W274 2298269-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. Lughofer als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , syrischer Staatsangehöriger, vertreten durch BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom 24.06.2024, Zl. 1323967606/222846736, wegen § 3 AsylG, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:
Der allein gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides gerichteten Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer, BF) beantragte nach Einreise ohne gültige Einreisepapiere am 12.09.2022 vor der PI Wels Fremdenpolizei internationalen Schutz und brachte als Fluchtgrund vor, er müsste in Syrien wegen seines Alters zum Militär und Menschen töten, sonst werde er getötet.
Er gab weiters an, er habe noch seine Eltern, vier Brüder und drei Schwestern als Verwandte. Er stamme aus Deir ez-Zor und sei im Juni 2021 aus Syrien in die Türkei ausgereist, von wo er nach rund eineinhalb Jahren nach Europa weitergereist sei.
Vor dem BFA (im Folgenden: belangte Behörde) wurde der BF am 29.05.2024 befragt und legte dabei einen syrischen Zivilregisterauszug sowie eine Kopie des Personalausweises vor. Er gab zusammengefasst an, er sei in XXXX geboren und ledig. Seine Eltern und Geschwister lebten in Syrien in einem Flüchtlingslager in der Kurdenregion, ein Bruder sei in Haft bei den Kurden. Er habe bis 2017 in XXXX gelebt und sei dann aufgrund des heranrückenden syrischen Regimes in das Flüchtlingslager XXXX geflohen. Im April 2021 sei er illegal in die Türkei gereist. Ein Cousin von ihm sei auch in Österreich. Er habe nur die erste Klasse der Schule besucht, dann habe der Krieg angefangen. Er habe in Syrien als Autowäscher und Reifenwechsler im Geschäft seines Vaters gearbeitet, in der Türkei in einer Textilfabrik.
Befragt nach seinem Fluchtgrund gab der BF an, er müsste in Syrien zum Militär einrücken, außerdem sei er illegal ausgereist. Er würde auch bestraft werden, weil er als Reifenmonteur für den IS gearbeitet habe. Das Flüchtlingslager der Kurden sei wie ein Gefängnis gewesen.
Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF hinsichtlich Asyl ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
Die belangte Behörde stellte zusammengefasst fest, die Identität des BF stehe fest. Er stamme aus XXXX , habe dort bis zu seinem 14. Lebensjahr gelebt und sei dann gemeinsam mit seiner Familie im Flüchtlingslager XXXX aufhältig gewesen. Ersterer Ort befinde sich unter Kontrolle des syrischen Regimes, Letzterer unter Kontrolle der Kurden. Er sei in Syrien nicht vorbestraft und werde von keiner Behörde gesucht. Er habe sich niemals politisch betätigt und es habe keine persönlichen Übergriffe gegen ihn gegeben. Der BF befinde sich grundsätzlich im wehrdienstpflichtigen Alter und habe seinen Wehrdienst für die syrische Armee noch nicht abgeleistet. Er weise keine verinnerlichte Überzeugung gegen das Regime auf und habe keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt. Es bestehe aber für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit.
Rechtlich führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, der BF habe die Möglichkeit, sich vom Militärdienst durch Entrichtung einer Gebühr freizukaufen. Einer Ablehnung der Entrichtung aus moralischen oder politischen Gründen könne keine Bedeutung zukommen. Eine asylrelevante Verfolgung des BF in Syrien sei daher nicht anzunehmen. Aufgrund der Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen des syrischen Bürgerkriegs sei dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.
Allein gegen Spruchpunkt I. richtet sich die Beschwerde des BF wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelhafter Beweiswürdigung sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit, mit dem primären Antrag, dem BF nach mündlicher Beschwerdeverhandlung den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Zusammengefasst beruft sich der BF in der Beschwerde auf die drohende Rekrutierung zum Wehrdienst in der syrischen Armee, den er aus Gewissensgründen ablehne. Zudem müsste er auch den Selbstverteidigungsdienst der kurdischen Selbstverwaltungsgebiete ableisten und sei bereits einmal von den Kurden zu diesem Zweck festgenommen worden, wobei die Freilassung durch Zahlung einer Gebühr erreicht worden sei. Auch aufgrund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung in Österreich sowie der Herkunft aus einem Oppositionsgebiet drohe dem BF die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung durch das syrische Regime.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem BVwG mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Sie langte beim BVwG am 29.08.2024 ein.
