Spruch
I423 2315606-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela GREML über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2025, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 20.06.2025, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung wie folgt abgeändert: „Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.“.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer wurde am 25.04.2025 in der JA XXXX im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einvernommen, nachdem er mit Urteil des Landesgericht XXXX als Geschworenengericht vom 11.04.2024 wegen der Verbrechen der schweren Körperverletzung und absichtlich schweren Körperverletzung zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
2. Mit Bescheid vom 14.05.2025 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt II.) verbunden mit einem unbefristeten Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung in die Türkei fest (Spruchpunkt III.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).
3. Nach Beschwerdeerhebung dagegen erließ das BFA die Beschwerdevorentscheidung vom 20.06.2025, in der es alle Spruchpunkte außer den ersten des Bescheids vom 14.05.2025 wiederholte.
4. Aufgrund des Vorlageantrags vom 02.07.2025 legte das BFA die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Der zugehörige Verwaltungsakt langte am 09.07.2025 bei der zuständigen Gerichtsabteilung I423 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist türkischer Staatsangehöriger und seit Dezember 2002 nahezu durchgehend in Österreich mit Wohnsitz gemeldet. Von 13.04.2013 bis 04.11.2013 liegt keine Wohnsitzmeldung vor. Der Beschwerdeführer verfügt über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“, gültig bis 17.11.2025.
Die Ehegattin, seine Tochter und sein Sohn leben in der Türkei. In Österreich hat er verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und Bekannte.
Der Beschwerdeführer war ab 2004 am österreichischen Arbeitsmarkt integriert und stand immer wieder in Beschäftigung, wobei die Zeiten durch Arbeitslosengeldbezug und durch Bezug von Notstandshilfe bzw. Überbrückungshilfe regelmäßig unterbrochen wurden. Zuletzt war er bis 27.04.2022 als Arbeiter beschäftigt.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 11.04.2024, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB sowie der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Beschwerdeführer hat am 12.10.2023 in XXXX . (anonymisiert durch BVwG) I./ A. E. am Körper verletzt und dadurch eine schwere Körperverletzung des Genannten herbeizuführen versucht, indem er plötzlich und völlig unvermittelt ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20,5 cm hervorzog und dem Genannten, der sich im Reflex nach vorne beugte, einen Stich in den Rücken versetzt, wodurch der Genannte eine Stichwunde der linken oberen Rückenregion mit einem rund 5 cm langen, von außen nach innen und leicht absteigend geneigten Stickkanal, der mit einer kleinen knöchernen Absplitterung des Dornfortsatzes des 2. Brustwirbels einhergegangen ist, erlitt;
II./ S. A. G., der aus Anlass der im Punkt I./ dargestellten Tat A. E. zu Hilfe kam, eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, indem er dem Genannten mit dem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20,5 cm einen kräftigen Stich gegen die seitlich linke Bauchwand versetzte, wodurch der Genannte eine 4 cm breite Stichwunde der linken Oberbauchregion im seitlichen Anteil mit einer Stichkanallänge von zumindest etwa 15 cm und Eröffnung der Bauchhöhle sowie mehrfache Verletzungen des Dünndarmes erlitt, wobei es zu einem Austritt des Darminhalts in die Bauchhöhle und einer Bauchfellentzündung mit Darmlähmung kam.
Bei der Strafzumessung wurden erschwerend die zwei einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen berücksichtigt, mildernd die eingeschränkte Steuerungsfähigkeit, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die Bereitschaft zur Schadensgutmachung.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben ( XXXX ) und vom OLG XXXX klargestellt, dass die Bereitschaft zur Schadensgutmachung keinen Milderungsgrund darstellt und die Tatbegehung unter Einsatz mit einer Waffe nach § 33 Abs. 2 Z 6 StGB hinzuzutreten hat. Das Urteil ist damit seit 10.07.2024 rechtskräftig.
Bei den Vorstrafen handelt es sich um Verurteilungen durch das BG XXXX am 19.03.2015, rechtskräftig am 23.03.2015, XXXX , wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten zweimonatigen Freiheitsstrafe und am 22.11.2018, rechtskräftig am 17.06.2019, XXXX , wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB zu einer bedingten dreimonatigen Freiheitsstrafe.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit der Tatbegehung am 12.10.2023 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft und wird dort regelmäßig von Verwandten wie Geschwisterteilen und Bekannten besucht. Der Beschwerdeführer arbeitet in der Justizanstalt und nimmt an einer Anti-Gewalt-Therapie teil. Termine zu einer allfälligen bedingten Entlassung nach der Hälfte sind der 12.10.2027 bzw. nach Zweidrittel der 12.02.2029.
