IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Marc Deiser und Thomas Geiger MBA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS XXXX vom 02.06.2025 betreffend Rückforderung von Arbeitslosengeld nach Beschwerdevorentscheidung vom 28.08.2025, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Beschwerdevorentscheidung wie folgt abgeändert: Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtete das AMS die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung von € 962,08 an Arbeitslosengeld für 25.01. bis 09.02.2025. Diese habe die Leistung zu Unrecht bezogen, da sie eine Urlaubsentschädigung erhalten und dem AMS nicht gemeldet habe.
2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe bereits im Antrag auf Arbeitslosengeld explizit auf die Beziehung von Urlaubsersatzleistung hingewiesen, habe dies im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 17.04.2025 nochmals ausdrücklich bestätigt und liege kein Fall einer Rückforderungsvoraussetzung vor. Sie habe sämtliche Bezüge gutgläubig verbraucht. Im Ergebnis habe die Beschwerdeführerin weder zu Unrecht Arbeitslosengeld bezogen noch einen gesetzlichen Rückforderungstatbestand gesetzt und demnach kein Arbeitslosengeld zurückzuerstatten. Der Bescheid werde zur Gänze bekämpft und möge ersatzlos behoben werden.
3. Das AMS wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab. Der Beschwerdeführerin hätte bewusst sein müssen, dass ihr während des Bezuges der Urlaubsersatzleistung kein Arbeitslosengeld gebühre.
4. Den dagegen erhobenen Vorlageantrag, legte das AMS mit der Stellungnahme vor, eine „nochmalige Prüfung des Sachverhalts“ habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung bereits im Antrag bekanntgegeben habe, das AMS jedoch den Dienstgeber nicht von der Vorschusszahlung verständigt hätte, weshalb kein Forderungsübergang (gemeint: der Forderung der Beschwerdeführerin gegenüber der Dienstgeberin) stattgefunden habe. In solchen Fällen entstehe „nach richtiger Rechtsansicht auch keine Rückzahlungsverpflichtung der Arbeitslosen“.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt, wie oben in I. wiedergegeben. Ferner wird festgestellt:
1.1 Die Beschwerdeführerin stand bis 22.01.2025 in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis zum Dienstgeber R. und beantragte im Hinblick auf die einvernehmliche Auflösung Arbeitslosengeld. Im Antrag erklärte sie durch Ankreuzen, dass sie Anspruch auf Urlaubersatzleistungen habe und die Ansprüche ausbezahlt wurden oder ausbezahlt werden.
1.2 Ab 25.01. bezog sie (nach einem zweitägigen Krankengeldbezug) Arbeitslosengeld von täglich € 60,13. Aufgrund einer Nachverrechnung im Februar erhielt sie neben einer Auszahlung von Zeitguthaben eine Urlaubsersatzleistung für 18 Tage ausbezahlt.
1.3 Bis zur Aufnahme einer neuen vollversicherten Beschäftigung am 10.02. erhielt die Beschwerdeführerin somit an 16 Tagen Arbeitslosengeld, in Summe die im Bescheid angeführten € 962,08, aufgeteilt auf je eine Überweisung am 14.02. (nach einer Datenabfrage des AMS bei der Sozialversicherung mit dem Ergebnis, dass die Pflichtversicherung seit 21.01.2025 beendet war) und am 03.03.2025.
1.4 Aufgrund einer Überlagerungsmeldung vom 15.04.2025 erfuhr das AMS davon, dass der Dienstgeber den Urlaubsersatz nachgemeldet hatte und das Ende der Pflichtversicherung in der Folge auf 15.02. abgeändert worden war. Der am nächsten Tag ergangenen Aufforderung zur Stellungnahme hat die Beschwerdeführerin einen Tag später entsprochen, wobei das laut ihrer Nachricht vom 18.04. beigefügte (und in der Beschwerde erwähnte) Schreiben sich nicht im vorgelegten Akt befindet.
1.5 Am 29.05. teilte die Beschwerdeführerin dem AMS mit, sie habe endlich Herrn P. von der Lohnverrechnung bei R. erreicht, der ihr versichert habe, sich mit der ÖGK in Verbindung zu setzen und eine Änderungsmeldung vorzunehmen. Das AMS wartete einen Tag und den folgenden Feiertag zu und erließ dann den bekämpften Bescheid.
