JudikaturBVwG

W137 2273846-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2025

Spruch

W137 2273846-1/24E

Schriftliche Ausfertigung des am 16.04.2025 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Peter HAMMER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2023, Zl. 1308883600-221680210, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.12.2023 und 16.04.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (im Folgenden AsylG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.05.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 25.05.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer brachte dabei vor, syrischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens zu sein und der Volksgruppe der Araber anzugehören. Er stamme aus XXXX , Provinz Aleppo, sei verheiratet und habe eine Tochter. Weiters habe er in Syrien 11 Jahre die Schule besucht und sei zuletzt als Bauarbeiter tätig gewesen. Nach seiner illegalen Ausreise aus seinem Herkunftsstaat im Februar 2019 sei er nach einem dreijährigen Aufenthalt in der Türkei nach Europa weitergereist. Seine Ehefrau und seine Tochter seien weiterhin in Syrien aufhältig. Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien verlassen, weil er nicht am Krieg teilnehmen habe wollen. Dort würde er zum Militär einberufen werden, was er nicht wolle, weil das Militär gegen die eigenen Leute kämpfe.

3. Am 14.02.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Dabei gab er an, syrischer Staatsangehöriger zu sein und der Volksgruppe der Araber sowie der sunnitischen Glaubensrichtung anzugehören. Er sei im Dorf XXXX , Provinz Aleppo, geboren und auch aufgewachsen. In seinem Herkunftsstaat habe er 11 Jahre die Schule besucht und anschließend ca. fünf Jahre als Maurer gearbeitet. Bis zu seiner Ausreise aus Syrien in die Türkei im Jahr 2019 habe er in seinem Herkunftsdorf gelebt, wo seine Ehefrau sowie seine Tochter weiterhin aufhältig seien. 2014 sei er zwar bei der Musterung gewesen und habe ein Wehrdienstbuch erhalten, jedoch habe er weder einen Einberufungsbefehl erhalten noch den Wehrdienst abgeleistet.

Zum Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien wegen des Krieges verlassen. Er hätte dort den Wehrdienst ableisten und Menschen töten müssen, was er aber nicht gewollt habe. Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer u.a. einen syrischen Personalausweis, ein Wehrdienstbuch, eine Heiratsurkunde sowie einen Auszug aus dem syrischen Melderegister vor.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen – im Spruch bezeichneten – Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihm allerdings gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 leg.cit für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe keine Fluchtgründe im Sinne der GFK glaubhaft machen können. Entgegen seiner Aussage zum drohenden Wehrdienst sei festzustellen, dass er sich sehr wohl gegen Bezahlung einer Gebühr vom Wehrdienst freikaufen könne. Besonders hervorzuheben sei, dass die syrische Regierung die Dauer des Auslandsaufenthaltes, der für einen Freikauf notwendig sei, von vier auf ein Jahr herabgesetzt habe. Dies zeige, dass die syrische Regierung durchaus gewillt sei, ihren Staatsbürgern diese Möglichkeit auch bereits nach einem kurzen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen. Da der Beschwerdeführer vor fast vier Jahren sein Heimatland verlassen habe, wäre diese Möglichkeit bei fiktiver Annahme einer Einberufung zum Militär jedenfalls anwendbar gewesen und auch noch immer möglich. Daher sei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ihm im Falle einer Rückkehr keine politische Gesinnung unterstellt und er nicht als Wehrdienstverweigerer behandelt werden würde.

5. In der gegen den Spruchpunkt I. dieses Bescheides rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, ihm drohe im Falle einer Rückkehr nach Syrien eine Verfolgung seitens des syrischen Regimes, weil er den Wehrdienst noch nicht abgeleistet habe und sich aktuell im wehrpflichtigen Alter befinde. Ihm würde zudem aufgrund der Wehrdienstverweigerung, seiner Herkunft aus einem regimekritischen Ort, der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung im Ausland eine oppositionelle Gesinnung zugeschrieben werden. Der Beschwerdeführer könne sich nicht vom Wehrdienst freikaufen und wolle das syrische Regime bei seinen Gräueltaten nicht unterstützen. Die belangte Behörde habe sich überhaupt nicht mit der finanziellen Situation des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und beziehe sich auch nicht auf weitere Länderberichte, welche anführen würden, dass eine Rekrutierung trotzdem möglich sei. Bei Betrachtung der Gesamtsituation des Beschwerdeführers drohe ihm eine Verfolgung iSd GFK, weswegen ihm der Status eines Asylberechtigten zu gewähren sei.

6. Das Bundesamt legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

7. Dem Beschwerdeführer wurde das Länderinformationsblatt vom 17.07.2023 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.

8. Am 22.12.2023 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durch. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Einleitend gab der Beschwerdeführer an, dass bei ihm keine Hindernisgründe oder chronischen Krankheiten und Leiden vorlägen. Er sei in der Lage, der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.

Zum Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, ihm drohe aufgrund der Wehrdienstverweigerung Verfolgung seitens des syrischen Regimes. Allerdings müsste er ein paar Angaben des Einvernahmeprotokolls der belangten Behörde korrigieren, weil es wohl ein Missverständnis mit dem Dolmetscher gegeben habe, denn er sei in Syrien nicht bei der Musterung gewesen, sondern sein Onkel, der für das Regime arbeite, habe 2014 gegen Bezahlung sein Wehrdienstbuch für ihn ausstellen lassen. Zuvor habe sein Onkel die den Beschwerdeführer betreffende Aufforderung zur Musterung erhalten. Befragt zur Herrschaft über seinen Herkunftsort führte der Beschwerdeführer aus, von 2014 bis zu seiner Ausreise aus Syrien 2019 habe dieser nie unter der Kontrolle des syrischen Regimes gestanden. Das Dorf sei vom IS bzw. von der Al-Nusra Front oder von anderen bewaffneten Gruppen kontrolliert worden. Einen konkreten Anlass für die Flucht im Jahr 2019 habe es zwar nicht gegeben, jedoch werde in seiner Herkunftsregion ständig gekämpft. Er habe das Land aufgrund des Krieges verlassen müssen, wobei sich die Lage dermaßen verschlechtert habe, dass er nicht mehr dort bleiben habe können. Er habe nicht sterben wollen. Auch aktuell befinde sich sein Herkunftsdorf nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Falls er den Wehrdienst ableisten würde, müsste er unschuldige Menschen töten. Er wolle nicht kämpfen und auch nicht sterben. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien fürchte er, vom syrischen Regime entweder rekrutiert oder inhaftiert zu werden.

9. Mit Schreiben vom 26.01.2024 legte der Beschwerdeführer eine ergänzende Stellungnahme zu seiner Beschwerde vor.

10. Mit Schreiben vom 07.04.2025 brachte das Bundesverwaltungsgericht folgende Länderberichte ins Verfahren ein:

1. Kurzinformation der Staatendokumentation – Syrien; 10.12.2024

2. UNHCR Position on Returns to the Syrian Arab Republic; Dezember 2024

3. UNHCR Flash Update #8 (02.01.2025), #9 (10.01.2025), #11 (23.01.2025), #14 (13.02.2025), #15 (20.02.2025), #16 (27.02.2025), #17 (07.03.2025), #18 (14.03.2025) und #19 (21.03.2025)

4. UNHCR Syria Response Factsheet (30.12.2024)

5. Länderinformationsblatt Syrien, Version 11 (vom 27.03.2024) – in Auszügen

6. EUAA Country Focus Syria, März 2025

7. ACCORD Anfragebeantwortung vom 21.03.2025 zur Rekrutierungspraxis

8. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 27.10.2023, Zwangsrekrutierungen durch die HTS (u.a.)

11. Am 16.04.2025 führte das Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch durch. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Einleitend gab der Beschwerdeführer an, dass bei ihm keine Hinderungsgründe oder chronischen Krankheiten und Leiden vorlägen. Er sei in der Lage, der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.

