IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde von XXXX (Erstbeschwerdeführerin), gesetzliche Vertreterin der mj. XXXX , geb. XXXX (Zweitbeschwerdeführerin), gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 12.09.2025, Zl. 9132.003/0467-Präs3b/2025, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben vom 08.09.2025, beatragte die Erstbeschwerdeführerin die Erteilung der Erlaubnis zum Fernbleiben der Zweitbeschwerdeführerin vom Unterricht aus begründetem Anlass im Zeitraum vom 07.10.2025 bis 15.10.2025. Begründend wurde die Feier des Laubhüttenfestes samt Anfahrt zum Ort des Festes vom 06. Oktober bis 14. Oktober angeführt,
Die Familie gehöre zur „Church of God - A Worldwide Association“, deren Feiertage sich nach dem jüdischen Kalender richten würden. Diese seien für die Familie von zentraler Bedeutung.
2. Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag ab und begründete dies im Wesentlichen zusammengefasst damit, dass einerseits ein Zuwarten bis in den unterrichtsfreien Zeitraum möglich wäre und andererseits das Fernbleiben in dem beantragten Ausmaß nicht unbedingt erforderlich sei, um die mit dem Fernbleiben verfolgten Zwecke erreichen zu können. Es könnte mit einem kürzeren Zeitraum das Auslangen gefunden werden.
3. Mit Schreiben vom 15.09.2025 erhob die Erstbeschwerdeführerin rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde. Begründet wurde die Beschwerde im Wesentlichen zusammengefasst mit der Freiheit der Religionsausübung und der religiösen Notwendigkeit an dem Fest teilzunehmen, mit den positiven Leistungen der Zweitbeschwerdeführerin in der Schule, sowie dem nur vorübergehenden Aufenthalt der Familie in Österreich.
4. Mit Schreiben vom 23.09.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
XXXX , geb. XXXX ist dauernd in Österreich aufhältig und schulpflichtig. Sie besucht im Schuljahr 2025/2026 die Volksschule XXXX in XXXX Wien.
Die mit einem Werktätigkeitsverbtot belegten jüdischen Feiertage des Laubhüttenfestes (Sukkot) im Jahr 2025 sind der 07.10.2025 und der 08.10.2025 sowie das Schlussfest am 14.10.2025 und das Thorafreudenfest am 15.10.2025. Die entsprechenden Halbfeiertage von Sukkot dauern vom 09.10.2025 bis 13.10.2025.
Das “Feast of Tabernacles and Last Great Day” der Church of God, a Worldwide Association, P.O. Box XXXX , TX XXXX , findet vom 06.10.2025 bis 14.10.2025 statt.
Die Beschwerdeführerinnen sind Mitglieder dieser Bekenntnisgemeinschaft. Diese ist keine Gemeinde, der in Österreich als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft anerkannte Pfingstkirche Gemeinde Gottes in Österreich.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus der eindeutigen Aktenlage. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden. Insbesondere ergibt sich der Zweck des beantragten Fernbleibens aus dem Antrag vom 08.09.2025 sowie aus der Beschwerde. Die jüdischen Feiertage ergeben sich aus einer im Akt befindlichen Mitteilung des Oberrabbiners der Israelitischen Kultusgemeinde Wien vom 10.06.2024.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A)
3.1.1. Anzuwendende Rechtslage
Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.
Gemäß § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF, besteht allgemeine Schulpflicht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten.
Gemäß § 9 Abs. 1, SchPflG haben die, in eine im § 5 leg. cit. genannte Schule, aufgenommenen Schüler den Unterricht währen der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist ein Fernbleiben von der Schule während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig.