Mit individuellem Parteiengehör vom 30.12.2024 wurde der BF auf das Ende der Herrschaft des syrischen Präsidenten Bashar Al Assad hingewiesen und ihm die Kurzinformation der Staatendokumentation Syrien „Sicherheitslage, politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, Al-Assad flieht“ vom 10.12.2024 zur Kenntnis gebracht, Gelegenheit geboten, binnen Frist zu den geänderten Verhältnisse Stellung zu nehmen und darzulegen, ob angesichts der geänderten Verhältnisse noch eine gegründete Flucht vor Verfolgung in Bezug auf die Konventionsgründe bestehe. Sollte dies bejaht werden, sei dies zu begründen und darzulegen, ob der Antrag auf mündliche Verhandlung aufrechterhalten werde.
Der BF reagierte auf dieses Parteiengehör nicht.
Mit Schreiben vom 20.05.2025 wurde dem BF Parteiengehör zu den aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation aus COI-CMS zu Syrien vom 08.05.2025 gewährt.
Am 03.06.2025 langte eine Stellungnahme des BF ein, in der er auf die weiterhin bestehende „Selbstverteidigungspflicht“ im Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung verwies. Es sei ein steigender Personalbedarf bei den SDF zu erwarten. Wehrpflichtige würden auch an der Front eingesetzt. Der BF lehne es aus politischer Überzeugung ab, diesen Wehrdienst zu leisten, da er nicht gegen seine Landsleute kämpfen möchte und von Seiten der militärischen Kräfte Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung verübt würden. Der BF sei Araber, selbst bereits einmal von den SDF aufgegriffen und nur gegen Entgelt entlassen worden und zudem sitze sein Bruder bei den Kurden in Haft.
Am 01.07.2025 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Der BF gab als Partei vernommen zusammengefasst an, sein Bruder sei von den kurdischen Milizen inhaftiert worden, weil er sich der Einberufung zum Militärdienst entzogen habe. Seine Familie könne nicht nach XXXX zurückkehren, weil es dort Kampfhandlungen gebe. Auf der anderen Seite des Euphrat seien die SDF an der Macht. Er befürchte Verfolgung seitens der SDF, weil er in einem militärfähigen Alter sei.
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu:
Aufgrund des Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:
Der BF wurde am XXXX im Dorf XXXX bei XXXX im Gouvernement Deir ez-Zor geboren, ist syrischer Staatsangehöriger, Araber und Muslim sunnitischer Richtung. Er ist ledig und kinderlos.
Er wuchs in XXXX auf und erfuhr eine lediglich einjährige Schulbildung, weil er aufgrund des beginnenden Bürgerkriegs die Schule abbrechen musste. Er arbeitete als Autowäscher und Reifenwechsler im Geschäft seines Vaters. Als die syrische Armee etwa im Jahr 2017 die Region einzunehmen begann, flüchtete die Familie in die von der kurdischen Selbstverwaltung kontrollierte Region am anderen Ufer des Euphrat und hielt sich im Flüchtlingslager XXXX auf. Von dort reiste der BF im April 2021 in die Türkei aus, wo er in einer Textilfabrik arbeitete. Nach rund eineinhalb Jahren reiste er nach Österreich weiter.
Die Eltern des BF, drei Brüder und drei Schwestern leben nach wie vor im Flüchtlingslager XXXX . Die Besitzungen der Familie in XXXX wurden durch Kriegshandlungen zerstört. Nicht festgestellt werden kann, dass sich ein Bruder des BF in der Kurdenregion in Haft befindet. Der BF hat einen Cousin in Österreich.
XXXX steht aktuell (nach dem Sturz des Assad-Regimes Ende 2024) unter Kontrolle der Regierung unter Ahmed al-Scharaa, während das Flüchtlingslager XXXX unter Kontrolle der kurdischen Selbstverwaltung steht.
Der BF ist in Österreich unbescholten.
Für den BF besteht keine Gefahr, dass er in XXXX (samt näherer Umgebung) durch das (nicht mehr existierende) syrische Regime zum Militärdienst rekrutiert oder wegen dessen Verweigerung oder aus sonstigen Gründen (illegale Ausreise und Asylantragstellung, Herkunft aus Oppositionsgebiet, Arbeit für IS) bestraft würde. Außerdem können ihn auch die kurdischen Milizen in XXXX nicht zwangsweise rekrutieren.
Zur relevanten Situation in Syrien:
Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 8. Mai 2025, im Folgenden „LIB“:
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen. Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt. Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte. Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war. Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen. Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt. Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten. Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt. Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich, etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS. Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein. Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (LIB S. 10 f).
Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit. HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll. Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll. Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an. In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen. Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt. (…) (LIB S. 140)
Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte. Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (LIB S. 142).
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen hinsichtlich der persönlichen Umstände des BF, seiner Familie, seiner Ausreise aus Syrien und der Aufenthaltsorte der Familienmitglieder beruhen auf den diesbezüglich unbedenklichen Angaben des BF gegenüber der Polizei, dem BFA sowie dem erkennenden Gericht sowie den vorgelegten syrischen Urkunden.
Was den Bruder des BF Mohamad betrifft, der nach seiner Aussage vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung im Kurdengebiet inhaftiert sein soll, sind die Aussagen und das Vorbringen zu widersprüchlich, um von einem glaubhaften Geschehen auszugehen:
Der BF gab dazu vor dem BFA zunächst an, dieser habe sich seiner Einberufung durch die Kurden entzogen und sei deshalb 2023 festgenommen und inhaftiert worden. In etwa Gleiches ist der Beschwerde zu entnehmen (S 3). In der Stellungnahme vom 03.06.2025 wird ausgeführt, die Familie habe zuletzt vor 5 Monaten mit ihm Kontakt gehabt (also wohl zu Beginn 2025). In der Verhandlung sagte der BF zunächst aus, sein Bruder sei „seit dem Jahr 2023“ im Gefängnis und seine Familie habe seit diesem Zeitpunkt keinen Kontakt zu ihm (Verhandlungsschrift S. 4), während er später angab, seine Familie habe vor ca. einem Jahr (das wäre Mitte 2024) einmal Kontakt zu seinem Bruder gehabt und er habe seiner Familie erzählt, dass es ihm dort (gemeint: im Gefängnis) gut gehe (S. 5).
Schon angesichts dieser in wesentlichen Inhalten abweichenden Aussagen bzw dem diesbezüglichen Vorbringen war zum gesamten Umstand einer Inhaftierung des Bruders bei den Kurden eine Negativfeststellung zu treffen.
Die Unbescholtenheit des BF in Österreich ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug.
Die Feststellungen zur Gebietskontrolle beruhen auf den Informationen von syria.liveuamap.com.
Vor dem BFA behauptete der BF, bei einer Rückkehr nach Syrien vom Assad-Regime zum Wehrdienst eingezogen oder wegen seiner Wehrdienstverweigerung bestraft zu werden. Außerdem drohe ihm Bestrafung, weil er für den IS gearbeitet habe. In seiner Beschwerde stützte sich der BF u.a. ebenfalls auf eine unterstellte oppositionelle Gesinnung durch das Assad-Regime wegen seiner illegalen Ausreise sowie seiner Asylantragstellung und der Herkunft aus einem regimekritischen Oppositionsgebiet.
Eine Verfolgungsgefahr aus den auf das Assad-Regime bezogenen Gründen ist aber schon deshalb mittlerweile auszuschließen, weil das syrische Regime unter Präsident Assad infolge der erfolgreichen Großoffensive der HTS Ende November/Anfang Dezember 2024 nicht mehr existiert (siehe die obigen Länderfeststellungen). Dem vermochte der BF in der Verhandlung nichts Substantiiertes entgegenzuhalten.
Was die ebenfalls - allerdings erst in der Beschwerde - vorgebrachte drohende Einziehung durch kurdische Milizen betrifft, so war festzustellen, dass diese den BF in XXXX nicht einziehen können, weil XXXX nicht im Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung liegt, wie der BF in der mündlichen Verhandlung selbst einräumte (Verhandlungsschrift S. 5). Was die Frage der Herkunftsregion betrifft, s. unten in der rechtlichen Beurteilung.
Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 8. Mai 2025, welches dem BFzu Gehör gebracht wurde und dem er keine substantiierten Einwände entgegenhielt. Angesichts der Aktualität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen (regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen) Quellen beruhen und ein in den Kernaussagen übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Gericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
Rechtlich folgt:
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm in seinem Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Antrag abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder er einen Asylausschlussgrund gesetzt hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 11 und 12 AsylG ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art. 10 StatusRL genannter Grund.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach Art. 9 der StatusRL muss eine Verfolgungshandlung i.S.d. GFK aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, bestehen.
Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten: Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt; gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewendet werden; unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung; Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung; Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 2 fallen; Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt AZ 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht vor dieser Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.
Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, dass dem Asylwerber in seinem Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht.
Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt es nicht bloß auf die tatsächliche politische Gesinnung an, auch eine seitens des Verfolgers dem Asylwerber unterstellte politische Gesinnung ist asylrechtlich relevant.
Im Fall der Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Strafjustiz im Herkunftsstaat bedarf es einer Abgrenzung zwischen der legitimen Strafverfolgung („prosecution“) einerseits und der die Gewährung von Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK („persecution“) andererseits. Keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist im Allgemeinen in der staatlichen Strafverfolgung zu erblicken. Allerdings kann auch die Anwendung einer gesetzlich für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleichermaßen treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen eine Verfolgung im Sinne der GFK aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt.
Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung im Sinne der GFK gleichkommt, kommt es auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an.
Der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung kann asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt, wie dies etwa bei der Anwendung von Folter grundsätzlich der Fall ist (VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124; VwGH 23.01.2019, Ra 2019/19/0009; jüngst VwGH 19.06.2019, Ra 2018/18/0548). Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe eine asylrelevante Verfolgung darstellen (VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009; VwGH 28.03.2023, Ra 2023/20/0027, m.w.N.; Putzer, Leitfaden Asylrecht2 (2011), Rn. 97; EuGH 26.02.2015, C-472/13 (Shepherd)). Wird der Asylwerber in seinem Herkunftsstaat dazu gezwungen, gegen Angehörige seiner eigenen Volksgruppe vorzugehen, kann dies ebenfalls in asylrechtlicher Hinsicht relevant sein (VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124, m.w.N.).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Gewährung von Asyl zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche Vorverfolgung für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste. Relevant kann also nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten hat (VwGH 23.05.2023, Ra 2023/20/0110, m.w.N.).
Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob dem Asylwerber dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm - sollte dies der Fall sein - im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (vgl. etwa VwGH 25.08.2022, Zl. Ra 2021/19/0442). Zur Bestimmung der Heimatregion kommt in diesem Sinn der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat (vgl. EUAA, Richterliche Analyse, Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes [2018], 83; vgl. idS auch VwGH 27.6.2016, Ra 2016/18/0055). Das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Hinblick auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 erst dann zu prüfen, wenn glaubhaft ist, dass einem Asylwerber „in der Heimatregion seines Herkunftsstaats“ Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. etwa VwGH 25.05.2020, Zl. Ra 2019/19/0192).
Der VwGH hält in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Ra 2023/18/0370) fest, dass in Fällen, in denen Asylwerber nicht aufgrund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang aufgrund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen ist. Ob ein solches „Fuß fassen“ gelang, hängt laut VwGH davon ab, ob der Asylwerber „enge Bindungen“ zum neuen Ort entwickeln konnte. Bisweilen wandte der Gerichtshof das Kriterium der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auf den Zufluchtsort an (siehe Erkenntnis zu 2005/01/0057).
Die jüngste Rechtsprechung behandelte zwei ähnlich gelagerte Fälle zu Syrien als Herkunftsland, die aber unterschiedlich entschieden wurden:
In seinem Erkenntnis zu Ra 2021/19/0024 hatte der VwGH einen Fall zu beurteilen, wo eine syrische Staatsangehörige, die ursprünglich aus Aleppo stammte, die letzten vier Jahre vor ihrer Ausreise in Afrin gelebt hatte, weil die Sicherheitslage in Aleppo schlecht gewesen und das Haus der dortigen Asylwerberin zerstört worden sei. Während ihres Aufenthaltes in Afrin habe sie sich nicht ohne Kleidungsverhüllung in die Öffentlichkeit gewagt und sich vor Vergewaltigung gefürchtet. Sie habe sich in Afrin als Frau nicht frei bewegen können und habe in Angst vor geschlechterspezifischen Verfolgungshandlungen gelebt. Ausgehend davon wertete der Gerichtshof den Aufenthalt in Afrin nicht als freiwillige Neuansiedelung, sondern als Zustand innerer Vertreibung, und nahm den ursprünglichen Wohnort in Aleppo als Heimatregion an.
Anders entschied der VwGH zu Ra 2021/19/0442, wo eine syrische Staatsangehörige ebenfalls wegen des Krieges von Aleppo nach Afrin gezogen war, in Afrin aber bereits zuvor in ihrer Kindheit aufgewachsen war und dort bis zu ihrer Eheschließung gelebt hatte. Dieser langjährige Aufenthalt von klein auf in einem Dorf nahe Afrin schlage sich laut VwGH auch darin nieder, dass die Asylwerberin in der Verhandlung ihre Übersiedlung nach Afrin als Rückkehr in ihr Heimatdorf dargestellt und in der Beschwerde Afrin als Heimatstadt bezeichnet habe. Fallbezogen billigte der Gerichtshof die Einschätzung, die Asylwerberin habe in Afrin (wieder) Fuß fassen können, weshalb ihre Heimatregion dort zu verorten sei.
