Spruch
W263 2294403-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a KERSCHBAUMER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. NORTH MBA und GATTINGER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom XXXX , VN: XXXX , betreffend den Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum von XXXX gemäß § 11 AlVG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid in Gewährung der Nachsicht vom Ausschluss des Bezuges des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum von XXXX behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin beantragte mit Geltendmachung ab XXXX die Gewährung von Arbeitslosengeld.
2. Sie brachte diesbezüglich eine Stellungnahme zur Beendigung des Dienstverhältnisses (§ 11 AlVG) ein, in welcher angekreuzt wurde, dass das Dienstverhältnis durch Dienstnehmerkündigung beendet worden sei. Zu den Gründen führte sie an, dass sich ihr ehemaliger Dienstgeber (Anm. BVwG: XXXX Des Weiteren sei sie von ihrem ehemaligen Dienstgeber beschuldigt worden, XXXX Der Vorwurf sei für sie unerträglich geworden, weshalb es ihr unmöglich gewesen sei, unter den gegebenen Umständen dort weiterzuarbeiten.
3. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 11 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 in geltender Fassung, für den Zeitraum von XXXX kein Arbeitslosengeld erhalte. Nachsicht wurde nicht erteilt. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe ihr Dienstverhältnis bei XXXX freiwillig gekündigt. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.
4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom XXXX fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass sie XXXX Seit dieser Zeit habe sich auch das Arbeitsklima in der XXXX verändert. XXXX . Die Situation sei für sie unerträglich geworden; sie sei in diesem Sinne nicht „freiwillig“ gegangen und ersuche um Nachsicht. Sie führte auch die Betreuung ihres XXXX an.
5. Die Beschwerde wurde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
6. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde seitens der XXXX bestätigt, dass das von der Beschwerdeführerin XXXX .
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.08.2024 eine Beschwerdeverhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin und ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin war von XXXX in einem vollversicherten Dienstverhältnis bei dem XXXX in dessen XXXX betrieb beschäftigt.
Ihre Tätigkeiten als XXXX angestellte umfassten typische Sekretariatsarbeiten im XXXX betrieb, wie etwa betreffend den E-Mail-Verkehr, die Abfrage der XXXX , die XXXX , die XXXX , die Terminkoordination sowie allgemein die Kommunikation mit XXXX .
Ursprünglich war XXXX in den XXXX betrieb eingebunden. XXXX
XXXX . In der Folge arbeitete dann auch XXXX betrieb mit. Die Stimmung gegenüber der Beschwerdeführerin verschlechterte sich deutlich, ebenso wie der Kommunikations- und Informationsfluss. Die Beschwerdeführerin sah sich daher nicht mehr in der Lage, die XXXX Diese Situation belastete sie stark, weshalb sie das Arbeitsverhältnis beenden wollte. Diesbezügliche Vorbereitungshandlungen und Gespräche wurden vom Dienstgeber als Dienstnehmerkündigung aufgefasst, weswegen es nicht mehr zu einem von ihr angestrebten Gespräch über die einvernehmliche Auflösung kam. Die Beschwerdeführerin war sich bewusst, dass der Dienstgeber von einer Kündigung ihrerseits ausging. Sie berichtigte ihn aber nicht, sondern ließ dies wirken, weil sie das Arbeitsverhältnis ja tatsächlich beenden wollte.
Das Arbeitsverhältnis endete dann mit XXXX . Für den Zeitraum XXXX wurde eine Urlaubsersatzleistung ausgezahlt.
2. Beweiswürdigung:
Beginn und Ende des gegenständlichen Dienstverhältnisses sowie die Tatsache, dass es sich um ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis handelte, waren unstrittig und beruhen auf den vorliegenden Versicherungsdaten sowie den Angaben der Beschwerdeführerin.
Die Feststellungen zur Tätigkeit der Beschwerdeführerin sowie zu den Geschehnissen, welche zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben, gründen sich auf die glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin. Sie legte lebensnah, nachvollziehbar und plausibel dar, was ihre Tätigkeiten im XXXX betrieb waren. Auch die Geschehnisse, die sie zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses brachten, legte sie überzeugend, ausführlich, detailreich und nachvollziehbar dar. Diese Schilderungen wurden seitens der belangten Behörde auch nicht substantiiert bestritten; zudem bestätigte die XXXX unter der von der Beschwerdeführerin genannten XXXX . Vor diesem Hintergrund gründen sich auch die Feststellungen zur Verschlechterung des Kommunikations- und Informationsflusses auf die plausiblen, lebensnahen und insgesamt überzeugenden Angaben der Beschwerdeführerin – vor allem im Zuge der mündlichen Verhandlung. Die Beschwerdeführerin gab dabei zu erkennen, dass sie sich daher nicht mehr in der Lage sah, die XXXX und sie dies stark belastete.