1.6 Aufgrund der Beschwerde wurde die regionale Geschäftsstelle am 27.06. angewiesen, ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, die laut Landesgeschäftsstelle bereits vor Erlassung des Bescheides erforderlich waren, und „Angaben in Antragsformularen auch entsprechend ernst zu nehmen“. Die regionale Geschäftsstelle ersuchte darauf am 30.06. den Arbeitgeber um Auskunft und Übermittlung der Lohnunterlagen, wobei es ihm nicht mitteilte, dass bereits Arbeitslosengeld ausbezahlt worden war.
Dieser entsprach dem Ersuchen am 07.07., legte die Abrechnungen für Jänner und Februar vor und teilte mit, dass die darin genannten Überweisungen am Ende jeweils dieser Monate erfolgt seien.
1.7 Am 28.08. erließ das AMS die Beschwerdevorentscheidung, in der es anführt, die Beschwerdeführerin hätte spätestens mit der Zahlung des Urlaubsersatzes aus dem Gehaltszettel Februar 2025 erkennen müssen, dass ihr parallel dazu fälschlicherweise Arbeitslosengeld zugesprochen worden sei, und bestreite nicht das Bestehen eines Rückforderungsanspruches des AMS aus diesem Grund.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden AMS-Akt und den eingeholten Versicherungsdaten sowie der Beschwerde und der Stellungnahme zur Beschwerdevorlage.
Das Fehlen eines Schreibens der Beschwerdeführerin vom 17.04.2025, das nicht im vorgelegten Akt enthalten ist, ändert nichts am Ergebnis, speziell der Feststellung betreffend die zutreffenden Angaben der Beschwerdeführerin betreffend die Urlaubsersatzleistung im Antragsformular bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde
3.1 Gemäß § 16 Abs. 1 lit. k und l AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung oder Urlaubsersatzleistung gebührt. Das entspricht § 11 Abs. 2 ASVG, wonach die Pflichtversicherung „für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) sowie für die Zeit des Bezuges einer Kündigungsentschädigung“ weiterbesteht.
Nach der Rechtsprechung ist zur Ermittlung des Ruhenszeitraumes im Sinne des § 16 Abs. 1 lit. l AlVG die Anzahl der Urlaubstage, für die Urlaubsentschädigung gewährt wurde, in der Weise zu erhöhen, dass für je sechs Werktage der Urlaubsentschädigung ein weiterer Ruhenstag hinzuzurechnen ist. (VwGH 15.12.1992 92/08/0240 mwN) Der Ruhenszeitraum, für den der Beschwerdeführer demnach kein Arbeitslosengeld gebührte (und Versicherungspflicht bestand), umfasste damit 21 Tage, sodass der Zeitraum bis zur Wiederaufnahme einer vollversicherten Beschäftigung zur Gänze umfasst war.
3.2 In § 16 Abs. 2 AlVG ist für den Fall, dass der Anspruch auf Kündigungsentschädigung strittig ist oder diese aus sonstigen Gründen nicht bezahlt wird, für diesen Zeitraum vorgesehen, das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) als Vorschuss auf die Kündigungsentschädigung zu gewähren. Wird der Arbeitgeber von der Gewährung des Vorschusses verständigt, so geht der Anspruch des Arbeitslosen auf die fällige Kündigungsentschädigung für denselben Zeitraum auf den Bund zugunsten der Arbeitslosenversicherung in der Höhe des als Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) gewährten Vorschusses über und ist vom Arbeitgeber unbeschadet von Übertragungen, Verpfändungen oder Pfändungen der Kündigungsentschädigung vorrangig zu befriedigen.
Ist der Anspruch auf eine Ersatzleistung (Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt (Urlaubsersatzleistung) strittig oder wird eine Ersatzleistung (Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt (Urlaubsersatzleistung) aus sonstigen Gründen (z. B. Konkurs des Arbeitgebers) nicht bezahlt, so ist nach § 16 Abs. 4 AlVG Abs. 2 sinngemäß anzuwenden.
3.3 Nach § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld neu zu bemessen, wenn sich eine für sein Ausmaß maßgebende Voraussetzung ändert. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist sie nach Abs. 2 rückwirkend zu berichtigen.
Aufgrund des Informationsstandes des AMS nach der Abfrage vom 14.02.2025 erfolgte die Auszahlung des Arbeitslosengeldes unter der – zutreffenden – Annahme, dass die Ersatzleistung strittig oder aus anderen Gründen unterblieben sei, sodass (bis zur nachträglichen Überlagerungsmeldung vom 15.04.2025) keine Verlängerung des Versicherungszeitraums ersichtlich war. Somit lag also (jeweils) eine Vorschusszahlung vor (wie auch in der Stellungnahme des AMS zum Vorlageantrag angeführt).