Der Beschwerdeführer gab dabei einleitend an, dass sein ursprüngliches Fluchtvorbringen in Bezug auf das syrische Regime nicht mehr relevant sei, weil es nicht mehr existiere. Er habe bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Jahr 2019 in der Stadt XXXX gelebt, die unter der Kontrolle mehrerer oppositioneller Gruppen gestanden sei. Mit diesen Gruppierungen habe er nie Probleme gehabt und seine Familie lebe weiterhin in seiner Heimatstadt. Allerdings befürchte er nun eine Verfolgung durch die neuen radikalislamistischen Machthaber in Syrien, weil er politisch gegen sie sei, er könne nicht unter einer solchen Regierung leben. Diese Gruppierungen hätten viele Gebiete eingenommen und an der Küste gebe es Massaker an Alawiten.

Im Anschluss wurde die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes mündlich verkündet.

12. Am 22.04.2025 beantragte die Vertreterin des Beschwerdeführers die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung.

13. Mit Schreiben vom 09.05.2025 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht irrtümlich ein Parteiengehör zur Situation (LIB-Version 12) an den Beschwerdeführer – dies wurde umgehend (mit Schreiben vom selben Tag) aufgeklärt. Ungeachtet dessen langte eine mit 21.05.2025 datierte Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Aufgrund der der Entscheidung zugrundeliegenden Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des Bundesverwaltungsgerichtes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

1.1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe und dem sunnitischen Glauben an. Er ist ein körperlich gesunder, volljähriger und arbeitsfähiger Mann und zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt im regulären Wehrdienstalter.

1.2. Der Beschwerdeführer ist in XXXX , Provinz Aleppo, geboren, aufgewachsen und bis zu seiner Flucht aus Syrien wohnhaft gewesen. Er hat in Syrien 11 Jahre die Schule besucht und hat anschließend fünf Jahre als Maurer gearbeitet. Im Februar 2019 ist er aus Syrien ausgereist und hat in der Folge bis 2022 in der Türkei gelebt, wo er als Staplerfahrer tätig gewesen ist. 2022 reiste er schließlich auf dem Landweg aus der Türkei aus, nach Aufenthalten in mehreren Drittländern reiste er illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.05.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die Heimatregion des Beschwerdeführers ist Aleppo – sie unterliegt der Kontrolle der neuen, von der HTS dominierten, Machthaber in Syrien.

Der Beschwerdeführer hat den verpflichtenden Wehrdienst in Syrien nicht abgeleistet. Er verfügt über keinerlei militärische oder paramilitärische Erfahrung.

1.3. Neben seiner Ehefrau, seiner Tochter und seinen Eltern hat der Beschwerdeführer zwei Brüder sowie zwei Schwestern, die weiterhin in Syrien ( XXXX ) leben. Einer seiner Brüder ist in Italien aufhältig. Zu seinen Familienangehörigen in Syrien steht er regelmäßigem Kontakt. Im österreichischen Bundesgebiet leben keine Verwandte oder Familienangehörige des Beschwerdeführers.

1.4. Seit seiner Antragstellung befindet sich der Beschwerdeführer auf Grundlage einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 sowie auf Grundlage einer befristeten Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seitdem regelmäßig Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.5. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer bis zur mündlichen Verhandlung am 16.04.2025 mit der Gefahr der Einberufung in den Militärdienst durch die syrischen Behörden (samt deren zwangsweiser Durchsetzung) verbunden mit einem Einsatz im Bürgerkrieg sowie einer zumindest unterstellten oppositionellen Gesinnung gegen das Assad-Regime aufgrund der Entziehung, der illegalen Flucht und der Asylantragstellung in Österreich. Diese Verfolgungsgründe sind zum Entscheidungszeitpunkt nachhaltig und dauerhaft weggefallen.

1.6. Der Beschwerdeführer hat in den letzten mehr als 5 Jahren weder in Syrien gelebt noch hat er zwischen 2010 und 2019 in Syrien in irgendeiner Form Handlungen gesetzt, die ihn für Dritte in unmittelbare Nähe zu Verbrechen des Assad-Regimes rücken können. Vielmehr könnte er den jahrelangen Auslandsaufenthalt und den Asylantrag im Falle einer – aktuell ohnehin nur theoretischen – Rückkehr nach Syrien problemlos belegen.

Dem Beschwerdeführer droht weder in seiner Herkunftsregion Aleppo noch in anderen Teilen Syrien Verfolgung durch die HTS und verbündete lokale Milizen. Der Beschwerdeführer hat bis zum Verlassen des Herkunftsstaates im Jahr 2019 in einer Region Syriens gelebt, die unter der Kontrolle der islamistischen Opposition war (wobei die tonangebenden Gruppierungen wechselten, aber auch die Vorläufer der HTS beinhalteten). In diesen Jahren verhielt er sich politisch völlig unauffällig, zeigte keinerlei Aktivitäten und hatte auch keinerlei Probleme mit diesen Gruppierungen. Seine (Kern-)Familie lebt nach wie vor ohne Probleme im Herkunftsort. Die nun behauptete oppositionelle Einstellung gegenüber der HTS im Sinne einer politischen Überzeugung erweist sich mangels Schlüssigkeit und aufgrund der bisherigen Angaben als nicht glaubhaft.

1.7. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Die Assad-Regierung Syriens ist seit Dezember 2024 gestürzt und übt in Syrien keine Gebietshoheit bzw. Herrschaftsgewalt mehr aus, A. steht wie auch der Großteil Syriens seither unter der Kontrolle der neuen syrischen Regierung unter HTS (Hay'at Tahrir al-Sham)-Führung, Übergangspräsident der neuen syrischen Regierung ist Ahmed Al-Scharaa, dem Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnahmen Al-Jolani (al-Dscholani) bekannt war.

Gruppierungen/Machthaber

Die HTS ist die mächtigste Gruppe in Syrien, die den Vormarsch der Rebellen anführte. Sie begann als offizieller al-Qaida-Ableger in Syrien unter dem Namen Nusra-Front und verübte bereits zu Beginn des Aufstands gegen Assad Angriffe in Damaskus. Die Gruppe durchlief mehrere Namensänderungen und gründete schließlich als die HTS eine Regierung in der Provinz Idlib, im Nordwesten Syriens. Die USA, Türkei und andere stuften die HTS und ihren Anführer, Al-Scharaa bzw. Al-Jolani) als Terroristen ein.

Die Syrische Nationalarmee (SNA) ist eine zersplitterte Koalition unterschiedlicher bewaffneter Gruppen, die mit direkter türkischer Militärunterstützung einen Gebietsabschnitt entlang der syrisch-türkischen Grenze halten. Trotz interner Spaltungen pflegen viele SNA-Fraktionen enge Bindungen zur Türkei, wie die Sultan-Suleiman-Schah-Brigade, die al-Hamza-Division und die Sultan-Murad-Brigade. Andere Fraktionen der Gruppe versuchen trotz ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei ihre eigenen Prioritäten durchzusetzen. Als die HTS und verbündete Gruppen aus dem Nordwesten Anfang Dezember auf von Assads Regierung kontrolliertes Gebiet vorrückten, schloss sich ihnen auch die SNA an und kämpfte im Nordosten gegen Regierungstruppen wie auch kurdisch geführte Kräfte.

Die Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) sind ein Bündnis kurdischer und arabischer Milizen, das von den USA und ihren Verbündeten unterstützt wird. Die SDF kontrollieren den größten Teil Syriens östlich des Euphrat, sowie einige Gebiete westlich des Flusses. Mit der aktuellen Offensive kam es auch zu Kämpfen zwischen den SDF und der SNA. Mit 11. Dezember verloren die SDF die Kontrolle über die Stadt Manbidsch. (SOHR, 11. Dezember 2024).

Neben den genannten Gruppen gibt es in Syrien eine Vielzahl lokaler Gruppierungen, die sich gegen al-Assad gestellt haben. Diese vertreten ein breites Spektrum islamistischer und nationalistischer Ideologien. Im Norden schlossen sich einige von ihnen dem Militäroperationskommando der HTS an. Im Süden dominierende Gruppen erhoben sich in der aktuellen Situation und nahmen den Südwesten Syriens ein. Die in den südlichen Provinzen aktiven Gruppen gründeten zu diesem Zweck die Koalition „Southern Operations Room“.