In der rezenten Entscheidung zu Ra 2023/18/0370 verwies der VwGH auf die relativ kurze Zeit von drei Jahren (gegenüber zwölf Jahren am Geburtsort), die der dortige Asylwerber an seinem Zufluchtsort verbracht hatte. Trotz Verwandten und Arbeitstätigkeit am Zufluchtsort wären vor allem angesichts des unfreiwilligen Umzugs und des jungen Alters (15 bei der Ausreise aus Syrien) die Beziehungen zum Geburtsort näher zu prüfen gewesen.
Zum Beschwerdeführer:
Zur Frage der Heimatregion:
Auf Basis der dargestellten Rechtsprechung, insbesondere der zuletzt zitierten VwGH-Entscheidung, ist als Heimatregion des BF im Herkunftsland das Gebiet um XXXX anzusehen, zumal er dort geboren wurde und die überwiegende Zeit seines Lebens in Syrien verbracht hat (rund 14 Jahre gegenüber den 4 Jahren im Flüchtlingslager in XXXX ), zur Schule gegangen ist und gearbeitet hat. Die vergleichsweise kurze Zeit von rund vier Jahren in XXXX kann – trotz der dort aufhältigen Verwandten, s. Ra 2023/18/0370 – angesichts des unfreiwilligen Umzugs dorthin aufgrund des heranrückenden Regimes in einem jungen Alter und des Lebens in einem Flüchtlingslager außer Betracht bleiben. In diesem Zusammenhang betont der VwGH in seiner bisherigen Judikatur, dass die Tatsache der Unfreiwilligkeit eines Umzugs im Herkunftsland zu berücksichtigen ist und in einem solchen Fall („Zustand innerer Vertreibung“) die Herkunftsregion nicht ohne weiteres am letzten Wohnort anzunehmen ist (zur bisherigen Judikatur vgl. VwGH 29.02.2024, Ra 2023/18/0370; 09.03.2023, Ra 2022/19/0317; 25.08.2022, Ra 2021/19/0442; 30.04.2021, Ra 2021/19/0024). Zudem ist bei einem Leben in einem Flüchtlingslager vor allem angesichts der Zeitdauer von nur vier Jahren nicht von einem „Fußfassen“ im Sinne eines Entwickelns engerer persönlicher Bindungen an diesen Ort auszugehen. Irrelevant für die Beurteilung ist die Tatsache, dass die Besitzungen der Familie des BF an seinem Geburtsort zerstört wurden (s. den vergleichbaren Sachverhalt in Ra 2021/19/0024) bzw. dass die Familie laut dem BF in der Verhandlung wegen Kämpfen nicht dorthin zurückkehren könne, zumal es nach der Judikatur in erster Linie um (nicht zwingend materielle) Bindungen an einen bestimmten Ort geht und eine allenfalls schlechte Sicherheits- und Versorgungslage im Rahmen der Gewährung subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist.
Unter Berücksichtigung all dieser Tatsachen ist im Ergebnis das Gebiet um XXXX als Herkunftsregion des BF anzusehen. Das bestätigt auch seine Aussage vor dem BFA, wonach das Flüchtlingslager (also XXXX ) „ein Gefängnis“ sei und man es nicht länger als 24 Stunden verlassen dürfe (Niederschrift BFA, S. 10), er demnach keine engen Bindungen zu diesem Ort zu entwickeln konnte.
Zur Verfolgung durch das Assad-Regime:
Wie festgestellt, existiert das syrische Regime unter Präsident Assad seit dem Umsturz im Dezember 2024 nicht mehr. Der Befürchtung der Einziehung zum Militärdienst oder Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung ist damit der Boden entzogen. Eine Verfolgung (aus welchen Gründen immer) seitens des nicht mehr vorhandenen Regimes ist daher nicht anzunehmen.
