W256 2298534-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 4. Mai 2024, Zl. 1319611004-222519999, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, stellte am 12. August 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005) im österreichischen Bundesgebiet. In der Folge wurde sie vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab zu ihren Fluchtgründen an, in Syrien herrsche Krieg, es gebe keine Sicherheit.
Am 2. Mai 2024 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA, belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme gab sie im Wesentlichen zu ihren Fluchtgründen an, sie habe kleine Kinder gehabt und es habe keine Sicherheit bzw. ein ständiges Bombardement gegeben. Ihr Mann sei im Jahr 2016 verstorben. Sie habe Angst um ihre Kinder, die bei einer Rückkehr nach Syrien den Militärdienst absolvieren müssten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte der Beschwerdeführerin den Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs 1 AsylG 2005 zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr gem. § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für 1 Jahr (Spruchpunkt III.). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin in den Einvernahmen keinerlei persönliche Bedrohung vorgebracht habe. Sie habe Syrien aufgrund des Krieges verlassen.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau über kein soziales Netz und keinen männlichen Schutz in Syrien verfüge; sie sei damit einem sehr hohen Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt und zähle zu einer vulnerablen Gruppe. Sie befürchte zusätzlich (Reflex-)Verfolgung seitens des Assad-Regimes wegen der Wehrdienstverweigerung ihrer Söhne sowie ihrer illegalen Ausreise samt Asylantragstellung in Österreich. Die Beschwerdeführerin habe in Syrien bis auf ihre im Herkunftsort lebende Schwester samt deren Familie keine Angehörigen. Der Mann ihrer Schwester könne nur seine eigene Familie unterhalten und sei nicht in der Lage, auch noch seine Schwägerin – die Beschwerdeführerin – samt deren sechs Kindern zu versorgen. Die volljährigen Söhne könnten die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht schützen, weil sie als Wehrdienstverweigerer verfolgt würden. Die Beschwerdeführerin sei als Witwe stigmatisiert und stark gefährdet, einer Wiederverheiratung ausgesetzt zu sein und/oder Opfer (sexueller) Gewalt zu werden.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden den Verfahrensparteien folgende Länderinformationen zum Parteiengehör übermittelt:
1. ACCORD: Syrien-Länderseite auf ecoi.net
2. Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad (s. Anhang)
3. Länderinformationsblatt zu Syrien vom 27.03.2024
4. ACCORD- Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen [a-12592-v2]
5. EUAA: Country Focus Syria, März 2025
6. EUAA: Country Guidance Syria, April 2024
7. UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 03.2021
8. Staatendokumentation: Kurzinformation vom 10.12.2024: „Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht“
Mit Schreiben vom 12. Mai 2025 wurde den Verfahrensparteien zudem Gehör zum aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 8. Mai 2025 gewährt.
Am 19. Mai 2025 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der Beschwerdeführerin, ihrer Rechtsvertreterin sowie eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie stamme aus einem Gebiet, wo die Familienstämme endgültige Entscheidungen treffen würden und eine Witwe sofort mit dem nächstbesten Mann zwangsverheiratet werde. Ein Bekannter des Mannes ihrer Schwester habe ihr über ihre Schwester ein Angebot unterbreitet. Sie habe Angst, dass sie im Fall ihrer Rückkehr zwangsverheiratet werde. Ihre Kinder würden nicht mit ihr nach Syrien zurückkehren. Ihre Schwester könnte ihr bei einer Rückkehr lediglich seelisch beistehen, aber sie nicht finanziell unterstützen. Auch ihre Kinder könnten sie nicht unterstützen, weil sie noch in Ausbildung seien. Sie könnte auch nicht bei ihrer Schwester leben.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2025 gewährte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien Gehör zu den beiden Länderberichten „EUAA Country Focus“ zu Syrien vom Juli 2025 sowie „EUAA Interim Country Guidance“ zu Syrien vom Juni 2025. Am 29. Juli 2025 langte eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin dazu ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Syrien, Angehörige der arabischen Volksgruppe und sunnitische Muslimin (Niederschrift der Erstbefragung, S. 1 f; Niederschrift des BFA, S. 3; Verhandlungsschrift vom 19. Mai 2025, S. 4).
Sie wurde am XXXX in Syrien in der Provinz Damaskus Umgebung in XXXX geboren und lebte dort bis zum Jahr 2013 im Haus der Familie. Damals reiste sie mit Mann und Kindern nach Jordanien aus; ihr Ehemann kehrte später nach Syrien zurück und verstarb im Jahr 2016 bei einem Angriff. 2022 reiste die Beschwerdeführerin aus Jordanien über die Türkei nach Österreich. Die Beschwerdeführerin absolvierte eine zwölfjährige Schulausbildung (ohne Abschluss). Sie arbeitete zunächst in einer Medikamentenfirma und war nach ihrer Heirat im Jahr 2000 Hausfrau. In Jordanien arbeitete sie in einer Schule (Niederschrift der Erstbefragung, S. 1, 2, 3, 4, 5; Niederschrift des BFA, S. 3, 5, 6; Verhandlungsschrift vom 19. Mai 2025, S. 4, 5).
Die Beschwerdeführerin ist seit dem Tod ihres Ehemannes 2016 verwitwet und hat sechs Kinder. Ihr ältester Sohn, der 23 Jahre alt ist, lebt und arbeitet in Deutschland, ihre anderen Kinder leben in Jordanien und sind in Ausbildung. In Syrien im Heimatort der Beschwerdeführerin ( XXXX ) lebt noch eine Schwester der Beschwerdeführerin mit ihrem Mann und ihren Kindern; zu ihr hat die Beschwerdeführerin regelmäßigen Kontakt. Weitere Familienangehörige der Beschwerdeführerin in Syrien können nicht festgestellt werden. In Deutschland leben ein Bruder und eine Schwester der Beschwerdeführerin sowie ihr ältester Sohn (Niederschrift der Erstbefragung, S. 1, 3; Niederschrift des BFA, S. 3, 4, 6; Verhandlungsschrift vom 19. Mai 2025, S. 7).
XXXX (samt näherer Umgebung) steht derzeit unter der Kontrolle der aus der HTS hervorgegangenen neuen syrischen Regierung unter Ahmed al-Scharaa (https://syria.liveuamap.com/).
Eine Verfolgung der Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Syrien durch das (nicht mehr existierende) Assad-Regime ist nicht zu erwarten.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach XXXX Ausbeutung und Übergriffe sexueller Art als alleinstehende Witwe ohne männlichen Schutz oder eine zwangsweise Wiederverheiratung drohen würde.
zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 8. Mai 2025, im Folgenden „LIB“:
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen. Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt. Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte. Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war. Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen. Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt. Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten. Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt. Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich, etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS. Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein. Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (LIB S. 10 f).
