JudikaturBVwG

L524 2276417-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
27. August 2025

Spruch

L524 2276417-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2023, Zl. 1332710301/223548975, betreffend Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.06.2025, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 07.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 14.11.2022 erfolgte die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 21.06.2023 die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA).

Mit Bescheid des BFA vom 22.06.2023, Zl. 1332710301/223548975, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 26.06.2025 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur die Beschwerdeführerin als Partei teilnahm. Das BFA entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde.

II. Feststellungen:

Die 39-jährige Beschwerdeführerin ist syrische Staatsangehörige, Araberin und sunnitische Moslemin. Sie ist ledig und hat keine Kinder. Die Beschwerdeführerin wurde in Idlib geboren und lebte in XXXX (auch: XXXX , XXXX ) im Gouvernement Idlib. Die Beschwerdeführerin besuchte neun Jahre die Grundschule. Danach war sie Hausfrau und arbeitete in der Landwirtschaft der Familie.

Die Eltern der Beschwerdeführerin sind geschieden. Der Vater hat erneut geheiratet und lebt mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern, den drei Halbbrüdern und der Halbschwester der Beschwerdeführerin, in XXXX . Die Beschwerdeführerin lebte bis zu ihrer Ausreise aus Syrien bei ihrem Vater. Zudem leben Onkeln und Tanten sowie Cousinen der Beschwerdeführerin in Syrien.

Die Mutter, eine Schwester und ein Bruder der Beschwerdeführerin leben in Österreich und sind asylberechtigt. Dem Bruder wurde wegen einer Verfolgung durch die syrische Regierung auf Grund seiner Flucht vor (willkürlicher) Rekrutierung sowie unterstellter oppositionell-politischer Gesinnung der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Die Gründe für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Mutter und die Schwester der Beschwerdeführerin können nicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführerin verließ Syrien ca. im Oktober 2022 und reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 07.11.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die Beschwerdeführerin verließ Syrien wegen des Krieges und der damit verbundenen schlechten Sicherheitslage sowie besseren Zukunftsperspektiven in Österreich.

Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten (weiteren) Fluchtgründe, dass sie in Syrien einer Vergewaltigung nur knapp entgangen sei und fürchte, vom syrischen Regime verschleppt und vergewaltigt zu werden sowie eine Zwangsverheiratung befürchte, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Zur Lage in Syrien:

Am 08.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [Details zur Offensive bzw. zur Hay'at Tahrir ash-Sham finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (8.12.2024) Anm.] Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).

Die Regierung hat keinen Zeitplan für die Durchführung von Wahlen festgelegt. Ash-Shara' stellte am 16.12.2024 fest, dass Syrien nicht bereit für Wahlen sei. Die Amtszeit der Übergangsregierung wurde bis März 2025 festgesetzt (ISW 16.12.2024). Am 29.3.2025 ernannte der Präsident die neue syrische Regierung. Diese besteht aus Technokraten, ethnischen Minderheiten und mehreren engen Vertrauten ash-Shara's. Fast die Hälfte der Ernannten steht in keiner Verbindung zur HTS. Unter den Ernannten ist eine Frau, ein Angehöriger der drusischen Minderheit, ein Kurde und ein Alawit (FT 30.3.2025). Das einzige weibliche Kabinettsmitglied ist katholische Christin (VN 1.4.2025). Keiner davon erhielt ein wichtiges Ressort. Syrien-Experte Fabrice Balanche erklärte, dass wichtige Ressorts an „ehemalige Mitstreiter vergeben wurden, die bereits Teil der Syrischen Heilsregierung in der Provinz Idlib“ im Nordwesten Syriens waren (AlMon 30.3.2025). Der Verteidigungsminister und der Außenminister der Übergangsregierung behielten ihre Ämter. Innenminister Khattab war zuvor Leiter des Geheimdienstes (Independent 29.3.2025). Auch Außenminister ash-Shaibani behielt sein Amt (AlMon 30.3.2025). Mehrere der neuen Minister waren unter dem Assad-Regime tätig. Zu den ehemaligen Assad-Beamten gehören Yarab Badr, der neue Verkehrsminister, und Nidal ash-Sha'r, der zum Wirtschaftsminister ernannt wurde (NYT 30.3.2025). Die Mitglieder sind für fünf Jahre bestellt (FT 30.3.2025). Das Kabinett hat keinen Premierminister, da gemäß der vorläufigen Verfassung die Regierung einen Generalsekretär haben wird (Independent 29.3.2025). Ein neues Gremium, das Ende März per Dekret bekannt gegeben wurde, das Generalsekretariat für politische Angelegenheiten, gewährte ash-Shara's Stellvertreter, Außenminister ash-Shaibani, weitreichende Befugnisse über die Führung von Ministerien und Regierungsbehörden – ähnlich der Rolle eines Premierministers (FT 30.3.2025).