Sturz der Assad-Regierung und nachfolgende Entwicklungen

Nach monatelanger Vorbereitung und Training starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der HTS die Operation „Abschreckung der Aggression“ und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Am 30.11.2014 nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 05.12.2024 einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort. Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 07.12. auf 8.12.2024. Am 06.12.2024 zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab. Russland forderte am 07.12.2024 seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen. Am 07.12.2024 begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein, nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten. Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab. Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 07.12.2024 Richtung Damaskus vor. Am frühen Morgen des 08.12.2024 verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt, die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen. Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt. Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad. Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt. Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 06.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren, sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt. Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo. Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ nahmen diese Gruppierungen am 09.12.2024 die Stadt Manbij ein. Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe.

Die HTS versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten. Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben. Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. In der Folge wurde die Wehrpflicht in Syrien abgeschafft, die bisherige Militärpolizei und der bisherige Geheimdienstapparat wurden aufgelöst, offizielle und inoffizielle Gefängnisse geöffnet und deren politische Häftlinge befreit und entlassen.

Mohammed Al-Baschir, der bis zum Sturz Baschar Al-Assads die mit HTS verbundene Syrische Heilsregierung im Nordwesten Syriens geleitet hatte, wurde am 10.12.2024 als Interimspremierminister mit der Leitung der Übergangsregierung des Landes bis zum 01.03.2025 beauftragt. Die Minister der Syrischen Heilsregierung übernahmen vorerst die nationalen Ministerposten. Laut dem Congressional Research Service (CRS) seien einige Regierungsbeamt:innen und Staatsangestellte der ehemaligen Regierung weiterhin im Regierungsapparat beschäftigt. Am 21.12.2014 ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Schibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide seien Verbündete des HTS-Anührers Ahmed Al-Scharaa. Am 29.12.2014 legte Al-Scharaa in einem Interview mit dem saudischen Fernsehsender Al-Arabiyya dar, dass es bis zu vier Jahren dauern könne, bis Wahlen stattfinden werden, da die verschiedenen Kräfte Syriens einen politischen Dialog führen und eine neue Verfassung schreiben müssten. Am 29.01.2025 wurde Ahmed Al-Scharaa, der seit dem Sturz von Baschar Al-Assad faktisch das Land geleitet hatte, zum Übergangspräsidenten in Syrien ernannt. Gleichzeitig wurde die Verfassung von 2012 außer Kraft gesetzt und das alte Parlament aufgelöst. Bereits am 17.12.2024 erklärte Al-Scharaa, dass alle Rebellenfraktionen aufgelöst und in die Reihen des Verteidigungsministeriums integriert würden. AFP berichtete am 08.01.2025, dass laut einem Sprecher des Southern Operations Room die Kämpfer Südsyriens nicht mit einer Auflösung ihrer Gruppen einverstanden seien. Sie könnten sich jedoch eine Integration in das Verteidigungsministerium in ihrer momentanen Form vorstellen. Am 18.02.2025 stimmten die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zu, ihre Streitkräfte und zivile Institutionen in die neue syrische Regierung zu integrieren.

Am 29.12.2024 wurde eine Liste mit 49 Personen, die zu Kommandeuren der neuen syrischen Armee ernannt wurden, veröffentlicht. Unter den Namen seien einige Mitglieder der HTS, sowie ehemalige Armeeoffiziere, die zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs desertierten. Laut Haid Haid, beratender Mitarbeiter beim britischen Think Tank Chatham Haus, wurden die sieben höchsten Ränge von HTS-Mitgliedern besetzt. Laut einem weiteren Experten seien auch mindestens sechs Nicht-Syrer unter den neuen Kommandeuren.

Die neue Führung hatte sich seit ihrer Machtübernahme verpflichtet, die Rechte der Minderheiten zu wahren. Anfang Jänner kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung auf seiner Facebook-Seite einen neuen Lehrplan für alle Altersgruppen an, der eine stärker islamische Perspektive widerspiegelt und alle Bezüge zur Assad-Ära aus allen Fächern entfernt. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte unter anderem die Streichung der Evolutionstheorie und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht. Aktivist:innen zeigten sich besorgt über die Reformen. Al-Scharaa kündigte weiters Pläne für eine Nationale Dialogkonferenz an, die darauf abzielen sollte, Versöhnung und Inklusion zu fördern. Die ursprünglich für Anfang Jänner 2025 angesetzte Konferenz wurde jedoch verschoben, um ein erweitertes Vorbereitungskomitee einzurichten, das eine umfassende Repräsentation aller gesellschaftlichen Gruppen in Syrien gewährleisten soll. Die Konferenz fand schließlich am 25.02.2025 statt und brachte 600 Konferenzteilnehmer:innen aus unterschiedlichen syrischen Gemeinschaften zusammen. Verschiedene syrisch-kurdische Gruppen behaupteten, sie seien entweder nicht eingeladen worden oder hätten sich gegen eine Teilnahme entschieden. Einige Teilnehmer:innen hätten auf den Mangel an Transparenz hinsichtlich der Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer:innen hingewiesen und kritisiert, dass Teilnehmer:·innen ihre Einladung lediglich einen Tag vor der Tagung erhalten hätten. Die Konferenz selbst habe nur einen Tag gedauert. Am Ende der Konferenz wurde eine Erklärung vorbereitet, in der unter anderem die Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung, die Achtung der Menschenrechte und das Prinzip der friedlichen Koexistenz betont wurden. Al-Scharaa kündigte am 02.03.2025 die Bildung eines Ausschusses an, der eine Verfassungserklärung für die Übergangsphase des Landes ausarbeiten soll.

Vereinbarung über Integration in Staatsapparat zwischen SDF und Übergangsregierung

Am 10.03.2025 unterzeichneten Übergangspräsident al-Shar’a und SDF-Kommandeur Mazloum Abdi eine Vereinbarung, die einen Waffenstillstand ermöglichen und den Weg zu einer politischen Einigung zwischen den beiden politischen Entitäten enthalten soll. Die Absichtserklärung umfasst mehrere Punkte, darunter zentral die bis Ende des Jahres 2025 angestrebte Integration der militärischen und zivilen Bestandteile der SDF in die Übergangsregierung, wobei Details dieses Prozesses bislang nicht enthalten sind. Trotz der Einigung dauerten türkische Luftangriffe und Kämpfe zwischen Fraktionen der SNA und der SDF in Ost-Aleppo weiter an, was Fragen über die Kontrollfähigkeit der Übergangsregierung über die SNA-Gruppierungen aufwirft. Eine Quelle des türkischen Verteidigungsministeriums gab gegenüber einer Nachrichtenagentur an, dass die Vereinbarung das Vorgehen der Türkei gegen terroristische Vereinigungen in Syrien nicht betreffen würde. Die Türkei betrachtete die YPG, die stärkste Gruppierung innerhalb der SDF, als eine terroristische Gruppierung und verlangt weiterhin deren Entwaffnung und Auflösung. Am 10.03.2025 unterzeichneten außerdem drusische Milizen und die syrische Übergangsregierung ein Abkommen, das unter anderem die Rekrutierung von Sicherheitskräften aus Suweida und die Einrichtung militärischer Einheiten aus Suweida unter dem Schirm des Innenministeriums vorsieht. Eine einflussreiche drusische Führungspersönlichkeit, Sheikh al-Hijri, gab jedoch wenig später an, es sei keine Einigung erzielt worden. Inwiefern diese Aussage Auswirkungen auf die unterzeichnete Vereinbarung hat, ist nicht bekannt.