Gemäß Abs. 3 SchPflG gelten als Rechtfertigungsgründe für die Verhinderung insbesondere:
1. Erkrankung des Schülers,
2. mit der Gefahr der Übertragung verbundene Erkrankungen von Hausangehörigen des Schülers,
3. Erkrankung der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie der Hilfe des Schülers bedürfen,
4. außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers, in der Familie oder im Hauswesen des Schülers,
5. Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Verwendung von Schülern zu häuslichen, landwirtschaftlichen, gewerblichen oder sonstigen Arbeiten sowie die Mitnahme von Schülern auf die Wanderschaft durch Personen, die eine Wanderbeschäftigung ausüben, nicht als Rechtfertigungsgrund für eine Verhinderung anzusehen.
Gemäß Abs. 6 leg. cit. kann […] die Erlaubnis zum Fernbleiben aus begründetem Anlass für einzelne Stunden bis zu einem Tag der Klassenlehrer (Klassenvorstand) und für mehrere Tage bis zu einer Woche der Schulleiter erteilen. […] Für die Erlaubnis zu längerem Fernbleiben ist die zuständige Schulbehörde […] zuständig.
Gemäß § 24 Abs. 1 SchPflG sind die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch den Schüler […] zu sorgen.
Gemäß § 13 Abs. 2 Schulzeitgesetz 1985, BGBl. Nr. 77/1985, idgF, sind Schüler, die der israelitischen Religionsgesellschaft angehören, an den beiden ersten und den beiden letzten Tagen des Passahfestes, den beiden Tagen des Offenbarungsfestes, den beiden Tagen des Neujahrsfestes, dem Versöhnungstag sowie an den beiden ersten und den beiden letzten Tagen des Laubhüttenfestes vom Schulbesuch befreit.
Gemäß § 13 Abs. 2 Schulzeitgesetz 1985 sind Schüler, die einem Religionsbekenntnis angehören, nach dem der Schulbesuch am Samstag oder bestimmte Tätigkeiten an diesem Tag für seine Anhänger unzulässig sind, auf Verlangen ihrer Erziehungsberechtigten durch den Schulleiter vom Schulbesuch oder von den betreffenden Tätigkeiten zu befreien. Bei welchen Religionsbekenntnissen und in welchem Ausmaß dieser Anspruch besteht, hat der zuständige Bundesminister bei gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften auf deren Antrag, sonst auf Antrag der Erziehungsberechtigten zu bestimmen; die Erziehungsberechtigten haben dabei glaubhaft zu machen, daß es sich um ein allgemeines Glaubensgut des betreffenden Religionsbekenntnisses handelt.
3.1.2. Rechtsprechung der Höchstgerichte
Aus der in § 9 Abs. 3 SchPflG enthaltenen demonstrativen Aufzählung der Rechtfertigungsgründe für ein Fernbleiben des Schülers ergibt sich, dass der Gesetzgeber ein Fernbleiben des Schülers nur aus Gründen als gerechtfertigt anerkennt, die sich aus der Rücksicht auf die Gesundheit des Schülers, seiner Mitschüler oder seiner Angehörigen oder aus im Bereich der Familie oder des Hauswesens des Schülers eingetretenen außergewöhnlichen Ereignissen ergeben (siehe VwGH vom 14.04.1978, 0726/77).
Wie bereits im hg. Erkenntnis vom 31.08.2015, Zl. W203 2108708-1/6E ausgeführt, hat es der Gesetzgeber unterlassen, näher auszuführen, was unter einem begründeten Anlass im Sinne des § 9 Abs. 6 SchPflG zu verstehen wäre. Als Anhaltspunkt kann aber die demonstrative Aufzählung der Gründe, die gemäß § 9 Abs. 3 SchPflG als Rechtfertigung für eine Verhinderung gemäß Abs. 2 leg. cit., am Unterricht teilzunehmen, sowie die Aufzählung von Gründen, die gemäß Abs. 4 leg. cit. jedenfalls eine Verhinderung nicht zu rechtfertigen vermögen, dienen. Dies deshalb, da der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Bestimmungen über das Fernbleiben vom Unterricht lediglich darin besteht, dass es sich bei den in Abs. 3 genannten Gründen um solche handelt, die im Allgemeinen nicht vorhersehbar sind, während sich Abs. 6 auf vorhersehbare Umstände bezieht, die den Anlass zu einer vor dem Fernbleiben einzuholenden Erlaubnis bilden (vgl. Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage, FN 20 zu § 9 SchPflG [S. 504]). Es müssen demnach für eine Genehmigung zum Fernbleiben vom Unterricht gemäß § 9 Abs. 6 SchPflG Gründe vorliegen, die in ihrer Art und Schwere mit den in Abs. 3 SchPflG aufgezählten Gründen vergleichbar sind.