Die Übergangsregierung kündigte an, dass eine umfassende nationale Dialogkonferenz, eine vorläufige Verfassungserklärung abgeben, einen Ausschuss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung bilden und eine Übergangsregierung bestätigen wird, die die Macht von al-Bashirs Regierung übernehmen wird (AJ 27.1.2025a). Am 12.2.2025 bestätigten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass die syrische Präsidentschaft das Vorbereitungskomitee für die Nationale Konferenz gebildet hat bestehend aus fünf Männern und zwei Frauen (AJ 12.2.2025; vgl. Sky News 12.2.2025). Zur Vorbereitung der Konferenz hat das siebenköpfige Vorbereitungskomitee Anhörungen in den Gouvernements organisiert und manchmal mehrere zweistündige Sitzungen pro Tag abgehalten, um die 14 Provinzen Syriens in einer Woche abzudecken. Fünf Mitglieder des Komitees gehörten der HTS an oder stehen ihr nahe. Vertreter der Drusen oder Alawiten, zwei der großen Minderheiten in Syrien, waren nicht dabei (BBC 25.2.2025). Mit 12.2.2025 nahm dieses Komitee seine Arbeit auf, um die nationale Konferenz vorzubereiten und die Einladungen an die Teilnehmer zu verschicken (AJ 12.2.2025). Die sieben Mitglieder des Vorbereitungskomitees haben etwa 4.000 Menschen in ganz Syrien konsultiert, um Meinungen einzuholen, die bei der Ausarbeitung einer Verfassungserklärung, eines neuen Wirtschaftsrahmens und eines Plans für institutionelle Reformen helfen sollen, teilte das Komitee am 23.2.2025 Reportern mit (REU 23.2.2025; vgl. AlHurra 23.2.2025). Am 25.2.2025 fand die Konferenz zum Nationalen Dialog in Damaskus statt. Hunderte von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen waren anwesend, aber viele andere Persönlichkeiten und Gruppierungen waren nicht anwesend (AlHurra 25.2.2025). Ca. 400 Vertreter der Zivilgesellschaft, der Glaubensgemeinschaften, der Opposition und der Künstler nahmen teil (AlHurra 25.2.2025). Laut BBC waren es sogar 600 Teilnehmer (BBC 25.2.2025). Die Kurdische Autonomieverwaltung (Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien - DAANES) und ihr militärischer Arm, die SDF, haben keine Einladung zur Teilnahme an der Konferenz erhalten. Die Organisatoren hatten zuvor mitgeteilt, dass keine militärischen Einheiten oder Formationen, die noch ihre Waffen behalten, eingeladen wurden (AlHurra 25.2.2025). Nach der Eröffnung der Konferenz wurden die Teilnehmer in sechs Workshops eingeteilt, die sich mit zentralen Themen befassten, darunter „persönliche Freiheiten“, „Verfassungsaufbau“ und „Übergangsjustiz“. In der Abschlusserklärung der Konferenz wurde die rasche Bildung des provisorischen Legislativrats gefordert, der die Aufgaben der Legislative nach „Kriterien der Kompetenz und der gerechten Vertretung“ übernehmen soll (BBC 25.2.2025). Das Komitee der Dialogkonferenz gibt Empfehlungen heraus und erlässt keine Entscheidungen (AJ 21.2.2025). Diese Empfehlungen sollen in die Verfassungserklärung und den Plan für institutionelle Reformen einfließen, versichert der Sprecher des Komitees (AlHurra 23.2.2025; vgl. BBC 23.2.2025). Auf der Konferenz wurden mehrere Erklärungen abgegeben, darunter die Bildung eines Legislativrats, ein Bekenntnis zur Übergangsjustiz, zu den Menschenrechten und zur Gewährleistung der Meinungsfreiheit. Eine am Ende der eintägigen Konferenz veröffentlichte Erklärung – die nur wenige Tage zuvor angekündigt wurde und vielen potenziellen Teilnehmern nur wenig Vorbereitungszeit ließ – ebnete den Weg für die Bildung eines siebenköpfigen Ausschusses, der mit der Ausarbeitung einer Übergangserklärung zur Verfassung beauftragt wurde (TNA 3.3.2025). Am 2.3.2025 gab die neue Regierung die Bildung dieses siebenköpfigen Ausschusses bekannt. Der Ausschuss besteht aus einem Expertenkomitee, dem auch zwei Frauen angehören und dessen Aufgabe es ist, die Verfassungserklärung, die die Übergangsphase regelt, in Syrien zu entwerfen. Das Komitee werde „seine Vorschläge dem Präsidenten vorlegen“, hieß es in einer Erklärung, ohne einen Zeitrahmen anzugeben (FR24 2.3.2025; vgl. BBC 3.3.2025). Weniger als zwei Stunden nach dieser Entscheidung wurden die Texte der Artikel, die in diese Erklärung aufgenommen werden sollen, bekannt, was bei den Syrern sowohl Bestürzung als auch Spott hervorrief, zumal die Informationen von arabischen Satellitenkanälen und nicht von lokalen Sendern stammten (Nahar 4.3.2025). Der Ausschuss stellte fest, dass die Verfassungserklärung die allgemeinen Grundlagen des Regierungssystems festlegen wird, um Flexibilität und Effizienz bei der Verwaltung des Staates in dieser sensiblen Zeit zu gewährleisten, um die politische und soziale Einheit und die territoriale Integrität des Landes zu bewahren. Die Ideen aus den nationalen Dialogen und Diskussionen, die in den Workshops zur Verfassungsgebung während der Nationalen Dialogkonferenz stattgefunden haben, sollen vom Ausschuss berücksichtigt werden (SANA 3.3.2025).