Frauen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Der anhaltende Konflikt in Syrien hat zu erheblichen demografischen Verschiebungen geführt: Unzählige Männer wurden getötet, vertrieben oder durch militärische Einberufung, wirtschaftliche Not oder Beteiligung an Kämpfen ins Exil gezwungen. Infolgedessen tragen Frauen nun eine große Verantwortung für die Versorgung der Haushalte, die Arbeit in verschiedenen Sektoren und die Bewältigung der täglichen wirtschaftlichen Aktivitäten. Der Konflikt in Syrien hat die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verschärft und Frauen und Mädchen verstärkt Gewalt, Vertreibung und diskriminierenden Gesetzen ausgesetzt, die ihre Rechte einschränken. Viele weibliche Haushaltsvorstände haben Schwierigkeiten, die Geburt ihrer Kinder zu registrieren, was das Risiko der Staatenlosigkeit erhöht und den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung einschränkt. Vertriebene Frauen sind ständig der Gefahr sexueller Übergriffe und anderer Formen von Missbrauch ausgesetzt, insbesondere wenn sie Kontrollpunkte passieren, die von bewaffneten Gruppen kontrolliert werden. Frauen, die versuchen, das Land mit Hilfe von Schmugglern zu verlassen, sind auch der Gefahr der Ausbeutung ausgesetzt, in einigen Fällen sogar dem sexuellen Menschenhandel. In Syrien gibt es auch Hinweise darauf, dass sexuelle Gewalt in den Hafteinrichtungen der ehemaligen Regierung bewusst eingesetzt wurde, um Frauen einzuschüchtern und zu bestrafen, die direkt oder indirekt mit der Opposition in Verbindung gebracht wurden. Frauen, die in der Haft vergewaltigt wurden oder bei denen eine Vergewaltigung vermutet wird, laufen Gefahr, von ihren Familienmitgliedern verstoßen zu werden oder nach ihrer Entlassung sogar einem Ehrenmord zum Opfer zu fallen, da sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt kulturell stigmatisiert sind. Eine vom Central Bureau of Statistics (CBS), einer staatlichen Einrichtung, in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen durchgeführte Mehrzweck-Demografieerhebung ergab, dass 518.000 Frauen ihre Ehemänner während des Krieges verloren haben. Aus einem internationalen Bericht des UNHCR geht hervor, dass mehr als 145.000 syrische Flüchtlingsfamilien im Libanon, in Jordanien, im Irak und in Ägypten sowie Zehntausende in der Türkei von Frauen geführt werden, die allein um ihr Überleben kämpfen, was etwa 22 % der Gesamtzahl syrischer Familien entspricht. Familien, die von verwitweten Frauen geführt werden, leiden oft unter fehlenden Ressourcen, hohen Schulden, fehlendem Zugang zu angemessenen Nahrungsmitteln, ein Großteil ihrer Kinder ist gezwungen, in der Schattenwirtschaft zu arbeiten, und einige von ihnen sind in unterschiedlichem Maße verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt. Die Armutsquote von Frauen ist mit der zunehmenden Zahl von Witwen in der Gesellschaft auf ein noch nie da gewesenes Ausmaß angestiegen (LIB S. 209 f).
Frauen haben unverhältnismäßig selten Rechtssicherheit. Dies hängt mit der Armut von Frauen, ihrer Anfälligkeit für Gewalt, diskriminierenden Praktiken lokaler Gemeinschaften, die oft durch Traditionen und eine enge Auslegung der Religion hervorgerufen werden, und anderen Faktoren zusammen, die zur allgemeinen Ungleichheit von Frauen beitragen. Einige Gruppen von Frauen werden auch aufgrund ihrer Klasse, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, ihres Alters, Einkommens, Familienstandes oder anderer Faktoren diskriminiert. Die Zahl der Frauen, die Wohneigentum besitzen, wird auf nur 2–5 % geschätzt. Darüber hinaus sind Frauen mit Behinderungen zusätzlichen Risiken ausgesetzt, wodurch ihr Recht auf angemessenen Wohnraum noch weiter in die Ferne rückt. Eine Mitarbeiterin der feministischen Organisation Syrian Women's Political Movement betont, dass erhebliche Gesetzesreformen erforderlich sind, um die Frauenrechte in Syrien zu verbessern. Wesentlich ist die Arbeit an der Verfassung, um sicherzustellen, dass die Rechte der Frauen in Bezug auf Religion, Politik sowie Landrechte und Eigentum geschützt sind (LIB S. 210).
Präsident ash-Shara' sagte in einem Interview mit The Economist, dass Frauen der Arbeitsmarkt offen stünde und jede Frau, die arbeiten möchte, arbeiten kann (LIB S. 210).
Frauen berichteten von Problemen mit Kämpfern der Rebellen. Beispielsweise gaben Richterinnen an, dass Kämpfer ihnen gesagt hätten, dass sie nicht mehr dienen dürften. Dabei dürfte es sich um Einzelpersonen handeln. Internationale Medien, die berichtet hatten, dass es zukünftig keine Richterinnen mehr geben würde, korrigierten eine entsprechende Meldung später. Eine Erklärung von Ali al-Maghraby, dem ersten Inspektor des Justizministeriums in der von der HTS geführten Syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG), schien auf das Treffen im Justizpalast in Homs einzugehen, dementierte aber Gerüchte, dass Frauen aus dem Justizwesen entfernt werden könnten, und sagte, dass die "Herrschaft der Richterinnen intakt" sei, aber andere Details wurden weder dementiert noch bestätigt. Der Sprecher der HTS fiel außerdem mit Äußerungen über die zukünftige Rolle der Frau in der syrischen Justiz auf. In einem Interview mit einem libanesischen Fernsehsender soll er es in Zweifel gezogen haben, ob Frauen richterliche Befugnisse übernehmen sollten. Die aktuelle Situation ist für Richterinnen im ganzen Land zunehmend prekär geworden. Zwar hat das Übergangskabinett Syriens keine formellen Anweisungen zur Entlassung von Richterinnen herausgegeben, doch Quellen aus dem Justizpalast des Gouvernements Homs berichten, dass sie mündliche Anweisungen erhalten haben, Frauen aus Justizpositionen zu entfernen. Weiters soll die HTS ein Verbot erlassen haben, sich hinsichtlich der Kleidung von Frauen einzumischen oder Forderungen in Bezug auf ihre Kleidung oder ihr Aussehen zu machen, einschließlich der Forderung nach Bescheidenheit. Aleppo Today zitierte jedoch Mohammad al-Asmar, den Kommunikationsbeauftragten des Informationsministeriums der SSG der bestritt, dass diese Erklärungen von einer offiziellen Stelle abgegeben wurden, und darauf hinwies, dass die Quelle dieser Behauptungen Medienseiten waren, die bekanntermaßen pro-Assad sind. An Laternenpfählen wurden Aushänge angebracht, die Frauen befehlen, den Schleier zu tragen. Kinder, die aus der Schule nach Hause kommen, fragen ihre Mütter, warum sie nicht verhüllt sind. Ash-Shara' hat eine Frau zur Leiterin der Zentralbank ernannt, aber in einigen Regierungsbüros müssen Frauen und Männer jetzt durch getrennte Eingänge gehen. Die deutsche Bundesaußenministerin will Hilfen für Syrien von der Achtung von Frauenrechten abhängig machen. Für islamistische Strukturen werde es keine EU-Gelder geben. In städtischen Zentren und ländlichen Gebieten sind Frauen aktiv im öffentlichen Raum präsent. Es wurden keine weitverbreiteten Versuche unternommen, restriktive Kleidervorschriften einzuführen oder die Mobilität von Frauen einzuschränken, was in krassem Gegensatz zu den Befürchtungen steht, die viele hegten, als HTS erstmals an Bedeutung gewann. Frauen nehmen in Städten und Dörfern frei an öffentlichen Feiern teil, was die relative Leichtigkeit unterstreicht, mit der sie sich unter der neuen Führung im öffentlichen Raum bewegen können. HTS-Chef Ahmed ash-Shara', der derzeit an der Spitze Syriens steht, versprach, dass Syrien nicht zu einem „zweiten Afghanistan“ werden würde, und verwies dabei auf die Bilanz der Provinz Idlib unter der HTS-Herrschaft, wo fast 60 % der Hochschulabsolventen Frauen sind (LIB S. 211).