Dass dabei ein strenger Maßstab anzulegen ist, zeigt sich etwa auch im Erkenntnis 98/10/0012 des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.03.1998, wenn er darin zum Ausdruck bringt, dass – selbst im Falle einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung eines Schülers – ein ärztlich empfohlener Aufenthalt im gemäßigten Meeresklima während der Unterrichtszeit nur dann das Fernbleiben vom Unterricht zu rechtfertigen vermag, wenn damit nicht bis zum Beginn der Ferien zugewartet werden kann. Umso mehr muss gelten, dass gemeinsame Urlaubsfahrten der Eltern mit ihrem schulpflichtigen Kind während der Unterrichtszeit keinen Rechtfertigungsgrund darstellen können, weil dafür ausreichend in den Ferien Zeit zur Verfügung steht. Gemeinsame Urlaubsfahrten während der Unterrichtszeit können somit keinesfalls einen begründeten Anlassfall für ein Fernbleiben vom Unterricht darstellen (siehe hg. E vom 30.05.2016, W128 2126881-1).
3.1.3. Für den gegenständlichen Fall bedeutet das:
Soweit die Erstbeschwerdeführerin sich auf die freie Ausübung der Religion beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass auch die Schulpflicht gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG auf einer verfassungsrechtlichen Bestimmung beruht und kein unverhältnismäßiger, mit dem Gesetzesvorbehalt des Art9 Abs2 EMRK unvereinbarer Eingriff erkennbar ist.
Aus der Bestätigung des Oberrabbiners der israelitischen Kultusgemeinde Wien ist ersichtlich, dass sich die Feiertage, an denen ein Werktätigkeitsverbot herrscht auf den 07., 08., 14. und 15. Oktober beschränken. Die übrigen Festtage sind sog. Halbfeiertage. Entsprechend den Bestimmungen aus dem Schulzeitgesetz haben jüdische Schülerinnen und Schüler an den Halsfeiertagen nicht schulfrei.
Die Erstbeschwerdeführerin hat nicht vorgebracht, dass eine durchgehende Anwesenheit während der gesamten Zeit der jährlich wiederkehrenden Feierlichkeiten und eine damit verbundene Reise ins Ausland zwingend erforderlich wäre, weshalb davon auszugehen ist, dass es sich (auch) um eine gemeinsame Urlaubsfahrt handelt. Nachdem der Gesetzgeber bereits jene Tage definiert, die zur Ausübung der Religionsfreiheit erforderlich sind, ist eine darüber hinausgehende Befreiung von der Schulpflicht nicht geboten.
Im Hinblick auf die die Zweitbeschwerdeführerin treffende Verpflichtung zur Erfüllung der Schulpflicht ist eine Befreiung vom Unterricht während der beantragten Dauer auch sonst nicht geboten.
Das Versagen des Fernbleibens im beantragten Zeitraum durch die belangte Behörde erfolgte somit aus den ausgeführten Gründen zu Recht, sodass auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerinnen nicht näher eingegangen werden muss. Insbesondere ist die schulische Leistung des Kindes für die Beurteilung, ob ein begründeter Anlass für ein Fernbleiben besteht oder nicht, unerheblich.
3.1.4. Entfall der Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Eine mündliche Verhandlung, die im Übrigen nicht beantragt wurde, konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, da eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12) und die Lösung des Falles sich auf bloße Rechtsfragen beschränkt. Ferner ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).
3.2. Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen - unter Punkt. 3.1.2. dargestellten -Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Rückverweise