Für diese bestand auf Basis des § 16 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 2 AlVG eine Rechtsgrundlage. Die Spezialvorschrift des Abs. 2 besagt dabei aber, dass das Arbeitslosengeld als Vorschuss auf die Leistung des Dienstgebers gewährt und im Gegenzug der Anspruch der Beschwerdeführerin von Gesetzes wegen zediert wird, wenn das AMS den Dienstgeber von der Gewährung der Leistung verständigt.
Demnach hat der Dienstgeber nichts mehr aus dem Titel der Urlaubsentschädigung an die Beschwerdeführerin zu bezahlen (und diese von ihm nichts mehr daraus zu erhalten), wenn das AMS ihn wie vorgesehen informiert und der Anspruch auf den Bund in der Höhe des gewährten Vorschusses übergegangen ist. Erst das Stattfinden des Übergangs ist auslösendes Moment dafür, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld „neu zu bemessen“ ist, was bedeutet, dass jene Zeiten des vorschussweisen Arbeitslosengeldbezuges, hinsichtlich derer ein Übergang stattgefunden hat, nicht auf die Anspruchsdauer angerechnet werden. (VwGH 23.05.2007, 2006/08/0334) Ein solcher Übergang trat vorliegend nicht ein, da das AMS die Mitteilung an den Dienstgeber unterließ.
Aus diesem Grund war der Anspruch der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall einer Gewährung des Arbeitslosengeldes als Vorschuss auf die Urlaubsersatzleistung nicht neu zu bemessen. Er war auch nicht zu berichtigen, weil seine Bemessung nicht fehlerhaft war.
Damit erweist sich der erste Spruchteil des bekämpften Bescheides als rechtswidrig und die Beschwerde insoweit als berechtigt.
3.4 Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat, oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Wie gezeigt, wurde der Beschwerdeführerin – nach Einschau in die Sozialversicherungsdaten – im Hinblick auf die deren Angaben zufolge gebührende aber ersichtlich nicht bezahlte Urlaubsentschädigung Arbeitslosengeld als Vorschuss darauf ausbezahlt (zu dessen Ersatz der Dienstgeber zu verpflichten wäre). Schon aus diesem Grunde ist nicht zu sehen, warum der Beschwerdeführerin diese Zahlung, die auf Basis des § 16 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 2 AlVG erfolgte, nicht oder in anderer Höhe gebührt hätte.
Demnach ist auch klar, dass sie einen solchen Umstand schon deswegen nicht erkennen musste, weil er nicht vorlag. Für eine bescheidmäßige Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Rückzahlung fehlt es damit sowohl nach dem zuvor Ausgeführten an einer Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung als auch wie nun gezeigt an der mit „erkennen musste“ geforderten Fahrlässigkeit. Aus den Feststellungen ergibt sich ferner, dass die Beschwerdeführerin den ihr zustehenden Anspruch auf Urlaubsersatz von Anfang an bekanntgab, sodass ihr auch weder unwahre Angaben noch ein Verschweigen maßgebender Tatsachen unterlaufen sind (und deren Kausalität vorliegend schon darum ausscheidet).
3.5 Im Ergebnis wird das Vorliegen einer Rückzahlungspflicht bei Sachverhalten wie dem vorliegenden auch in der Literatur verneint, wie das AMS in der Stellungnahme zum Vorlageantrag richtig erwähnt.
Konkret heißt es bei Auer-Mayer (in Pfeil/Auer-Mayer/Schrattbauer, AlV-Komm [69. Lfg.] § 16, Rz. 55): „Verständigt das AMS die DG nicht von der Vorschusszahlung, kommt es demgegenüber auch zu keinem Forderungsübergang. Mangels entsprechender gesetzlicher Grundlage resultiert hieraus nach richtiger Ansicht auch keine Rückzahlungsverpflichtung der Arbeitslosen nach § 25 Abs 1.“ (Referenzen auf Fußnoten vom Verwaltungsgericht entfernt)
Das AMS hatte die Rückzahlung demnach nicht anzuordnen, weshalb der Beschwerde im Ergebnis stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Der Beschwerde war bereits aufgrund der Aktenlage stattzugegeben und der Bescheid aufzuheben. Aus diesem Grund konnte von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.
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