Spruch
W187 2304271-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2024, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1.1 Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2 Am XXXX wurde der Beschwerdeführer von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers auf Arabisch erstbefragt. Hier gab er im Wesentlichen an, dass er der Volksgruppe der Araber und die Glaubensrichtung des Islams angehöre. Syrien habe er aufgrund des Kriegs und der Verfolgung seines Vaters verlassen. Bei einer Rückkehr fürchte er zum Militärdienst eingezogen zu werden.
1.3 Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) in Anwesenheit eines Dolmetschers seiner Muttersprache niederschriftlich einvernommen. Hier gab er im Wesentlichen an, dass er Araber und Sunnit sei. Als Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer eine die Verfolgung seines Vaters und dadurch seiner ganzen Familie durch das syrische Regime in Syrien vor.
1.4 Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Aufgrund der prekären Sicherheitslage sei dem Beschwerdeführer jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigen zu gewähren gewesen.
1.5 Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
1.6 Die Beschwerde wurde samt dem bezugnehmenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX vorgelegt.
1.7 Mit Stellungnahme vom XXXX brachte der Beschwerdeführer vor, dass er weiterhin den staatlichen Militärdienst verweigern würde und die HTS weiterhin als Terrororganisation eingestuft sei. Darüber hinaus seien die verfügbaren Länderberichte nicht ausreichend aktuell.
1.8 Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch. Sie hatte folgenden Verlauf:
„…
Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Ich bin am XXXX , in der Provinz XXXX , im Dorf XXXX geboren.
Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Meine Muttersprache ist Arabisch, darüber hinaus spreche ich Türkisch, Deutsch auf Niveau B1 und Englisch.
Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Ich bin ledig, sunnitischer Muslim und Araber.
Richter: Haben Sie Kinder?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Syrien und der Türkei aufgehalten haben.
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Ich habe in Syrien, in XXXX 10 Jahre gelebt und in der Türkei XXXX an der Grenze zu Syrien 10 Jahre gelebt.
Richter: Wie haben Sie in Syrien und der Türkei gewohnt?
Beschwerdeführer (auf Deutsch): In Syrien hatten wir ein eigenes Haus und in der Türkei eine gemietete Wohnung mit 3 Zimmern.
Richter: Was haben Sie in Syrien und der Türkei gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Gelernt nur bis zur fünften Klasse in Syrien und dann in der Türkei von der sechsten Klasse bis zum Gymnasium.
Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Ich habe in der Türkei die Matura gemacht.
Richter: Wie alt waren Sie, als Sie von Syrien in die Türkei ausgereist sind?
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Ich war 10 Jahre alt.
Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Meine Familie lebt in Klagenfurt.
Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Ja sicher.
Richter: Welchen Aufenthaltsstatus haben Ihre Verwandten in Österreich?
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Sie haben 2023 eine Einvernahme gehabt, aber noch keine Antwort bekommen.
Richter: Haben Sie in Syrien und der Türkei weitere Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen wie zB Freunde und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?
Beschwerdeführer (auf Deutsch): Ja, einen Onkel in Syrien, drei Onkel in der Türkei, einen Onkel in Saudi-Arabien und einen in Kanada. Alle meine Tanten väterlicherseits leben jetzt in Syrien. Aber die Onkel väterlicherseits leben in verschiedenen Ländern.
Richter: Wer beherrschte Ihre Heimatregion zum Zeitpunkt Ihrer Ausreise?
Beschwerdeführer: Der IS, hatte die Kontrolle zur Zeit meiner Ausreise.
Richter: Wer beherrscht Ihre Heimatregion jetzt?
Beschwerdeführer: Die letzte Aktualisierung lautet, es herrscht derzeit das Abkommen zwischen den Kurden und der neuen Regierung. Zu 90 % glaube ich, dass die neue Regierung jetzt die Kontrolle hat.
Richter: Haben sich die Verhältnisse in Ihrer Heimatregion seit dem Ende des Assad-Regimes geändert?
Beschwerdeführer: Die Kontrolle in unserem Heimatdorf hat sich seit dem syrischen Regime stark geändert, zuletzt hat das syrische Regime die Kontrolle übernommen, dann hat die FSA die Kontrolle wieder übernommen, dann die Front Al Nusra, wiederum hat der IS die Kontrolle übernommen, dann haben neuerlich die Kurden die Kontrolle übernommen und jetzt hat Al Shabab die Kontrolle übernommen, nach dem abgeschlossenen Abkommen zwischen den Kurden und der Regierung.
Richter: Wie haben sich die Verhältnisse in Ihrer Heimatregion seit dem Ende des Assad-Regimes geändert?
Beschwerdeführer: Da das syrische Regime die Kontrolle über meinen Heimatort kurz vor dem Sturz hatte, haben die Einheimischen eine Gruppierung gebildet und die Kontrolle vom syrischen Regime übernommen. Mein Heimatort befindet sich derzeit unter der Kontrolle der neuen Regierung, laut des abgeschlossenen Abkommen. Das gilt auch für die drei strittigen Gebiete, das heißt in diesem Zeitraum von 08.12.2024 bis dato gab es in unserem Heimatort keine gravierenden Änderungen diesbezüglich. Man wartet auf eine endgültige Lösung, was diese Gebiete betrifft.
Richter: Können Sie sich nach dem Ende des Assad-Regimes vorstellen, in Ihre Heimatregion zurückzukehren?
Beschwerdeführer: Das ist doch strittig, die Lage in Syrien ist derzeit nicht überschaubar. Diese Sanktionen sind doch jetzt aufgehoben worden, aber es fehlen in Syrien derzeit auch viele wesentliche Sachen wie zB Syrien hat keine Infrastruktur, keine Grundversorgung, keinen Strom und keine Wasserversorgung. Syrien braucht Änderungen im Bildungsbereich, was die Freiheiten betreffen braucht Syrien so schnell wie möglich eine neue Verfassung, die Sicherheitslage ist auch instabil, deshalb ist es zu früh das man daran denkt nach Syrien zurückzukehren.
Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei politisch betätigt?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Waren Sie oder ein Familienmitglied in Syrien oder der Türkei Mitglied einer politischen Partei?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei religiös betätigt?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei an Demonstrationen beteiligt?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Sind Sie in Syrien oder der Türkei vorbestraft?
Beschwerdeführer: Ja, vor dem Sturz des syrischen Regimes war ich wegen des Militärdienstes vom syrischen Regime gesucht. Zweitens als ich auch im Asylverfahren angegeben, hat meine Familie Drohungen bekommen, das war nicht für mich persönlich. Es ist aber bekannt, wenn ein Familienmitglied in Syrien bedroht wurde, das die ganze Familie jetzt auch in Gefahr lebt. Das war XXXX als meine Familie bedroht wurde, das habe ich im Asylverfahren ausführlich angegeben. Diese Aussagen wurden aber von der Behörde als unglaubwürdig betrachtet.
Richter: Waren Sie in Syrien oder der Türkei in Haft?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme mit Behörden?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Bestehen gegen Sie in Syrien oder der Türkei Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief oder Ähnliches?
Beschwerdeführer: Was die letzte Frage betrifft, die ich mit Nein beantwortet habe. Will ich eine Anmerkung machen, und zwar das ich Probleme wegen des Wehrdienstes mit der alten Regierung hatte, ich konnte keinen Auszug aus dem Personenstandsregister erhalten, weil ich zum Wehrdienst gesucht war. Ich konnte auch keinen Personalausweis erstellen lassen, weil das voraussetzt, dass ich vor Ort meine Fingerbadrücke geben müsste und das konnte und kann ich auf keinen Fall machen. Zu dieser Frage, antworte ich, dass ich doch Probleme mit der alten Regierung hatte.
Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wegen Ihrer Religion?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wegen Ihrer Volkszugehörigkeit?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wie Blutfehden, Sippenhaftung, Racheakten oder Ähnliches mit Privatpersonen?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Haben Sie in Syrien oder der Türkei an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilgenommen?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Hatten Sie in Syrien wegen des Kontakts zu Islamisten Probleme?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Haben Sie in Syrien ein Militärbuch bekommen?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Wurden Sie in Syrien zum Militär einberufen?
Beschwerdeführer: Keine Einberufungsbefehle wurden mir direkt zugestellt, aber ich habe es entdeckt als ich einen Auszug aus dem Personenstandsregister ausstellen lassen habe, dass ich mit den vollendeten 18. Lebensjahr gesucht wurde in Syrien und das war der Grund warum man mir kein Auszug ausgestellt wurde.
Richter: Wird Ihnen in Syrien eine oppositionelle Gesinnung unterstellt?
Beschwerdeführer: Derjenige der nicht Folge leistet, der zum Wehrdienst einrückt wird der oppositionellen Einstellung beschuldigt. Die Bedrohungen die mein Vater wegen meines Onkels und meines Cousins bekommen hat, bedeuten eindeutig, dass das syrische Regime ihm eine politische Opposition unterstellt. Für mich persönlich hat das syrische Regime mir die politische Opposition wegen des Wehrdienstes unterstellt.
Richter: Wie ist es jetzt?
Beschwerdeführer: Derzeit gibt es für mich diesbezüglich keine Bedrohung mehr.
Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?
Beschwerdeführer: Ich bin in Österreich am XXXX eingereist. In Salzburg war ich XXXX . Am XXXX habe ich direkt mit dem ersten Deutschkurs begonnen, dieser Deutschkurs hat ungefähr sechs Monate gedauert, das heißt am XXXX habe ich diesen Deutschkurs abgeschlossen, aber es war damals schwierig, dass ich einen Deutschkurs A2 gewährt bekommen kann. Weil ich zu diesem Zeitpunkt keinen Aufenthaltstitel hatte, deshalb habe ich vom Juni bis November 2024 abgewartet. Am Deutschkurs A2 habe ich mich angemeldet, von zuhause habe ich aber weiterhin Deutsch gelernt. In der Zwischenzeit habe ich als Dolmetscher für Arabisch, Englisch, Türkisch und Deutsch ehrenamtlich in der Asylunterkunft gearbeitet, ich habe auch Bestätigungen dafür. Ich habe auch als ehrenamtlicher Begleitlehrer für Deutsch und Informatik gearbeitet. Ich habe den Schülern beigebracht wie sie Apps wie ÖBB verwenden können, wie man E-Mail schreibt. Ich habe auch Bestätigungen dafür als ehrenamtlicher Angestellter habe ich auch ein Ausweis bekommen. Am XXXX habe ich mit dem Deutsch-kurs A2 begonnen, den ich am XXXX abgeschlossen habe. In dieser Zwischenzeit habe ich auch beim Roten Kreuz eine ehrenamtliche Arbeit gemacht, das war vom XXXX bis XXXX als Praktikant gearbeitet. Ich habe auch eine Bestätigung dafür. Ich konnte aber nicht solange abwarten, damit ich einen Deutschkurs B1 vom AMS gewährt bekommen kann, deshalb habe ich die Kosten für diesen Deutschkurs getragen, die AMS mir in weiterer Folge rückerstattet hat. Dieser Deutschkurs B1 hat am XXXX begonnen und endet am XXXX . Ich habe ab dem XXXX Vollzeit im XXXX gearbeitet. Das Gespräch habe ich mit dem Personalamt geführt. Im letzten Monat, also im April habe ich geringfügig im Restaurant XXXX als Kassierer gearbeitet. Vor zwei Wochen gab es ein Wettbewerb für diejenigen die sich mit der ehrenamtlichen Arbeit beschäftigen, ich konnte den Preis nicht gewinnen, aber eine Bestätigung für die Teilnahme habe ich bei mir.
