Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , vertreten durch HÖHNE, IN DER MAUR PARTNER, Rechtsanwälte GmbH Co KG, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 20.01.2025, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 2, § 3 sowie § 14 Abs. 1 und 2 BEinstG idgF stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
XXXX gehört seit 10.07.2024 dem Kreis der begünstigten Behinderten an.
Der Grad der Behinderung beträgt 50 v.H.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin stellte am 10.07.2024 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) den gegenständlichen Antrag auf auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 BEinstG. Diesem Antrag legte die Beschwerdeführerin ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.
Die belangte Behörde holte daraufhin ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 08.10.2024, basierend auf einer persönlichen Untersuchung am 03.10.2024 ein. In diesem Sachverständigengutachten wurden die Funktionseinschränkungen zusammengefasst den Leidenspositionen
zugordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 10 v.H. beurteilt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das führende Leiden Position 1 von Leiden 2 aufgrund zu geringer funktioneller Relevanz nicht erhöht werde. Der Zustand nach Resektion einer Arachnoidalzyste Kleinhirnbrückenwinkel rechts-erreiche keinen GdB, da er ohne Residualdefizit sei. Angemerkt wurde weiters, dass aus gutachterlicher Sicht trotz aller therapeutischen Bemühungen keine Okulomotorikstörung bei berichteter vestibulärer Migräne dokumentiert sei.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 09.10.2024 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Der Beschwerdeführerin wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.
Die Beschwerdeführerin brachte mit Anwaltsschriftsatz vom 24.10.2024 eine Stellungnahme ein. Die bisher dem Verfahren beigezogene Fachärztin für Neurologie gab dazu ihrerseits eine Stellungahme vom 15.01.2025 ab, in der sie zusammengefasst ausführte, die vorgebrachten Argumente würden keine neuen Erkenntnisse beinhalten, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass daran festgehalten werde.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.01.2025 wurde der am 10.07.2024 eingelangte Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten abgewiesen und in der Begründung festgestellt, dass der Grad der Behinderung 10 v.H. beträgt.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 25.02.2025 brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.01.2025 ein. Der Beschwerde wurden weitere medizinische Unterlagen beigelegt.
Im Rahmen eines beabsichtigten Beschwerdevorentscheidungsverfahrens holte die belangte Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.05.2025, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung am 07.05.2025, ein. In diesem Sachverständigengutachten wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – ausgeführt:
„[….]
Anamnese:
Vorgutachten 3.10.2024
Migräne, 10%, keine fachärztlich dokumentierte Intervalltherapie.
generalisierte Angststörung, 10%, unterer Rahmensatz, keine Einschränkung im Alltag. Gesamt GdB 10%
Aus gutachterlicher Sicht ist trotz aller therapeutischen Bemühungen keine
Okulomotorikstörung bei berichteter vestibulärer Migräne dokumentiert (DD vestibuläre Paroxysmie?).
Stellungnahme vom 15.1.2025: kommt es zu keiner Änderung der getroffenen Einschätzung.
Nun Beschwerdevorentscheidung
Die AW kommt alleine, frei gehend zur Untersuchung. Sie berichtet, dass alle bisher durchgeführten Therapien keine relevante Verbesserung ihrer Zustände gebracht hat, sie wäre sogar bereit gewesen sich an einer Arachnoidalzyste operieren zu lassen mit der Hoffnung, dass dadurch ihr Zustand besser wird. Sie berichtet, dass sie immer schon zu Kopfschmerzen geneigt hat, ab dem 20. Lebensjahr wäre das ziemlich eindeutig eine Migräne gewesen, die sich im Jahr 2021 als vestibuläre Migräne manifestiert hat. Sie hat viele Ambulanzbesuche und Kontakte in der Akutambulanz wenn diese Symptomatik schwer ist, bezüglich der diagnostizierten Angststörung nimmt sie Venlafaxin 75 mg, hier ist eine Erhöhung geplant
Derzeitige Beschwerden:
sie hat immer gut funktioniert und ist durch diese massive Symptomatik eingeschränkt;generalisierte Angststörung hätte ab 2011 begonnen, damals auch Beginn einer Psychotherapie. Die AW ist alle 3 Monate bei Prof. X. zur Botox-Behandlung und zwischendurch auch im Y in der Kopfschmerzambulanz, bei der Schwindelambulanz nicht mehr, da diese darauf hinweist, dass es sich um eine vestibuläre Migräne handelt.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikation:
- Botox alle 3 Monate über Prof. X
- braucht 20 - 30 Tbletten Novalgin / Monat (Angabe 10/2024 10 pro Monat)
- berichtet über 20-25 Migräneanfälle wobei in der Intensität oft mit Novalgin beherrschbar, 1-4x pro Monat sind sie so stark,
dass sie sich über ihre Hausärztin eine Zofran-Infusion holen muss
