W606 2317710-3/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Thomas ZINIEL, LL.M., BSc über den Antrag der XXXX , vertreten durch die RIHS Rechtsanwalt GmbH, Kramergasse 9/3/13, 1010 Wien, auf Ersatz der Pauschalgebühren betreffend das Vergabeverfahren XXXX der Auftraggeberin XXXX , vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Partner Rechtsanwälte GmbH, Hohenstaufengasse 7, 1010 Wien, unionsweit bekanntgemacht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am XXXX , Nr. XXXX :
A)
I. Dem Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren wird teilweise stattgegeben.
Die XXXX ist verpflichtet, der XXXX die für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie die Nachprüfungsanträge entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von € XXXX binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses zu Handen ihrer Rechtsvertreterin zu ersetzen.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die XXXX , vertreten durch die vergebende Stelle XXXX , führt unter der Bezeichnung XXXX ein Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich im Sektorenbereich durch. Es handelt sich um einen Dienstleistungsauftrag. Die unionsweite Bekanntmachung erfolgte im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am XXXX , Nr. XXXX .
1.2. Mit Schriftsatz vom 14.08.2025 beantragte die Antragstellerin die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung sowie der Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw. mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren.
Am 20.08.2025 nahm die Auftraggeberin die Ausscheidensentscheidung sowie die Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw. mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, zurück.
Mit Schriftsatz vom 22.08.2025 zog die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag sowie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurück. Den Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren hielt sie ausdrücklich aufrecht.
1.3. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , wurden das Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie das Nachprüfungsverfahren wegen Zurückziehung der Anträge eingestellt. Aus dem Beschluss ergibt sich, dass für die Anträge Pauschalgebühren in Höhe von € XXXX zu entrichten waren. Aufgrund der Zurückziehung der Anträge sind der Antragstellerin Pauschalgebühren in Höhe von € XXXX von Amts wegen zurückzuerstatten.
1.4. Die Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühren in Höhe von € XXXX für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie die Nachprüfungsanträge.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorliegenden Akten, im Besonderen alle eingebrachten Schriftsätze. Im Einzelnen ergeben sich die getroffenen Feststellungen aus folgenden beweiswürdigenden Erwägungen:
Die Feststellungen gemäß Pkt. 1.1. folgen aus den unbedenklichen Angaben der Antragstellerin in ihrem Antrag einschließlich der Beilagen ./5 und ./6 und ergeben sich überdies zum Teil auch aus der Mitteilung der Auftraggeberin betreffend die Zurückziehung der angefochtenen Entscheidungen. Im Übrigen folgen sie aus der unionsweiten Bekanntmachung.
Die Feststellungen gemäß Pkt. 1.2. folgen unstrittig aus den jeweiligen Eingaben der Antragstellerin bzw. der Auftraggeberin.
Die Feststellungen gemäß Pkt. 1.3. und 1.4. beruhen auf den verwaltungsgerichtlichen Akten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zum Ersatz der Pauschalgebühren:
3.1.1. Gemäß § 341 Abs. 1 BVergG 2018 hat die vor dem Bundesverwaltungsgericht auch nur teilweise obsiegende Antragstellerin Anspruch auf Ersatz ihrer gemäß § 340 BVergG 2018 entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin. Obsiegen bedeutet in diesem Kontext, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Nachprüfungsantrag stattgegeben hat (vgl. Reisner, in Gölles/Casati [Hrsg.], BVergG 2018 [Lfg. 2019], § 341 BVergG 2018, Rz 10). Ebenso hat eine Antragstellerin Anspruch auf Gebührenersatz, wenn sie während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird. Durch die Zurückziehung der angefochtenen Entscheidungen durch die Auftraggeberin wurde die Antragstellerin klaglosgestellt (ausweislich der ErläutRV 69 BlgNR XXVI. GP, 195, tritt eine Klaglosstellung insb. dann ein, wenn die Auftraggeberin die bekämpfte Entscheidung beseitigt).