Zwar sind Frauen in der Übergangsregierung in mittleren Verwaltungsfunktionen sichtbar, doch es wurden noch keine Anstrengungen unternommen, sie in Führungspositionen oder Ministerien zu berufen. Dies spiegelt einen breiteren Trend in konservativen Regierungsstrukturen wider, in denen die Beteiligung von Frauen oft auf symbolische Rollen beschränkt ist. Das Versäumnis der neuen Regierung, Frauen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, birgt die Gefahr, einen kritischen Teil der Bevölkerung zu entfremden und ihren Anspruch auf Inklusivität zu untergraben. Die einzige Frau in der Interimsregierung ist 'Aisha ad-Dabis, eine Menschen- und Frauenrechtsaktivistin, die in den letzten Jahren an humanitären Projekten in Flüchtlingslagern gearbeitet hat, wie lokale Medien berichten. Ihre Ernennung zur Direktorin des Büros für Frauenangelegenheiten erfolgte, nachdem der Sprecher der neuen Regierung, eine Kontroverse ausgelöst hatte, mit seiner Aussage, dass die Ernennung von Frauen in Minister- und Parlamentsämter verfrüht sei, weil die „biologische und psychologische Natur“ von Frauen sie daran hindere, bestimmte Rollen zu erfüllen. Ad-Dabis selbst erklärte öffentlich, die Übergangsregierung habe ihr eigenes Modell für Frauen entworfen und wolle es umsetzen. Dieses Modell beschränkt Frauen im Wesentlichen auf den privaten Bereich und stützt sich auf die Scharia. Gleichzeitig versprach sie, syrische Frauen in soziale, kulturelle und politische Institutionen einzubinden, und kündigte eine umfassende Initiative an, die sich mit den Bedürfnissen weiblicher Gefangener befasst, die unter dem vorherigen Regime gelitten haben. Der Außenminister zeigte sich als Reaktion auf Empörung in der Öffentlichkeit zuversichtlich, was die aktive Rolle der Frauen in der Gesellschaft angeht, und erklärte: „Wir glauben an die aktive Rolle der Frauen in der Gesellschaft und vertrauen auf ihre Fähigkeiten“. Die von Islamisten dominierte Übergangsregierung hat zwei Frauen in Ämter gehoben, die bisher Männern vorbehalten waren: Maysaa' Sabrin ist geschäftsführende Direktorin der syrischen Zentralbank und Muhsina al-Mahithawi die erste Gouverneurin in Syrien. Sie wurde zur Gouverneurin von Suweida ernannt. Die Drusin leitet damit ihre Heimatprovinz (LIB S. 211 f).
Auszüge aus dem EUAA-Bericht „Country Focus Syria“ vom März 2025:
1.2.2. Regierungsführung unter der Übergangsverwaltung (S. 20-23)
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(c) Militärische Reformen (S.22-23)
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Die Übergangsregierung schaffte die Wehrpflicht, außer in Fällen des nationalen Notstandes, ab; die syrische Armee soll sich zukünftig aus Freiwilligen zusammensetzen. Laut Samir Saleh, Mitglied des Militärkommandos im Umland von Damaskus, wird die syrische Armee eine Freiwilligenarmee sein, an der sich die Bevölkerung beteiligen soll, um die Grenzen des Landes zu sichern.
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1.3.5. Frauen (S.33-38)
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b) Legislative Entwicklungen und Maßnahmen, die Frauen betreffen
Quellen deuten darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch keine Klarheit über die Lage der Frauen in Syrien unter den HTS-Behörden besteht. Der neue Außenminister Assaad al-Shibani behauptete, dass die Behörden die Rechte der Frauen „voll und ganz unterstützen“ würden, und Ahmed al-Sharaa versprach, die Bildung von Frauen fortzusetzen. Zum 1. Januar 2025 wurden drei Frauen in offizielle Positionen unter der neuen Regierung in Syrien berufen. Die erste Frau, die ernannt wurde, war Aisha al-Dibs als Leiterin des Büros für Frauenangelegenheiten. Am 30. Dezember 2024 ernannten die neuen Behörden die erste weibliche Gouverneurin der syrischen Zentralbank, Maysaa Sabrine, die zuvor als stellvertretende Gouverneurin der Bank tätig war. Am 31. Dezember 2024 wurde Muhsina al-Mahithawi aus der drusischen Minderheit zur ersten weiblichen Gouverneurin der Provinz Sweida ernannt.
Auf nationaler Ebene ist der Regierungsansatz der Übergangsverwaltung nach wie vor unklar, insbesondere in Bezug auf die Rechte und die Vertretung von Frauen. Obaida Arnout, eine Regierungssprecherin, schlug vor, dass Frauen aufgrund ihrer inhärenten Merkmale für bestimmte Rollen in der Regierungsführung ungeeignet seien, während Aisha al-Dibs, die neu ernannte Ministerin für Frauen, sich gegen die Zusammenarbeit mit Organisationen der Zivilgesellschaft aussprach, die mit ihren Ansichten nicht einverstanden seien. Al-Dibs führte weiter steigende Scheidungsraten auf ein früheres Regierungsprogramm zurück und versprach, ähnliche Initiativen zu vermeiden.