Sozialanamnese:
Lebensgemeinschaft, Personalleiter, hat 3 Studien berufsbegleitend absolviert
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Ambulanzauszug Y, Kopfschmerzambulanz, beginnend 22.11.2022 - 24.6.2024
Arztbrief Prof. X, 10.7.2024
Seit Herbst 2022 in regelmäßiger und wiederholter Betreuung an der Akutambulanz sowie Kopfschmerzambulanz, Triptane inklusive Imigran s.c. und Zomig Nasenspray nicht wirksam. Prophylaktische Therapie ebenso ohne erkennbaren Effekt, Aimovig, Ajovy, Emgality und Botox laut PREEMT Schema wirkungslos. Zur Behandlung der vestibulären
Migräne wurden unter anderen Vimpat, Neurotop, Sibelium, Gabapentin eingesetzt, Topilex und Betablocker sind kontraindiziert. Zuletzt parallel Vyepti und Vydura, anfangs mit Besserungstendenz, die sich aber im weiteren Verlauf nicht bestätigt hat. Im langfristigen Verlauf gibt es mehr Tage mit Kopfschmerzen als ohne, zudem Schwindel im Sinne eines Migräneschwindels. Darüber hinaus eine den Nervus vestibularis komprimierende Arachnoidalzyste, die Anfangs 2024 operiert wurde, seither der Schwindel etwas gebessert, aber insgesamt keine maßgebliche Änderung. Die massiven Attacken und die fehlende Wirksamkeit der prophylaktischen Therapie sowie die mangelnde Wirksamkeit der Akuttherapie haben eine erhebliche psychische Belastung zur Folge. Die Patientin ist daher auch in regelmäßiger Psychotherapie. Die chronische Migräne und die vestibuläre Migräne werden durch die generalisierte Angststörung weiter in ihren Konsequenzen aggraviert. Zusammenfassend besteht eine therapieresistente chronische Migräne, eine ebenso therapieresistente vestibuläre Migräne und einer generalisierte Angststörung. ... durch eine schwere Schmerzkrankheit trotz Ausschöpfen aller therapeutischen Möglichkeiten wiederholte Schwindelattacken, im Rahmen der vestibulären Migräne und eine psychiatrische Komorbidität im Sinne einer generalisierten Angststörung in der Ausübung ihres Berufes beeinträchtigt, das einem Behinderungsgrad von zumindest 50% entspricht.
Therapiebestätigung Z., Psychotherapie, 12.2.2025 (?) schwer leserlich
... regelmäßige psychotherapeutische Begleitung
Im Mittelpunkt der Behandlung stehen vor altem die Belastungen und Einschränkungen, die mit ihrer chronischen Migräne-Erkrankung einhergehen ... Im Zuge dessen hat sich eine generalisierte Angststörung entwickelt, die ebenfalls therapeutisch und auch psychiatrisch/neurologisch (Venlafaxin) behandelt wird.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Ernährungszustand:
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus: HN: stgl. unauffällig
OE: Rechtshändigkeit, Tonus, Trophik o.B., grobe Kraft 5/5, MER stgl. mittellebhaft, VdA
o.B., FNV zielsicher, Feinmotorik erhalten, Frontal- und Py-Zeichen negativ
UE: Tonus, Trophik o.B., grobe Kraft 5/5, Babinski bds. negativ, MER stgl. mittellebhaft, VdB o.B., KHV zielsicher
Sensibilität: stgl. unauffällig
Gesamtmobilität – Gangbild:
Stand und Gang: unauffällig
Status Psychicus:
AW klar, wach, orientiert, Duktus nachvollziehbar, das Ziel erreichend, keine produktive Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung, Stimmung ausgeglichen, bds. ausreichend affizierbar, Realitätssinn erhalten, Auffassung, Konzentration unauffällig
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 im GdB nicht angehoben, wegen Geringfügigkeit
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
-
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Leiden 1 wird aufgrund des vorliegenden Befundes von Prof. X von 7/2024 um 4 Stufen höher eingeschätzt
Leiden 2 bleibt gleich
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten: Anhebung des Gesamt GdB um 4 Stufen auf 50%
Frau G. kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen: X JA
[….]“
Da die Frist für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung bereits abgelaufen gewesen sei, brach die belangte Behörde in der Folge das beabsichtigte Beschwerdevorentscheidungsverfahren ab und legte am 30.05.2025 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
Mit Schreiben vom 05.06.2025, der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin zugestellt ebenfalls am 05.06.2025, informierte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin über das Ergebnis der Beweisaufnahme durch die belangte Behörde und räumte ihr in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zu dem seitens der belangten Behörde im Rahmen des beabsichtigten Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.05.2025 eine Stellungnahme abzugeben. Die Beschwerdeführerin wurde in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, sollte sie eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen, das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden. Die Beschwerdeführerin wurde weiters darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung auf der Grundlage der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erlassen werde, soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordert.
Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin brachte keine Stellungnahme zu den von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin.
Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden objektivierten Funktionseinschränkungen:
1. Chronische Migräne / vestibuläre Migräne; alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft, laufende Botox-Therapie
2. generalisierte Angststörung; unter Medikation und Psychotherapie nur mäßige Einschränkungen fassbar
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß werden die diesbezüglichen Beurteilungen im von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.05.2025 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Die Beschwerdeführerin steht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis.
Sie ist in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11) auszuüben.
2. Beweiswürdigung:
Die österreichische Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin ist unstrittig.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß gründen sich auf das von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.05.2025; die unter den Leidenspositionen 1 und 2 festgestellten Funktionseinschränkungen und deren Einstufungen blieben von der Beschwerdeführerin und von der belangten Behörde unbestritten.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis steht, gründet sich auf einen vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug betreffend die Beschwerdeführerin.
Dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 22.05.2025 ist auch zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin infolge des Ausmaßes ihrer Gebrechen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb geeignet ist. Es liegen daher weder diesbezüglich noch sonst Hinweise darauf vor, dass ein Ausschlussgrund im Sinne des § 2 Abs. 2 BEinstG vorliegen würde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), lauten:
„Begünstigte Behinderte
§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. …
…
Behinderung
§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Feststellung der Begünstigung
§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH
a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002, oder des Bundesverwaltungsgerichtes;
b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;
c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) oder des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;
d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2 ) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Personen angehören zu wollen.
(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit der der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.
…“
§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:
„Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.“
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung hinsichtlich der festgestellten einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß das von der belangten Behörde im Rahmen des beabsichtigten Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.05.2025, nach dem der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 50 v.H. beträgt und das von den Parteien des Verfahrens nicht bestritten wurde, zu Grunde gelegt.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den von der Beschwerdeführerin (insbesondere auch im Rahmen der Beschwerde) vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.
Entscheidend für die Stattgebung der Beschwerde und die Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung von 10 v.H. auf 50 v.H. im Vergleich zum angefochtenen Bescheid ist insbesondere die nunmehr erfolgte Berücksichtigung des Umstandes, dass laut dem (auch) der Beschwerde beigelegten Ambulanten Patientenbrief vom 10.07.2025 alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und eine laufende Botox-Therapie etabliert ist, weshalb das führende Leiden 1 nunmehr nach dem fixen Rahmensatz der Positionsnummer 04.11.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 50 v.H. einzustufen war.
Das von der belangten Behörde im Rahmen des beabsichtigten Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 22.05.2025 ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung der Leiden 1 und 2 in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sieht.
Der Grad der Behinderung gilt ab dem Tag des Einlangens des verfahrenseinleitenden Antrages beim Sozialministeriumservice, also ab dem 10.07.2024. Eine Nachuntersuchung ist für Mai 2027 vorzusehen, weil entsprechend dem Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.05.2025 eine Besserung von Leiden 1 möglich ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 BEinstG sind begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes – bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen - österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.
Im Beschwerdefall sind Ausschlussgründe gemäß § 2 Abs. 2 BEinstG nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin, steht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis und ist in der Lage, zumindest eine Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11 BEinstG) auszuüben.
Im gegenständlichen Fall sind daher die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BEinstG, wonach begünstigte Behinderte österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. sind, aktuell gegeben. Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist im Hinblick auf die festgestellten Funktionseinschränkungen vor dem Hintergrund der vorliegenden schlüssigen, von den Parteien des Verfahrens nicht bestrittenen medizinischen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war; bei der Beurteilung der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung von Funktionsbeeinträchtigungen aber handelt es sich um eine Rechtsfrage. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.