2. Beweiswürdigung:
Die Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Reisepasskopie (AS 173), der Aufenthalt im Bundesgebiet und die Wohnsitzmeldungen aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister und der Aufenthaltsstatus aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister. Die Zeiten der Erwerbstätigkeiten und der Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ergeben sich aus einer Abfrage des Dachverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Die Angaben zu den Angehörigen tätigte der Beschwerdeführer selbst im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA (AS 179), wobei er angab, dass seine Gattin und die Tochter in der Türkei leben, der Sohn aber in Österreich. In Zusammenschau mit Abfragen den Zentralen Melderegisters und des Zentralen Fremdenregisters zum Sohn konnte festgestellt werden, dass auch dieser sich mittlerweile nach Abschluss seines Asylverfahrens und freiwilliger Ausreise auch wieder in der Türkei befindet. Laut der Besucherliste hat ihn der Sohn in der Haft auch besucht, ebenso ist vermerkt, dass er Besuch von weiteren „Verwandten“, darunter auch eines „Geschwisterteils“ erhalten hat (AS 135 ff). Daraus ergeben sich die verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich.
Die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten in Österreich zeigt der Strafregisterauszug und sind die drei strafgerichtlichen Urteile aktenkundig (AS 85 ff, 111 ff und 153 f), ebenso der Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft (AS 61 ff). Aus der Urteilsausfertigung und der Entscheidung über die Berufung (AS 95 ff) sind die Tathergänge und die Strafbemessungsgründe zu entnehmen.
In der Beschwerde gibt der Beschwerdeführer selbst an, in der Haft an einer Anti-Gewalt-Therapie teilzunehmen und zu arbeiten (AS 575), was seine Bestätigung im Vermerk „Therapiebetrieb“ auf der Besucherliste (AS 135) und durch einen Vermerk „Pflichtverletzung, Arbeitsverweigerung“ in der Vollzugsinformation (AS 145) erfährt. Mögliche und tatsächliche Entlassungstermine lassen sich ebenso der Vollzugsinformation entnehmen (AS 144).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Grundsätzliches zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (im gegenständlichen Fall: Rückkehrentscheidung):
Gemäß § 52 Abs. 5 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
Der Beschwerdeführer verfügt über einen bis 17.11.2025 gültigen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“. Das BFA stützte die Rückkehrentscheidung daher zutreffend auf § 52 Abs. 5 FPG.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 BFA-VG aufgelisteten Kriterien zu berücksichtigen und ist eine Interessensabwägung durchzuführen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).
Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen und es kann grundsätzlich nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, eine Aufenthaltsbeendigung ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0340, mwN). Diese Rechtsprechungslinie betraf allerdings nur Konstellationen, in denen der Inlandsaufenthalt bereits über zehn Jahre dauerte und sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0054; 10.11.2015, Ro 2015/19/0001). In Fällen gravierender Kriminalität und daraus ableitbarer hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit steht die Zulässigkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch gegen langjährig in Österreich befindliche Fremde, selbst wenn sie - anders als im vorliegenden Fall - Ehegatten österreichischer Staatsbürger sind, nicht in Frage (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0249 mwN).
Aufenthaltsbeendigende Maßnahmen sind aber auch unter dem Aspekt der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zu sehen, wobei die "Zehn-Jahres-Grenze" in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann eine Rolle spielt, wenn einem Fremden kein erhebliches strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Hierbei kommt es ebenso auf den Zeitpunkt und der Art des jeweiligen Fehlverhaltens sowie das seither erfolgte Wohlverhalten an (vgl. VwGH 03.09.2015, Zl. 2015/21/0121; aber auch VwGH 10.11.2015, Zl. 2015/19/0001).
3.2. Zur Beurteilung der Gefährdungsprognose:
Der Verwaltungsgerichtshof fasst in seinem Erkenntnis vom 23.05.2024, Ra 2022/21/0224, zusammen, dass es für die Frage, ob ein Einreiseverbot erlassen werden dürfe, auf den Zeitpunkt der hypothetischen Ausreise bzw. der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung abzustellen ist (vgl. etwa VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0088, Rn. 12, mit dem Hinweis auf VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237, Punkt 2.2. der Entscheidungsgründe). Die Frist des Einreiseverbotes beginnt gemäß § 53 Abs. 4 FPG mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen. Für die Dauer des Freiheitsentzuges, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde, ist der Eintritt der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung allerdings gemäß § 59 Abs. 4 FPG aufgeschoben. Vor allem bei der Gefährdungsprognose ist daher auf den Zeitpunkt der (hypothetischen) Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft abzustellen (siehe auch dazu VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0088, Rn. 12, sowie sinngemäß zu einem Aufenthaltsverbot VwGH 29.9.2020, Ra 2020/21/0297, Rn. 9, mwN, und daran anknüpfend VwGH 9.6.2022, Ra 2021/21/0238, Rn. 13). Das gilt umso mehr für die Annahme im Sinne des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft sei seine sofortige Ausreise erforderlich (vgl. zu den diesbezüglich noch erhöhten Voraussetzungen aus der ständigen Rechtsprechung zuletzt etwa VwGH 10.11.2022, Ra 2022/21/0094, Rn. 15, mwN) und ihm sei deshalb gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise einzuräumen (siehe in diesem Zusammenhang zur vergleichbaren Bestimmung des § 70 Abs. 3 iVm Abs. 1 zweiter Satz FPG des Näheren auch schon VwGH 12.9.2013, 2013/21/0094, mwN).