Richter: Haben Sie Freunde in Österreich
Beschwerdeführer: Ja.
Richter: Haben Sie auch österreichische Freunde?
Beschwerdeführer: Ja.
Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Hatten Sie in Österreich oder anderswo Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?
Beschwerdeführer: Nein, seit meiner Einreise in Österreich bis dato habe ich noch nie mit einem Polizisten mich konfrontiert bzw. begegnet.
Richter: Haben Sie sich in Österreich oder anderswo an Demonstrationen beteiligt?
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Besuchen Sie in Österreich eine Moschee?
Beschwerdeführer: Am Freitag zu dem Freitagsgebet, gehe ich zur Moschee XXXX Wenn ich nicht so viel Zeit habe ich gehe ich zur türkischen Moschee in XXXX liegt, es ist in der Nähe von meiner Wohnung in XXXX .
Richter: Beten Sie regelmäßig?
Beschwerdeführer: Ja, es gehört zu meiner Religion.
Richter: Fasten Sie?
Beschwerdeführer: Ja.
Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!
Beschwerdeführer: An erster Stelle haben sie mich begonnen zu bedrohen, die uns zur Flucht geführt haben, als mein Vater diese Bedrohungen wegen der Probleme mit meinem Onkel und meinem Cousin väterlicherseits bekommen hat. Obwohl mein Heimatort zu diesem Zeitpunkt nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes war. Hätte das syrische Regime uns erreichen können. Der zweite Grund ist das zu diesem Zeitpunkt der IS die Kontrolle über unseren Heimatort hatte, wir konnten unter diesen schlechten Zustand nicht in Syrien weiterleben, deswegen haben wir den Entschluss gefasst aus Syrien zu flüchten. Wären wir zu diesem Zeitpunkt nicht aus Syrien ausgereist, dann hätte mich das syrische Regime mit den 18. Lebensjahr zum Wehrdienst einberufen. Das heißt alle Gründe waren ausreichend um aus Syrien auszureisen wegen der Kontrolle seitens der IS und der Bedrohungen meines Vaters haben wir die Entscheidung getroffen aus Syrien auszureisen.
Richter: Warum haben Sie die Türkei verlassen?
Beschwerdeführer: Zuletzt gab es in der Türkei laute Stimmen, die die türkische Regierung auffordert die Syrer nach Syrien abzuschieben und seitens der türkischen Regierung gab es auch bestimmte Maßnahmen diesbezüglich, das heißt in der Türkei bestand die Gefahr nach Syrien abgeschoben zu werden oder dass man die Diskriminierung seitens der Bevölkerung ausgesetzt sei.
Richter: Sind Sie in Syrien oder an einem anderen Ort jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden
Beschwerdeführer: Nein.
Richter: Wodurch sind Sie aktuell in Syrien bedroht?
Beschwerdeführer: Ich würde im östlichen Gebiet in Syrien bedroht werden, wenn die Kurden weiterhin die Kontrolle haben und wenn das abgeschlossene Abkommen nicht weiter gilt. Ich habe mit den Kurden hier SDF gemeint, die dort wirklich regieren. Weil unter der Kontrolle der Kurden die Gefahr besteht, auch zur Verteidigungswehrpflicht eingezogen zu werden.
Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?
Beschwerdeführer: Von der Türkei habe ich mich auf den Weg nach Bulgarien, über Serbien weiter Ungarn nach Österreich gemacht.
Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?
Beschwerdeführer: Mein Vater hat die Reisekosten übernommen. Ich glaube, er hat ungefähr 5.000€ bezahlt.
Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!
Beschwerdeführer: Nach dem ich eine Einvernahme vor dem BFA hatte, habe ich die Antwort bekommen, in der der Antrag auf Asyl abgewiesen wurde. Zu den Abweisungsgründen das mein Vorbringen im Widerspruch mit den Aussagen meiner Familie stand. Vielleicht habe ich mich hinsichtlich der Zeitangaben geirrt. Aber ich wollte feststellen lassen, dass mein Vorbringen glaubwürdig war, deshalb habe ich diese Beschwerde erhoben. Eins will ich auch betonen und zwar ich habe die Beschwerde vor dem Sturz des syrischen Regimes eingebracht, da ich im Falle der Rückkehr nach Syrien wegen des Wehrdienstes gesucht werden würde und ich halte meine Beschwerde aufrecht.
Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Syrien zurückkehren müssten?
Beschwerdeführer: Im Falle der Rückkehr nach Syrien würde ich von keiner bestimmten Behörde persönlich bedroht werde, aber man weiß nicht was auf mich dort wartet. Die unstabilen Lebensumstände können mich auch dazu führen Dinge zu machen, die ich mir überhaupt nicht vorstellen kann. Wie ich ihnen erzählt habe, es fehlen viele Sachen in Syrien bezüglich der Freiheiten, der Infrastruktur und der Grundversorgung.
Rechtsvertreter: Ihre Verwandten die auch bedroht wurde, die diese Bedrohungen überlebt haben, wo leben diese jetzt?
Beschwerdeführer: Wie ich Ihnen heute erzählt habe, dass die Onkels väterlicherseits in verschiedenen Ländern, das heißt sie leben nicht in Syrien mit Ausnahme eines Onkels der in einem Ort namens XXXX lebt. Der Ort gehört zu einem früheren befreiten Gebieten, wäre er vielleicht in einem anderen Gebiet gewesen, dann wäre er Problemen ausgesetzt.
Richter an Rechtsvertreter: Sie haben gestern eine Stellungnahme eingebracht, in der sich auch das Länderinformationsblatt Version 11 befindet, seit letzte Woche gibt es die Version 12, gibt es Unterschiede?
Rechtsvertreter: Ich habe es schon eingebracht, das Länderinformationsblatt Version 12 wird gerade von der Rechtsabteilung eingesehen. Das LIB hat sich fünf Tage vor der Verhandlung geändert, das wussten wir nicht. Das konnte ich leider nicht mehr mit einbeziehen.
Richter: Nach dem neuen Länderinformationsblatt Version 12 gibt es keine Zwangsrekrutierung mehr. Nachdem ein Grund für den Antrag auf Asyl die drohende Zwangsrekrutierung ist, besteht diese Gefahr überhaupt noch?
Beschwerdeführer: Wie ich Ihnen heute erzählt habe, dass wegen der schlechten Lebensumstände die Gefahr besteht, dass ich gezwungen wäre, etwas zu machen, was überhaupt nicht gewollt ist. Ich habe damit gemeint, dass im Falle der Rückkehr nach Syrien ich gezwungen wäre als Berufssoldat zu arbeiten, weil wenn wir die wirtschaftliche Lage in Syrien berücksichtigen, dass Berufssoldat die optimale Option für Jugendliche, die ihr Leben aufbauen wollen, wäre.
Richter: Wenn ich das richtig verstehe, meinen Sie, dass Sie zwar nicht zwangsrekrutiert werden, aber aus wirtschaftlichen Gründen freiwillig der Armee beitreten müssten?
Beschwerdeführer: Ja, da für mich ja diese Option besser wäre, als gesetzwidrige Wege einzuschlagen. Aber die Tatsache bleibt, dass zur Waffe zu greifen keine Option für mich wäre, weil ich aus Syrien ausgereist bin nur aus dem Grund, nur damit ich nicht gezwungen wäre nicht zur Waffe zu greifen. Das kommt in Frage auch nach 10 Jahren, auch wenn es in Syrien eskaliert, werden die Menschen gezwungen zur Waffe zu greifen.
Der Beschwerdeführer bringt nichts mehr vor.
…“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt, insbesondere durch Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Dokumente, Unterlagen und Befragungsprotokolle, Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Einsicht in die ins Verfahren eingebrachten Länderberichte, in den Akt zum Verfahren bezüglich des Asylantrags des Vaters des Beschwerdeführers, in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und bei der Auskunftserteilung an Justiz- und Verwaltungsbehörden WEB-Anwendung.
1. Feststellungen
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers
1.1.1 Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien und Angehöriger der Volksgruppe der Araber. Er bekennt sich zum sunnitisch-islamischen Glauben. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Syrien geboren. Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX . Er ist ledig. Bis zu seiner Ausreise im Jahr 2014 in die Türkei lebte der Beschwerdeführer immer in XXXX .
1.1.2 XXXX samt Umland steht unter der Kontrolle der syrischen Übergangsregierung. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
1.2.1 Die Herrschaft Baschar al-Assads ist Anfang Dezember 2024 im Zuge einer monatelang vorbereiteten Offensive unter Führung der oppositionellen „Hay’at Tahrir ash-Sham“ (HTS) binnen weniger Tage zusammengebrochen; Baschar al-Assad ist mit seiner Familie nach Russland geflohen. Die syrische Armee wurde von der HTS nach der Machtübernahme aufgelöst, die Soldaten entlassen (vgl hierzu die Feststellungen in Punkt 1.3.7.).
1.2.2 Eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers durch das gestürzte syrische Regime aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung oder aus anderen Gründen ist nicht maßgeblich wahrscheinlich, sie ist faktisch ausgeschlossen.
1.2.3 Auch droht dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung durch den Islamischen Staat, die kurdischen Gruppierungen oder die HTS. Der Beschwerdeführer war bzw. ist in Syrien keinen Verfolgungshandlungen (durch zB andere Gruppierungen) ausgesetzt.