Zur Befürchtung einer Zwangsrekrutierung durch kurdische Milizen im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht:
Wie oben ausgeführt, ist als Heimatregion des BF das Gebiet rund um seinen Geburtsort XXXX anzunehmen. Dieses Gebiet steht unter der Kontrolle der neuen syrischen Regierung unter Präsident Scharaa und nicht unter der Herrschaft der Kurden. Dass die Kurden im Regierungsgebiet rekrutieren, wurde nicht vorgebracht und ist auch aus den Länderberichten nicht ersichtlich. Zwar sind die kurdischen SDF geographisch nicht weit entfernt (nur wenige Kilometer östlich), doch befindet sich der Euphrat als „natürliche Grenze“ dazwischen, sodass eine Rekrutierung am Westufer des Flusses seitens der SDF nicht wahrscheinlich erscheint. Dem BF wäre es (über den Flughafen Damaskus) möglich, in seinen Heimatort zurückzukehren, ohne das Kurdengebiet durchqueren zu müssen, wo allein ihm allenfalls eine Zwangsrekrutierung durch kurdische Milizen drohen könnte. Aus diesen Gründen ist eine drohende Zwangsrekrutierung des BF im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht nicht anzunehmen.
Im Umstand, dass im Heimatland des BF eine Situation nach einem Bürgerkrieg mit noch unsicherer Lage herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer (nunmehr bis vor kurzem bestehenden) Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat der BF aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.
Ganz allgemein wird nicht verkannt, dass es vor der zum Sturz des syrischen Regimes führenden Offensive in den HTS-beherrschten Gebieten im Nordwesten Syriens (in der Provinz Idlib und angrenzenden Provinzen) zu Menschenrechtsverletzungen seitens der HTS-Machthaber kam. Doch ist nach Art. 9 Abs. 1 StatusRL und der dazu ergangenen Rechtsprechung (EuGH 19.11.2020, C-238/19 (BAMF), Rn. 22) nicht jede Menschenrechtsverletzung als Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A GFK zu betrachten, sondern nur eine Handlung, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellt (Art. 9 Abs. 1 lit. a StatusRL) oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, besteht, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise wie unter lit. a leg. cit. beschrieben betroffen ist (lit. b leg. cit.).
Die der HTS-Regierung in Idlib vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen betrafen vor allem Frauen, (vermeintliche) Oppositionelle und Angehörige von Minderheiten (z.B. Christen). Dass dem männlichen BF, der Araber, Sunnit und nicht durch oppositionelle Aktivitäten gegenüber HTS in Erscheinung getreten ist, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsort, der nunmehr unter Kontrolle des Regimes al-Scharaa steht, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, Opfer derartiger Menschenrechtsverletzungen zu werden, ist nicht zu erwarten, zumal noch überhaupt nicht absehbar ist, wie sich die Politik der derzeit moderat agierenden Regierung in Zukunft entwickeln wird und die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht für deren Glaubhaftmachung genügt.
Zur Volatilität der Lage in Syrien:
Das Verwaltungsgericht verkennt auch nicht, dass sich die Lage in Syrien in der ersten Dezemberhälfte des Jahres 2024 sehr rasch verändert hat, dass eine neuerliche Lageveränderung durchaus möglich ist und dass noch weitgehend unklar ist, wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickeln wird. Es wäre aber untunlich, mit einer Entscheidung zuzuwarten, bis völlige Klarheit über die künftigen Verhältnisse herrscht, weil nicht abschätzbar ist, ob und wann ein solches Szenario eintritt. Die verfügbaren aktuellen Berichte zur Lage in Syrien wurden – im Wesentlichen nach vorheriger Gelegenheit zur Stellungnahme – dem Verfahren zugrunde gelegt. Der volatilen Sicherheitslage in Syrien wurde durch die Gewährung subsidiären Schutzes ohnehin Rechnung getragen.
Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht für deren nach § 3 Abs 1 AsylG 2005 erforderliche Glaubhaftmachung im Sinne der zum Entscheidungszeitpunkt anzustellenden Prognose genügt (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN; Ra 2021/01/0003). Eine potentiell immer und zumal im generell volatilen Syrien mögliche Änderung der Lage zum Schlechteren für einen konkreten Beschwerdeführer kann daher nicht zu einer Asylgewährung führen. Sollte sich die Lage in Syrien dergestalt ändern, dass dem subsidiär schutzberechtigten Beschwerdeführer in Syrien (konkret absehbare) asylrelevante Verfolgung droht, steht ihm schließlich die Möglichkeit offen, einen Folgeantrag zu stellen.
Dem BF ist es daher im Rahmen der Beschwerde und der daraufhin durchgeführten Befragung insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann nicht erkannt werden, dass dem BF aktuell in Syrien eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründen droht.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides kommt daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG kein Erfolg zu.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass im Wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen waren und im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden wurde.
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