Nach der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der gegenständlichen Rechtssache das Fortbestehen der aktuell vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährlichkeit am Ende des Vollzuges der achtjährigen Haftstrafe derzeit kaum absehbar. Zwar kann bei der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftat – schwere und absichtlich schwere Körperverletzung – auch nach dem Vollzug einer langjährigen Freiheitsstrafe das weitere Vorliegen einer maßgeblichen Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert sein (vgl. dazu auch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach für die Frage des Eintritts eines Gesinnungswandels und des Wegfalls einer aus dem bisherigen Verhalten ableitbaren Gefährlichkeit in erster Linie das Wohlverhalten in Freiheit nach dem Vollzug einer Freiheitsstrafe maßgeblich ist, etwa VwGH 22.2.2021, Ra 2020/21/0537, Rn. 9, mwN), allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass schon der Vollzug einer derart langen Freiheitsstrafe – selbst im Fall einer früheren bedingten Entlassung – zu einer maßgeblichen Gefährdungsminderung führen könnte, die es dann nicht mehr erlaubt, gegen den seit Ende 2002 in Österreich durchgehend aufhältigen Beschwerdeführer, welcher nicht nur beruflich, sondern auch familiär in Österreich verbunden ist, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu erlassen. Bei dieser Beurteilung kommt es einerseits auf die Hintergründe und Begleitumstände der dem Beschwerdeführer angelasteten Straftat der Verbrechen der schweren und absichtlich schweren Körperverletzung an und sind auch die Strafbemessungsgründe miteinzubeziehen. Andererseits wäre aber auch die Entwicklung des Beschwerdeführers während der langen Strafhaft einzubeziehen und ist bei der Prognosebeurteilung zu berücksichtigen, dass er auch vor der gegenständlichen Verurteilung einschlägig, wenn auch nur zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen, strafgerichtlich belangt wurde.
Ausgehend von diesen Beurteilungskriterien kann in der vorliegenden Konstellation nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass vom Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der künftigen Entlassung aus der Strafhaft – sei es zum regulären Strafende in etwas mehr als sechs Jahren oder ab einer möglichen bedingten Entlassung nach Zweitdritteln der verbüßten Haftstrafe (§ 46 StGB) in etwa dreieinhalb Jahren – eine derart gravierende Gefährlichkeit ausgehen werde, die es in Anbetracht seiner privaten und familiären Verhältnisse erlaubt, eine Rückkehrentscheidung (in Verbindung mit einem Einreiseverbot) zu erlassen.
Bei der absichtlich schweren Verletzung eines anderen am Körper mit einer Waffe, nämlich mit einem Küchenmesser, handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin zweifelsfrei um eine äußerst verwerfliche Straftat, die aufgrund der damit verbundenen höheren Hemmschwelle einem Verständnis für eine aus dem Augenblick heraus entstandene Tatbegehung – so wie sich der Beschwerdeführer verantwortet – entgegen. Daraus und aus den beiden einschlägigen Vorstrafen lässt sich die grundsätzliche Gewaltbereitschaft und das hohe Aggressionspotenzial des Beschwerdeführers schließen. Dem versucht der Beschwerdeführer aktuell durch Teilnahme an einer Anti-Gewalt-Therapie in der Haft entgegenzuwirken.
Die persönliche Entwicklung des Beschwerdeführers bzw. die von ihm ausgehende Gefahr vor dem Hintergrund des noch jahrelang andauernden Strafvollzuges ist zum gegebenen Zeitpunkt nicht prognostizierbar. Da entsprechend der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zudem nicht ausgeschlossen ist, dass schon der Vollzug einer derart langen Freiheitsstrafe, auch bei einer allfälligen früheren bedingten Entlassung, zu einer maßgeblichen Gefährdungsminderung führen könnte, kann nicht vorhergesehen werden, ob vom Beschwerdeführer bei seiner zukünftigen (bedingten) Haftentlassung eine hinreichend gravierende Gefährdung ausgehen wird, die die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen ihn erforderlich erscheinen lässt.
3.3. Beschwerdestattgebung:
Der Beschwerde war daher stattzugeben. Ist die Beschwerde berechtigt und die Beschwerdevorentscheidung unrichtig, ist der Spruch der Beschwerdevorentscheidung neu zu formulieren. Die erlassene Rückkehrentscheidung und die darauf aufbauenden Spruchpunkte im angefochtenen Bescheid waren ersatzlos zu beheben.
Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass es dem BFA selbstverständlich frei steht, zu einem Zeitpunkt in zeitlicher Nähe zur (gegebenenfalls bedingten) Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft eine aufenthaltsbeendende Maßnahme anzuordnen, sofern zu diesem hypothetischen Entlassungszeitpunkt die entsprechenden Voraussetzungen dazu vorliegen, was der VwGH in seiner Entscheidung vom 23.05.2024, Ra 2022/21/0024, ausdrücklich festhält.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich insbesondere auf die Entscheidung vom 23.05.2024, Ra 2022/21/0224 stützen.