Spruch
W200 2314678-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. TAURER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzende über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland (SMS) vom 05.06.2025, Zl. 62461078000047, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Burgenland, zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Vorverfahren:
Der Beschwerdeführer stellte am 06.06.2023 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten.
Das eingeholte allgemeinmedizinische Gutachten vom 24.03.2023 ergab einen GdB von 50% und gestaltete sich wie folgt:
„Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus der führenden Gesundheitsstörung 1, welche durch die Gesundheitsstörung 2 bei negativer wechselseitiger Beeinflussung aufgrund von zusätzlicher Beeinträchtigung hinsichtlich Mobilität und im Alltag um 1 Stufe angehoben wird.“
Mit Bescheid vom 26.07.2023 wurde dem Antrag stattgegeben und ein GdB von 50% festgestellt.
Gegenständliches Verfahren:
Im Zuge eines amtswegigen Nachuntersuchungsverfahren gestaltete sich das Gutachten eines Allgemeinmediziners vom 04.05.2025 wie folgt:
„Derzeitige Beschwerden:
Die psychische Situation hätte sich kaum verändert, zuletzt keine stat. Aufenthalte an Fachabteilung belegt, sei beim PSD in Behandlung. Keine Bestätigung betreffend eine rezente Psychotherapie auf Befragen vorliegend, zuletzt auch keine Rehaaufenthalte belegt. Gibt auch Gelenksprobleme an, das linke Knie solle operiert werden.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Escitalopram, Mirtabene, Trittico.
Sozialanamnese: AMS.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befundnachreichung:
3.3.2025 Dr. Ahmad: rez. depress. Erkrankung. Auszug: "der Behindertenstatus läuft jetzt aus und eine neue Untersuchung steht an." Keine deutliche Stabilisierung explorierbar. Psychotherapeut. Behandlung empfohlen.
20.3.2025 KH Eisenstadt: Genu varum sin. mit Knorpelulcus, OP vorgesehen.
Untersuchungsbefund: (…)
GROB NEUROLOGISCH:
Keine relevanten motorischen Defizite, Vorfußhebung beidseits möglich, kein Rigor, kein relevanter Tremor, Feinmotorik ausreichend erhalten.
Gesamtmobilität – Gangbild: Keine Hilfsmittel, ausreichend sicher und selbstständig.
Status Psychicus:
Orientiert, Ductus kohärent, sozial ausreichend integriert, kognitive Funktionen erhalten, keine psychotische Symptomatik.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das führende Leiden 1 wird durch 2 um 1 Stufe erhöht, da maßgebliches Zusatzleiden.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Absenkung im GdB bei Leiden 1 des VGA bei Stabilisierungstendenzen.
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten: Absenkung um 1 Stufe.“
Der Beschwerdeführer übermittelte im Rahmen des zum Gutachten gewährten Parteiengehörs keine Einwendungen.
Mit Bescheid vom 05.06.2025 wurde von Amts wegen festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nicht mehr erfülle sowie, dass er mit Ablauf des auf die Zustellung des Bescheides folgenden Monats nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehöre.
Begründend wurde ausgeführt, dass begünstige Behinderte österreichische Staatsangehörige bzw. ihnen gleichgestellte Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH seien. Im Ermittlungsverfahren habe eine ärztliche Begutachtung zur Feststellung des Grades der Behinderung einen Grad der Behinderung 40 von vH ergeben.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer – ohne Vorlage von Befunden - fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass sich sein psychisches Krankheitsbild sogar verschlimmert hätte. Es erfolgten auch Ausführungen zur nicht verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.
Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht – zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – durchzuführen (VwGH 27.01.2016, Ra 2015/08/0178).
In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123).
Wie im Verfahrensgang dargestellt, erfolgte eine amtswegige Nachuntersuchung zur Feststellung des Grades der Behinderung.
Im Erstverfahren erfolgte folgende Einstufung:
Im Rahmen der Nachuntersuchung kam der befasste Allgemeinmediziner zu folgender Einschätzung:
Weiters wurde von ihm begründet, dass das eine Absenkung des Leidens 1 des VGA wegen Stabilisierungstendenzen zu erfolgen hätte.
Im aktuellen Verfahren wurde die Pos.Nr. 03.06.01 für eine depressive Störung leichten Grades mit 30% gewählt.
Bei näherer Betrachtung des Gutachtens des Zweitverfahrens ist für den erkennenden Senat die vom befassten Arzt beschriebene Besserung in Form von Stabilisierungstendenzen nicht nachvollziehbar: Dem vom Beschwerdeführer vorgelegten psychiatrischen Befund ist zu entnehmen „Keine deutliche Stabilisierung explorierbar.“
Wie der befasste Allgemeinmediziner zu der Feststellung kommt, dass Stabilisierungstendenzen vorliegen, geht aus dem Gutachten nicht hervor, zumal es den psychiatrischen Befund – der übrigens nicht im Akt aufliegt – widerspricht.
Eine Begründung für die beschriebene Besserung lässt sich dem Befund und Gutachten nicht entnehmen.
Das eingeholte Gutachten weist also hinsichtlich des Leidens 1 gravierende Mängel auf, die einer Aufklärung bedürfen.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts erfolgte die Entscheidung über die Höhe des Gesamtgrades der Behinderung ohne hinreichende Ermittlungstätigkeiten bzw. hat das SMS bloß ansatzweise Ermittlungen getätigt.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde im Verfahren betreffend die amtswegige Überprüfung des Grades der Behinderung ein (eventuell fachärztliches) Sachverständigengutachten basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers zu den unten dargelegten Fragestellungen einzuholen haben.
Folgende Punkte sind zu beurteilen:
1. Gesonderte Einschätzung des Grades der Behinderung für jede festgestellte Gesundheitsschädigung
- Medizinisch exakte Bezeichnung der festgestellten Gesundheitsschädigungen
- Gewählte Position, wobei auf die Begründung der Wahl der Position besonders zu achten ist
- Zu Grunde gelegter Rahmensatz, wobei auf die Begründung der Einschätzung des GdB innerhalb des Rahmensatzes besonders zu achten ist
Ad Leiden 1: Für den Fall, dass eine Besserung zum Vorgutachten festgestellt wird, so ist diese exakt und verständlich – auch unter Bezugnahme auf das Vorgutachten - zu beschreiben.
Maßstab im Nachuntersuchungsverfahren ist das Gutachten des Vorverfahrens – für den Fall, dass im Vorverfahren die Einstufung nicht ordnungsgemäß – also zu hoch – gewesen sein sollte, so wäre vom SMS ein Verfahren gemäß § 69 AVG zu führen.
2. In weiterer Folge hat eine Zusammenfassung mit der Leiden des Beschwerdeführers zu erfolgen und es ist eine Gesamteinschätzung vorzunehmen und zu begründen.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.
Von den vollständigen Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein und die Behörde im Anschluss zu entscheiden haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.