Maßnahmen, die auf das öffentliche Engagement von Frauen abzielen, wurden auf Pläne für die Geschlechtertrennung in öffentlichen und privaten Bussen in Damaskus ausgeweitet. Im Januar kündigte die General Company for Internal Transport, „Zajal Transport“, an, dass in der Hauptstadt innerhalb weniger Tage, nach früheren Versuchen in Idlib, Aleppo, Hama und Homs, geschlechtergetrennte Transporte durchgeführt würden.
In Bezug auf die Arbeit von Richterinnen erklärte Obaida Arnout, dass dies „von Sachverständigen“ untersucht werden müsse, was die Situation von Richterinnen unklar lasse. Im Januar 2025 wurde berichtet, dass Shadi al-Waisi, der Justizminister in der derzeitigen Regierung, in zwei Videos gesehen wurde, in denen die Hinrichtung von zwei Frauen überwacht wurde, die 2015 im Raum Idlib wegen „Korruption und Prostitution“ verurteilt wurden. In Homs erschienen Beschilderungen, die die Geschlechtertrennung bewerben, in Bussen. In Damaskus wurden Plakate mit den „Bedingungen des schariakonformen Hijab“ im öffentlichen Raum gesehen. Laut Al-Dibs wird die Regierung syrischen Frauen jedoch keine Kleiderordnung auferlegen. In einem Interview vom 25. Dezember 2024 erklärte Ahmed al-Sharaa, dass „christliche Frauen nicht gezwungen würden, den Schleier einzuhalten“, ohne jedoch muslimischen Frauen zu erwähnen.
c) Frauen ohne männliche Unterstützung (weiblich geführter Haushalt/einzeln/verwitwet)
Der Konflikt in Syrien hat zu einem demografischen Wandel geführt, der zu mehr weiblichen Haushaltsvorständen/Familienoberhäuptern und Frauen die in die Berufswelt einsteigen geführt hat. Die Zahl der von Frauen geführten Haushalte hat aufgrund der Vertreibung zusätzlich zugenommen. Laut einer Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Oktober 2024 wird in ganz Syrien „fast jede dritte Familie von einer Frau geleitet.“ Haushalte mit weiblichem „Oberhaupt“ gehören schutzbedürftigen Gruppen an, die unverhältnismäßig stark von dem Konflikt betroffen waren und deren Grundbedürfnisse wie Gesundheitsversorgung, Ernährung und Bildung nicht erfüllt wurden. Frauen wurden am Arbeitsplatz schikaniert und diskriminiert, insbesondere Frauen ohne Ehemänner, einschließlich Witwen. Die Arbeitslosenquote von Frauen in Syrien erreichte 2024 62,2 %, so das syrische Zentralamt für Statistik. Kinder von weiblichen Haushaltsvorständen waren einem erhöhten Risiko der Staatenlosigkeit ausgesetzt, da sie ihre Geburten nicht registrieren konnten. Geschiedene Frauen und Witwen waren dem Risiko von Zwangsverheiratung ausgesetzt. Schwierigkeiten bei der Rückforderung von Eigentum wurden in Bezug auf Witwen, zurückkehrende Frauen aus dem Libanon (mehr als die Hälfte dieser Haushalte waren weiblich geführt) und vertriebene Frauen im Nordosten Syriens gemeldet. Geschiedene Frauen im Nordwesten Syriens waren mit gesellschaftlicher Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung und mangelnder Unterstützung konfrontiert.
[…]“
Auszüge aus dem EUAA-Bericht „Country Focus Syria“ vom Juli 2025, S. 60 f:
„(…) Der Konflikt hat den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen für Frauen in Gebieten wie Latakia und Tartus erheblich beeinträchtigt, wo alle Gesundheitseinrichtungen, die Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit anbieten, aufgrund der instabilen Lage geschlossen werden mussten. UNOCHA wies darauf hin, dass die meisten Frauen in den neuen Notunterkünften und provisorischen Unterkünften mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Stillzeit und der Ernährung ihrer Kinder konfrontiert waren, darunter mangelnde Unterkünfte, schlechte Hygiene und sanitäre Einrichtungen. Laut GPC nahmen häusliche Gewalt und sexuelle Ausbeutung zu, insbesondere in Binnenflüchtlingslagern und Notunterkünften, wo Frauen und Mädchen einem erhöhten Risiko von Prostitution und Zwangsheirat ausgesetzt waren.
Die SOHR berichtete im April 2025, dass ein 14-jähriges Mädchen vor ihrer Bildungseinrichtung in der Stadt Latakia entführt und später verlassen im Wald aufgefunden wurde. In einem weiteren Fall wurde eine junge Frau in der Umgebung von Tartus auf dem Heimweg von der Arbeit entführt. SOHR berichtete außerdem, dass seit Anfang 2025 50 alawitische Frauen in mehreren Provinzen, darunter Homs, Tartus, Latakia und Hama, verschwunden sind. Das in Beirut ansässige Medienunternehmen Daraj dokumentierte mehrere Muster bei den Entführungsfällen und stellte fest, dass einige Mädchen am helllichten Tag und in nicht isolierten Gebieten entführt wurden, wobei einige später freigelassen wurden und andere Kontakt zu ihren Familien aufnahmen, bevor sie erneut verschwanden. In anderen Fällen wurden die Familien angeblich darüber informiert, dass ihre Töchter verheiratet oder aus Syrien gebracht worden seien. Daraj berichtete weiter, dass Überlebende und Familienangehörige vermisster Frauen oft schweigen, weil Angst vor sozialer Stigmatisierung und Repressalien, einschließlich direkter Drohungen durch die Täter, die Berichten zufolge soziale Medien überwachen, herrscht. Die Nachrichtenagentur The Cradle stellte fest, dass viele Entführungsopfer aus drusischen, christlichen und alawitischen Gemeinschaften stammen. (…)“
Auszüge aus den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, in der 6. aktualisierten Fassung, vom März 2021:
Frauen und Mädchen mit bestimmten Profilen oder in speziellen Situationen
Während des gesamten Konflikts sind Frauen Opfer einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen geworden. Frauen wurden gezielt Opfer von Übergriffen in Form von willkürlichen Festnahmen, Entführungen, Verschwindenlassen, Folter, Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt sowie außergerichtlicher Hinrichtung aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Unterstützung von oder Verbindung zu einer Kriegspartei, einschließlich aufgrund ihrer eigenen politischen Meinungen oder Aktivitäten, familiären Verbindungen, ihres Wohn- oder Heimatorts oder ihrer religiösen oder ethnischen Identität. Laut Meldungen haben die Konfliktparteien Frauen auch als Faustpfand für den Austausch von Geiseln benutzt. Frauen und Mädchen werden außerdem gesellschaftlich und gesetzlich diskriminiert, u. a. in Bezug auf Bürgerrechte und familienrechtliche Angele-genheiten, wie beispielsweise Erbfolge, Heirat, Scheidung und Sorgerecht für Kinder. Darüber hinaus sind Frauen geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt, einschließlich Vergewaltigung und anderer Formen sexueller Gewalt, Zwangs- und Kinderehe, häuslicher Gewalt, Gewalt in Form von „Ehrendelikten“, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Zwangsprostitution sowie Strafen für vermeintliche Verstöße gegen die strenge Auslegung des Islam und islamischen Rechts durch Hardliner-Gruppen.