1.2.4 Dem Beschwerdeführer droht in der Arabischen Republik Syrien daher aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung keine Verfolgung.
1.3 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat
1.3.1 Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.3.2024:
4.2 Nordwest-Syrien
Letzte Änderung 2024-03-08 11:28
Während das Assad-Regime etwa 60 Prozent des Landes kontrolliert, was einer Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen entspricht, gibt es derzeit [im Nordwesten Syriens] zwei Gebiete, die sich noch außerhalb der Kontrolle des Regimes befinden: Nord-Aleppo und andere Gebiete an der Grenze zur Türkei, die von der von Ankara unterstützten Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army, SNA) kontrolliert werden, und das Gebiet von Idlib, das von der militanten islamistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrolliert wird. Zusammen kontrollieren sie 10 Prozent des Landes mit einer Bevölkerung von etwa 4,4 Millionen Menschen, wobei die Daten zur Bevölkerungsanzahl je nach zitierter Institution etwas variieren (ISPI 27.6.2023).
Das Gebiet unter Kontrolle von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)
In der nordwestlichen Provinz Idlib und den angrenzenden Teilen der Provinzen Nord-Hama und West-Aleppo befindet sich die letzte Hochburg der Opposition in Syrien (BBC 2.5.2023). Das Gebiet wird von dem ehemaligen al-Qaida-Ableger Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: übersetzt soviel wie: Komitee zur Befreiung der Levante] beherrscht, der nach Ansicht von Analysten einen Wandel durchläuft, um seine Herrschaft in der Provinz zu festigen (Alaraby 5.6.2023). Das Gebiet beherbergt aber auch andere etablierte Rebellengruppen, die von der Türkei unterstützt werden (BBC 2.5.2023). HTS hat die stillschweigende Unterstützung der Türkei, die die Gruppe als Quelle der Stabilität in der Provinz und als mäßigenden Einfluss auf die radikaleren, transnationalen dschihadistischen Gruppen in der Region betrachtet. Durch eine Kombination aus militärischen Konfrontationen, Razzien und Festnahmen hat die HTS alle ihre früheren Rivalen wie Hurras ad-Din und Ahrar ash-Sham effektiv neutralisiert. Durch diese Machtkonsolidierung unterscheidet sich das heutige Idlib deutlich von der Situation vor fünf Jahren, als dort eine große Anzahl an dschihadistischen Gruppen um die Macht konkurrierte. HTS hat derzeit keine nennenswerten Rivalen. Die Gruppe hat Institutionen aufgebaut und andere Gruppen davon abgehalten, Angriffe im Nordwesten zu verüben. Diese Tendenz hat sich nach Ansicht von Experten seit dem verheerenden Erdbeben vom 6.2.2023, das Syrien und die Türkei erschütterte, noch beschleunigt (Alaraby 5.6.2023).
Aufgrund des militärischen Vorrückens der Regime-Kräfte und nach Deportationen von Rebellen aus zuvor vom Regime zurückeroberten Gebieten, ist Idlib in Nordwestsyrien seit Jahren Rückzugsgebiet vieler moderater, aber auch radikaler, teils terroristischer Gruppen der bewaffneten Opposition geworden (AA 29.11.2021). Zehntausende radikal-militanter Kämpfer, insb. der HTS, sind in Idlib präsent. Unter diesen befinden sich auch zahlreiche Foreign Fighters (Uiguren, Tschetschenen, Usbeken) (ÖB Damaskus 12.2022). Unter dem Kommando der HTS stehen zwischen 7.000 und 12.000 Kämpfer, darunter ca. 1.000 sogenannte Foreign Terrorist Fighters (UNSC 25.7.2023). Viele IS-Kämpfer übersiedelten nach dem Fall von Raqqa 2017 nach Idlib – großteils Ausländer, die für den Dschihad nach Syrien gekommen waren und sich nun anderen islamistischen Gruppen wie der Nusra-Front [Jabhat al-Nusra], heute als HTS bekannt, angeschlossen haben. Meistens geschah das über persönliche Kontakte, aber ihre Lage ist nicht abgesichert. Ausreichend Geld und die richtigen Kontaktleute ermöglichen derartige Transfers über die Frontlinie (Zenith 11.2.2022). Der IS sieht den Nordwesten als potenzielles Einfallstor in die Türkei und als sicheren Rückzugsort, wo seine Anhänger sich unter die Bevölkerung mischen (UNSC 25.7.2023). Laut einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2023 sind neben HTS und Hurras ad-Din unter anderem auch die zentralasiatischen Gruppierungen Khatiba at-Tawhid wal-Jihad (KTJ) – im März 2022 in Liwa Abu Ubayda umbenannt – und das Eastern Turkistan Islamic Movement (ETIM) – auch bekannt als Turkistan Islamic Party (TIP) – in Nordwestsyrien präsent (UNSC 13.2.2023).
Im Jahr 2012 stufte Washington Jabhat an-Nusra [Anm.: nach Umorganisationen und Umbenennungen nun HTS] als Terrororganisation ein (Alaraby 8.5.2023). Auch die Vereinten Nationen führen HTS als terroristische Vereinigung (AA 2.2.2024). Die Organisation versuchte, dieser Einstufung zu entgehen, indem sie 2016 ihre Loslösung von al-Qaida ankündigte und ihren Namen mehrmals änderte, aber ihre Bemühungen waren nicht erfolgreich und die US-Regierung führt sie weiterhin als „terroristische Vereinigung“ (Alaraby 8.5.2023; vgl. CTC Sentinel 2.2023). HTS geht gegen den IS und al-Qaida vor (COAR 28.2.2022; vgl. CTC Sentinel 2.2023) und reguliert nun die Anwesenheit ausländischer Dschihadisten mittels Ausgabe von Identitätsausweisen für die Einwohner von Idlib, ohne welche z.B. das Passieren von HTS-Checkpoints verunmöglicht wird. Die HTS versucht so, dem Verdacht entgegenzutreten, dass sie das Verstecken von IS-Führern in ihren Gebieten unterstützt, und signalisiert so ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bei der Terrorismusbekämpfung (COAR 28.2.2022). Im Mai 2023 startete die HTS in den Provinzen Idlib und Aleppo beispielsweise eine Verhaftungskampagne gegen Hizb ut-Tahrir (HuT) als Teil der langfristigen Strategie, andere islamistische Gruppen in den von ihr kontrollierten Gebieten zu unterwerfen und die Streichung der HTS von internationalen Terroristenlisten zu erwirken (ACLED 8.6.2023; vgl. Alaraby 8.5.2023). Das Vorgehen gegen radikalere, konkurrierende Gruppierungen und die Versuche der Führung, der HTS ein gemäßigteres Image zu verpassen, führten allerdings zu Spaltungstendenzen innerhalb der verschiedenen HTS-Fraktionen (AM 22.12.2021). Im Dezember 2023 wurden diese Spaltungstendenzen evident. Nach einer Verhaftungswelle, die sich über ein Jahr hinzog, floh eine Führungspersönlichkeit in die Türkei, um eine eigene rivalisierende Gruppierung zu gründen. Die HTS reagierte mit einer Militäroperation in Afrin (Etana 12.2023). HTS verfolgt eine Expansionsstrategie und führt eine Offensive gegen regierungsnahe Milizen im raum Aleppo durch (UNSC 25.7.2023).
Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes unter HTS- oder SNA-Dominanz
Letzte Änderung 2024-03-08 19:52
In Gebieten außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes ist die Lage von Justiz und Verwaltung von Region zu Region und je nach den örtlichen Herrschaftsverhältnissen unterschiedlich (AA 2.2.2024). In von oppositionellen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden unterschiedlich konstituierte Gerichte und Haftanstalten aufgebaut, mit starken Unterschieden bei der Organisationsstruktur und bei der Beachtung juristischer Normen. Manche Gruppen folgen dem (syrischen) Strafgesetzbuch, andere folgen dem Entwurf eines Strafgesetzbuches auf Grundlage der Scharia, der von der Arabischen Liga aus dem Jahr 1996 stammt, während wiederum andere eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und Scharia anwenden. Erfahrung, Expertise und Qualifikation der Richter in diesen Gebieten sind oft sehr unterschiedlich und häufig sind diese dem Einfluss der dominanten bewaffneten Gruppierungen unterworfen (USDOS 11.3.2020). Auch die Härte des angewandten islamischen Rechts unterscheidet sich, sodass keine allgemeinen Aussagen getroffen werden können (ÖB Damaskus 1.10.2021).
Doch werden insbesondere jene religiösen Gerichte, welche in (vormals) vom Islamischen Staat (IS) und von Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: HTS wird von den Vereinigten Staaten aufgrund ihrer Verbindungen zu Al Qa’ida als ausländische Terrororganisation eingestuft (CRS 8.11.2022)] kontrollierten Gebieten Recht sprechen, als nicht mit internationalen Standards im Einklang stehend charakterisiert (ÖB Damaskus 1.10.2021). Die Gerichte extremistischer Gruppen verhängen in ihren religiösen Gerichten harte Strafen wegen in ihrer Wahrnehmung religiösen Verfehlungen (FH 9.3.2023). Urteile von Scharia-Räten der Opposition resultieren manchmal in öffentlichen Hinrichtungen, ohne dass Angeklagte Berufung einlegen oder Besuch von ihren Familien erhalten können (USDOS 20.3.2023).
Das Gebiet unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten syrischen Oppositionsgruppen wird von der „Syrischen Interimsregierung“ (Syrian Interim Government – SIG) verwaltet. Das Justizsystem ist hauptsächlich mit erfahrenem Personal als Richter, Staatsanwälte und Anwälte besetzt, aber die Justiz gilt als direkt und indirekt unter Einfluss der türkischen Streitkräfte und ihrer lokalen syrischen Verbündeten stehend. Implizit werden Korruption und Schikanen durch diese von der Justiz toleriert. Gleichzeitig wird gegen jegliche Opposition zur SIG oder der türkischen Präsenz strikt vorgegangen. Neben einem zivilen Justizsystem gibt es auch eine Militärjustiz, welche für militärische Strafverfahren und für das Militärpersonal zuständig ist (NMFA 5.2022).