Hunderte getötete Zivilpersonen nach Kämpfen und Massakern in Syriens Küstenregion

Nach mehreren koordinierten Angriffen auf syrische Sicherheitskräfte am 06.03.2025 mobilisierte die Übergangsregierung die ihnen offiziell angeschlossenen Sicherheitskräfte und bewaffneten Gruppierungen. Im Rahmen der darauffolgenden Kämpfe kam es zu zahlreichen extralegalen Hinrichtungen und Massakern an der Zivilbevölkerung, besonders in der Küstenregion. Die Kämpfe ereigneten sich zwischen bewaffneten Assad-treuen Gruppierungen und offiziellen Sicherheitskräften sowie Unterstützern der Übergangsregierung. Medienberichten zufolge kämpften auf Seite der Übergangsregierung neben den offiziellen Truppen auch lokale bewaffnete Gruppierungen, Milizen des durch die Türkei unterstützten Bündnisses der SNA aus dem Norden und ausländische islamistische Gruppierungen. Diese gelten nominell zwar als in den neuen syrischen Sicherheitsapparat integriert, de facto unterliegen sie bislang jedoch denselben organisatorischen, personellen und Kommandostrukturen wie zuvor, da bislang keine oder nicht vollumfängliche Eingliederungsprozesse stattgefunden haben. Verschiedenen Berichten zufolge bewaffneten sich auch Zivilpersonen und schlossen sich den bewaffneten Parteien an. Die anfänglichen Kämpfe gingen daraufhin in Übergriffe auf die Zivilbevölkerung über. Es soll zu Racheakten durch die Truppen und Unterstützer der Übergangsregierung entlang konfessioneller Linien gekommen sein. Insbesondere die alawitische Bevölkerung, die von großen Teilen der syrischen Bevölkerung, wenn nicht als Unterstützer, dann zumindest als Profiteure der gestürzten Assad-Regierung betrachtet wird, war daher von Hinrichtungen und Massentötungen betroffen. Das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) war eigenen Angaben zufolge in der Lage, bis zum 15.03.2025 die Tötung und Hinrichtung von mindestens 1.034 Zivilpersonen zu verifizieren. 439 wurden demnach durch Anhänger der Assad-Regierung getötet, während 595 Tötungen den Sicherheitskräften und ihren Unterstützern zugeordnet werden. Die Organisation gab an, weiterhin Ereignisse in diesem Kontext zu verifizieren, es handelt sich daher zunächst um vorläufige Ergebnisse. Unter den Gruppierungen der Sicherheitskräfte sollen insbesondere Fraktionen der SNA, sowie ausländische Milizen in die Massaker involviert gewesen sein. Allerdings beteiligten sich auch einige der aus den Kämpfern der HTS entstandenen offiziellen Sicherheitskräfte unter der Abteilung der Allgemeinen Sicherheit an den Tötungen. Zusätzlich zu der hohen Zahl an zivilen Opfern sollen auch Hunderte Kämpfer zu Tode gekommen sein. Bereits seit dem Sturz der Assad-Regierung und der Machtübernahme der HTS sind Alawitinnen und Alawiten zunehmend Racheakten in Form von Übergriffen und Drohungen ausgesetzt. Währenddessen haben hochrangige Militärs und Geheimdienstoffiziere der gestürzten Assad-Regierung sich den durch die Übergangsregierung eingerichteten Versöhnungsprozessen entzogen und bewaffnete Gruppierungen gegründet oder zusammengeschlossen. Hierzu zählen die Syrian Popular Resistance, die Syrian Islamic Resistance Front, der Militärrat des freien Syriens sowie Überbleibsel des Milizenzusammenschlusses der Nationalen Verteidigungskräfte (NDF). Diese Gruppierungen waren in die Angriffe auf die Truppen der Übergangsregierung am 06.03.2025 involviert. Obgleich die Übergangsregierung am 10.03.2025 angab, die Kontrolle zurückerlangt zu haben, dauerten Angriffe bewaffneter Gruppierungen auf Sicherheitskräfte noch mindestens bis zum 14.03.2025 weiter an. Mehrere Mitglieder der Streitkräfte wurden getötet, Berichte über getötete Zivilpersonen gab es zunächst keine. Übergangspräsident al-Shar’a kündigte weitreichende Untersuchungen und strafrechtliche Konsequenzen für jene an, die für die Tötungen von Zivilpersonen verantwortlich seien, auch für Verbündete. Zu diesem Zweck rief er ein Komitee ins Leben, das innerhalb von 30 Tagen Ergebnisse an ihn übermitteln solle.

Israelische Angriffe in Syrien

Die israelische Luftwaffe und Marine führten zwischen 7. und 11. Dezember mehr als 350 Angriffe in Syrien durch und zerstörten dabei schätzungsweise 70 bis 80 Prozent der strategischen Militärgüter Syriens zwischen Damaskus und Latakia. Die israelischen Streitkräfte haben außerdem Bodentruppen aus den von Israel besetzten Golanhöhen nach Osten in eine entmilitarisierte Pufferzone in Syrien sowie, laut israelischen Angaben, auch knapp darüber hinaus verlegt. Laut arabischen Medien rückten israelische Streitkräfte bis in ländliche Gebiete der Provinz Damaskus vor. Dies wurde von israelischer Seite dementiert. In der Nacht vom 14. zum 15. Dezember griff Israel Dutzenden Ziele in Syrien aus der Luft an. Den Luftangriffen ging eine Erklärung des israelischen Verteidigungsministers voraus, wonach die israelischen Truppen auf dem in der vergangenen Woche eingenommenen Berg Hermon (Arabisch: Jabel Sheikh) den Winter über verbleiben würden. Israels Ministierpräsident gab weiters bekannt, dass er einem Plan zur Ausweitung des Siedlungsbaus auf den von Israel besetzten Golanhöhen zugestimmt habe. Am 20.12.2024 schossen israelische Streitkräfte auf Demonstrant:·innen in einem Dorf in der Gegend von Maariya im Süden Syriens, die gegen die Aktivitäten der Armee protestierten, und verletzten dabei einen Demonstranten. Die israelischen Streitkräfte operierten auch in syrisch kontrollierten Gebieten außerhalb der Pufferzone. Am 29.12.2024 griff Israel ein Waffendepot nahe der Stadt Adra an. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei dem Angriff mindestens 11 Personen, hauptsächlich Zivilist·innen, getötet. Laut syrischen Medien drang die israelische Armee am 30.12.2024 tief in das Gebiet Quneitra vor und vertrieb Angestellte aus Regierungsbüros. Am 23.01.2025 veröffentlicht BBC News Satellitenbilder, die Bauarbeiten der Israelischen Armee innerhalb der entmilitarisierten Pufferzone, die die von Israel besetzten Golanhöhen von Syrien trennt, zeigen. Ende Februar griffen israelische Kampfflugzeuge militärische Ziele außerhalb von Damaskus und im Süden Syriens an. Gleichzeitig forderte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die vollständige Entmilitarisierung Südsyriens.

Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung; Zwangsrekrutierungen

Mehrere Quellen berichten im Februar 2025, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze. Anfang Februar 2025 wurde berichtet, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden. Dem Online-Begleittext eines Videobeitrags des schwedischen Fernsehprogramms Svtnyheter von Jänner 2025 zufolge hätte die HTS aktiv mit intensiven Rekrutierungen für die Reihen der Polizei und des Militärs begonnen. In einem undatierten arabischsprachigen Artikel bezieht sich das Swedish Center for Information (SCI) auf den genannten Videobeitrag. Laut dem SCI-Artikelwürden Berichten zufolge Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere mittels intensiver Programme rekrutiert, die von traditionellen akademischen Standards und Trainingsstandards abweichen würden. Dies habe den Zweck, die Ausbildung der Militär- und Sicherheitskräfte zu beschleunigen, um den Bedarf des neuen Staates zu decken.