Berichten zufolge haben alle Formen sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt seit 2011 zugenommen; dennoch werden in ganz Syrien Fälle nicht gemeldet, und Frauen suchen oft keinen Rechtsschutz, u. a. weil sie den Rechtsdiensten misstrauen und Angst vor Stigmatisierung und Vergeltungsmaßnahmen haben, weil sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind und durch gesetzliche und finanzielle Hürden ausgeschlossen werden, weil es an polizeilichem und gerichtlichem Personal fehlt, das für den Umgang mit Fällen sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt geschult ist, und weil spezialisierte Dienste nur beschränkt verfügbar sind. Frauen und Mädchen mit bestimmten Profilen oder in bestimmten Situationen haben ein erhöhtes Risiko, Gewalt zu erfahren, wie in den folgenden Unterkapiteln näher beschrieben:
Sexuelle Gewalt
Sexuelle Gewalt, die durch staatliche und nichtstaatliche Akteure ausgeübt wird, ist Berichten zufolge weitverbreitet und ereignet sich in den unterschiedlichsten Situationen, einschließlich an Kontrollstellen und bei Entführungen und Festnahmen, in Vertriebenenlagern, Zwangs- und Kinderehen sowie in Situationen, in denen Frauen zur Prostitution gezwungen werden und Opfer von Menschenhandel zwecks sexueller Ausbeutung werden. Der Einsatz sexueller Gewalt bei Festnahmen und in Haftanstalten der Regierung ist laut Berichten so weitverbreitet und systematisch, dass weibliche Gefangene nach ihrer Freilassung häufig von ihrer Gemeinschaft und Familie stigmatisiert werden, da unabhängig vom tatsächlichen Geschehen angenommen wird, dass sie Opfer von sexueller Gewalt wurden. Ehemalige Gefangene sind oft traumatisiert, und Meldungen zufolge haben einige deshalb Suizid begangen.
Berichten zufolge hat ISIS schwere Menschenrechtsverletzungen sowie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und – im Fall der Jesiden – Völkermord begangen, und Frauen und Mädchen wurden gezielt Opfer von Vergewaltigungen, Zwangsheirat, sexueller Versklavung und anderer Formen sexueller Gewalt. Frauen und Mädchen, die aufgrund einer Vergewaltigung ein Kind zur Welt gebracht haben, sind besonders gefährdet, diskriminiert und marginalisiert zu werden, und unterliegen dem Risiko, einem „Ehrenmord“ zum Opfer zu fallen.
Zwar stellt das Strafgesetzbuch sowohl Vergewaltigung als auch sexuelle Nötigung außerhalb der Ehe unter Strafe, doch in der Praxis werden die Strafen für außereheliche Vergewaltigung und sexuelle Nötigung nicht effektiv durchgesetzt. Die Strafe für außereheliche Vergewaltigung kann herabgesetzt werden, wenn sich der Täter bereit erklärt, das Opfer zu heiraten. Obwohl sexuelle Gewalt weitverbreitet ist, sind Programme zur Bekämpfung sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt nur eingeschränkt möglich. Weibliche Überlebende von sexueller Gewalt und Vergewaltigung werden stigmatisiert und diskriminiert. Scham und Traumatisierung infolge von Vergewaltigung und sexueller Gewalt haben einige Überlebende in den Suizid getrieben. Das Risiko bzw. vermutete Risiko sexueller Gewalt führt zu einer höheren Anzahl von Zwangs- und Kinderehen, beschränkt die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen und ist ein treibender Faktor für Flucht und Migration.
[…]
Häusliche Gewalt
Häusliche Gewalt, die u. a. durch Ehemänner, Väter, Brüder und Schwäger ausgeübt wird, hat laut Meldungen durch den Bürgerkrieg, Vertreibungen und wirtschaftliche Unsicherheit zugenommen und wird in weiten Teilen der Gesellschaft immer noch akzeptiert. Es gibt keinen geeigneten gesetzlichen Rahmen, der die Opfer vor häuslicher Gewalt schützt. Überlebende häuslicher Gewalt werden oft stigmatisiert und leiden unter schweren psychischen Traumata. Insbesondere im Nordwesten lässt sich eine neue Entwicklung beobachten, bei der Frauen in einigen Fällen gezwungen werden, geschlechtsspezifische Abtreibungen vorzunehmen, um die Geburt eines Jungen sicherzustellen. Diskriminierende kulturelle und gesetzliche Praktiken, die dazu führen, dass geschiedenen Frauen das Sorgerecht, Unterhaltszahlungen, Zugang zur ehelichen Wohnung und Erbschaftsansprüche vorenthalten werden, sowie die mit einer Scheidung verbundene Stigmatisierung hindern Frauen Berichten zufolge daran, missbräuchliche Beziehungen zu verlassen.
[…]
Situation von Frauen ohne männliche Unterstützung
Frauen, die in ihrer (erweiterten) Familie keine männliche Unterstützung erhalten, einschließlich alleinstehender Frauen, Witwen und geschiedener Frauen, werden oft von ihren Familien und Gemeinschaften stigmatisiert und sind Berichten zufolge besonders gefährdet, Opfer von Missbrauch, Ausbeutung und Menschenhandel zu werden.
UNHCR ist der Auffassung, dass Frauen, die unter die nachstehenden Kategorien fallen, wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen, je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund einer begründeten Furcht vor Verfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder ihrer Religion:
a) Frauen und Mädchen, die sexuelle Gewalt, häusliche Gewalt oder Gewalt im Rahmen von „Ehrendelikten“ überlebt haben oder gefährdet sind, derartiger Gewalt zum Opfer zu fallen;
b) Frauen und Mädchen, die Zwangs- und/oder Kinderehen überlebt haben oder gefährdet sind, eine Zwangs- und/oder Kinderehe eingehen zu müssen;
c) Frauen und Mädchen, die Menschenhandel zwecks sexueller Ausbeutung und Zwangsprostitution überlebt haben oder bei denen ein entsprechendes Risiko besteht;
d) Frauen und Mädchen ohne echte familiäre Unterstützung, einschließlich Witwen und geschiedener Frauen.