In Idlib übernehmen quasi-staatliche Strukturen der sogenannten „Errettungs-Regierung“ der HTS Verwaltungsaufgaben (AA 2.2.2024) und verfügen auch über eine Justizbehörde. Die Gruppe unterhält auch geheime Gefängnisse. Die HTSunterwirft ihre Gefangenen geheimen Verfahren, den sogenannten „Scharia-Sitzungen“. In diesen werden die Entscheidungen von den Scharia- und Sicherheitsbeamten (Geistliche in Führungspositionen der HTS, die befugt sind, Fatwas [Rechtsgutachten] und Urteile zu erlassen) getroffen. Die Gefangenen können keinen Anwalt zu ihrer Verteidigung hinzuziehen und sehen ihre Familien während ihrer Haft nicht (NMFA 6.2021). Die COI(die von der UNO eingesetzte Independent International Commission ofInquiryon the SyrianArabRepublic) stellt in ihrem Bericht vom Februar 2022 fest, dass durch HTSund andere bewaffnete Gruppierungen eingesetzte, rechtlich nicht legitimierte Gerichte Urteile bis hin zur Todesstrafe aussprechen. Dies sei als Mord einzustufen und stelle insofern ein Kriegsverbrechen dar (AA 2.2.2024).
Für ganz Syrien gilt, dass nicht gewährleistet ist, dass justizielle und administrative Dienstleistungen allen Bewohnern und Bewohnerinnen in gleichem Umfang und ohne Diskriminierung zugutekommen (AA 2.2.2024). Willkürliche Verhaftungen, summarische Gerichtsverfahren und extralegale Strafen finden durch alle Kriegsparteien statt (FH 9.3.2023).
Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)
Letzte Änderung 2024-03-13 15:02
Manche Quellen berichten, dass die Rekrutierung durch regierungsfreundliche Milizen im Allgemeinen auf freiwilliger Basis geschieht. Personen schließen sich häufig auch aus finanziellen Gründen den National Defense Forces (NDF) oder anderen regierungstreuen Gruppierungen an (FIS 14.12.2018). Andere Quellen berichten von der Zwangsrekrutierung von Kindern im Alter von sechs Jahren durch Milizen, die für die Regierung kämpfen, wie die Hizbollah und die NDF (auch als „shabiha“ bekannt) (USDOS 29.7.2022). In vielen Fällen sind bewaffnete regierungstreue Gruppen lokal organisiert, wobei Werte der Gemeinschaft wie Ehre und Verteidigung der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung haben. Dieser soziale Druck basiert häufig auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft (FIS 14.12.2018). Oft werden die Kämpfer mit dem Versprechen, dass sie in der Nähe ihrer lokalen Gemeinde ihren Einsatz verrichten können und nicht in Gebieten mit direkten Kampfhandlungen und damit die Wehrpflicht umgehen könnten, angeworben. In der Realität werden diese Milizen aber trotzdem an die Front geschickt, wenn die SAA Verstärkung braucht bzw. müssen die Männer oft nach erfolgtem Einsatz in einer Miliz trotzdem noch ihrer offiziellen Wehrpflicht nachkommen (EUAA 10.2023). In manchen Fällen aber führte der Einsatz bei einer Miliz tatsächlich dazu, der offiziellen Wehrpflicht zu entgehen, bzw. profitierten einige Kämpfer in regierungsnahen Milizen von den letzten Amnestien, sodass sie nach ihrem Einsatz in der Miliz nur mehr die sechsmonatige Grundausbildung absolvieren mussten um ihrer offiziellen Wehrpflicht nachzugehen, berichtet eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums (NMFA 8.2023). Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023).
In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf als die SNA (DIS 12.2022). Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer „regulären Armee“ zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten „HTS-Wehrpflicht“ in ldlib liebäugelte, damit dem „Staatsvolk“ von ldlib eine „staatliche“ Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte (BMLV 12.10.2022). Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (SNHR 20.11.2023).
Wehrpflichtgesetz der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“
Auch aus den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten Syriens gibt es Berichte über Zwangsrekrutierungen. Im Nordosten des Landes hat die von der kurdischen Partei PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat, Partei der Demokratischen Union] dominierte „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ [Autonomous Administration of North and East Syria, AANES] 2014 ein Wehrpflichtgesetz verabschiedet, welches vorsah, dass jede Familie einen „Freiwilligen“ im Alter zwischen 18 und 40 Jahren stellen muss, der für den Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr in den YPG [Yekîneyên Parastina Gel, Volksverteidigungseinheiten] dient (AA 2.2.2024). Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“, das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen (EB 15.8.2022; vgl. DIS 6.2022). Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit (ANHA, 4.9.2021). Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (DIS 6.2022). Mit Stand September 2023 war das Dekret noch immer in Kraft (ACCORD 7.9.2023).
Die Wehrpflicht gilt in allen Gebieten unter der Kontrolle der AANES, auch wenn es Gebiete gibt, in denen die Wehrpflicht nach Protesten zeitweise ausgesetzt wurde [Anm.: Siehe weiter unten]. Es ist unklar, ob die Wehrpflicht auch für Personen aus Afrin gilt, das sich nicht mehr unter der Kontrolle der „Selbstverwaltung“ befindet. Vom Danish Immigration Service (DIS) befragteQuellen machten hierzu unterschiedliche Angaben. Die Wehrpflicht gilt nicht für Personen, die in anderen Gebieten als den AANES wohnen oder aus diesen stammen. Sollten diese Personen jedoch seit mehr als fünf Jahren in den AANES wohnen, würde das Gesetz auch für sie gelten. Wenn jemand in seinem Ausweis als aus Hasakah stammend eingetragen ist, aber sein ganzes Leben lang z.B. in Damaskus gelebt hat, würde er von der „Selbsverwaltung“ als aus den AANES stammend betrachtet werden und er müsste die „Selbstverteidigungspflicht“ erfüllen. Alle ethnischen Gruppen und auch staatenlose Kurden (Ajanib und Maktoumin) sind zum Wehrdienst verpflichtet. Araber wurden ursprünglich nicht zur „Selbstverteidigungspflicht“ eingezogen, dies hat sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert (DIS 6.2022; vgl. NMFA 8.2023).
Ursprünglich betrug die Länge des Wehrdiensts sechs Monate, sie wurde aber im Jänner 2016 auf neun Monate verlängert (DIS 6.2022). Artikel zwei des Gesetzes über die „Selbstverteidigungspflicht“ vom Juni 2019 sieht eine Dauer von zwölf Monaten vor (RIC 10.6.2020). Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je nach Gebiet entschieden wird. Beispielsweise wurde der Wehrdienst 2018 aufgrund der Lage in Baghouz um einen Monat verlängert. In Afrin wurde der Wehrdienst zu drei Gelegenheiten in den Jahren 2016 und 2017 um je zwei Monate ausgeweitet. Die Vertretung der „Selbstverwaltung“ gab ebenfalls an, dass der Wehrdienst in manchen Fällen um einige Monate verlängert wurde. Wehrdienstverweigerer können zudem mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden (DIS 6.2022).
Nach dem abgeleisteten Wehrdienst gehören die Absolventen zur Reserve und können im Fall „höherer Gewalt“ einberufen werden. Diese Entscheidung trifft der Militärrat des jeweiligen Gebiets. Derartige Einberufungen waren den vom DIS befragten Quellen nicht bekannt (DIS 6.2022).
Einsatzgebiet von Wehrpflichtigen
Die Selbstverteidigungseinheiten [Hêzên Xweparastinê, HXP] sind eine von den SDF separateStreitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eigene Militärkommandanten verfügt. Die SDF weisen den HXP allerdings Aufgaben zu und bestimmen, wo diese eingesetzt werden sollen. Die HXP gelten als Hilfseinheit der SDF. In den HXP dienen Wehrpflichtige wie auch Freiwillige, wobei die Wehrpflichtigen ein symbolisches Gehalt erhalten. Die Rekrutierung von Männern und Frauen in die SDF erfolgt dagegen freiwillig (DIS 6.2022).
Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der „Selbsverteidigungspflicht“ erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hasakah, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa (DIS 6.2022).
Rekrutierungspraxis
Die Aufrufe für die „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim „Büro für Selbstverteidigungspflicht“ ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des Wehrdiensts dokumentiert wird – z. B.die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird (DIS 6.2022). Das Wehrpflichtgesetz von 2014 wird laut verschiedenen Menschenrechtsorganisationen mit Gewalt durchgesetzt. Berichten zufolge kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen von Jungen und Mädchen (AA 2.2.2024).
Wehrdienstverweigerung und Desertion
Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen (ÖB Damaskus 12.2022). Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die „Militärpolizei“ unter seiner Adresse. Die meisten sich der „Wehrpflicht“ entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (DIS 6.2022).
Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das „Selbstverteidigungspflichtgesetz“ auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 2.2.2024), während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der „Wehrpflicht“ um einen Monat bestraft würden – zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft „für eine Zeitspanne“. Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden (DIS 6.2022). Ähnliches berichteten ein von ACCORD befragter Experte, demzufolge alle Wehrdienstverweigerer nach dem Gesetz der Selbstverteidigungspflicht gleich behandelt würden. Die kurdischen Sicherheitsbehörden namens Assayish würden den Wohnort der für die Wehrpflicht gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleibe, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft (ACCORD 6.9.2023). Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB Damaskus 12.2022). Einem von ACCORD befragten Syrienexperten zufolge hängen die Konsequenzen für die Wehrdienstverweigerung vom Profil des Wehrpflichtigen ab sowie von der Region, aus der er stammt. In al-Hasakah beispielsweise könnten Personen im wehrpflichtigen Alter zwangsrekrutiert und zum Dienst gezwungen werden. Insbesondere bei der Handhabung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht gegenüber Arabern in der AANES gehen die Meinungen der Experten auseinander. Grundsätzlich gilt die Pflicht für Araber gleichermaßen, aber einem Experten zufolge könne die Behandlung je nach Region und Zugriffsmöglichkeit der SDF variieren und wäre aufgrund der starken Stammespositionen oft weniger harsch als gegenüber Kurden. Ein anderer Experte wiederum berichtet von Beleidigungen und Gewalt gegenüber arabischen Wehrdienstverweigerern (ACCORD 6.9.2023).
Bei Deserteuren hängen die Konsequenzen abseits von einer Zurücksendung zur Einheit und einer eventuellen Haft von ein bis zwei Monaten von den näheren Umständen und eventuellem Schaden ab. Dann könnte es zu einem Prozess vor einem Kriegsgericht kommen (DIS 6.2022).
Eine Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht (DIS 6.2022; vgl. EB 12.7.2019).