In einem arabischsprachigen Artikel von Februar 2025 berichtet Enab Baladi, die Rekrutierungsabteilung in Aleppo habe verkündet, dass die Anmeldungen für eine Militärausbildung begonnen hätten. Die Bedingungen für den Eintritt in die Reihen des Verteidigungsministeriums der Übergangsregierung seien festgelegt worden. Interessierte könnten sich bis 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Aleppo im Viertel Al-Furqan anmelden. Voraussetzung sei, dass Bewerber ledig, zwischen 18 und 22 Jahre alt seien, keine chronischen Erkrankungen hätten und nicht verletzt seien. Für eine Anmeldung seien zwei Fotos, eine Kopie des Personalausweises sowie, sofern vorhanden, eine Kopie des Nachweises über einen akademischen Abschluss vorzulegen. Ähnliche Informationen finden sich in den nachfolgendbeschriebenen zwei Facebook-Beiträgen. In einem arabischsprachigen Facebook-Beitrag vom 12.Februar 2025 auf der Facebook-Seite „Al Arabiya Syria“ wird berichtet, dass das Gouvernement Aleppo verkündet habe, dass die Anmeldungen für die Aufnahme in die Reihen der Armee eröffnet seien. Die Anmeldungen würden im Offiziersclub im Viertel Al-Furqan entgegengenommen. Bewerber hätten ledig sowie zwischen 18 und 22 Jahre alt und gesund zu sein. Auf der Facebook-Seite „Nachrichten des freien Syrien“ („Achbar Suriya al-Hurra“) findet sich ein Beitrag vom 6. Februar 2025, der eine Rekrutierungsanzeige der Rekrutierungsabteilung in Idlib veröffentlicht. Die Anmeldung zur Teilnahme am Militärkurs für jene, die unter dem Verteidigungsministerium dienen möchten, sei eröffnet. Interessierten sei es möglich, sich zwischen dem 9. Februar 2025 und dem 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Idlib anzumelden. Bewerber hätten ledig und zwischen 18 und 22 Jahre alt zu sein. Sie dürften nicht chronisch krank oder verletzt sein. Vorzulegen seien ein Foto, eine Kopie des Personalausweises und eine Kopie des akademischen Nachweises, wenn vorhanden. Syria TV, ein syrischer Fernsehsender mit Sitz in Instanbul, der im Besitz eines katarischen Mediennetzwerks ist und sich in Opposition zur Assad-Regierung positioniert hatte, berichtet in einem arabischsprachigen Artikel vom Februar 2025, dass sich der Rekrutierungsprozess für die neuen syrischen Militär- und Sicherheitsinstitutionen, wie die Polizei sowie Kriminal- und Geheimdienste, von Gouvernement zu Gouvernement unterscheide. Am 10. Jänner 2025 habe das Innenministerium der Übergangsregierung verkündet, dass Anmeldungen zum Eintritt in die Polizeiakademie begonnen hätten. Die Kurse, die einen Eintritt in die Reihen der Polizei und Dienste der öffentlichen Sicherheit ermöglichen sollen, hätten in fast allen Gouvernements, insbesondere in Damaskus, Rif Dimaschq, Homs, Tartus, Idlib, Sweida und Deir ez-Zor begonnen. Dem Artikel zufolge sei Idlib in dieser Hinsicht am aktivsten, gefolgt von Deir ez-Zor und Teilen von Rif Dimaschq, während der Rekrutierungsprozess in den Küstenregionen sowie in Homs eher verhalten verlaufe. Bewerber hätten zwischen 20 und 30 Jahre alt zu sein, einen Sekundarschulabschluss oder einen entsprechenden Abschlussvorzuweisen, die vorgeschriebenen Kurse absolviert zu haben, unbescholten sowie gesund und von guter Statur zu sein. Sie hätten zudem körperlich fit zu sein und müssten mindestens 168 cm groß sein. Einem für den Artikel interviewten 27-jährigen Mann zufolge stelle der freiwillige Beitritt zum Polizei- oder Geheimdienstapparat für ihn eine gute Beschäftigungsmöglichkeit dar. Das Gehalt betrage mindestens 200 US-Dollar, während ein Arbeiter in Idlib täglich nicht mehr als umgerechnet drei US-Dollar verdiene. Der Mann aus Süd-Idlib habe auf Facebook eine Rekrutierungsanzeige gesehen und sich daraufhin beeilt, sich zu bewerben. Er habe erklärt, dass für die Bewerbung ein Formular mit persönlichen Daten auszufüllen sei. Das Formular gebe an, dass Bewerber nicht älter als 30 Jahre sein dürften. Man dürfe im Formular angeben, ob man in die Reihen des Geheimdienstes oder der Polizei, darunter die Kriminalpolizei, die Verkehrspolizei und die Moralpolizei, aufgenommen werden wolle. Die Moralpolizei sei eine Abteilung, die in Idlib vor dem Sturz der Assad-Regierung hätte gegründet werden sollen, aber trotz der Verbschiedung eines Gesetzes mit dem Titel „Öffentliche Moral“, auf Eis gelegt worden sei. In einem Artikel vom 19. Februar 2025 berichtet The National von einem Funktionär der HTS, der im Damaszener Außenbezirk Ost-Ghuta junge Männer rekrutieren solle. Die HTS benötige dem Artikel zufolge so viele Männer wie möglich, insbesondere für entlegenere Gegenden. An einemöffentlichen Platz im Vorort Ain Tarma habe der Funktionär ein kommunales Gebäude betreten und einen Zuständigen dort gefragt, ob er Personen kenne, die geeignet seien, der HTS beizutreten. Er habe eine Telefonnummer hinterlegt und sei zu einer ehemaligen Regierungskaserne weitergegangen, die sich auf dem Gebiet befinde, wo neue HTS-Rekruten ein dreiwöchiges Training absolvieren sollen. Dem Funktionär zufolge hätten sich seit dem Fall der Assad-Regierung tausende der HTS angeschlossen. Hunderte weitere würden bald in den Kasernen in Ost-Ghuta erwartet. Laut einem Artikel der Foundation for Defense of Democracies (FDD) von Jänner 2025 behaupte die syrische Übergangsregierung zwar, sich für religiöse Toleranz einzusetzen. Gleichzeitig werde die von der Regierung bevorzugte sunnitisch-islamische Glaubensströmung der Rekrutierung und der Ausbildung neuer Sicherheitskräfte zugrunde gelegt. Berichten zufolge würden neue Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung durchlaufen. In einem Artikel von Jänner 2025 berichtet Reuters von der Rekrutierung von Polizisten durch die Übergangsregierung. Polizisten, die aus der ehemals HTS-regierten Enklave in Idlib nach Damaskus gebracht worden seien, würden Bewerber nach ihrem Glauben befragen. Die Ausbildung von Polizisten dauere zehn Tage und der Fokus liege Ausbildnern und Absolventen zufolge auf dem Umgang mit Waffen und der Vermittlung von islamischem Recht. Dem Leiter der Polizei in Aleppo zufolge sei geplant, die Ausbildung auf neun Monate auszuweiten, wenn sich die Sicherheitslage gebessert habe. Ihm zufolge würden den Polizeirekruten die Prinzipien der islamischen Rechtsprechung, die Biographie des Propheten Mohammed und Verhaltensregeln gelehrt. Die Bewerbungsformulare würden Reuters zufolge einen Abschnitt „Glaube, Orientierung und Standpunkte“ enthalten, in welchem Bewerber nach ihrer „Bezugsautorität“ („referentialauthority“) befragt würden. Drei anonymen HTS-Beamten zufolge diene die Frage dazu, Bewerber zu identifizieren, die einer genaueren Prüfung unterzogen werden müssen, insbesondere Alawiten, die derselben Glaubensströmung wie die Assad-Familie angehören würden und möglicherweise Verbindungen zur Assad-Regierung gehabt hätten. Dem von Reuters befragten Wissenschaftler Aron Lund zufolge fänden viele Syrer:innen die religiöse Komponente bei der Rekrutierung von Polizisten bedenklich. Das betreffe nicht nur Minderheiten wie Christ:innen, Alawit:innen und Druz:innen, sondern auch urbane, säkulare sunnitische Muslim:innen. Das Innenministerium der Übergangsregierung, welches für Polizeiangelegenheiten zuständig sei, habe Reuters Fragen zum religiösen Fokus bei der Rekrutierung und Ausbildung von Polizisten nicht beantwortet. Mehreren von Reuters interviewten führenden Polizeioffizieren zufolge diene dieser nicht dazu, der Allgemeinbevölkerung religiöse Inhalte aufzuzwingen, sondern dazu, Rekruten ethisches Verhalten zu vermitteln. Sieben Polizeioffiziere, die Polizeistationen verwalten oder im Rekrutierungsprozess involviert seien, hätten ausgesagt, dass die Polizei mehr Mitarbeiter benötige und Bewerbungen von Personen jeder Glaubensrichtung willkommen seien. Einem Polizei-Ausbildner an einer Polizeiakademie in Damaskus zufolge hätten sich über 200.000 Personen gemeldet, die Teil des neuen Polizeidienstes werden wollen. Alle fünf von Reuters interviewten hochrangingen Offiziere seien davon ausgegangen, dass sich die Personalausstattung vor dem Hintergrund der Ausweitung von Rekrutierung und Training im Jahr 2025 verbessern werde. Die Anmeldung von Polizisten, die vor dem Sturz der Assad-Regierung zu den Rebellen übergelaufen seien, werde laut von Reuters befragten führenden Polizeioffizieren begrüßt. Diejenigen, die nicht übergelaufen seien, hätten einen „Aussöhnungsprozess“ zu durchlaufen. Im Zuge dessen hätten sie ein Dokument zu unterzeichnen, worin sie den Regierungswechselanerkennen würden, und sie hätten ihre Waffe abzugeben. Es sei noch unklar, ob sie dem neuen Polizeidienst beitreten dürften. In einem Artikel von Ende Februar 2025 berichtet Syria TV von Gerüchten, denen zufolge die Übergangsregierung in den Gouvernements Tartus und Latakia Männer zum Militärdienst rekrutiert und zwangsverpflichtet hätte. Auf Facebook-Seiten, die der Quelle zufolge von Medienfachleuten betrieben würden, die der Assad-Regierung naheständen, sei berichtet worden, dass Sicherheitskräfte in den Städten Dschableh, Baniyas und Qardaha Checkpoints aufgestellt und Personen mit Statusregelungsausweisen („Bidaqat Taswiya“) festgenommen hätten. Offizielle Quellen des Gouvernements Tartus hätten den Verantwortlichen der Rekrutierungsabteilung der Stadt Baniyas zitiert, der diese Gerüchte vehement abgestritten habe. Er habe darauf hingewiesen, dass der Militärdienst nunmehr auf Freiwilligkeit aufbaue und dazu aufgerufen, offizielle Quellen für Informationen zu konsultieren.

