IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX (Erstbeschwerdeführer), vertreten durch die Erziehungsberechtigten XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) und XXXX (Drittbeschwerdeführer), gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Vorarlberg vom 03.10.2025, Zl. 803.1550/0003-BD-VBG/2025, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben vom 16.09.2025 beantragte die Zweitbeschwerdeführerin die Erteilung der Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht aus begründetem Anlass für das schulpflichtige Kind XXXX (Erstbeschwerdeführer) für den Zeitraum vom 22.10.2025 bis 07.11.2025. Dazu wurde ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer „auch dieses Jahr wieder in XXXX “ als Organisatoren eines Familiencamps tätig seien. Es gäbe keine entsprechenden Betreuungsressourcen in Vorarlberg, weswegen sie den Erstbeschwerdeführer stundenweise an der „ XXXX International Academy“ [Ägypten] am Unterricht teilnehmen ließen.
Man habe sich über die offizielle Genehmigung beim letzten Antrag im Februar [2025] sehr gefreut.
2. Mit Mail vom 19.09.2025 teilte die Schulleiterin der Zweitbeschwerdeführerin mit, dass ein Fernbleiben aus pädagogischer Sicht nicht vertretbar sei. Der Erstbeschwerdeführer sei in seiner Sozialkompetenz eingeschränkt, wie bereits im vergangenen Schuljahr besprochen worden sei. Es sei für ihn gut, einen geregelten Ablauf zu haben. Eine immer wiederkehrende „Eingewöhnung“ sei für ihn und die ganze Klasse schwierig.
3. Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag ab und begründete dies im Wesentlichen zusammengefasst damit, dass Urlaubsreisen außerhalb der gesetzlich geregelten Ferienzeiten keinen begründeten Anlass iSd § 9 Abs. 6 SchpflG bilden könnten. Auch sei bei einer wiederkehrenden bzw. regelmäßigen Abwesenheit kein „außergewöhnliches Ereignis“ iSd § 9 SchPflG mehr gegeben.
Die Zustellung erfolgte mit 08.10.2025.
3. In ihrer am 10.10.2025 rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde wiederholten die Beschwerdeführer im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und ergänzten dies dahingehend, dass sie in der Vergangenheit alle Ansuchen stets genehmigt erhalten hätten und daher aufgrund des Vertrauensschutzes und des Gleichheitsgrundsatzes davon ausgehen konnten, auch für den Herbst 2025 eine Genehmigung zu erhalten. Wenn die Schulleitung von einem „mehrwöchigen Fernbleiben“ spreche, so sei dies unrichtig. Es handle sich um 3 Tage vor den Herbstferien und 5 Tage danach. Der Sachverhalt sei inzwischen mit der Schulleitung geklärt worden, die Schulleiterin sehe den Schulerfolg und die positive Entwicklung des Erstbeschwerdeführers als wahrscheinlich an. Der Erstbeschwerdeführer habe in den Vorjahren an der XXXX International Academy [Ägypten] eine pädagogisch wertvolle Ergänzung seines Schulunterrichtes erfahren.
Der Erstbeschwerdeführer habe besondere Bedürfnisse und werde von der Zweitbeschwerdeführerin beaufsichtigt. Die Aufenthalte in Ägypten seien zu einer regelmäßigen und wichtigen Erfahrung für ihn geworden.
Sie hätten beobachtet, dass viele Kinder in ihrem Umfeld psychische Probleme hätten, die sich auch auf den Schulbesuch und die allgemeine Entwicklung auswirken würden. Sie hätten beabsichtigt, dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Das Schulunterrichtsgesetz ermögliche in § 45 Abs 4 ein Fernbleiben aus wichtigen Gründen; diese wichtigen Gründe seien gegeben und entsprächen dem Kindeswohl.
4. Mit Schreiben vom 13.10.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen. Am 15.10.2025 erfolgte die Zuteilung an die zuständige Gerichtsabteilung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der schulpflichtige mj. Schüler XXXX , geb. am XXXX , besucht im Schuljahr 2024/2025 die Volksschule in XXXX .
Am 16.09.2025 beantragten die Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 22.10.2025 bis 07.11.2025 die Erteilung der Erlaubnis zum Fernbleiben des Kindes vom Unterricht, um eine Urlaubsreise ins Ausland (Ägypten) antreten zu können.
Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer organisieren regelmäßig Familienurlaubcamps in Ägypten, ihre Kinder nahmen in der Vergangenheit regelmäßig daran teil, ebenso Familien aus Vorarlberg. Zuletzt wurde ein Fernbleiben des Erstbeschwerdeführers im Februar 2025 bewilligt.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus der eindeutigen Aktenlage. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden. Insbesondere ergibt sich der Zweck des beantragten Fernbleibens aus dem Antrag vom 16.09.2025 sowie aus der Beschwerde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Rechtslage:
Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.
Gemäß § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF, besteht allgemeine Schulpflicht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten.
Gemäß § 9 Abs. 1 SchPflG haben die, in eine im § 5 leg. cit. genannte Schule, aufgenommenen Schüler den Unterricht währen der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist ein Fernbleiben von der Schule während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig.
Gemäß Abs. 3 SchPflG gelten als Rechtfertigungsgründe für die Verhinderung insbesondere:
1. Erkrankung des Schülers,
2. mit der Gefahr der Übertragung verbundene Erkrankungen von Hausangehörigen des Schülers,
3. Erkrankung der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie der Hilfe des Schülers bedürfen,
4. außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers, in der Familie oder im Hauswesen des Schülers,
5. Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Verwendung von Schülern zu häuslichen, landwirtschaftlichen, gewerblichen oder sonstigen Arbeiten sowie die Mitnahme von Schülern auf die Wanderschaft durch Personen, die eine Wanderbeschäftigung ausüben, nicht als Rechtfertigungsgrund für eine Verhinderung anzusehen.
Gemäß Abs. 6 leg. cit. kann […] die Erlaubnis zum Fernbleiben aus begründetem Anlass für einzelne Stunden bis zu einem Tag der Klassenlehrer (Klassenvorstand) und für mehrere Tage bis zu einer Woche der Schulleiter erteilen. […] Für die Erlaubnis zu längerem Fernbleiben ist die zuständige Schulbehörde […] zuständig.
Gemäß § 24 Abs. 1 SchPflG sind die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch den Schüler […] zu sorgen.
3.2. Aus der in § 9 Abs. 3 SchPflG enthaltenen demonstrativen Aufzählung der Rechtfertigungsgründe für ein Fernbleiben des Schülers ergibt sich, dass der Gesetzgeber ein Fernbleiben des Schülers nur aus Gründen als gerechtfertigt anerkennt, die sich aus der Rücksicht auf die Gesundheit des Schülers, seiner Mitschüler oder seiner Angehörigen oder aus im Bereich der Familie oder des Hauswesens des Schülers eingetretenen außergewöhnlichen Ereignissen ergeben (siehe VwGH vom 14.04.1978, 0726/77).
Der Gesetzgeber hat es unterlassen, näher auszuführen, was unter einem begründeten Anlass im Sinne des § 9 Abs. 6 SchPflG zu verstehen wäre. Als Anhaltspunkt kann aber die demonstrative Aufzählung der Gründe, die gemäß § 9 Abs. 3 SchPflG als Rechtfertigung für eine Verhinderung gemäß Abs. 2 leg. cit., am Unterricht teilzunehmen, sowie die Aufzählung von Gründen, die gemäß Abs. 4 leg. cit. jedenfalls eine Verhinderung nicht zu rechtfertigen vermögen, dienen (siehe hg. E vom 31.08.2015, Zl. W203 2108708-1/6E). Dies deshalb, da der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Bestimmungen über das Fernbleiben vom Unterricht lediglich darin besteht, dass es sich bei den in Abs. 3 genannten Gründen um solche handelt, die im Allgemeinen nicht vorhersehbar sind, während sich Abs. 6 auf vorhersehbare Umstände bezieht, die den Anlass zu einer vor dem Fernbleiben einzuholenden Erlaubnis bilden (vgl. Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage, FN 20 zu § 9 SchPflG [S. 504]). Es müssen demnach für eine Genehmigung zum Fernbleiben vom Unterricht gemäß § 9 Abs. 6 SchPflG Gründe vorliegen, die in ihrer Art und Schwere mit den in Abs. 3 SchPflG aufgezählten Gründen vergleichbar sind.