Am 13.3.2025 unterzeichnete ash-Shara' die angekündigte Verfassungserklärung (NYT 14.3.2025). Das vorläufige Dokument besteht aus vier Kapiteln und 53 Artikeln (AlHurra 14.3.2025). Es sieht eine fünfjährige Übergangsphase vor (BBC 14.3.2025). Nach dieser Übergangsphase soll eine dauerhafte Verfassung verabschiedet und Wahlen für den Präsidenten abgehalten werden (NYT 14.3.2025). Die Erklärung legt fest, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, wie es schon in der vorherigen Verfassung geschrieben stand. Anders als in der Verfassung von 2012, schreibt diese Verfassungserklärung die islamische Rechtslegung als wichtigste Quelle der Gesetzgebung fest. Daneben werden die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verankert sowie die Rechte der Frauen garantiert (BBC 14.3.2025). Der Präsident ist jedoch allein für die Ernennung der Richter des neuen Verfassungsgerichts Syriens verantwortlich. Die Richter müssen unparteiisch sein (NYT 14.3.2025). Für die Rechenschaftspflicht des Präsidenten wird in der Verfassung keine Möglichkeit eingeräumt. Der Erklärung zufolge wird ash-Shara' neben dem Präsidenten der Republik die folgenden Ämter bekleiden: Premierminister, Oberbefehlshaber der Armee und der Streitkräfte und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. In Artikel 41 räumt die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Möglichkeit ein, mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates, dessen Mitglieder er selbst auswählt, den Ausnahmezustand auszurufen (AlHurra 14.3.2025). Der neu gebildete Nationale Sicherheitsrat setzt sich aus Shara'-Getreuen zusammen, darunter Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra, Innenminister Ali Keddah, Außenminister As'ad ash-Shaibani und Geheimdienstchef Anas Khattab (ISW 13.3.2025). Der Meinung des Syrienexperten Fabrice Balanche nach ist der Nationale Sicherheitsrat „die eigentliche Regierung“ (AlMon 30.3.2025). Die Erklärung garantiert Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Allerdings können alle Rechte, einschließlich der Religionsfreiheit, eingeschränkt werden, wenn sie unter anderem als Verstoß gegen die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung angesehen werden. Die Verpflichtung zur Gewährleistung der Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit ist mit einigen Ausnahmen verbunden, darunter die Verherrlichung des Assad-Regimes (NYT 14.3.2025). Auch die Symbole des Assad-Regimes sind unter Strafe gestellt sowie seine Verbrechen zu leugnen, zu loben, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen (AlHurra 14.3.2025). Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden (NYT 14.3.2025). Aussagen eines Mitglieds des Ausschusses für die Verfassungserklärung zufolge werde eine neue Volksversammlung die volle Verantwortung für die Gesetzgebung tragen. Zwei Drittel ihrer Mitglieder würden von einem vom Präsidenten ausgewählten Ausschuss ernannt, ein Drittel vom Präsidenten selbst. Außerdem werde ein Ausschuss gebildet, der eine neue dauerhafte Verfassung ausarbeiten solle (BBC 14.3.2025). Diese temporäre Verfassung konzentriert viel Macht in den Händen des Präsidenten. So werden dem Präsidenten die Exekutivgewalt und die Befugnis, den Ausnahmezustand zu erklären, gewährt (NYT 14.3.2025). Das Parlament ist nicht befugt, den Präsidenten anzuklagen, Minister zu ernennen oder zu entlassen oder die Exekutive zu kontrollieren (HRW 25.3.2025). Immerhin spricht die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Befugnis ab, allgemeine Amnestiegesetze zu erlassen, die al-Assad zuvor für sich monopolisiert hatte (AlHurra 14.3.2025). In der Verfassung ist Syrien als „arabische“ Republik definiert mit Arabisch als einziger Amtssprache (LSE 28.3.2025). Sie löste innerhalb Syriens viele Diskussionen aus. Umstritten sind insbesondere jene Passagen, die dem Präsidenten ein Machtmonopol einräumen (AlHurra 14.3.2025). Der Syrische Demokratische Rat, der politische Arm der kurdisch geführten Kräfte, die den Nordosten Syriens kontrollieren, erklärte, das neue Dokument sei „eine neue Form des Autoritarismus“ und kritisierte die seiner Meinung nach unkontrollierten Exekutivbefugnisse (NYT 14.3.2025). Das International Centre for Dialogue Initiatives schreibt, dass diese Reformen einseitig von einem ebenfalls vom Präsidenten ernannten Verfassungsausschuss ausgearbeitet wurden, der dann behauptete, ihre Legitimität stamme aus einem Dialogprozess. Die sogenannte Nationale Dialogkonferenz wurde so zu einem politischen Deckmantel für vorab festgelegte Verfassungsänderungen, die unter dem Deckmantel der Reform die autoritäre Herrschaft festigten (ICDI 4.4.2025). Trotz der weitverbreiteten Kritik an der aktuellen Verfassung ist keine kurzfristige Überarbeitung vorgesehen. Die vorliegende Fassung ist das Ergebnis eines beschleunigten Verfahrens, das unmittelbar nach der Nationalen Dialogkonferenz im Februar 2025 in Gang gesetzt wurde. Ein siebenköpfiges Gremium erarbeitete die Verfassung in kürzester Zeit und wird in ihrer aktuellen Form noch nicht ihren Ansprüchen für einen pluralistischen, freien und gerechten Staat gerecht (AdRev 3.4.2025).

Ash-Shara's Regierung kontrolliert begrenzte Teile Syriens, darunter die meisten westlichen Städte und Teile des ländlichen Raums (TWI 28.2.2025). Nordostsyrien wird von einer Kombination aus den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Focres - SDF) und arabischen Stammeskräften regiert (MEI 19.12.2024). Die SDF führen Gespräche mit ash-Shara', bleiben aber vorsichtig, was seine Absichten angeht (TWI 28.2.2025). Nord-Aleppo wird von der von der Türkei unterstützten Syrischen Übergangsregierung kontrolliert (MEI 19.12.2024). Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen innerhalb der SNA kontrollieren Teile Nordsyriens nahe der türkischen Grenze, darunter 'Afrin, Suluk und Ra's al-'Ain. Diese Gebiete hat die SNA 2018 und 2019 von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) erobert (Al-Monitor 8.12.2024). Am 29.1.2025 zwang die Türkei den Anführer dieser Gruppe, Sayf Abu Bakr, nach Damaskus zu reisen und dem neuen Präsidenten persönlich zu gratulieren, aber dies ist das einzige Zugeständnis, das er ash-Shara' bisher gemacht hat. Die beiden Anführer haben eine lange Geschichte gegenseitiger Feindseligkeit, insbesondere da viele Kämpfer der Syrischen Nationalarmee Veteranen des blutigen Krieges sind, den HTS 2017–2020 um die Kontrolle über die Provinz Idlib führte (TWI 28.2.2025). Südsyrien wird von einer halbunabhängigen Struktur in Suweida zusammen mit ehemaligen Oppositionsgruppen in Dara'a kontrolliert (MEI 19.12.2024). Im Euphrat-Tal ist die Loyalität der sunnitischen Stämme gegenüber HTS weniger sicher, während in Dara'a die vom ehemaligen Rebellen Ahmad al-'Awda und anderen südlichen Fraktionen kontrollierten Truppen sich der Integration in die neue syrische Armee widersetzen (TWI 28.2.2025). Anfang Jänner 2025 hinderten lokale Gruppierungen, die in der Provinz Suweida operieren, einen Militärkonvoi der DMO an der Einfahrt in die südsyrische Provinz. Quellen erklärten gegenüber Al Jazeera, dass die Entscheidung auf Anweisung des geistlichen Oberhaupts der monotheistischen Gemeinschaft der Drusen, Hikmat al-Hijri, getroffen wurde, der betonte, dass keine militärische Präsenz von außerhalb der Provinz erlaubt sei. Die Quellen erklärten, dass der Militärkonvoi in die mehrheitlich drusische Provinz Suweida kam, ohne sich vorher mit den lokalen Gruppierungen in der Provinz abzustimmen (AJ 1.1.2025a). Etana zufolge soll die HTS zunehmend versucht haben, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara'a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-'Awda führte. In intensiven Verhandlungen im Gebäude des Gouvernements Dara'a wurde die Auflösung sowohl des 5. Korps als auch der Gruppen von Ahmad al-'Awda (die einst die 8. Brigade des 5. Korps bildeten) sowie anderer ehemaliger Oppositionsgruppen aus der Stadt Dara'a und at-Tafas angestrebt. Während HTS die Integration aller ehemaligen Oppositionsgruppen unter einem neuen Verteidigungsministerium nach al-Assad anstrebt, wuchs der Druck auf al-'Awda, der sich unter den bisherigen Bedingungen gegen die Auflösung gewehrt hatte (Etana 17.1.2025). Am 13.4.2025 gab die Gruppierung dem politischen und militärischen Druck schließlich nach und ihre Auflösung bekannt. Die Waffen werden an die Regierung übergeben (National 14.4.2025), schwere Waffen wurden von den Sicherheitskräften der Regierung beschlagnahmt (Etana 16.4.2025). Ash-Shara's politisches Projekt eines zentralisierten Syriens steht im Widerspruch zur aktuellen Realität vor Ort. Er glaubt, dass der Föderalismus die „Nation“ spalten könnte – eine Auffassung, die zum Teil auf der antiisraelischen Stimmung in der syrischen Bevölkerung beruht (TWI 28.2.2025).