Personen, die der Regierung von Baschar al-Assad nahestehen bzw. als solche wahrgenommen werden

Nach ihrer Machtübernahme verfolgte die Übergangsregierung keinen umfassenden Entbaathifizierungsprozess wie im Irak nach dem Krieg, und die Büros der Baath-Partei wurden nicht systematisch angegriffen. Im Dezember stellte die Führung der Baath-Partei ihre Aktivitäten ein. Ende Januar wurde die Auflösung der Partei bekannt gegeben. Von Anfang an erklärten die neuen Behörden, dass Soldaten, die im Rahmen der Wehrpflicht rekrutiert worden waren, sicher seien und es verboten sei, sie anzugreifen. Am 09.12.2024 erließ das MOA eine Generalamnestie für alle im Rahmen der Wehrpflicht eingezogenen Militärangehörigen. Die neue Regierung richtete daraufhin sogenannte „Versöhnungszentren“ ein, um ehemaligen Angehörigen von Polizei, Militär, Geheimdiensten und Assad-treuen Milizen, die ihre Waffen abgeben, vorläufige Personalausweise auszustellen. Diese Versöhnungszentren überwachen den Prozess, bei dem ehemalige Regimeangehörige ihre Waffen abgeben und ihre persönlichen Daten im Austausch gegen vorläufige Personalausweise registrieren. Diese Ausweise gewähren begrenzten Rechtsschutz und freies Geleit, doch das Verfahren ist intransparent, folgt inkonsistenten Kriterien und wird von Sicherheitsbehörden beeinflusst, sodass viele Antragsteller mit komplexen bürokratischen Hürden konfrontiert sind. Ende Dezember berichtete die BBC über eine erhebliche Beteiligung: Hunderte von Menschen standen vor einem Versöhnungszentrum in Damaskus Schlange. Im Januar und Februar berichteten lokale Medien und Organisationen, die die Ereignisse in Syrien verfolgten, dass die neue Regierung einigen hochrangigen Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Assad-Regierung Amnestie gewährt habe, darunter Fadi Saqr, dem früheren Führer der Nationalen Verteidigungskräfte. Darüber hinaus soll das MOA Kollaborateuren von Maher Al-Assad, wie Geschäftsleuten, die seine Aktivitäten unterstützten, sowie Generalmajor Talal Makhlouf, Anführer der Republikanischen Garde der Assad-Regierung, Versöhnung gewährt haben. Gleichzeitig veranlasste der Zusammenbruch der Regierung von Baschar al-Assad zahlreiche hochrangige Beamte und Vertraute der Herrscherfamilie zur Flucht in den Libanon. Die libanesischen Behörden wiesen jedoch illegal eingereiste syrische Offiziere und Soldaten aus und schickten sie nach Syrien zurück, wo sie von der neuen Regierung festgenommen wurden. Ende Dezember intensivierte die Übergangsregierung ihre Bemühungen, Personen festzunehmen, die mit der gestürzten Regierung in Verbindung standen. Die Behörden gaben an, dass ihre Festnahmekampagnen sich ausschließlich gegen Personen richteten, die im Auftrag des Assad-Regimes Verbrechen begangen hatten. Kampagnen in Deir Ez-Zor, Aleppo und Tartus konzentrierten sich auf die Beschlagnahmung illegaler Waffen und die Festnahme von Verdächtigen, die an illegalen Aktivitäten beteiligt waren. Allein in einer Woche wurden in Damaskus, Latakia, Tartus, Homs, Hama und Deir Ez-Zor fast 300 Personen festgenommen, darunter ehemalige Informanten des Regimes, pro-iranische Kämpfer und niederrangige Militäroffiziere. Laut SOHR wurden einige Häftlinge, denen vorgeworfen wurde, Informationen an die Assad-Regierung weitergegeben zu haben, unmittelbar nach ihrer Festnahme hingerichtet. Am 10. Januar berichtete SOHR, dass Kämpfer der Übergangsregierung Mazen Kneneh, einen lokalen Beamten, der beschuldigt wurde, als Informant für den gestürzten Präsidenten Assad gedient zu haben, öffentlich hingerichtet hätten. Im Februar wurden weitere außergerichtliche Tötungen ehemaliger Mitglieder von Bashar Al-Assad unterstützenden Milizen gemeldet, darunter die Ermordung von vier Mitgliedern der Familie Meido, die einer lokalen Miliz angehörten, die an der Seite der vorherigen Regierung gekämpft hatte. Laut SOHR kamen zwischen Anfang 2025 und Mitte Februar 2025 287 Menschen durch außergerichtliche Tötungen und Rachemorde ums Leben. Die Operationen wurden den ganzen Januar über fortgesetzt. Mitglieder der allgemeinen Sicherheitsverwaltung durchsuchten Häuser und suchten nach Waffen und Personen, die sich nicht mit der Übergangsverwaltung versöhnt hatten. Umfangreiche Militär- und Sicherheitsoperationen in Schlüsselregionen wie den Küstenstädten Homs, Hama, Aleppo und Damaskus umfassten Razzien, Waffendurchsuchungen und die weitere Inhaftierung Hunderter Personen. Die Operationen konzentrierten sich auf ehemalige Militärkämpfer und ehemalige Regierungsmitarbeiter und führten zur Beschlagnahmung erheblicher Mengen an Waffen und Munition. Die Festgenommenen wurden in die Zentralgefängnisse von Homs, Hama und Adra im ländlichen Raum von Damaskus gebracht. Darüber hinaus zeigten online veröffentlichte Videos, wie Häftlinge, die während dieser Operationen festgenommen wurden, körperliche und verbale Misshandlungen, darunter Angriffe und erniedrigende Behandlung, erdulden mussten. Laut dem Syria Justice and Accountability Center führten diese Sicherheitsoperationen zu verschiedenen Menschenrechtsverletzungen, darunter dem gemeldeten Tod von Häftlingen in Gewahrsam und der Verhaftungen von Angehörigen gesuchter Personen, die sowohl ehemalige Angehörige der Assad-Regierung als auch nicht mit ihr verbundene Zivilisten betrafen. Bis Mitte Januar berichtete die SOHR, dass über 9.000 Kombattanten und Offiziere weiterhin inhaftiert waren, inmitten von Vorwürfen der Folter und eingeschränkter Kommunikation mit ihren Familien. Informationen des Syrischen Netzwerks für Menschenrechte (SNHR) decken sich mit den Foltervorwürfen, wie sie von Familien berichtet wurden, denen die Leichen von Familienmitgliedern nach ihrer Inhaftierung durch die Allgemeine Sicherheitsdirektion zurückgegeben wurden. Gleichzeitig berichtete die SOHR, dass 275 Häftlinge aus dem Zentralgefängnis von Homs freigelassen wurden, nachdem ihre Unschuld an Kriegsverbrechen gegen die syrische Bevölkerung festgestellt worden war. Im Januar 2025 ließ die Übergangsverwaltung rund 641 Personen frei, hauptsächlich aus den Gouvernoraten Homs, Hama und Latakia, die für einen Zeitraum von einigen Tagen bis zu einem Monat in Haft gehalten worden waren. Die Mehrheit wurde in kleinen Gruppen aus Zentralgefängnis von Homs. Anfang Februar verhängte das Informationsministerium ein Verbot, Interviews mit Personen zu führen, die der ehemaligen Regierung nahestehen, oder Aussagen dieser Personen zu verbreiten. Seit der Machtübernahme der Übergangsregierung haben verbliebene Assad-freundliche Gruppen kleinere, gezielte Blitzangriffe auf die Sicherheitskräfte in ganz Syrien verübt. Diese Angriffe veranlassten die Behörden, Operationen zur Festnahme der Täter einzuleiten, bei denen zeitweise zivile Opfer zu beklagen waren. Anfang März führten koordinierte Angriffe Assad-freundlicher Gruppen auf Sicherheitskräfte, insbesondere in den Küstengebieten, zu einer erheblichen Eskalation, bei der zahlreiche zivile Opfer, vor allem aus der alawitischen Gemeinschaft, zu beklagen waren. Neben den Operationen der Übergangsregierung wurden auch Vorfälle mutmaßlicher Racheakte, darunter Tötungen, Entführungen und Brandstiftungen, durch unbekannte Gruppen dokumentiert, deren Ausmaß jedoch unklar bleibt. Ende Dezember wurden drei alawitische Richter in Masyaf, die für Eigentumsstreitigkeiten zuständig waren, getötet, eine Tat, die von der Übergangsverwaltung verurteilt wurde. Im Januar berichtete SOHR über die Hinrichtung von 15 Personen, darunter Offiziere der ehemaligen Regierung, durch unbekannte bewaffneten Männer im Gouvernement Homs. Darüber hinaus wurden 53 Personen festgenommen und an unbekannte Orte gebracht.