Grundsätzlich bietet der Staat keinen Schutz vor diesen Arten der Verfolgung, wenn die Verfolger nichtstaatliche Akteure sind.
2. Beweiswürdigung:
Die einzelnen Feststellungen zur Person beruhen jeweils auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln sowie aus den in dieser Hinsicht jeweils glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen – Angaben zu zweifeln.
Dass XXXX (samt näherer Umgebung) unter der Kontrolle der HTS steht, ergibt sich aus der Einsicht in die tagesaktuelle Karte https://syria.liveuamap.com/ (Zugriff zum Entscheidungszeitpunkt) und dem damit übereinstimmenden Vorbringen der Beschwerdeführerin (Verhandlungsschrift S. 12).
Die Beschwerdeführerin brachte als Fluchtgrund zum einen vor, vom Assad-Regime wegen ihrer illegalen Ausreise und Asylantragstellung bzw. wegen der Wehrdienstverweigerung ihrer Söhne verfolgt zu werden. Eine Verfolgungsgefahr aus diesen Gründen ist aber deshalb auszuschließen, weil das syrische Regime unter Präsident Assad infolge der erfolgreichen Großoffensive der HTS Ende November/Anfang Dezember 2024 nicht mehr existiert (siehe die obigen Länderfeststellungen). Dem vermochte die Beschwerdeführerin auch nichts Substantiiertes entgegenzuhalten.
Was die der Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Syrien drohende Verfolgung als alleinstehende Frau betrifft, ist Folgendes auszuführen:
Fest steht zunächst, dass die Beschwerdeführerin als Witwe nach Syrien zurückkehren würde, weil ihr Mann nach ihrer glaubhaften Aussage, bestätigt durch die von ihr vorgelegte Sterbeurkunde ihres Gatten, bereits verstorben ist. Witwen in Syrien leiden nach dem aktuellen LIB oft unter fehlenden Ressourcen, hohen Schulden und fehlendem Zugang zu angemessenen Nahrungsmitteln; einige von ihnen sind in unterschiedlichem Maß verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt (S. 210). Auch die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, in der 6. aktualisierten Fassung vom März 2021 sprechen davon, dass Frauen, die in ihrer (erweiterten) Familie keine männliche Unterstützung erhalten, einschließlich alleinstehender Frauen, Witwen und geschiedener Frauen, oft von ihren Familien und Gemeinschaften stigmatisiert werden und besonders gefährdet sind, Opfer von Missbrauch, Ausbeutung und Menschenhandel zu werden. Bestätigt wird diese Situation vom rezenten EUAA-Bericht „Country Focus Syria“ vom März 2025, wonach Frauen ohne männliche Unterstützung, wie unter anderem Witwen, zu einer besonders vulnerablen Gruppe gehören, die ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen kann und Belästigungen und Diskriminierung am Arbeitsplatz ausgesetzt ist (Bericht S. 36). Zudem würden Witwen dem Risiko der Zwangsverheiratung unterliegen und hätten Schwierigkeiten, nach einer Rückkehr nach Syrien ihr Eigentum zurückzufordern.
Die Beschwerdeführerin gab glaubhaft an, dass ihre in Jordanien bzw. in Deutschland lebenden Kinder nicht mit ihr nach Syrien zurückkehren würden. Die in Jordanien lebenden Kinder seien in Ausbildung, sodass auch eine finanzielle Unterstützung von deren Seite nicht möglich wäre (Verhandlungsschrift S. 7, 10, 11). Allerdings kann nach ihrer eigenen Aussage (Verhandlungsschrift S. 7) ihr ältester Sohn, der mittlerweile in Deutschland lebt und arbeitet, seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten. Gründe, dass dieser sie bei einer Rückkehr nicht finanziell unterstützen könnte, sind nicht ersichtlich und wurde dazu von Seiten der Beschwerdeführerin auch nichts Gegenteiliges vorgebracht. Dabei darf im vorliegenden Fall auch nicht übersehen werden, dass die Beschwerdeführerin selbst eine zwölfjährige Schulbildung genossen und sowohl in Syrien, als auch in Jordanien bereits insgesamt längere Zeit gearbeitet hat. Auf Nachfrage der Richterin, warum sie bei einer Rückkehr nach Syrien nicht arbeiten dürfen sollte (Verhandlungsschrift S. 10), antwortete die Beschwerdeführerin lediglich ausweichend, sie wisse nicht, wie die Lage in Syrien sei, aber sie gehe davon aus, dass das Land unsicher sei. Substantielle Hindernisse einer erneuten Arbeitsaufnahme (wenn auch unter prekären Bedingungen) sind damit nicht hervorgekommen, was das Risiko einer Ausbeutung zusätzlich verringert.
Zudem ist im Heimatort der Beschwerdeführerin eine Schwester von ihr mit ihrem Mann und ihren Kindern aufhältig. Zu dieser Schwester besteht auch regelmäßiger Kontakt und könnte diese die Beschwerdeführerin – wenn auch laut Angaben der Beschwerdeführerin nicht finanziell, aber doch zumindest „seelisch“ – unterstützten (Verhandlungsschrift S. 10 f). Angesichts dieser Ausführungen kann davon ausgegangen werden, dass seitens der Schwester, mit der regelmäßiger und auch guter Kontakt besteht, eine (zumindest vorübergehende) Aushilfe mit Wohnraum im Fall von Schwierigkeiten bei der Inbesitznahme des Familienhauses der Beschwerdeführerin oder mit Grundnahrungsmitteln im Sinne einer „Starthilfe“ geleistet werden würde, sodass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach XXXX (wo auch ihre Schwester wohnt) nicht völlig auf sich allein gestellt wäre und diese auf einen gewissen familiären Rückhalt zählen könnte, was die Gefahr einer Ausbeutung wiederum erheblich mindert. Zwar ist die Schwester kein männlicher Angehöriger, kann jedoch ihrerseits wiederum auf den Schutz durch ihren Mann zählen, sodass die Beschwerdeführerin zumindest indirekt auch männlichen Schutz beanspruchen könnte.