Präsident ash-Shara' sagte in einem Interview mit The Economist, dass Frauen der Arbeitsmarkt offen stünde und jede Frau, die arbeiten möchte, arbeiten kann (Economist 3.2.2025).

In städtischen Zentren und ländlichen Gebieten sind Frauen aktiv im öffentlichen Raum präsent. Es wurden keine weitverbreiteten Versuche unternommen, restriktive Kleidervorschriften einzuführen oder die Mobilität von Frauen einzuschränken, was in krassem Gegensatz zu den Befürchtungen steht, die viele hegten, als HTS erstmals an Bedeutung gewann. Frauen nehmen in Städten und Dörfern frei an öffentlichen Feiern teil, was die relative Leichtigkeit unterstreicht, mit der sie sich unter der neuen Führung im öffentlichen Raum bewegen können (AC 20.12.2024). HTS-Chef Ahmed ash-Shara', der derzeit an der Spitze Syriens steht, versprach, dass Syrien nicht zu einem „zweiten Afghanistan“ werden würde, und verwies dabei auf die Bilanz der Provinz Idlib unter der HTS-Herrschaft, wo fast 60 % der Hochschulabsolventen Frauen sind (TNA 2.1.2025a).

Zwar sind Frauen in der Übergangsregierung in mittleren Verwaltungsfunktionen sichtbar, doch es wurden noch keine Anstrengungen unternommen, sie in Führungspositionen oder Ministerien zu berufen. Dies spiegelt einen breiteren Trend in konservativen Regierungsstrukturen wider, in denen die Beteiligung von Frauen oft auf symbolische Rollen beschränkt ist. Das Versäumnis der neuen Regierung, Frauen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, birgt die Gefahr, einen kritischen Teil der Bevölkerung zu entfremden und ihren Anspruch auf Inklusivität zu untergraben (AC 20.12.2024). Die einzige Frau in der Interimsregierung ist 'Aisha ad-Dabis, eine Menschen- und Frauenrechtsaktivistin, die in den letzten Jahren an humanitären Projekten in Flüchtlingslagern gearbeitet hat, wie lokale Medien berichten. Ihre Ernennung zur Direktorin des Büros für Frauenangelegenheiten erfolgte, nachdem der Sprecher der neuen Regierung, eine Kontroverse ausgelöst hatte, mit seiner Aussage, dass die Ernennung von Frauen in Minister- und Parlamentsämter verfrüht sei, weil die „biologische und psychologische Natur“ von Frauen sie daran hindere, bestimmte Rollen zu erfüllen (BBC 26.12.2024). Ad-Dabis selbst erklärte öffentlich, die Übergangsregierung habe ihr eigenes Modell für Frauen entworfen und wolle es umsetzen. Dieses Modell beschränkt Frauen im Wesentlichen auf den privaten Bereich und stützt sich auf die Scharia (ANF 9.1.2025). Gleichzeitig versprach sie, syrische Frauen in soziale, kulturelle und politische Institutionen einzubinden, und kündigte eine umfassende Initiative an, die sich mit den Bedürfnissen weiblicher Gefangener befasst, die unter dem vorherigen Regime gelitten haben (TNA 2.1.2025a). Der Außenminister zeigte sich als Reaktion auf Empörung in der Öffentlichkeit zuversichtlich, was die aktive Rolle der Frauen in der Gesellschaft angeht, und erklärte: „Wir glauben an die aktive Rolle der Frauen in der Gesellschaft und vertrauen auf ihre Fähigkeiten“ (TNA 1.1.2025). Die von Islamisten dominierte Übergangsregierung hat zwei Frauen in Ämter gehoben, die bisher Männern vorbehalten waren: Maysaa' Sabrin ist geschäftsführende Direktorin der syrischen Zentralbank und Muhsina al-Mahithawi die erste Gouverneurin in Syrien (DW 7.1.2025). Sie wurde zur Gouverneurin von Suweida ernannt. Die Drusin leitet damit ihre Heimatprovinz (TNA 1.1.2025).

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, zur Herkunft, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zur Schulbildung und den familiären Lebensumständen in Syrien beruhen auf den glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin vor dem BFA (Niederschrift vom 21.06.2023) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 12).

Der Aufenthaltsstatus der Mutter, der Schwester und des Bruders der Beschwerdeführerin ergibt sich aus den Bescheiden des BFA vom 05.10.2016 (OZ 6) sowie aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.06.2018, W146 2140199-1/5E. Aus letztgenanntem ergeben sich die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Bruder der Beschwerdeführerin. Hinsichtlich der Mutter und der Schwester der Beschwerdeführerin kann jedoch nicht festgestellt werden, weshalb diesen der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, zumal weder in den Bescheiden noch in den diesbezüglichen Aktenvermerken festgehalten ist, welches Fluchtvorbringen die Beschwerdeführerinnen erstatteten und von der Behörde als glaubhaft erachtet wurde und welcher Konventionsgrund vorlag, der zur Zuerkennung des Status der Asylberechtigten führte.