Kriminalität, Gesetzlosigkeit und konfessionelle Gewalt

In verschiedenen Regionen ist die Sicherheitslage aufgrund von Kriminalität und Gesetzlosigkeit weit verbreitet. In den Küstengebieten kam es zu Übergriffen, gezielten Angriffen und Tötungen von Zivilisten, Angriffen auf Kontrollpunkte, Raubüberfällen, Plünderungen und Entführungen. Auch im ländlichen Damaskus wurden Fälle von Tötungen durch unbekannte Männer/bewaffnete Gruppen, Entführungen und Plünderungen gemeldet. Tödliche Angriffe auf Zivilisten wurden außerdem in Idlib, Hama und im Lager Yarmouk in Damaskus registriert. Laut der zivilgesellschaftlichen Organisation Civil Peace Group in Syria kam es zwischen dem 9. Dezember 2024 und Mitte Februar 2025 in der Stadt Homs zu 64 Entführungen, darunter mindestens 13 Zivilisten. Diese Entführungen nahmen im Dezember 2024 allmählich bis 27. Dezember zu, bis sie im Januar auf Null sanken, bevor sie wieder anstiegen. 19 dieser Entführten wurden getötet. Wie Gregory Waters feststellte, wurden die meisten dieser Verbrechen von Zivilisten und Banden begangen, die nicht mit der Übergangsverwaltung in Verbindung standen. Einige lokale Kommandeure und einfache Soldaten waren jedoch an Entführungen alawitischer Zivilisten aus konfessionellen Gründen beteiligt. Gebiete wie Damaskus, Latakia und Tartus blieben aufgrund fehlender formalisierter Sicherheitsmechanismen weiterhin anfällig für konfessionelle Spannungen. Laut SOHR nahmen Attentate und Vergeltungsschläge, auch aus konfessionellen und politischen Gründen, im Januar 2025 in den von der Übergangsverwaltung kontrollierten Gebieten deutlich zu. Die höchsten Raten wurden in Homs (91 Todesopfer, darunter 59 konfessionell motivierte Morde), Hama (46 Todesopfer, darunter 28 konfessionell motivierte Morde) und Latakia (15 Todesopfer, darunter 13 konfessionell motivierte Morde) verzeichnet. Im Januar verzeichnete ACLED über 176 Zivilisten, darunter auch einige ehemalige Kämpfer der Assad-Regierung, wurden von unbekannten Schützen getötet. In der Stadt Homs und den ländlichen Gebieten von Homs und Hama waren die Sicherheitskräfte Berichten zufolge überlastet und stützten sich auf unzureichend ausgebildete Rekruten, was dazu führte, dass die Unruhen seit Assads Sturz anhielten. In Homs und einigen Teilen Hamas wurden Fälle lokaler konfessioneller Vergeltungsmaßnahmen von Sunniten gegen Alawiten als ernstes Problem gemeldet. In den sozialen Medien häuften sich unbestätigte Berichte über Strafrazzien, Verschwindenlassen und Morde, die angeblich zeigten, wie HTS-Kämpfer Alawiten schlugen oder zu Gewalt gegen sie aufriefen. Wie Gregory Waters feststellte, ereigneten sich die schwerwiegenderen Angriffe auf Assad-Verbliebene eher in ländlichen Gebieten, die durch eine hohe Konzentration ehemaliger „Shabiha“ (bewaffneter Banden, die Assad unterstützten) und eine begrenzte Präsenz von Sicherheitskräften gekennzeichnet waren. Allerdings wurde auch über solche Angriffe auf ehemalige Assad-Loyalisten auch in Damaskus berichtet. In einigen dieser Fälle, die bis Februar 2025 andauerten, blieben die Täter unidentifiziert.

Zivile Todesopfer

Zwischen November 2024 und Februar 2025 verzeichnete das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) insgesamt 1.032 zivile Todesopfer (darunter 165 Kinder und 110 Frauen). Im November 2024 wurden 71 Zivilisten getötet, gefolgt von 503 im Dezember 2024, 236 im Januar 2025 und 222 im Februar 2025. In diesem Viermonatszeitraum wurden die meisten zivilen Todesopfer in Aleppo (374), Hama (150) und Idlib (132) registriert. Die Zahl der vom SNHR in diesem Viermonatszeitraum erfassten zivilen Todesopfer übertraf die Gesamtzahl der ersten zehn Monate des Jahres 2024 (690 Tote) und betrug 395 % der Zahl der zivilen Todesopfer im Viermonatszeitraum unmittelbar vor dem Berichtszeitraum (261 Tote). Die Hauptverantwortlichen waren unbekannte Parteien, darunter Landminen unbekannter Herkunft und Schüsse, Bombenanschläge und Tötungen durch unbekannte Parteien (die zwischen November 2024 und Februar 2025 543 zivile Todesopfer forderten), (ehemalige) Streitkräfte der Assad-Regierung (die zwischen November 2024 und Januar 2025 243 zivile Todesopfer forderten, darunter 223 im Dezember), die SDF (die zwischen November 2024 und Februar 2025 145 Todesopfer forderten, darunter 108 im Dezember) und die SNA (die im Viermonatszeitraum 15 Todesopfer forderte). Im gleichen Zeitraum verzeichnete die UCDP 949 Sicherheitsvorfälle mit 3.350 Todesopfern in Syrien, davon 1.237 zivile Todesopfer. Die meisten zivilen Todesopfer wurden in den Gouvernements Homs (269), Aleppo (256) und Hama (200) registriert. Die geringste Anzahl an Sicherheitsvorfällen wurde in den Gouvernements Quneitra (5), Tartus (18) und Damaskus (19) registriert.