Bewegungsfreiheit
Bewegungsfreiheit innerhalb Syriens
Letzte Änderung 2024-03-13 16:23
Die Verfassung sieht Bewegungsfreiheit vor, ’außer eine gerichtliche Entscheidung oder die Umsetzung von Gesetzen’ schränken diese ein. Das Regime, HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) und andere bewaffnete Gruppen sehen Restriktionen bei der Bewegungsfreiheit in ihren jeweiligen Gebieten vor und setzen dazu zur Überwachung Checkpoints ein (USDOS 20.3.2023).
Regierungsangriffe auf die Provinz Idlib und Teile Südsyriens schränkten die Bewegungsfreiheit ein und führten zu Todesfällen, Hunger und schwerer Mangelernährung, während die Angst vor der Vergeltung der Regierung zur Massenflucht von ZivilistInnen und dem Zusammenbruch u. a. der humanitären Hilfe führte. Im Februar 2022 ergab eine UN-Umfrage, dass 51 Prozent der geprüften Gemeinschaften von Bewegungseinschränkungen betroffen waren (USDOS 20.3.2023). Checkpoints werden sowohl von Regimesicherheitskräften sowie lokalen und ausländischen Milizen unterhalten (USDOS 20.3.2023). In den Städten und auf den Hauptverbindungsstraßen Syriens gibt es eine Vielzahl militärischer Kontrollposten der syrischen Sicherheitsbehörden und bewaffneter Milizen, die umfassende und häufig ungeregelte Kontrollen durchführen. Dabei kann es auch zu Forderungen nach Geldzahlungen oder willkürlichen Festnahmen kommen. Insbesondere Frauen sind in diesen Kontrollen einem erhöhten Risiko von Übergriffen ausgesetzt (AA 8.12.2023). Auch können Passierende gewaltsam für den Militärdienst eingezogen werden (NFMA 5.2022).
Überlandstraßen und Autobahnen sind zeitweise gesperrt. Reisen im Land ist durch Kampfhandlungen vielerorts weiterhin sehr gefährlich. Es gibt in Syrien eine Reihe von Militärsperrgebieten, die allerdings nicht immer eindeutig gekennzeichnet sind. Darunter fallen auch die zahlreichen Checkpoints der syrischen Armee und Sicherheitsdienste im Land. Für solche Bezirke gilt ein absolutes Verbot, sie zu betreten. Der Begriff der militärischen Einrichtung wird von den syrischen Sicherheitsdiensten umfassend ausgelegt und kann neben klar erkennbaren Kasernen, Polizeistationen und Militärcheckpoints auch schwerer zu identifizierende Infrastruktur wie z. B. Wohnhäuser hochrangiger Personen, Brücken, Rundfunkeinrichtungen oder andere staatliche Gebäude umfassen (AA 8.12.2023). Zudem wurden Kontrollpunkte eingerichtet, um diejenigen, die außerhalb der von der Regierung kontrollierten Gebiete leben, am Zugang zu ihren Grundstücken oder Eigentumsdokumenten zu hindern. Es gibt auch Berichte über die Beschlagnahmung von Eigentumsdokumenten und anderen Ausweispapieren an Kontrollpunkten, einschließlich Heiratsurkunden. Dies birgt für Frauen ein besonders hohes Risiko, den Zugang zu ihrem Eigentum zu verlieren, falls das Eigentum auf den Namen des Ehemannes eingetragen ist (AA 2.2.2024). Die Regimesicherheitskräfte erpressen Leute an den Checkpoints (USDOS 20.3.2023) für eine sichere Passage durch ihre Kontrollpunkte. So werden z. B. an den Checkpoints an der Straße von der jordanisch-syrischen Grenze nach Dara’a üblicherweise Bestechungsgelder eingehoben (HRW 20.10.2021).
Die Kontrollpunkte grenzen die Stadtteile voneinander ab. Sie befinden sich auch an den Zugängen zu Städten und größeren Autobahnen wie etwa Richtung Libanon, Flughafen Damaskus, und an der M5-Autobahn, welche von der jordanischen Grenze durch Dara’a, Damaskus, Homs, Hama und Aleppo bis zur Grenze mit der Türkei reicht. Zurückeroberte Gebiete weisen eine besonders hohe Dichte an Checkpoints auf (HRW 20.10.2021). Die Vierte Division, angeführt von Maher al-Assad, dem Bruder von Bashar al-Assad, übernahm die Kontrolle über alle Transportrouten Richtung Libanon und Jordanien sowie alle Hauptverkehrswege in West- und Süd-Syrien. Eine große Rekrutierungskampagne für die Besatzungen der Kontrollpunkte ist im Gang. Die Checkpoints sichern die Drogentransitrouten [Anm.: Siehe Informationen zu Ceptagon in den jeweiligen Kapiteln] und sind dabei ein Monopol auf Bestechungsgelder für Reisen durch das Land zu schaffen (FP 1.2.2023).
Passierende müssen an den vielen Checkpoints des Regimes ihren Personalausweis und bei Herkunft aus einem wiedereroberten Gebiet auch ihre sogenannte ’Versöhnungskarte’ vorweisen. Die Telefone müssen zur Überprüfung der Telefonate übergeben werden. Es mag zwar eine zentrale Datenbank für gesuchte Personen geben, aber die Nachrichtendienste führen auch ihre eigenen Suchlisten. Seit 2011 gibt es Computer an den Checkpoints und bei Aufscheinen (in der Liste) wird die betreffende Person verhaftet (HRW 20.10.2021). Personen können beim Passieren von Checkpoints genaueren Kontrollen unterliegen, u. a. wenn sie z. B. aus früher oppositionell-kontrollierten Gebieten stammen oder auch wenn sie Verbindungen zu Personen in Oppositionsgebieten wie Nordsyrien oder zu bekannten oppositionellen Familien haben. Männer im wehrfähigen Alter werden auch hinsichtlich des Status ihres Wehrdienstes gesondert überprüft. Auch eine Namensähnlichkeit mit einer gesuchten Person kann zu Problemen an Kontrollpunkten führen (DIS/DRC 2.2019). Die Behandlung von Personen an einem Checkpoint kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem, wer ihn kontrolliert. Auch die Laune und die Präferenzen des Kommandanten können eine Rolle spielen (DIS 9.2019).
Die Regimesicherheitskräfte halten in einigen Fällen ZivilistenInnen von der Flucht aus belagerten Städten ab (USDOS 20.3.2023). Im Fall von Dara’a al-Balad im Jahr 2021 verletzte laut UN Commission of Inquiry for Syria die Belagerungstaktik der Pro-Regimekräfte die Bewegungsfreiheit und könnte auf eine Kollektivbestrafung hinauslaufen (USDOS 20.3.2023).
Ausländischen DiplomatInnen – einschließlich von der UNO und dem OPCW Investigation and Identification Team (IIT) (OPCW – Organization for the Prohibition of Chemical Weapons) – wurde von der syrischen Regierung der Besuch vieler Landesteile untersagt, und sie erhielten selten die Erlaubnis, außerhalb von Damaskus zu reisen (USDOS 20.3.2023).
Anm.: Zum dahinschwindenden öffentlichen Verkehrssystem und seinen gestiegenen Fahrpreisen siehe Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft.
1.3.2 Auszug aus der Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN, 10.12.2024:
Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht
1. Zusammenfassung der Ereignisse
Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا – Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende.
Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).
Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).
Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).
Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).
Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية – Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).
Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).
In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).
Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).
2. Die Akteure
Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).
Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).
Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).
Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).
• Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).
Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).
• National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).
• Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).
• Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).
• Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).
• Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).
• Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).
• Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).
3. Aktuelle Lageentwicklung
Sicherheitslage:
Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).
Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).
Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).
Sozio-Ökonomische Lage:
Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).
Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).
Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).
Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).
Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).
1.3.3 Auszug aus EUAA, Interim Country Guidance, Juni 2025:
Persons perceived to have opposed the Assad regime
Last update: June 2025
This profile covers the post-Assad situation of persons who were perceived by the Assad regime to oppose it. The Assad regime viewed as political dissent the activities of wide categories of individuals, including members of anti-government armed groups, protesters, political activists and opposition party members. Individuals from former opposition-held areas or civilians from recaptured areas were also treated with a high level of suspicion.
(Former) Members of anti-Assad armed groups
Members of anti-Assad armed groups had been subjected to persecution by the Assad regime (e.g. assassination, torture, arbitrary arrest). As mentioned above, the risk related to the Assad regime has vanished.
At the time of writing, there is no specific information as to their treatment by actors currently present and operating in Syria. However, this should not be interpreted as an indication that there might not be further international protection needs.
Therefore, it can be concluded that:
(Former) members of anti-Assad armed groups, now integrated in the new Syrian military, would in general not have a well-founded fear of persecution from the Transitional Administration.
As per the potential targeting by the Transitional Administration of the (former) members of anti-Assad armed groups, not integrated in the new Syrian military, the individual assessment of whether there is a reasonable degree of likelihood for the applicant to face persecution should be made on a case-by-case basis and should take into consideration the most recent COI.
Where well-founded fear of persecution is substantiated for an applicant under this profile, this is highly likely to be for reasons of (imputed) political opinion.
With reference to the potential targeting by other actors such as the Syrian National Army (SNA), the Islamic State of Iraq and Levant (ISIL) and the Syrian Democratic Forces (SDF), see Members of and persons perceived to be collaborating with the SDF/YPG and Persons perceived to be opposing the SDF/YPG.
Exclusion considerations could be relevant to this sub-profile, as (former) members of anti-Assad armed groups may have been involved in excludable acts.
Political activists, Assad-opposition party members, protesters, and civilians originating from areas associated with opposition by the Assad regime
Individuals under this sub-profile had been subjected to persecution by the Assad regime (e.g. detention, torture, killing). As mentioned above, the risk related to the Assad regime has vanished.
Nevertheless, depending on the topics they advocate for, some political activists and protesters could potentially be seen as critical by the Transitional Administration and/or other actors such as the SDF [see for example Country Focus 2025, 4.3].
Should a well-founded fear of persecution be substantiated for applicants under this sub-profile, this would highly likely be for reasons of (imputed) political opinion.