Der Zeitpunkt der Ausreise der Beschwerdeführerin aus Syrien ergibt sich aus ihren eigenen Angaben in der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA.

Aus einem Strafregisterauszug ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin in Österreich strafrechtlich unbescholten ist (OZ 2).

Die Feststellungen zu den vorgebrachten Fluchtgründen stützen sich auf folgende Erwägungen:

Dass die Beschwerdeführerin Syrien im Oktober 2022 wegen des Krieges verließ und nach Österreich reiste, da hier schon ihre Mutter, eine Schwester und ein Bruder lebten, stützt sich auf die glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin in der Erstbefragung (Seiten 4 und 6 des Protokolls der Erstbefragung) und in der Einvernahme vor dem BFA (Seite 6 des Protokolls der Einvernahme).

Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten (weiteren) Fluchtgründe, dass sie in Syrien einer Vergewaltigung nur knapp entgangen sei und fürchte, vom syrischen Regime verschleppt und vergewaltigt zu werden sowie eine Zwangsverheiratung befürchte, sind aber aus folgenden Gründen nicht glaubhaft:

Sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem BFA sprach die Beschwerdeführerin nur davon, dass sie Syrien wegen des Krieges verlassen habe (Seite 6 des Protokolls der Erstbefragung und Seite 5 des Protokolls der Einvernahme). Vor dem BFA erwähnte sie auch, dass sie in Sicherheit leben und sich weiterbilden wolle, was ihr in Syrien nicht möglich sei (Seite 5 des Protokolls der Einvernahme). Auf die ausdrückliche Frage in der Einvernahme vor dem BFA, ob sie noch weitere Fluchtgründe habe, antwortete die Beschwerdeführerin: „Nein, das ist eh schon viel, was in Syrien passiert.“ und auf die Nachfrage, ob die schlimme Situation, der Krieg in Syrien ihr einziger Fluchtgrund sei, antwortet sie: „Ja genau wegen den Kriegsumständen.“. Eine konkrete Verfolgung oder Bedrohung verneinte die Beschwerdeführerin schließlich (Seite 5 des Protokolls der Einvernahme). Wenn die Beschwerdeführerin sodann in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht andere Fluchtgründe schildert, sind diese schon wegen ihrer unmissverständlichen Angaben vor dem BFA, dass der Krieg ihr einziger Fluchtgrund sei, nicht glaubhaft.

In der Beschwerde steigerte die Beschwerdeführerin – wie oben dargestellt – ihr Vorbringen und sprach nun – nachdem der Krieg als Fluchtgrund nicht zur Asylgewährung führte – davon, dass sie bei einem Checkpoint auf dem Weg nach Hama von Soldaten des syrischen (ehemaligen) Regimes angehalten und knapp einer Vergewaltigung entgangen sei (Seite 2 der Beschwerde). In der mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin näher zu diesem Vorbringen befragt, doch gelang es ihr nicht, eine lebensnahe und damit glaubhafte Schilderung der Ereignisse darzulegen. So war es der Beschwerdeführerin schon nicht möglich anzugeben, wann sich die versuchte Vergewaltigung ereignet habe. Zunächst meinte sie gänzlich unkonkret, dies sei gewesen, als das syrische Regime die Kontrolle über Idlib gehabt habe. Auf die Aufforderung, eine ungefähre Zeitangabe zu machen, führte sie aus, dass es ca. zweieinhalb Jahre vor ihrer Reise nach Österreich – also ca. April 2020 – gewesen sei (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls). Dass eine Frau, die einer Vergewaltigung – einem unzweifelhaft gravierenden Erlebnis – nur knapp entkommen ist, nicht möglich ist, ein konkretes Datum oder zumindest einen konkreten Monat in einem bestimmten Jahr zu nennen, sondern sie vielmehr von der Ausreise aus Syrien zurückrechnen muss, um eine ungefähre Zeitangabe zu machen, verdeutlicht, dass es sich bei der Reise nach Österreich um ein einschneidendes Erlebnis im Leben der Beschwerdeführerin gehandelt hat und die (versuchte) Vergewaltigung gar nicht stattgefunden hat.

Auch zu den näheren Umständen der versuchten Vergewaltigung befragt, war die Beschwerdeführerin nicht in der Lage, ein Vorbringen zu erstatten, auf Grund dessen von einem Wahrheitsgehalt des Gesagten ausgegangen werden kann. Auf die Frage, wie sie sexuell belästigt worden sei, blieb die Beschwerdeführerin in ihren Ausführungen sehr allgemein, was nicht dafür spricht, dass dies tatsächlich stattgefunden hat (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls):

„R: Wie wurden Sie sexuell belästigt?

BF: Es gab einen Checkpoint auf dem Weg, die Soldaten hatten eine Kontrolle durchgeführt. Man hat uns vom Auto aussteigen lassen, man hat uns durchsucht. Sie haben versucht, mich zu belästigen, aber ich bin sehr schwer davon entkommen.

R: Was haben die Männer gemacht?

BF: Sie haben versucht mich zu vergewaltigen.“

In ihrer Beschwerde schilderte die Beschwerdeführerin diesen Vorfall nach anderes. Dort ist die Rede davon, dass sie von Soldaten angehalten und in ein Zimmer gebracht wurde. Sie habe geschrien und sich gewehrt, weshalb die Soldanten von abließen (Seite 2 der Beschwerde). In der Beschwerde sprach die Beschwerdeführerin noch nicht davon, dass sie mit mehreren Personen unterwegs gewesen sei, wie sie dies in der mündlichen Verhandlung tat. Auch dass sie in ein Zimmer gebracht worden sei, erwähnte sie in der mündlichen Verhandlung nicht. Diese unterschiedliche Darstellung der Ereignisse lässt das Vorbringen einer versuchten Vergewaltigung nicht glaubhaft erscheinen.

