeitung nicht den Anforderungen der DSGVO entspricht, so muss sie nach dem Unionsrecht die geeigneten Maßnahmen erlassen, um den festgestellten Verstößen abzuhelfen, und zwar unabhängig davon, ob die betroffene Person bspw. zuvor einen Antrag gestellt hat. Zu den Aufgaben von Aufsichtsbehörden gehört es gemäß Art. 57 Abs. 1 Buchst. a DSGVO u. a., die Anwendung der Verordnung zu überwachen und durchzusetzen. Die Aufsichtsbehörde ist nach Unionsrecht dazu verpflichtet, in geeigneter Weise zu reagieren, um festgestellten Unzulänglichkeit abzuhelfen, und zwar unabhängig davon, welchen Ursprungs und welcher Art sie ist. Zu diesem Zweck werden in Art. 58 Abs. 2 DSGVO die verschiedenen der Aufsichtsbehörde zur Verfügung stehenden Abhilfebefugnisse aufgezählt. Es ist Sache der Aufsichtsbehörde, das geeignete Mittel zu wählen, um mit aller gebotenen Sorgfalt ihre Aufgabe zu erfüllen, die darin besteht, über die umfassende Einhaltung der DSGVO zu wachen. Diese Auslegung wird nicht zuletzt von Art. 5 Abs. 2 iVm. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO gestützt, wonach der Verantwortliche u.a. sicherstellen und nachweisen („Rechenschaftspflicht“) muss, dass die von ihm durchgeführte Datenverarbeitung rechtmäßig ist (vgl. das Urteil des EuGH vom 14. März 2024, Rs. C‑46/23, Rn. 39 ff).

Somit werden die Abhilfebefugnisse laut EuGH von Amts wegen ausgeübt und hat die Aufsichtsbehörde jene Maßnahme zu wählen, welche sich für die Beseitigung der Rechtsverletzung im Einzelfall als geeignet und erforderlich erweist.

Spruchpunkt 2 und 3

Zur mangelnden Erforderlichkeit und damit Rechtswidrigkeit der Aufnahme der öffentlichen Straße vgl. bereits die Ausführungen unter Punkt D2.

Da die Kamera 1 (teilweise) sowie die Kamera 2 und Kamera 5 (ausschließlich) unzulässige öffentliche Bereiche bzw. Personengruppen erfassen und in diesen Fällen die Einholung von Einwilligungserklärungen aller betroffenen Personen, welche sich auf der öffentlichen Straße befinden, oder die Berufung auf einen anderen Rechtfertigungsgrund nicht denkbar ist, ergab sich als einzig geeignete Maßnahme ein Verarbeitungsverbot gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO zu verhängen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden (Spruchpunkt 2 und 3).

Spruchpunkt 4

Spruchpunkt 4 betrifft die Aufnahme von Mitarbeiter:innen und Gäst:innen durch Kamera 1, Kamera 3 und Kamera 4.

Auch in diesen Bereichen erweist sich die Videoüberwachung nach Ansicht der Datenschutzbehörde als nicht erforderlich, da - wie im Bereich der öffentlichen Straße (vgl. Punkt D2) - als (deutlich) gelinderes Mittel das anlassbezogene Anfertigen einer Videoaufnahme (bspw. mittels Mobiltelefon) in jenen Fällen, in denen sich der Beschwerdeführer unangemessen verhält, in Frage kommt.

Hinsichtlich der Videoaufnahme von Mitarbeiter:innen, die ihre Arbeit laut Beschwerdegegner:innen regelmäßig im Gastgarten verrichten (müssen), ist zusätzlich darauf hinzuweisen, dass die permanente Überwachung einer Person am Arbeitsplatz - sei sie durch die Videoüberwachung direkt intendiert oder auch bloßes Nebenprodukt derselben - unbestrittenermaßen eine höchst eingriffsintensive Maßnahme darstellt.

Laut Rechtsansicht des BVwG wird die Menschenwürde jedenfalls dann berührt, wenn Arbeitnehmer:innen während dem Großteil ihrer Arbeitszeit vom Radius einer Kamera erfasst sind, ohne dem ausweichen zu können (vgl. Erkenntnis des BVwG vom 18.1.2024, GZ: W137 2263970-1).

Damit wird die mangelnde Erforderlichkeit der Videoüberwachung von Mitarbeiter:innen zusätzlich dadurch verstärkt, als dass auch die finale Interessensabwägung zu Gunsten der Mitarbeiter:innen ausschlagen würde.

Damit ergab sich grundsätzlich auch in diesen Fällen als einzig geeignete Maßnahme ein Verarbeitungsverbot gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO zu verhängen.

Allerdings käme nach Ansicht der Datenschutzbehörde - zumindest aus abstrakter Sicht - als alternativer Rechtfertigungsgrund die Einholung von datenschutzrechtlichen Einwilligungserklärungen (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) in Frage, da es sich in diesen Fällen um zahlenmäßig begrenzte Personengruppen handelt.

Dessen ungeachtet, kann die bloße Inkenntnissetzung - wie von den Beschwerdegegner:innen vorgebracht - in keinem Fall rechtsgültige Einwilligungserklärung ersetzen.

Darüber hinaus wird in ständiger Judikatur vertreten, dass die Freiwilligkeit einer Einwilligung im Arbeitskontext aufgrund des ungleichen Machtverhältnisses in den meisten Fällen nicht gegeben sein wird (vgl. etwa das Erk. des BVwG vom 18.1.2024, GZ: W137 2263970-1).

Zur Einholung von Einwilligungserklärungen der Gäst:innen ist der Vollständigkeit halber noch auf Art. 7 Abs. 4 DSGVO zu verweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden (Spruchpunkt 4).

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass es den Beschwerdegegner:innen grundsätzlich freisteht, eine (neue) Videoüberwachung unter Berücksichtigung der im gegenständlichen Bescheid getroffenen Ausführungen durchzuführen.