Erst in der mündlichen Verhandlung und damit zu einem sehr späten Zeitpunkt im Verfahren schilderte die Beschwerdeführerin, es sei ihr nach dem Tod ihres Mannes und der im Islam vorgesehenen Trauerzeit über ihre Schwester ein „Angebot“ zur Wiederverheiratung mit einem Bekannten ihres Schwagers unterbreitet worden. Ein solches „Angebot“ könnte nach ihren Angaben bei einer Rückkehr nach Syrien auch zwangsweise durchgesetzt werden. Sie stamme aus einem Gebiet, wo Familienstämme endgültige Entscheidungen treffen würden und eine Witwe sofort dem nächstbesten „Herrn“ gegeben werde (Verhandlungsschrift S. 8).
Diese im Übrigen sehr vagen Ausführungen sind schon deshalb nicht glaubhaft, weil die Beschwerdeführerin in ihrer polizeilichen Erstbefragung oder ihrer Vernehmung vor dem BFA noch nichts vom genannten Angebot bzw. einer konkret drohenden Wiederverheiratung erwähnt hatte. Zu berücksichtigen ist zwar, wie sie in der Verhandlung auch anführte (Verhandlungsschrift S. 9), dass ihre Einvernahme vor dem BFA – laut Niederschrift von 8:00 Uhr bis 8:50 Uhr – unter Berücksichtigung der Rückübersetzung tatsächlich nicht viel länger als eine halbe Stunde gedauert haben kann, und zudem von einem männlichen Organwalter durchgeführt wurde, sodass nicht auszuschließen ist, dass die Beschwerdeführerin die Gefahr der zwangsweisen Wiederverheiratung bzw. sexueller Gewalt als Witwe aus zeitlichen Gründen oder Hemmungen nicht vorbringen konnte. Allerdings bringt auch ihre schriftliche Beschwerde mit keinem Wort die von ihr in der Verhandlung geschilderte konkret manifestierte Gefahr einer Wiederverheiratung infolge eines „Angebots“ über ihre Schwester vor. Zudem passt es nicht zusammen, wenn die Beschwerdeführerin zunächst von den „Familienstämmen“ in ihrer Region sprach, deren Stammesoberhäupter (in ihrem Fall der „Ortsvorsteher“) endgültige Entscheidungen für Witwen treffen würden, um unmittelbar darauf ein Angebot eines Bekannten ihres Schwagers anzuführen, der einen „Vorschlag gemacht“ habe (Verhandlungsschrift S. 8 f). Letzteres klingt gerade nicht nach einer definitiven, verbindlichen Entscheidung eines Stammesoberhauptes. Nicht nachvollziehbar ist dabei auch, dass es einen Unterschied machen sollte, ob die Beschwerdeführerin in Syrien oder im Ausland aufhältig ist („Ich war damals in Jordanien, nicht in Syrien, deshalb habe ich vorhin das Wort Angebot verwendet. Wäre ich in Syrien gewesen, dann wäre das kein Angebot gewesen, sondern eine Feststellung bzw. eine Aufforderung.“, Verhandlungsschrift S. 9), immerhin wäre sie so oder so Teil einer Familie, über die ein „Familienoberhaupt“ nach der inneren Logik eines Familienstammes Entscheidungsgewalt beansprucht. Insgesamt ist diese Schilderung rund um eine angeblich konkret drohende zwangsweise Wiederverheiratung in Syrien daher nicht glaubhaft.
Eine generelle Verfolgungssituation für Frauen aus einer religiösen Haltung der nunmehr in Syrien regierenden HTS bzw. der aus ihr hervorgegangenen neuen Regierung heraus ergibt sich im derzeitigen Regierungsgebiet nicht, wie aus den Länderinformationen hervorgeht:
Nach dem LIB (S. 211) wurden von der neuen, aus der HTS hervorgegangenen syrischen Regierung keine weitverbreiteten Versuche unternommen, restriktive Kleidervorschriften einzuführen oder die Mobilität von Frauen einzuschränken. Dies stehe nach dem LIB in krassem Gegensatz zu den Befürchtungen, die viele gehegt hätten, als HTS erstmals an Bedeutung gewonnen habe. Frauen würden aktuell in Städten und Dörfern frei an öffentlichen Feiern teilnehmen und könnten sich mit relativer Leichtigkeit im öffentlichen Raum bewegen. Der neue syrische Präsident und HTS-Anführer Ahmed ash-Shara‘ versprach, dass Syrien nicht zu einem zweiten Afghanistan werden würde, und verwies darauf, dass in Idlib unter HTS-Herrschaft fast 60 % der Hochschulabsolventen Frauen seien. Zudem sagte er in einem Interview, dass Frauen der Arbeitsmarkt offenstehe und jede Frau, die arbeiten wolle, arbeiten könne (LIB S. 210).
Insgesamt ist daher nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin als Witwe bei einer Rückkehr nach Syrien der konkreten Gefahr einer Zwangsverheiratung oder der Ausbeutung und Gewalt auch sexueller Natur ausgesetzt wäre, zumal spezielle Risikofaktoren wie das komplette Fehlen jeglicher Unterstützung durch Angehörige, eine fehlende Schulbildung, Arbeitsunfähigkeit durch Alter oder Krankheit, ein Leben im Flüchtlingslager oder die Zugehörigkeit zu gewissen Minderheiten bei der Beschwerdeführerin gerade nicht vorhanden sind. Es waren daher entsprechende Feststellungen zu treffen.
Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen stützen sich auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 8. Mai 2025 und weitere Quellen, welche der Beschwerdeführerin zu Gehör gebracht wurden und denen sie keine substantiierten Einwände entgegenhielt.
Angesichts der Aktualität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen (regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen) Quellen beruhen und ein in den Kernaussagen übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Gericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2021/234 (im Folgenden: AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1955/55 idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78 (im Folgenden: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art 9 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl L 2011/337, 9 [im Folgenden: Statusrichtlinie] verweist).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden grundsätzlich daran zu messen ist, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei muss auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden, ob die revisionswerbenden Parteien unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage sind, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl. VwGH 14.04.2021, Ra 2020/18/0126, mwN).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
Bei dem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Asylgrund der „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (s. zuletzt Ra 2023/14/0182) um einen Auffangtatbestand, der sich in weiten Bereichen mit den Gründen „Rasse, Religion und Nationalität“ überschneidet, jedoch weiter gefasst ist als diese. Unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird eine - nicht sachlich gerechtfertigte - Repression verstanden, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten (vgl. VwGH 20.10.1999, 99/01/0197; 26.6.2007, 2007/01/0479). Nach herrschender Auffassung kann eine soziale Gruppe aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479, mit Hinweisen u.a. auf die UNHCR-Richtlinie zum Internationalen Schutz: „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ vom 7. Mai 2002; 29.6.2015, Ra 2015/01/0067).
Nach der Definition des Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie gilt eine Gruppe insbesondere als eine „bestimmte soziale Gruppe“, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Zum einen müssen die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. das Urteil des EuGH vom 7. November 2013 in den verbundenen Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12; VwGH Ra 2020/01/0025).