Auch die abstrusen Erklärungen der Beschwerdeführerin, dass ihre Familie von der sexuellen Belästigung erfahren könnte, tragen nicht zu einer Glaubhaftmachung ihres Vorbringens bei. In der mündlichen Verhandlung meinte sie, es werde als Schande betrachtet, wenn ihre Familie von der sexuellen Belästigung erfahren würde (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Auf die Nachfrage, wie ihre Familie davon erfahren sollte, sprach sie davon, dass sie vielleicht untersucht werden würde. Sie konnte allerdings nicht plausibel darlegen, was bei dieser Untersuchung festgestellt werden könnte und räumte letztlich ein, dass dabei nichts rauskommen würde (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Außerdem behauptete sie, dass sie ihren Cousinen und der Ehefrau ihres Vaters von der sexuellen Belästigung erzählt habe und eine dieser Personen es dem Vater weitererzählen könnte (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Dazu ist nun festzuhalten, dass sich die sexuelle Belästigung (versuchte Vergewaltigung) ca. im April 2020 ereignet haben soll und offenkundig bis heute niemand dem Vater davon erzählt hat. Es ist nicht ansatzweise plausibel, weshalb jetzt – über fünf Jahre nach der behaupteten sexuellen Belästigung (versuchte Vergewaltigung) – dem Vater der Beschwerdeführer davon erzählt werden sollte und der Beschwerdeführerin eine Gefahr dadurch drohen sollte.

Sofern die Beschwerdeführerin in der Beschwerde ausführt, dass sie die versuchte Vergewaltigung deshalb nicht vor dem BFA angeführt habe, da sie wegen ihrer Verfassung und der Einvernahmesituation nicht in der Lage war, dieses Vorbringen zu erstatten und sie sich sehr unwohl gefühlt habe und vom Verhalten der Dolmetscherin eingeschüchtert gewesen sei, vermag dies aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen: Die Beschwerdeführerin hätte schon in der Erstbefragung die versuchte Vergewaltigung erwähnen können, zumal sie dort sehr wohl angab, im Falle der Rückkehr zu befürchten, vom syrischen Regime verschleppt und vergewaltigt zu werden (Seite 6 des Protokolls der Erstbefragung). Dass sie dort einen Vergewaltigungsversuch nicht erwähnt – was zweifellos dramatischer ist als die bloße Befürchtung vor einer möglichen Vergewaltigung – spricht nun nicht dafür, dass es diesen Vergewaltigungsversuch gab. Selbst wenn sie sich in der Einvernahme vor dem BFA tatsächlich unwohl gefühlt haben mag – wofür sich im Protokoll aber keine Anhaltspunkte finden – hätte sie anlässlich der Nachfragen zu ihrem Fluchtgrund zumindest einen Hinweis auf einen weiteren Grund geben können. Die Beschwerdeführerin zog es dabei aber vor, ausschließlich vom Krieg zu sprechen und verneinte sogar ausdrücklich weitere Fluchtgründe (Seite 5 des Protokolls der Einvernahme). Auch dieses Aussageverhalten der Beschwerdeführerin spricht nicht dafür, dass es den Vergewaltigungsversuch tatsächlich gab.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.06.2025 (bzw. schon in der davor am 24.06.2025 eingelangten Stellungnahme) sah sich die Beschwerdeführerin offenkundig veranlasst – wegen des Sturzes des Assad-Regimes im Dezember 2024 – einen neuen Fluchtgrund zu präsentieren: eine drohende Zwangsverheiratung durch ihren Vater (OZ 11 und Seite 4 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführerin ist aber letztendlich nicht gelungen, diesen – nunmehr dritten – Fluchtgrund glaubhaft zu machen. Wie schon in der Beschwerde, wo die Beschwerdeführerin die versuchte Vergewaltigung erstmals erwähnte und eine Erklärung dafür bot, weshalb sie dieses Vorbringen nicht schon vor dem BFA erstattete, liefert die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 24.06.2025 erneut eine Erklärung, weshalb sie dieses Vorbringen bislang nicht äußern habe können. Dieser Erklärungsversuch vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die Beschwerdeführerin hätte nämlich schon in ihrer Beschwerde von der Zwangsheirat berichten können, tat dies jedoch nicht. In der Stellungnahme führt die Beschwerdeführerin aus, sie habe durch ihre Erfahrungen in Syrien ein stark zerrüttetes Vertrauensverhältnis anderen Menschen gegenüber, weshalb sie nicht in der Lage gewesen sei, ihre Fluchtgeschichte vollständig zu erzählen. Sie verschweigt jedoch, weshalb sie nun plötzlich – zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung – in der Lage war, von der Zwangsheirat zu berichten und das zerrüttete Vertrauensverhältnis nun beseitigt ist (OZ 11). Dem behaupteten stark zerrütteten Vertrauensverhältnis anderen Menschen gegenüber kann daher kein Glauben geschenkt werden. Dieser Erklärungsversuch widerspricht darüber hinaus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung, wo sie ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis anderen Menschen gegenüber nicht für die unterlassene Erwähnung der Zwangsheirat vor dem BFA (und in der Beschwerde) anführte, sondern meinte, das Thema der Zwangsheirat sei mit ihrer Flucht nach Österreich abgeschlossen gewesen (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Es liegt auf der Hand, dass die Beschwerdeführerin – nach dem Ende des Assad-Regimes und ihrer damit zusammenhängenden Fluchtgründe – ihre Chancen auf Asylgewährung schwinden sah und daher einen neuen Fluchtgrund benötigte.

Letztlich gelang der Beschwerdeführerin mit ihren Schilderungen in der mündlichen Verhandlung aber auch keine Glaubhaftmachung einer drohenden Zwangsheirat. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass ihr Vater erstmals zu ihr gesagt habe, sie solle ihren Cousin heiraten, als sie 14 oder 15 Jahre alt gewesen sei (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Dennoch kam es bis zur Ausreise der Beschwerdeführerin im Oktober 2022, als die Beschwerdeführerin bereits 36 Jahre alt war, zu keiner Heirat, auch keiner zwangsweisen Heirat mit einem Cousin. Es ist damit klar, dass die Beschwerdeführerin ein Mitspracherecht oder gar die alleine Entscheidungsbefugnis darüber hat, wen sie heiratet. Auf die Feststellung in der mündlichen Verhandlung, dass ihr Vater ihr „Nein“ zur Heirat mit dem Cousin akzeptiert habe, behauptete sie zwar: „Niemand hat das akzeptiert, weder mein Vater noch mein Cousin, es ist bei uns zwanghaft.“ (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls), dennoch kam es aber in den folgenden beinahe 20 Jahren zu keiner Eheschließung mit dem Cousin. Die Beschwerdeführerin konnte auf die weitere Befragung auch nicht plausibel darlegen, dass ihr tatsächlich eine Zwangsheirat drohen sollte (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls):

„R: Warum ist es dann bis zu Ihrer Ausreise aus Syrien nicht zu einer Heirat gekommen?