3.1.2. Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung besteht gemäß § 341 Abs. 2 Z 2 BVergG 2018 nur dann, wenn dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Falle der Klaglosstellung stattzugeben gewesen wäre. Die Antragsgegnerin solle ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht gezwungen sein, die Kosten zu tragen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der behauptete Sicherungsanspruch der Antragstellerin nicht berechtigt war (vgl. ErläutRV 69 BlgNR XXVI. GP, 196, unter Hinweis auf VwSlg. 19.514 A/2016). Da eine Klaglosstellung eingetreten ist, ist im Hinblick auf den beantragten Pauschalgebührenersatz zu prüfen, ob dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattzugeben gewesen wäre:
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 351 Abs. 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme wäre zunächst darauf Bedacht zu nehmen gewesen, dass von Seiten der Auftraggeberin der Abschluss der Rahmenvereinbarung beabsichtigt war. Es hätte nicht ausgeschlossen werden können, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zumindest teilweise zutreffen und sie zu Unrecht ausgeschieden und ihr Angebot nicht rechtskonform beurteilt worden wäre, wodurch ihr aufgrund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Abschlusses der Rahmenvereinbarung mit allen daraus erwachsenden Nachteilen gedroht hätte.
Bei der Interessenabwägung wäre schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen gewesen, dass die Auftraggeberin bei ihrer zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtschutzverfahrens mit einzukalkulieren gehabt hätte, dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an die tatsächliche Bestbieterin zu berücksichtigen gewesen wäre (vgl. VfGH 01.08.2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 351 Abs. 1 BVergG 2018 von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen gewesen wäre, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergeben hätte. Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (vgl. EuGH 14.07.2022, C-274/21 ua., EPIC Financial Consulting, Rz 91 ff.). Öffentliche Interessen, die eine sofortige Fortsetzung des Vergabeverfahrens erforderlich gemacht hätten, sind vom Bundesverwaltungsgericht nicht zu erkennen.
Hätte man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenübergestellt, hätte sich ergeben, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen gewesen wäre.
Folglich liegen die Voraussetzungen für einen Pauschalgebührenersatz betreffend den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 341 Abs. 2 Z 2 BVergG 2018 vor.
3.1.3. Im Gebührenersatzverfahren nach § 341 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht darüber zu entscheiden, ob die Antragstellerin ihre „gemäß § 340 entrichteten Gebühren“ durch die Auftraggeberin ersetzt bekommt. Zu diesem Zeitpunkt hat das Bundesverwaltungsgericht daher nur mehr über die Frage (der Höhe) des Gebührenersatzes, nicht aber über die Höhe der (eine Zulässigkeitsvoraussetzung eines Nachprüfungsantrages oder eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bildenden) Pauschalgebühren zu entscheiden (vgl. VfGH 26.09.2019, V 64/2019; siehe auch VfSlg. 20.307/2019).
Die Antragstellerin hat die geschuldeten Pauschalgebühren sowohl für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 als auch für die Anträge auf Nachprüfung gemäß § 342 Abs. 1 BVergG 2018 entrichtet. Wie im Beschluss vom XXXX , dargelegt, betrugen die zu entrichtenden Pauschalgebühren insgesamt € XXXX .
Da die Antragstellerin sowohl den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung als auch den Nachprüfungsantrag vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung bzw. auch vor Erlassung eines Erkenntnisses oder Beschlusses zurückgezogen hat, war gemäß § 340 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 lediglich eine Gebühr in der Höhe von 75 % der für den jeweiligen Antrag festgesetzten Gebühr zu entrichten. Der bereits entrichtete Mehrbetrag iHv € XXXX war von Amts wegen – formlos – zurückzuerstatten (vgl. Reisner, in Gölles [Hrsg.], BVergG 2018 [Stand 01.10.2019, rdb.at] § 340 Rz 17; den Erkenntnissen VfSlg. 20.307/2019 sowie VwGH 21.02.2023, Ra 2021/04/0147, lag jeweils ein anderer, nicht die alleinige Rückerstattung von Mehrbeträgen aufgrund einer Antragszurückziehung gemäß § 340 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 betreffender Sachverhalt zugrunde).
Folglich hat die Auftraggeberin der Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühren in Höhe von € XXXX zu ersetzen. An das Bundesverwaltungsgericht von der Antragstellerin entrichtete Mehrbeträge können der Auftraggeberin gemäß § 341 BVergG 2018 jedoch nicht zum Ersatz auferlegt werden, weshalb der Antrag in diesem Umfang abzuweisen ist.
3.2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Die Verhandlung konnte gemäß § 339 Abs. 1 Z 3 BVergG 2018 entfallen und dem weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
3.3. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Gebührenersatz (vgl. VwSlg. 19.514 A/2016) nicht ab. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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