1.3.4 Auszug aus EUAA, Country Focus:
1.2.2. Governance under the Transitional Administration
(c) Military reforms
Prior to their entry into Damascus on December 8, the HTS pledged to maintain Syria’s institutional framework, later declaring a general amnesty for Syrian army soldiers. The transitional government consequently initiated a settlement process (for more information see section 1.3.1), which facilitated the reintegration of large numbers of former government and military personnel, including high-ranking officials, some of whom were involved in significant wartime abuses, such as Fadi Saqr. Next to the voluntary settlement procedures taking place, the Military Operations Administration (MOA), the umbrella command centre of the new HTS-led transitional administration, tracked down individuals evading settlement. As part of these campaigns previous officers were arrested, while others were released after it was established that they had not participated in abuses. According to Etana, concerns arose over a lack of process, as reports suggest executions of low-level militiamen, which authorities are framing as isolated acts of community revenge. The Syrian Observatory for Human Rights (SOHR), a UK-based monitoring organisation, reported in mid-January that 8 000 individuals struck reconciliation deals at the MOA centers in Sallamiyah, Hama within a few days. The number of officers and members of the previous government’s forces in prisons such as Adra, Hama, and Harim increased to over 9 000, including 2 000 who were returned from Iraq. Most were arrested after being caught in raids or checkpoints.
The transitional government further abolished conscription,126 except in situations such asnational emergencies. According to Samir Saleh, member of the military command in Damascus countryside, the Syrian army is going to be an army of volunteers in which the population will be encouraged to participate, with the aim to secure the country’s borders. Previous defectors, such as officers from the Free Syrian Army (FSA) will be given a special status within the structure of the Ministry of Defense, depending on their expertise. On December 29, a list of 49 new military commanders was published, including members of HTS, defected officers from the Syrian army, and at least six non-Syrians, with the seven highest-ranking positions reportedly filled by HTS members.
Finally, the transitional government committed to integrating all rebel factions into the Ministry of Defense. Between January and February 2025, the interim ministries of Defense and Interior undertook efforts to unify all armed factions into a single military and police force. The Ministry of Defence reported that over 70 factions across six regions had agreed to integrate, and a Supreme Committee was established to regulate military assets, including personnel, bases, and weaponry. On 29 January, the interim government formally announced the dissolution of all opposition parties and military groups, though the extent to which this applied to the SDF remained unclear. The SDF initially resisted integration, particularly after its proposal to join as a semi-autonomous entity was rejected by the Defence Ministry, whichaccused it of delaying negotiations, but in early March it was announced that the SDF signed a deal to integrate their armed forces and civilian institutions into the new Syriangovernment. By mid-February, the transitional administration had successfully integrated around 100 armed factions, including the U.S.-backed Syrian Free Army, into a new Syrian military and Ministry of Defense. However, some factions, such as the one of Ahmad al-Awdain southern Syria and various Druze military groups, remained resistant.134 The armed factions of Sweida governorate remained fully intact, with two new military bodies emerging in January.
1.3. Treatment of certain profiles and groups of the population
1.3.1. Persons affiliated with the government of Bashar Al-Assad
Upon its takeover of power, the transitional administration did not pursue a sweeping de- Baathification process akin to Iraq’s post-war policies and the offices of the Baath Party were not systematically targeted. In December, the Baath Party leadership suspended activities. At the end of January, it was announced that the party had been dissolved.
From the outset, the new authorities announced that soldiers who had been recruited under compulsory service were safe, and it was forbidden to assault them. On 9 December, the MOA issued a general amnesty for all military personnel conscripted under compulsory service. The new administration subsequently established so-called ‘reconciliation centres to provide temporary civilian identity cards to former members of the police, military, intelligence services, and pro-Assad militias who surrender their weapons. These reconciliation centres oversee the process by which former regime affiliates surrender their weapons and register their personal information in exchange for temporary identification cards. These cards grant limited legal protection and safe passage, but the process lacks transparency, follows inconsistent criteria, and is influenced by security agencies, with many applicants facing complex bureaucratic hurdles. In late December, the BBC reported significant participation, with hundreds of individuals queuing at a reconciliation centre in Damascus.
In January and February, local media and organisations following the events in Syria reported that the new administration granted amnesty to some high level figures associated with the Assad government, such as Fadi Saqr, previous leader of the National Defence Forces. The MOA was further said to have granted reconciliation to collaborators of Maher Al-Assad, such as businessmen who sponsored his activities, as well as Major General Talal Makhlouf, the Assad government’s Republican Guard. Concurrently, the collapse of Bashar Al-Assad’s government prompted numerous senior officials and associates of the ruling family to flee to Lebanon. However, Lebanese authorities expelled Syrian officers and soldiers who had entered illegally, returning them to Syria, where they were detained by the new administration.
By the end of December, the transitional administration intensified efforts to apprehend individuals associated with the ousted government. Authorities claimed their arrest campaigns target only individuals who committed crimes on behalf of the Assad regime. Campaigns in Deir Ez-Zor, Aleppo, and Tartous focused on confiscating illegal weapons and apprehending suspects involved in illegal activities. Nearly 300 individuals were detained in one week alone across Damascus, Latakia, Tartous, Homs, Hama, and Deir Ez-Zor, including former regime informants, pro-Iranian fighters, and lower-ranking military officers. According to SOHR, some detainees accused of having provided intelligence to the Assad government were reportedly executed immediately after their arrest. On 10 January, SOHR reported that fighters associated with the transitional administration publicly executed Mazen Kneneh, a local official accused of serving as an informant for the ousted president Assad. In February, further extrajudicial killings of former affiliates of militias supportive of Bashar Al-Assad were reported, such as the assassination of four members of the Meido family, who were part of a local militia, which had fought alongside the previous government. According to SOHR, extrajudicial and revenge killings resulted in the deaths of 287 individuals between the start of 2025 and middle of February 2025.
Operations continued throughout January, with members of the general security administration inspecting houses, looking for weapons and individuals who had not reconciled with the transitional administration. Extensive military and security operations across key regions, such as the coastal cities, Homs, Hama, Aleppo, and Damascus involved raids, weapons searches, and the further detention of hundreds of individuals. The operations focused on former military fighters and ex-government personnel and resulted in significant amounts of weapons and ammunition seized. The arrested individuals were transported to Homs Central Prison, Hama Central Prison, and Adra Prison in the Rural Damascus area. Additionally, videos posted online showed detainees, apprehended during these operations, enduring physical and verbal mistreatment, including assaults and humiliating treatment. According to the Syria Justice and Accountability Center, these security operations resulted in various human rights violations, including the reported death of detainees in custody and the 163 Syria Justice and Accountability Centre, Human Rights Violations in Syria, December 2024 – January 2025, 22 January 2025, urlarrest of relatives of wanted individuals, affecting both former Assad government affiliates and unrelated civilians. By mid-January, the SOHR reported that over 9 000 combatants and officers remained detained, amid allegations of torture and restricted communication with families. Information by the Syrian Network for Human Rights (SNHR) match the allegations of torture, as reported by families who had bodies of family members returned after their detention by the General Security Directorate. Concurrently, SOHR reported that 275 detainees from the Central Homs Prison were released following a determination of their innocence in war crimes committed against the Syrian population. In January 2025, the transitional administration freed around 641 individuals, mainly from the governorates of Homs, Hama, and Latakia, who had been held in detention for durations spanning a few days to a month, with the majority being released in small groups from Homs Central Prison.
At the beginning of February, the Ministry of Information imposed a prohibition on conducting interviews with or disseminating statements attributed to individuals affiliated with the former government.
Since the takeover by the transitional administration, remnant pro-Assad groups have conducted small-scale, targeted hit-and-run attacks against its security forces across Syria. These attacks have prompted the authorities to launch operations to capture the culprits which at times resulted in civilian casualties. In early March, coordinated attacks by pro- Assad groups on security forces, particularly in the coastal areas, led to a significant escalation which resulted in large numbers of civilian casualties, mostly from the Alawite community.
Next to the transitional administration’s operations, incidents of suspected revenge acts, including killings, kidnappings, and arson, by unidentified groups have been documented, though their scale remains unclear. At the end of December, three Alawite judges in Masyaf, responsible for property disputes, were killed, an act condemned by the transitional administration. In January, SOHR reported the execution of 15 people, including officers of the former government, by unidentified gunmen in Homs governorate. Furthermore, 53 people were arrested and brought to unknown locations.
1.3.5 Auszug aus UNHCR: POSITION ON RETURNS TO THE SYRIAN ARAB REPUBLIC, Dezember 2024:
While risks related to persecution by the former Government have ceased, other risks may persist or become more pronounced. In light of the rapidly changed dynamics and evolving situation in Syria, UNHCR is not currently in a position to provide detailed guidance to asylum decision-makers on the international protection needs of Syrians. UNHCR will continue to monitor the situation closely, with a view to providing more detailed guidance as soon as circumstances permit. In view of the current uncertainty of the situation in Syria, UNHCR calls on asylum States to suspend the issuance of negative decisions on applications for international protection by Syrian nationals or by stateless persons who were former habitual residents of Syria. The suspension of the issuance of negative decisions should remain in place until such time as the situation in Syria has stabilized and reliable information about the security and human rights situation is available to make a full assessment of the need to grant refugee status to individual applicants.
1.3.6 Auszüge aus den REGIONAL FLASH UPDATE: SYRIA SITUATION CRISIS, UNHCR:
Flash Update #17, 07.03.2025:
As of 6 March 2025, UNHCR estimates that some 301,900 have returned to Syria via neighboring countries since early December 2024. The figures are based on a triangulation of sources from outside and inside Syria and include refugees registered with UNHCR and other Syrians returning from Türkiye, Lebanon, Jordan, Iraq and Egypt, as well those transiting from beyond the Region.
On 4 March, the spokesperson of the Jordanian government announced that Syrian refugees willing to leave Jordan voluntarily will be exempted from some customs service fees, including those for luggage and furniture.
According to a new large-scale intention survey carried out by UNHCR, REACH and the Camp Coordination and Camp Management Cluster, one million internally displaced people living in camps and sites across north-west Syria intend to return to their areas of origin within one year, 600,000 of them before the end of the summer.
As of 6 March 2025, UNHCR estimates that 301,900 Syrians have crossed back into Syria from
neighboring countries since 8 December 2024.
Furthermore, 885,294 internally displaced persons (IDPs) have returned to their homes since 27 November 2024, based on the most recent data from UNHCR and OCHA, as of 26 February 2025.