BF: Ich wollte es nicht.

R: Also hat Ihr Vater akzeptiert, dass Sie „nein“ gesagt haben?

BF: Niemand hat das akzeptiert, weder mein Vater noch mein Cousin, es ist bei uns zwanghaft.

R: Haben Sie Ihrem Vater gesagt, Sie wollen Ihren Cousin nicht heiraten?

BF: Ja, natürlich und er hat das abgelehnt.

R: Was heißt das, er hat es abgelehnt?

BF: Ich habe damit gemeint, ich habe meinen Cousin abgelehnt.

R: Und wie hat dann Ihr Vater reagiert?

BF: Er hat mir gesagt, dass es für mich keine Ehe dann gibt, bis ich dann selbst überzeugt bin. Immer wenn ein Mann um meine Hand bitten wollte, dann hat mein Cousin ihn weggeschickt.

Nach Rückübersetzung: Mein Cousin hat es nicht zugelassen, dass ich mich mit irgendwem anderen verlobe.

R: Wie oft hat jetzt insgesamt Ihr Vater von Ihnen verlangt, dass Sie Ihren Cousin heiraten?

BF: Es war dauerhaft. Sie haben die ganze Zeit versucht mich zu überzeugen.

R: Wie kann ich mir das praktisch vorstellen, dieses „dauerhafte überzeugen“?

BF: Sie haben es immer wieder versucht mich zu überzeugen.

R: Hat es auch Ihr Cousin selbst versucht, oder nur Ihr Vater?

BF: Mein Cousin hat versucht meine Geschwister dort und meinen Vater zu beeinflussen, auch meine Geschwister, die da sind. Die ganze Zeit hat er gesagt, dass er mich will.“

Diese Aussagen der Beschwerdeführerin, insbesondere die zuletzt getätigten Angaben, wonach es Überzeugungsversuche gegeben habe, zeigen eindeutig, dass von ihrem Vater bzw. ihrer Familie ihr „Nein“ zur Eheschließung mit dem Cousin akzeptiert wurde. Es besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beschwerdeführerin keine Zwangsheirat droht, sondern sie vielmehr von ihr nicht gewollte Männer ablehnen kann.

Aus all den dargelegten Gründen ergibt eine Gesamtschau der zur Glaubhaftmachung asylrelevanter Verfolgung getätigten Ausführungen, dass durch die Schilderungen der Beschwerdeführerin in Bezug auf ihre persönliche Bedrohungssituation wegen der häufigen Abänderung des Fluchtvorbringens, der widersprüchlichen Angaben und der unplausiblen Angaben, die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung nicht glaubhaft gemacht werden konnte.

Die getroffenen Feststellungen zu Syrien beruhen auf den Länderinformationen der Staatendokumentation für Syrien (Version 12). Auf die Heranziehung dieser Länderinformationen wurde in der Ladung zur Verhandlung hingewiesen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in der Türkei ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. In der Stellungnahme vom 24.06.2025 wird auf einzelne Passagen in den übermittelten Länderinformationen sowie auf den Bericht der EUAA, Syria - Country Focus vom März 2025 hingewiesen. Den Länderinformationen wird damit aber nicht entgegengetreten.

IV. Rechtliche Beurteilung:

A) Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 22.3.2017, Ra 2016/19/0350; 12.3.2020, Ra 2019/01/0472, jeweils mwN; vgl. zum hinsichtlich der Glaubhaftmachung einer Verfolgungsgefahr anzulegenden Prüfungsmaßstab näher jüngst VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472). Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0192 unter Hinweis auf VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274, mwN).

Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. etwa VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0295, Rn. 27, unter Bezugnahme auf Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie 2011/95/EU).

Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. VwGH 16.04.2020, Ra 2019/14/0505, Rn. 17, mwN).

Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 unter Hinweis auf VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohl begründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 24.03.2011, 2008/23/1101 unter Hinweis auf VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119 unter Hinweis auf VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN).

Die Beschwerdeführerin konnte ihre vorgebrachten Fluchtgründe, wonach sie in Syrien einer Vergewaltigung nur knapp entgangen sei und fürchte, vom syrischen Regime verschleppt und vergewaltigt zu werden sowie ihr eine Zwangsverheiratung drohe, nicht glaubhaft machen, weshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, nicht vorliegt.

Am 08.12.2024 wurde das Assad-Regime gestürzt. Im Zuge dieser Entwicklung kam es auch in Hinblick auf die Gebietskontrolle zu einem umfassenden Wandel. Bis auf das verbleibende Gebiet der sogenannten Demokratischen Selbstverwaltungsbehörden in Nord- und Ostsyrien (Democratic Autonomous Administration in North and East Syria - DAANES) werden nun, zumindest formal, alle Gebiete des Landes von der neuen Syrischen Regierung verwaltet (vgl. deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, 30.05.2025). Die von der Beschwerdeführerin geäußerten Befürchtungen einer möglichen Verschleppung und Vergewaltigung durch das syrische Regime sind vor diesem Hintergrund – abgesehen von der mangelnden Glaubhaftmachung – zudem nicht maßgeblich wahrscheinlich.

Dies entspricht auch der aktuellen Position des UNHCR, die ausdrücklich festhält, dass Risiken in Bezug auf die Verfolgung durch die frühere Regierung aufgehört haben (vgl. UNHCR Position on Returns to the Syrian Arab Republic vom 16.12.2024, S. 2). Der Beschwerdeführerin droht nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung durch das syrische Regime.