Im Verwaltungsverfahren führte die Beschwerdeführerin eine Dienstnehmerkündigung an. Sie trat dem auch zu Beginn der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht konkret entgegen. Später relativierte sie, die Kündigung eigentlich unabsichtlich ausgesprochen zu haben. Sie habe sich vertraulich bei der XXXX für den Fall ihrer Kündigung nach XXXX erkundigt und eigentlich erst am Nachmittag mit dem Dienstgeber eine einvernehmliche Auflösung vereinbaren wollen. Sie ließ in ihren Angaben jedoch klar erkennen, dass sie tatsächlich ganz konkret und ernsthaft die Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt hatte. Sie führte entsprechende Gespräche und war sich darüber im Klaren, dass der Dienstgeber dies als Arbeitnehmerkündigung auffasste. Sie nahm dies bewusst hin, zumal sie das Arbeitsverhältnis ja tatsächlich beenden wollte, nur den Abschluss einer einvernehmlichen Auflösung anstatt einer Arbeitnehmerkündigung bevorzugt hätte.
Nach dem Versicherungsverlauf wurde für den Zeitraum XXXX eine Urlaubsersatzleistung ausbezahlt, was vor dem Hintergrund der obigen Angaben der Beschwerdeführerin plausibel ist und trat die Beschwerdeführerin dem auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nach Vorhalt nicht entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig; sie ist auch begründet.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
3.2. § 11 AlVG lautet:
„(1) Arbeitslose, deren Dienstverhältnis in Folge eigenen Verschuldens beendet worden ist oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig gelöst haben, erhalten für die Dauer von vier Wochen, gerechnet vom Tage der Beendigung des Dienstverhältnisses an, kein Arbeitslosengeld. Dies gilt auch für gemäß § 3 versicherte Personen, deren Erwerbstätigkeit in Folge eigenen Verschuldens oder freiwillig beendet worden ist.
(2) Der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB wegen Aufnahme einer anderen Beschäftigung, freiwilliger Beendigung eines Dienstverhältnisses oder einer Erwerbstätigkeit aus zwingenden gesundheitlichen Gründen oder Einstellung der Erwerbstätigkeit wegen drohender Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder bei Saisonabhängigkeit wegen Saisonende, nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.“
3.3. Eine freiwillige Lösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 11 Abs. 1 AlVG 1977 liegt an sich vor, wenn der Arbeitnehmer selbst gekündigt, einen vorzeitigen Austritt erklärt oder eine einvernehmliche Auflösung initiiert hat. Dies führt zum Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes für eine bestimmte Dauer. § 11 Abs. 2 legcit sieht allerdings berücksichtigungswürdige Gründe vor, die zu einer Nachsicht von der Sperre des Arbeitslosengeldes gemäß Abs. 1 führen. Als Nachsichtsgründe sind zunächst die Austrittsgründe im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes zu verstehen (§ 82a GewO 1994, § 26 AngG), darüber hinaus aber auch „triftige“ Gründe, also Gründe von zureichendem Gewicht (vgl. VwGH 22.04.20215, 2012/10/0218).
Ist die Initiative für die einvernehmliche Auflösung eindeutig (und nachweisbar) von der nun arbeitslosen Person ausgegangen, ist der zweite Tatbestand für eine Sperre nach § 11 Abs. 1 AlVG erfüllt. Die meisten Fälle einer freiwilligen Lösung werden freilich vorliegen, wenn der Dienstnehmer selbst gekündigt oder einen vorzeitigen Austritt erklärt hat. Diese führen aber nur dann zur Sperre, wenn kein berücksichtigungswürdiger Fall vorliegt, in dem der Ausschluss vom Leistungsbezug nach Abs. 2 ganz oder teilweise nachzusehen ist. Gleiches gilt für eine von der nun arbeitslosen Person erklärten Auflösung des Dienstverhältnisses während der Probezeit (vgl. Pfeil in Pfeil/Auer-Mayer/Schrattbauer, AlV-Komm § 11 AlVG Rz 11).