With regards to internal displacement, according to a new large-scale intention survey carried out by UNHCR, REACH and the Camp Coordination and Camp Management Cluster, one million internally displaced people living in camps and sites across north-west Syria intend to return to their areas of origin within one year, 600,000 of them before the end of the summer. The survey, conducted across 514 IDP sites, highlights that return intentions are particularly strong in Idleb, with former frontline areas in Idleb and Aleppo being the primary destinations. However, massive challenges remain: IDPs cite a lack of humanitarian aid, jobs, basic services, and the threat of land mines as major obstacles. Nearly all returnees plan to move back to their former homes, but 80% report severe damage or destruction, a figure rising to 95% in frontline districts. UNHCR and partners are working to provide transportation, legal assistance, and essential aid, yet the scale of needs is immense. With Syria’s economy and infrastructure shattered after nearly 14 years of crisis, UNHCR calls on the international community to support early recovery efforts, ensuring returnees have the resources to rebuild their lives. This moment presents a historic opportunity to help end the world’s largest displacement crisis – but urgent international commitment is needed.
As per the political developments in the country, the Legal Committee for Drafting the Constitutional Declaration stated the necessity of drafting a constitutional declaration to manage the transitional period in Syria. This declaration aims to regulate the transitional phase, define the powers of the three authorities, and ensure stability and reconstruction. On the other hand, the UN Secretary General Antonio Guterres met with Syrian President Ahmad al-Sharaa to discuss the political transition in Syria and ongoing challenges. Guterres emphasized the need for an inclusive transition and pledged UN support for Syria's recovery and humanitarian needs.
In terms of UNHCR’s response, the UN Refugee Agency continues to play a pivotal role in supporting displaced populations and returnees across Syria, ensuring access to essential services and protection. At key border crossing points, including Joussieh, Jdaidet Yabous, Nassib, Bab Al Hawa, and Bab Al-Salama, UNHCR maintains a consistent presence to monitor return trends and provide crucial assistance. This includes offering information on available services at the destination, as well as facilitating communication by providing water and Internet access to those approaching the border posts.
In Northeast Syria, UNHCR has been instrumental in facilitating voluntary returns for internally displaced persons (IDPs). Only on March 4, over 403 individuals departed Areesha Camp in Qamishli, making their way back to their areas of origin in Deir ez-Zor, including Tabia, Mayadin, and Qoria. To support these movements, UNHCR is procuring ad-hoc transportation services, ensuring that IDPs can return in a safe and dignified manner.
Through an extensive network of community-based services, UNHCR is reaching IDPs, returnees from Idleb, and Syrian refugee returnees from neighboring countries. Key areas of support include civil documentation (such as identity cards and marriage authentication), distribution of core relief items, hygiene kits, cash assistance, and livelihood opportunities.
UNHCR-supported Community Centers remain at the heart of protection services, with 106 out of 122 operational centers providing critical assistance to returnees, IDPs, and host communities.
These centers offer legal aid, agricultural support, medical assistance, mental health and psychosocial services, gender-based violence prevention, and child protection case management, among other services. Recent initiatives include the rehabilitation of damaged homes in Aleppo, distribution of agricultural grants in Dar’a, provision of dignity kits in Aleppo and Idleb, support for children’s education in As-Sweida, and essential relief distributions in Homs, Ar-Raqqa, and Deir ez-Zor. Additionally, UNHCR is promoting sustainable solutions through livelihood grants for small businesses, distribution of solar devices to newly returned families in Qamishli, and the Cash for Shelter program in Aleppo. These initiatives underscore UNHCR’s ongoing commitment to fostering resilience and recovery for displaced populations across Syria.
1.3.7 Zusammenfassende Feststellung zu den verfahrensrelevanten Umständen des Umsturzes ab 27.11.2024 bzw. 08.12.2024:
1.3.7.1 Die ehemalige syrische Armee wurde zuerst von der Übergangsregierung außer Dienst gestellt und wurde schließlich formell aufgelöst, die Wehrpflicht in der (früheren) syrischen Armee ist gegenstandslos geworden. Seitens der Übergangsregierung bestehen bereits Bestrebungen eine neue syrische Armee zu formieren. So kündigte Syriens neuer Machthaber, Ahmed al-Scharaa, medial an, dass die HTS sowie alle bewaffneten Rebellenfraktionen im Konsens aufgelöst und unter dem Dach des Verteidigungsministeriums zusammengeführt werden. Zudem sollen die Geheimdienste der gestürzten Assad-Regierung aufgelöst werden, welche über Jahrzehnte hinweg maßgeblich an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Die neuen Machthaber haben jedenfalls die Häftlinge aus den berüchtigten Foltergefängnissen entlassen und diese für Angehörige von Inhaftierten, internationale Journalisten und Menschenrechtsorganisationen zugänglich gemacht.
1.3.7.2 Die neue Übergangsregierung unter der Führung von Ahmed al-Scharaa wird zudem von einer Reihe an hochrangigen Treffen ausländischer diplomatischer und politischer Vertreter legitimiert. Am 30.12.2024 besuchte der ukrainische Außenminister Andri Sibiha seinen neuen syrischen Amtskollegen, Asaad Hassan al-Shaibani, in Damaskus und sicherte Syrien Unterstützung zu. Gefolgt vom EU Diplomat, Michael Ohnmacht, reisten zuletzt die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock sowie ihr Amtskollege Jean-Noël Barrot in enger Absprache mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas im Auftrag der EU nach Damaskus, wodurch sich bereits ein politischer Neuanfang zwischen Syrien und Europa abzeichnete.
1.3.7.3 Auch Nachbarstaaten nahmen die Beziehungen zu Syrien wieder auf. Auf Einladung reiste Najib Mikati am 11.1.2025 als erster libanesische Premierminister seit 2010 nach Syrien, um sich mit Ahmed al-Sharaa in Damaskus zu treffen. Am 15.1.2025 besuchte der neue syrische Außenminister Asaad Hassan al-Shaybani gemeinsam mit dem syrischen Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra und Geheimdienstchef Anas Chattab erstmals die Türkei. Dabei fand ein Treffen mit dem türkischen Außenminister sowie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan statt. Die Innenminister Österreichs und Deutschlands konnten sich mit dem zuständigen syrischen Minister Ende April 2025 in Syrien treffen und die weitere Vorgehensweise besprechen
1.3.7.4 Der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus wurde am 7.1.2025 wieder aufgenommen. Seit dem Machtwechsel am 8.12.2024 kehrten zuletzt – schätzungsweise über 500.000 – insbesondere in benachbarte Staaten geflüchtete Syrer in ihre Heimat zurück.
1.3.7.5 Die USA haben die Sanktionen bereits seit längerem ausgesetzt und die Außenminister der Europäische Union haben am 20.5.2025 die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen beschlossen.
1.3.7.6 Kurz nach dem Machtwechsel am 8.12.2024 versammelten sich hunderte Männer und Frauen friedlich miteinander auf den Straßen Damaskus um ihre Meinung für ein vereintes Syrien, Demokratie, Frauenrechte, einer freien, pluralistischen Gesellschaft und einen säkularen Staat kundzutun. Diese Demonstrationen fanden insbesondere unter Anwesenheit patrouillierender HTS-Kämpfer statt, welche keinerlei Repressionsmaßnahmen gegen Demonstrierende setzten, sondern vielmehr um Entspannung bemüht waren.
1.3.7.7 Den Vertretern der HTS-Übergangsregierung ist bisher ein sehr gemäßigtes Auftreten beizumessen, zumal sich diese ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat. Sie spricht sich etwa für Minderheitenschutz aus, bekennt sich zu einer „nationalistisch-religiösen Haltung“ und zum endgültigen Bruch mit Organisationen wie al-Quaida oder dem IS.
2. Beweiswürdigung
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers
2.1.1 Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinem familiären Status gründen sich auf den glaubhaften und stringenten Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren (vgl. Erstbefragung AS 3 ff und niederschriftliche Einvernahme AS 41 ff sowie Verhandlungsschrift S 3ff). Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruhen auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen des Strafregisters.
2.1.2 Die Feststellungen betreffend die Gebietskontrolle in XXXX ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers (Verhandlungsschrift S 5) sowie aus den festgestellten Länderinformationen und festgestellten aktuellen Medienberichten sowie aus der Einsicht in die tagesaktuelle Karte https://syria.liveuamap.com/.
2.2 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
2.2.1 Mit Dezember 2024 haben sich die Machtverhältnisse in Syrien verändert. Der Kurzinformation der Staatendokumentation zu Syrien „Sicherheitslage Dezember 2024: HTS nimmt Städte in Nordsyrien ein” vom 3.12.2024 ist zu entnehmen, dass die HTS Syrien größtenteils eingenommen hat. Dazu gehört auch die Heimatregion des Beschwerdeführers. Auch aus der syria live map ist zu entnehmen, dass die Heimatregion des Beschwerdeführers unter der Kontrolle der syrischen Übergangsregierung steht.
2.2.2 Das Vorbringen des Beschwerdeführers seitens des syrischen Assad – Regimes verfolgt zu werden, ist daher obsolet geworden. Es droht dem Beschwerdeführer keine Verfolgung durch das syrische Assad – Regime.
2.2.3 Darüber hinaus brachte der Beschwerdeführer vor, dass er bei einer Rückkehr von den kurdischen Kräften zum Selbstverteidigungsdienst rekrutiert werden könnte (Verhandlungsschrift S 10). Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben nicht aus einem Gebiet unter kurdischer Kontrolle kommt (Verhandlungsschrift S 5) und somit nicht von einer Rekrutierung durch die SDF auszugehen ist. Zusätzlich anzumerken ist, dass eine Verweigerung des kurdischen Selbstverteidigungsdiensts nach den Länderinformationen nicht zu einer Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung und einer Verfolgung aufgrund dessen führt, sondern nur zur Verlängerung der Selbstverteidigungspflicht um ein Monat (vgl. LIB S 158 f).