Gleiches gilt somit auch für das in der Beschwerde erwähnte Vorbringen einer Verfolgung wegen ihrer Angehörigkeit zu einer als oppositionell angesehen Familie sowie der Herkunft aus einem ehemaligen Rebellengebiet. Aus der Asylgewährung für ihren Bruder wegen einer Verfolgung durch die syrische Regierung auf Grund seiner Flucht vor (willkürlicher) Rekrutierung sowie unterstellter oppositionell-politischer Gesinnung ist daher nichts für die Beschwerdeführerin zu gewinnen. Auch die Asylgewährung für die Mutter und die Schwester der Beschwerdeführerin kann nicht zur Asylgewährung der Beschwerdeführerin führen, da die Gründe für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Mutter und die Schwester der Beschwerdeführerin nicht einmal festgestellt werden konnten.

Weiters konnte auch keine systematische Verfolgung von (alleinstehenden) Frauen in Syrien festgestellt werden, wobei jedoch festzuhalten ist, dass die Beschwerdeführerin nicht alleinstehend ist, da sie vor ihrer Ausreise bei ihrem Vater und dessen Familie lebte und sie im Falle einer hypothetischen Rückkehr wieder dort leben würde.

Den Länderinformationen ist nicht zu entnehmen, dass in Syrien eine systematische landesweite Verfolgung von Frauen stattfindet. Aus den Länderinformationen geht hervor, dass die syrische Übergangsregierung die Rechte von Frauen bisher nicht einschränkte, sondern gegenüber Frauen in der Öffentlichkeit eher Zugeständnisse gemacht wurden, indem sie zum Bespiel in öffentliche Ämter berufen wurden, die bisher Männern vorbehalten waren. Es wird jedoch nicht verkannt, dass auch von Aussagen von Mitgliedern der syrischen Übergangsregierung berichtet wird, welche auf ein rückwärtsgewandtes Frauenbild hindeuten. Der syrische Übergangspräsident ash-Shara versprach jedoch, dass Syrien nicht zu einem „zweiten Afghanistan“ werden würde und verwies dabei auf die Bilanz der Provinz Idlib unter der HTS-Herrschaft, wo fast 60 % der Hochschulabsolventen Frauen sind. Insgesamt betrachtet ist es auf Basis der Länderberichte nicht nachvollziehbar oder maßgeblich wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführerin im Falle ihrer hypothetischen Rückkehr nach Syrien asylrelevante Verfolgung drohen würde, zumal sie selbst keine individuellen Probleme mit der syrischen Übergangsregierung bzw. HTS vorbrachte.

Während UNHCR in seiner „Position on Returns to the Syrian Arab Republic“ vom 16.12.2024 ausführt, dass angesichts der sich schnell verändernden Dynamik und der sich weiterentwickelnden Situation in Syrien UNHCR derzeit nicht in der Lage ist, Asylentscheidungsträgern detaillierte Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Syrern zu geben (vgl. UNHCR Position on Returns to the Syrian Arab Republic vom 16.12.2024, S. 2), nennt der EUAA-Bericht „Interim Country Guidance: Syria“ vom Juni 2025 hinsichtlich Frauen und Mädchen einige risikobeeinflussende Umstände. Dazu gehören die sozioökonomische Situation, der Familienstand, fehlende Dokumentation, traditionelle Geschlechterrollen, das Wohngebiet und das Leben in Binnenflüchtlingslagern. Darüber hinaus wird auch darauf hingewiesen, dass Frauen, die bereits sexuelle Gewalt erfahren haben, auf Grund von Stigmatisierung als „anders“ wahrgenommen werden können, was ebenfalls die Grundlage für eine begründete Furcht vor Verfolgung sein kann (vgl. EUAA-Bericht „Interim Country Guidance: Syria“ vom Juni 2025, S. 37 f.). Dem EUAA-Bericht nach sind Witwen und geschiedene Frauen einem höheren Risiko für geschlechtsbasierte Gewalt ausgesetzt, inklusive Zwangs- und Kinderehe. Die Beschwerdeführerin ist weder geschieden noch verwitwet. Sie hat zwar keinen Ehemann, lebte jedoch vor ihrer Ausreise bei ihrem Vater und dessen Familie, weshalb sie nicht als alleinstehend betrachtet werden kann. Eine erhöhte Vulnerabilität wegen ihres Familienstandes ist daher nicht ersichtlich und ist weiters anzumerken, dass die Beschwerdeführerin keine sexuelle Gewalt erfahren hat bzw. ihr Vorbringen zur versuchten Vergewaltigung durch Soldaten des syrischen Regimes als nicht glaubhaft erachtet wurde. Es ergaben sich auch keine Hinweise darauf, dass die Beschwerdeführerin einem anderen „Risikoprofil“ unterfallen würde.

Im Urteil des EuGH vom 16.01.2024, C-621/21, hat dieser ausgeführt, dass je nach den im Herkunftsland herrschenden Verhältnissen sowohl die Frauen dieses Landes insgesamt als auch enger eingegrenzte Gruppen von Frauen, die ein zusätzliches gemeinsames Merkmal teilen, als „einer bestimmten sozialen Gruppe“ zugehörig angesehen werden können. Sofern die Beschwerdeführerin ausführt, das Kriterium der bestimmten sozialen Gruppe sei erfüllt, da die Beschwerdeführerin bereits Opfer sexueller Belästigung in Syrien geworden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es der Beschwerdeführerin gerade nicht gelungen ist, die behauptete sexuelle Belästigung glaubhaft zu machen. Schon aus diesem Grund liegen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer bestimmten sozialen Gruppe vor. Auch für das Vorliegen einer Verfolgung aller Frauen in Syrien liegen auf Basis der Länderinformationen keine Anhaltspunkte vor.

Wenn von der Beschwerdeführerin bloß Passagen aus den Länderinformationen zitiert werden, etwa ein rückwärtsgewandtes Frauenbild und eine Diskriminierung von Frauen, ohne jedoch ein diesbezügliches individuelles Vorbringen zu erstatten, ist darauf hinzuweisen, dass die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069).

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens der Beschwerdeführerin keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Syrien maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status der Asylberechtigten zu erhalten (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

Die Beschwerdeführerin verließ Syrien wegen des Krieges und der damit verbundenen schlechten Sicherheitslage sowie besseren Zukunftsperspektiven in Österreich. Diesbezüglich fehlt es an einem Kausalzusammenhang zu einem Verfolgungsgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Dieses Vorbringen ist für die Gewährung subsidiären Schutzes relevant, welcher der Beschwerdeführerin ohnehin zuerkannt wurde.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

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