3.4. Gegenständlich befand sich die Beschwerdeführerin von XXXX in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis.
Der Dienstgeber ging für die Beschwerdeführerin erkennbar von einer Dienstnehmerkündigung aus. Sie widersprach dem nicht, sondern ließ diese Interpretation gegen sich gelten, zumal sie das Arbeitsverhältnis ja tatsächlich beenden wollte und lediglich den Abschluss einer einvernehmlichen Auflösung am selben Tag bevorzugt hätte. Insgesamt strebte sie die Beendigung an, initiierte sie und ließ das auch als arbeitnehmerseitige ordentliche Beendigung des Dienstverhältnisses wirken, als es nicht mehr zum Abschluss der ursprünglich gewollten einvernehmlichen Beendigung kam. Damit hat die Beschwerdeführerin das Arbeitsverhältnis freiwillig im Sinne des § 11 Abs. 1 AlVG gelöst und tritt daher grundsätzlich die im Gesetz vorgesehene Sperrfrist von vier Wochen ein.
Zu prüfen bleibt, ob ein berücksichtigungswürdiger Grund vorliegt, aus dem die Rechtsfolge der Sperre gemäß § 11 Abs. 2 AlVG nachzusehen ist:
3.5. Im vorliegenden Fall kamen folgende Gründe für die Gewährung der Nachsicht hervor:
Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht typischerweise ein gewisses Machtgefälle; in dem Zusammenhang wird auch auf das aus dem Arbeitsvertrag entspringende Weisungsrecht des Arbeitgebers hingewiesen (s. zB Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1151 ABGB [Stand 1.1.2018, rdb.at] Rz 33).
Gegenständlich liegt ein sehr spezieller Fall vor: Der ehemalige Arbeitgeber ist ein XXXX . Als solcher verfügt er über die dafür notwendigen Kenntnisse des XXXX . Die Beschwerdeführerin verfügt u.a. über einen XXXX und Berufserfahrung als (Teilzeit-)Mitarbeiterin in einer XXXX . Infolge dieser Streitigkeiten verschlechterte sich die Kommunikation und erhielt die Beschwerdeführerin weniger Informationen, was ihr zudem die Führung der XXXX angelegenheiten erschwerte und sie stark belastete. Dies ist vor dem Hintergrund der mit der XXXX verbundenen Verantwortung (etwa im Hinblick auf das XXXX ) auch objektiv nachvollziehbar. Letztlich war die Beschwerdeführerin auch zur sorgfältigen Ausführung ihrer Tätigkeit verpflichtet. Diese Situation ist nicht mit (gewöhnlichen) Spannungen am Arbeitsplatz – wie sie nicht selten vorkommen – vergleichbar (vgl. dazu VwGH 03.07.1990, 90/08/0106).
Im Ergebnis liegt somit ein berücksichtigungswürdiger Grund vor, um die Rechtsfolge der Sperre gemäß § 11 Abs. 2 AlVG gänzlich nachzusehen.
Angesichts dieses Ergebnisses kommt es auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrem Sohn nicht mehr an.
3.6. Die Erteilung der Nachsicht kann auch durch das Verwaltungsgericht im Rahmen einer Sachentscheidung über die Beschwerde erfolgen. Dabei hat es – wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG vorliegen und die Angelegenheit daher nicht gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG zurückverwiesen wird – auch das bei der Festlegung des Umfangs der Nachsicht offenstehende Ermessen zu üben. Die Erteilung der Nachsicht durch das Verwaltungsgericht setzt aber nicht die Anhörung des Regionalbeirates iSd § 11 Abs. 2 AlVG voraus (vgl. zu § 10 Abs. 3 AlVG etwa VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026; 27.01.2016, Ro 2015/08/0027).
Der Beschwerde war somit spruchgemäß stattzugeben und der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum von XXXX gemäß § 11 Abs. 2 AlVG vor dem Hintergrund obiger Ausführungen zur Gänze nachzusehen.
Für den Zeitraum, während dem eine Urlaubsersatzleistung nach dem Urlaubsgesetz bezogen wird, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld allerdings gemäß § 16 Abs. 1 lit. l AlVG.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidung folgt der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.