2.2.4 Von einer asylrelevanten Behandlung oder Verfolgung durch die syrische Übergangsregierung war ebenfalls nicht auszugehen. Den Medienberichten ist zu entnehmen, dass die HTS sich um ein gemäßigtes Auftreten und Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft bemüht, auch wenn ihr dies bislang wegen ihrer ursprünglichen Ausrichtung noch nicht gelungen ist, und schon vor dem Machtwechsel keine Zwangsrekrutierungen vornahm. Es finden sich keinerlei Berichte, die seit deren Machtübernahme in Syrien Gegenteiliges berichten würden. Stattdessen berichten die Medien zahlreich von Kontakten, so beispielsweise Besuchen von hochrangigen US-Diplomaten, der deutschen Außenministerin und des französischen Außenministers wie auch zuletzt des österreichischen Innenministers wie auch der deutschen Innenministerin, und nahm auch UNHCR seine Arbeit in Syrien wieder auf. Die USA haben die Sanktionen bereits ausgesetzt und die Europäische Union zumindest teilweise. Zusätzlich finden in den Gremien der Europäischen Union bezüglich der Aufhebung der weiteren Sanktionen der Europäischen Union laufend weitere Gespräche statt. Es finden sich überdies keinerlei Berichte, wonach die Bürgerkriegssituation aufrechterhalten werden würde, wobei die nach wie vor volatile Sicherheitslage und vereinzelte Vorfälle keinesfalls verkannt werden.
2.2.5 Eine asylrelevante Situation konnte daher nicht aufgezeigt werden. Der Beschwerdeführer ist arabischer Sunnit und brachte substantiiert keine Verfolgungsgründe aufgrund von Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit vor. Als Gesamtergebnis konnte somit eine Verfolgungssituation nicht glaubhaft gemacht werden.
2.3 Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat
2.3.1 Die Feststellungen stützen sich auf die zitierten und referenzierten Quellen. Obwohl sich hinsichtlich der Lage in Syrien im Dezember 2024 die Ereignisse im Zuge des Sturzes des Assad-Regimes vorerst überschlagen haben, trat nach der Darstellung der UNHCR Quellen bereits mit Mitte Dezember nach dem Ende der Kampfhandlungen wieder zumindest grundlegend Ruhe und Ordnung in Syrien ein. Mittlerweile (Juli 2025) liegen ausreichend detaillierte Medien- und Länderberichte vor, die wieder ein klares Bild der Lage in Syrien, insbesondere in den nun von der HTS kontrollierten Gebieten gebe, „der Staub“ hat sich zwischenzeitig nach der Machtübernahme gelegt. Es besteht angesichts der Aktualität, Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen Quellen beruhen und nun wieder ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
2.3.2 Insoweit UNHCR in ihrer Position vom Dezember 2024 unmittelbar nach dem Sturz des Assad-Regimes noch von der Notwendigkeit des Zuwartens mit Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz ausging, ist dies basierend auf den vorliegenden Berichtsquellen hinfällig. Mit dem Fall des Assad-Regimes und der Machtübernahme der HTS wurden jene Verfolgungsgefahren (und die damit korrespondierenden Risikoprofile), die vom Assad- Regime als staatlichem Verfolger ausgingen, irreversibel gegenstandslos. Eine Widererrichtung dieses Regimes ist schon angesichts der breitflächigen Beseitigung der Institutionen dieses Regimes, dem völligen Verlust dessen Rückhalts in der syrischen Bevölkerung und der überstürzten Flucht von Baschar al-Assads selbst samt seiner Familie nach Russland mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.
2.3.3 Der Machtwechsel sowie dessen festgestellte Begleitumstände um den 8.12.2024 können somit als notorisch betrachtet werden. Die Feststellung, dass sich unter der Führung des HTS Anführers und nunmehrigen Machthabers Syriens eine Übergangsregierung bildete, folgt aus zahlreichen übereinstimmenden Berichten unabhängiger Medien. Andererseits resultieren die festgestellten länderspezifischen Tatsachen im Zusammenhang mit den jüngsten politischen Umwälzungen aus dem Kurzbericht der Staatendokumentation vom 10.12.2024, welcher den Verlauf der im November und Dezember 2024 eingetretenen Ereignisse bis hin zur Machtergreifung durch die syrische Opposition abbildet. Der Bericht lässt keine Zweifel am Sturz des syrischen Regimes, der Außerdienststellung der Regierungssoldaten und damit auch dem Auslaufen des syrischen Wehrdienstes. Bedenken bestehen weiters nicht im Zusammenhang mit der Freilassung von Inhaftierten und dem festgestellten Umgang mit früheren Militärangehörigen. Insoweit finden die festgestellten Umstände auch vollumfängliche Deckung in der notorischen wie tagesaktuellen Medienberichterstattung. Dasselbe trifft auf die kolportierte Neuordnung des syrischen Staates samt in Aussicht genommener Wahlen zu. Dass abseits der kurdischen Selbstverwaltung derzeit keine Verpflichtung zur Wehrdienstableistung besteht, resultiert bereits aus der Länderberichtslage vor dem Machtwechsel im Jahr 2024. Für die aktuell vollzogene oder absehbar bevorstehende Einführung eines allgemeinen und wie auch immer geartetem zwangsbewehrten Grundwehrdienst fehlt es an jedweden Anhaltspunkten sowohl anhand verfügbarer Länderberichte als auch unter Berücksichtigung tagesaktueller Medienberichterstattung.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Zuständigkeit und Besetzung des Bundesverwaltungsgerichts
3.1.1 Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
3.1.2 Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
3.2 Zu Spruchpunkt A) – Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz für den Status des Asylberechtigten
3.2.1 Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (im folgenden GFK) droht (vgl auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG, die auf Art 9 der Statusrichtlinie verweist).
3.2.2 Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.2.3 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl etwa VwGH 14.7.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).
3.2.4 Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl Art 9 Abs 1 Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).
3.2.5 Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl VwGH 2.9.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).
3.2.6 Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
3.2.7 Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden (vgl VwGH 13.1.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).
3.2.8 Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl VwGH 3.9.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
3.2.9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl VwGH 10.4.2020, Ra 2019/19/0415, mwN).
3.2.10 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden grundsätzlich daran zu messen ist, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei muss auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden, ob die revisionswerbenden Parteien unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage sind, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl VwGH 14.4.2021, Ra 2020/18/0126, mwN).
3.2.11 Für den vorliegenden Fall bedeutet das Folgendes:
Zum ursprünglichen Fluchtgrund:
3.2.12 Vor dem Hintergrund der seit Dezember 2024 geänderten Situation in Syrien ist festzuhalten, dass diejenigen Umstände, die im Zusammenhang mit der früheren syrischen Zentralregierung des Assad-Regimes standen und in einer Vielzahl von Fällen männlicher syrischer Antragsteller zur Begründung von Asylanträgen geführt haben, nämlich ua. die behauptete Furcht vor Verfolgung durch das damalige Regime aus einer tatsächlichen oder bloß unterstellten oppositionellen Einstellung dem Assad-Regime gegenüber sowie aus Folge eines bevorstehenden Militärdiensts des Beschwerdeführers, weggefallen sind. Wie festgestellt bzw allgemein bekannt, besteht die von Assad geführte Zentralregierung seit dem 8.12.2024 nicht mehr, wurde das Militär aufgelöst und spielen zur Zeit des Assad-Regimes bestehende Geheimdienststrukturen keine politische Rolle mehr.
3.2.13 Das Vorbringen bzw. die Rückkehrbefürchtung des Beschwerdeführers, das sich auf die Furcht vor einer Verfolgung durch das gestürzte syrische Regime aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung sowie seiner Familienzugehörigkeit bezieht, ist daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht einmal denkmöglich geeignet, eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft zu machen. Die Soldaten der vormaligen syrischen Regierung wurden außer Dienst gestellt und politische Gefangene des Regimes aus berüchtigten Gefängnissen entlassen. Der frühere Machthaber befindet sich nicht länger auf syrischem Staatsgebiet und wurde die Neuordnung des syrischen Staates in Aussicht genommen. Durch die Kontrollerlangung oppositioneller Kräfte wurde der Untergang des syrischen Regimes besiegelt, sodass von letztgenanntem im hypothetischen Rückkehrfall keine asylrechtlich aufzugreifende Verfolgungsgefahr ausgehen kann und dahingehend fluchtbegründendes Vorbringen von vornherein nicht glaubhaft ist.
3.2.14 Zwar werden der HTS unter Anknüpfung an die Phase vor 27.11.2024 im Westen Syriens Menschenrechtsverstöße vorgeworfen, doch weist der arabisch sunnitisch geprägte und politisch unauffällige Beschwerdeführer selbst im Lichte der insoweit gegebenen, auf die derzeitige Situation aber ohnedies nicht umzulegenden Berichtslage, keinerlei verfolgungsindizierende Merkmale oder Verhaltensweisen auf. Nach dem Sturz des syrischen Regimes im Dezember 2024 ergibt die verfügbare Berichtslage überdies moderate staatspolitische Zugänge der machtpolitisch dominierenden Akteure, nicht zuletzt die ausgerollten Amnestien für vormalige Mitglieder der syrischen Armee, Demonstrationen, an denen Frauen und Männer in Damaskus friedlich und ungehindert teilnehmen können, oder die in Aussicht genommene Auflösung früherer Geheimdienste sprechen gegen die prognostische Annahme verdichteter, allgemein oder spezifisch gegen die Person des Beschwerdeführers ausschlagender Gefahrenpotenziale. Seit der endgültigen Machtübernahme durch die HTS-dominierte Opposition befinden sich Familienangehörige des Beschwerdeführers (wie zB Onkel) nach wie vor in Syrien. Konkrete Gefahrenlagen sind bis zuletzt nicht hervorgekommen und ist eine zwangsweise Einziehung zu einem Militärdienst der machthabenden Gruppierungen derzeit nicht zu befürchten. Dies wäre für sich betrachtet aber auch nicht ausreichend, einen Asylanspruch zu begründen. Die politischen Umwälzungen auf syrischem Territorium können zum Entscheidungszeitpunkt als gefestigt qualifiziert werden. Eine Vergleichbarkeit mit den zunächst unvorhersehbaren Veränderungen in Afghanistan im Jahr 2021 kann nicht angenommen werden (zur damaligen Situation etwa VfGH 19.9.2022, E 3015/2021). Dies belegen allein zahlreiche offizielle Besuche in Damaskus durch Vertreter der Europäischen Union oder die Lockerung der Sanktionen gegenüber Syriens seitens der USA.
3.2.15 Hinzuweisen ist darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht genügt, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten. Vielmehr muss die Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen (VwGH 11.9.2024, Ra 2024/01/0259, mwN).
3.2.16 Im gegenständlichen Fall liegen somit keine substantiellen stichhaltigen Gründe für das Vorliegen einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden individuellen Gefahr der Verfolgung nach § 3 Abs 1 AsylG iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK vor.
3.2.17 Es sind somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht gegeben.
Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.3 Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision
3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dazu ist auf die unter 3.2 zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.