Um das Vorliegen einer Verfolgung aus dem Konventionsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe beurteilen zu können, bedarf es daher sowohl Feststellungen zu den Merkmalen und zur abgegrenzten Identität dieser Gruppe als auch zum kausalen Zusammenhang mit der Verfolgung (vgl. VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350). Dabei ist zu beachten, dass nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen ist, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 Status-RL). Ob dies der Fall ist, ist im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0295).
Zur ersten Voraussetzung für die Identifizierung einer „bestimmten sozialen Gruppe“ stellte der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.01.2024, C-621/21, Rn 49 ff, zuletzt fest, dass die Tatsache, weiblichen Geschlechts zu sein, ein angeborenes Merkmal darstelle und daher ausreiche, um diese Voraussetzung zu erfüllen. Dies schließe es nicht aus, dass Frauen, die ein zusätzliches gemeinsames Merkmal teilen, wie z. B. einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden könne (beispielsweise kann der Umstand, dass Frauen sich einer Zwangsehe entzogen oder die eheliche Wohnung verlassen haben, als nicht veränderbarer gemeinsamer Hintergrund angesehen werden), ebenfalls zu einer solchen Gruppe im Sinne dieser Bestimmung gehören können.
Was die zweite Voraussetzung für die Identifizierung einer „bestimmten sozialen Gruppe“ angeht, stellte der Gerichtshof fest, dass Frauen, ob sie nun ein zusätzliches gemeinsames Merkmal teilten oder nicht, von der sie umgebenden Gesellschaft anders wahrgenommen werden können und in dieser Gesellschaft eine deutlich abgegrenzte Identität insbesondere aufgrund in ihrem Herkunftsland geltender sozialer, moralischer oder rechtlicher Normen zuerkannt bekommen können.
In diesem Zusammenhang ist auch auf das jüngste Urteil des EuGH vom 27. März 2025 in der Rechtssache C-217/23 zu verweisen, wo der Gerichtshof aussprach, dass allein die Zugehörigkeit zu einer in einen Streit verwickelten Familie, wobei dem Asylwerber wegen dieser Verwandtschaft Blutrache droht, noch nicht zur Annahme einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe führen kann, sofern nicht die betreffende verfolgte Familie im Herkunftsland nicht nur von den Angehörigen der gegnerischen Familie, sondern auch von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (Rn. 38). Es kommt demnach darauf an, dass eine Gruppe insbesondere aufgrund sozialer, moralischer oder rechtlicher Normen im Herkunftsland von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (Rn. 37). Konkrete Anhaltspunkte dafür sind nach dem EuGH etwa Diskriminierungen oder Stigmatisierungen, die die Mitglieder dieser Gruppe allgemein betreffen und sie an den Rand der Gesellschaft drängen.
Eine Verfolgung der Beschwerdeführerin durch das nicht mehr existierende Assad-Regime ist wie festgestellt und in der Beweiswürdigung ausgeführt nicht anzunehmen.
Was die angeblich drohende Verfolgung der Beschwerdeführerin als (alleinstehende) Frau betrifft, so wurde festgestellt und in der Beweiswürdigung ausgeführt, dass auch in dieser Hinsicht keine Gefahr anzunehmen ist; die Beschwerdeführerin, die eine Schule besucht und auch bereits gearbeitet hat, kann auf familiäre Unterstützung (auch) vor Ort bauen, und lassen sich den aktuellen Länderberichten keine entsprechenden systematischen Beschränkungen, Diskriminierungen oder Gefährdungen der Beschwerdeführerin als Frau entnehmen, die einer Verfolgung gleichkommen würden. Da also schon das Vorliegen einer drohenden Verfolgungshandlung zu verneinen ist, erübrigen sich Erwägungen zu einer Verbindung mit einem Konventionsgrund.
Diese Erwägungen stehen im Einklang mit den Empfehlungen der rezenten EUAA-„Country Guidance“ vom Juni 2025 (S. 37 f), wonach für die Frage der Verfolgung von alleinstehenden Frauen in Syrien die Situation des Einzelfalls zu beurteilen ist, unter Berücksichtigung etwa der sozio-ökonomischen Situation, der konkreten Familienangehörigen vor Ort sowie einer allfälligen prekären Wohnsituation in einem Flüchtlingscamp.
Im Umstand, dass im Heimatland der Beschwerdeführerin Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat die Beschwerdeführerin aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können. Insbesondere vermögen drohende (anfängliche) Schwierigkeiten bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Wohnen, Arbeit und medizinischer Versorgung keine individuelle asylrelevante Gefährdung der Beschwerdeführerin darzutun.
Das Verwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich die Lage in Syrien seit der ersten Dezemberhälfte des Jahres 2024 sehr rasch verändert hat, eine neuerliche Lageveränderung in den kommenden Monaten durchaus möglich ist und noch weitgehend unklar ist, wie sich die Lage langfristig entwickeln wird. Es wäre aber untunlich, mit einer Entscheidung zuzuwarten, bis völlige Klarheit über die künftigen Verhältnisse herrscht, weil nicht abschätzbar ist, ob und wann ein solches Szenario eintritt. Die verfügbaren aktuellen Berichte zur Lage in Syrien wurden – im Wesentlichen nach vorheriger Gelegenheit zur Stellungnahme – dem Verfahren zugrunde gelegt. Der volatilen Sicherheitslage in Syrien wurde durch die Gewährung subsidiären Schutzes ohnehin Rechnung getragen.
Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht für deren nach § 3 Abs 1 AsylG 2005 erforderliche Glaubhaftmachung im Sinne der zum Entscheidungszeitpunkt anzustellenden Prognose genügt (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN; Ra 2021/01/0003). Eine potentiell immer und zumal im generell volatilen Syrien mögliche Änderung der Lage zum Schlechteren für einen konkreten Beschwerdeführer kann daher nicht zu einer Asylgewährung führen. Sollte sich die Lage in Syrien dergestalt ändern, dass der subsidiär schutzberechtigten Beschwerdeführerin in Syrien (konkret absehbare) asylrelevante Verfolgung droht, steht ihr schließlich die Möglichkeit offen, einen Folgeantrag zu stellen.
Im Ergebnis ist es der Beschwerdeführerin somit insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Das Verlassen des Herkunftsstaates aus persönlichen Gründen oder wegen der dort vorherrschenden prekären Lebensbedingungen stellt keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen für sich genommen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.
Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführerin gerade aufgrund ihrer individuellen Situation zum Entscheidungszeitpunkt der Status der subsidiär Schutzberechtigten von der belangten Behörde bereits zuerkannt wurde.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf Erwägungen des Einzelfalls und hält sich dabei an die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung.
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