Dass dabei ein strenger Maßstab anzulegen ist, zeigt sich etwa auch im Erkenntnis 98/10/0012 des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.03.1998, wenn er darin zum Ausdruck bringt, dass – selbst im Falle einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung eines Schülers – ein ärztlich empfohlener Aufenthalt im gemäßigten Meeresklima während der Unterrichtszeit nur dann das Fernbleiben vom Unterricht zu rechtfertigen vermag, wenn damit nicht bis zum Beginn der Ferien zugewartet werden kann. Umso mehr muss gelten, dass gemeinsame Urlaubsfahrten der Eltern mit ihrem schulpflichtigen Kind während der Unterrichtszeit keinen Rechtfertigungsgrund darstellen können, weil dafür ausreichend Zeit in den Ferien zur Verfügung steht. Gemeinsame Urlaubsfahrten während der Unterrichtszeit können somit keinesfalls einen begründeten Anlassfall für ein Fernbleiben vom Unterricht darstellen (siehe hg. E vom 30.05.2016, W128 2126881-1).
3.3. Für den gegenständlichen Fall bedeutet das:
Gegenständlich kann es nicht als außergewöhnlich angesehen werden, wenn die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Organisatoren von Familiencamps zeitlich gebunden sind, da eine derartige Einschränkung für zahlreiche Berufsfelder typisch ist. Gerade da – nach eigenem Vorbringen der Beschwerdeführer – auch Vorarlberger Familien mit dem Reiseprogramm angesprochen werden und diese mit ihren Kindern an den Feriencamps teilnehmen, ist zu erwarten, dass bei der Organisation solcher Reisen auf die jeweiligen Ferienzeiten Bedacht genommen wird.
Für die Organisation dieser Feriencamps und die damit verbundene gemeinsame (Mit-)Reise aller Familienmitglieder stehen in ausreichendem Maße die Ferialzeiten zur Verfügung, wobei hier (a) auch und (b) nicht nur die Herbstferien zu berücksichtigen sind. Die Dauer der Herbstferien ist unter Berücksichtigung der Wochenenden davor und danach und unter Berücksichtigung der guten Fluganbindung Ägyptens auch ausreichend lange für einen Urlaub im Ausmaß von 7 vollen Tagen zuzüglich eines An- und eines Abreisetages. Der Zweck der Stärkung der familiären Bindung, des Ermöglichens reichhaltiger kultureller Erfahrungen und der Erholung bzw. Entspannung ist darüber hinaus auch durch ein Ausnützen aller übrigen zur Verfügung stehenden Ferienzeiten erreichbar; dies gilt sowohl für die Organisation solcher Familienferiencamps als auch für die Mitnahme der eigenen Kinder auf diese Camps.
Auch handelt es sich dabei um keinen Grund der in seiner Art und Schwere mit den in § 9 Abs. 3 SchPflG aufgezählten Gründen vergleichbar wäre. Weder ist der auslösende Grund unvorhersehbar oder unabwendbar, noch ist der Zeitrahmen zwingend vorgegeben.
Dabei ist auch festzuhalten, dass diese Beschränkung der familiären Urlaubsplanung auf die Ferialzeit durch die Schulpflicht mit Art 14 Abs 7a B-VG auf einer verfassungsrechtlichen Grundlage beruht. Darüber hinaus gehört zum – von den Beschwerdeführern geltend gemachten – Kindeswohl nicht nur die Teilnahme an familiären Urlaubsreisen, sondern auch das Recht auf Bildung (vgl. Art 2 ZP-EMRK, Art 14 GRC und Art 28 Kinderrechtskonvention).
Das Versagen des Fernbleibens im beantragten Zeitraum durch die belangte Behörde erfolgte somit aus den ausgeführten Gründen zu Recht, sodass auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht näher eingegangen werden muss. Insbesondere ist die schulische Leistung des Kindes für die Beurteilung, ob ein begründeter Anlass für ein Fernbleiben besteht oder nicht, unerheblich.
3.4. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Eine mündliche Verhandlung, die im Übrigen nicht beantragt wurde, konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, da eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12) und die Lösung des Falles sich auf bloße Rechtsfragen beschränkt. Ferner ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).
3.3. Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – unter Punkt 3.2. dargestellten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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