Erklärungen der UN-Organisationen (Sicherheit, Sozioökonomische Situation, Flüchtlinge)

Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtet, dass zwischen dem Beginn der Offensive am 27. November und dem 11. Dezember etwa eine Million Menschen aus den Provinzen Aleppo, Hama, Homs und Idlib vertrieben wurden. Es liegen keine Zahlen vor, aber Berichten zufolge kehrten im selben Zeitraum tausende syrische Flüchtlinge aus dem Libanon ins Land zurück. Auch aus der Türkei kehrten Flüchtlinge in den Nordwesten Syriens zurück. Gleichzeitig flohen einige Syrer:innen in den Libanon. Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher berichtet am 17.12.2024 über kritische Engpässe bei Nahrungsmitteln, Treibstoff und Vorräten aufgrund unterbrochener Handelsrouten und Grenzschließungen. Laut UNICEF benötigen 7,5 Million Kinder in Syrien humanitäre Hilfe. Mehr als 2,4 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule, und eine weitere Million Kinder laufen Gefahr, die Schule abzubrechen. Auch die Gesundheitsversorgung sei fragil. Fast 40 Prozent der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind teilweise oder vollständig funktionslos. Fast 13,6 Millionen Menschen benötigen Wasser, Sanitäranlagen und Hygienedienste; und 5,7 Millionen Menschen, darunter 3,7 Millionen Kinder, benötigen Ernährungshilfe. Die UN berichtet, dass es in der Woche vom 23.12.2024 weiterhin zu Feindseligkeiten und Unsicherheiten in den Provinzen Aleppo, Homs, Hama, Latakia, Tartus, Deir-ez-Zor und Quneitra kam. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage waren humanitäre Einsätze mit 30.12.2024 in mehreren Gebieten weiterhin ausgesetzt. Im November hatten rund zwei Millionen Menschen in ganz Syrien Nahrungsmittelhilfe in unterschiedlicher Form erhalten. Die instabile Sicherheitslage in den ländlichen Gebieten von Hama, Quneitra, Lataka und Tartous beeinträchtigte die Möglichkeit des Schulbesuchs für Kinder. Mit 29. Dezember haben 94 der 114 von UNHCR unterstützten Gemeindezentren in ganz Syrien ihre Arbeit wiederaufgenommen. Seit dem 27.11.2024 haben sich 58.500 Personen an die Gemeindezentren gewandt, um sich anzumelden und um Zugang zu Schutzdiensten zu erhalten. Laut UNHCR kehrten zwischen 8. und 29. Dezember 58.400 Personen nach Syrien (hauptsächlich aus dem Libanon, Jordanien und der Türkei) zurück. Seit Anfang 2024 (bis zum 29. Dezember) kehrten ungefähr 419.200 syrische Flüchtlinge zurück; die Mehrheit von ihnen nach Raqqa (25%), Aleppo (20%) und Daraa (20%). Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, erklärte in seinem Briefing an den UN-Sicherheitsrat am 8. Jänner 2025, dass sich die Sicherheitssituation in einigen Regionen zwar verbesserte, es jedoch weiterhin zu Unruhen in den Küstenregionen, Homs und Hama kam. Bewaffnete Gruppen, darunter das Terrornetzwerk Islamischer Staat – und über 60 Gruppen mit widersprüchlichen Agenden – stellten ebenfalls eine anhaltende Bedrohung für die territoriale Integrität Syriens dar. Pederson berichtete weiters über den oben beschriebenen Konflikt zwischen SNA und SDF, sowie die Verstöße Israels. Auch die humanitäre Lage war nach wie vor kritisch: Fast 15 Millionen Syrer:innen benötigten Gesundheitsversorgung, 13 Millionen waren von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen und über 620.000 waren Binnenflüchtlinge. Die am Tischreen-Staudamm verursachten Schäden schränkten die Wasser- und Stromversorgung für mehr als 400.000 Menschen ein. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) teilte am 30. Jänner mit, dass über 25.000 Menschen aus der nordöstlichen Stadt Manbidsch vertrieben worden seien. Speziell in Ost-Aleppo und rund um den Tischreen-Staudamm kam es zu Kämpfen. Infolge der eskalierenden Gewalt sei die Zahl der Neuvertriebenen bis zum 27.01.2025 auf 652.000 gestiegen. Die humanitäre Hilfe wurde durch einen Mangel an öffentlichen Dienstleistungen und Liquiditätsengpässen schwer beeinträchtigt. In Städten wie Homs und Hama gebe es alle acht Stunden nur 45 bis 60 Minuten lang Strom. Mitte Februar erklärte OCHA, dass die humanitäre Hilfe für Syrien erheblich unterfinanziert ist. Bis März wurden weniger als 10 Prozent der benötigten 1,2 Milliarden Dollar bereitgestellt. Gleichzeitig kommt es in Teilen Nordostsyriens, speziell in Ost-Aleppo, Raqqa, und Hasakah, weiterhin zu Zusammenstößen und Angriffen mit Sprengsätzen. Mit 26.02.2025 erreichte die humanitäre Hilfe, laut UN, viele Gemeinden, doch schränkten Kämpfe den Zugang zu Hilfe in mehreren Regionen im Osten Aleppos ein.

Vertreibung und Rückkehr

Die Zahl der seit dem 27. November 2024 durch Konflikte neu vertriebenen Personen erreichte mit einer ersten Welle am 12. Dezember mit 1,1 Millionen Menschen ihren Höhepunkt. Diese ersten Vertreibungen, die aus Angst vor dem eskalierenden bewaffneten Konflikt entstanden, wurden hauptsächlich in Hama und Aleppo verzeichnet, darunter in der Stadt Aleppo, im Westen Aleppos und insbesondere in Tall Rifaat und Manbidsch, nachdem die beiden Städte von von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppierungen eingenommen worden waren.

UN-Quellen schätzten die Zahl der seit Ende November 2024 neu Vertriebenen, die sich noch in der Vertreibung befanden, auf 859.460 (Stand: 18. Dezember 2024), auf rund 627.000 (Stand: 10. Januar 2025) und auf 650.000 (Stand: 5. Februar 2025). 2025 verzeichnete das UNOCHA weitere konfliktbedingte Vertreibungswellen aus der Region Manbidsch. Mitte Januar 2025 waren es bis zu 15.000 Vertreibungen. Im weiteren Verlauf des Monats folgten über 25.000.892 Quellen schätzten die Zahl der Menschen, die Anfang Dezember 2024 vor der SNA-Offensive in Nordsyrien geflohen waren, auf 100.000893 bis 120.000. Nach dem Sturz Assads zogen zurückkehrende Binnenvertriebene in Gebiete, die zuvor von der ehemaligen Regierung kontrolliert wurden, darunter Aleppo, Hama, Homs und Damaskus. UN-Quellen schätzten, dass die Zahl der neu in ihre Heimat zurückkehrenden Vertriebenen bis zum 10. Januar 2025 auf über 522.000 gestiegen war. Gleichzeitig blieben die Rückkehrbewegungen aus Binnenvertriebenenlagern „stabil, aber minimal“. Der Cluster für Lagerkoordination und -management (CCCM) wurde Ende Januar 2025 mit der Aussage zitiert, dass seit dem 3. Dezember 2024 rund 57.000 Menschen die Lager verlassen hätten. Bei diesen Rückkehrern handelte es sich hauptsächlich um einzelne Familien oder Männer, die zurückkehrten, um sich mit ihren Familien wieder zu vereinen oder den Zustand ihrer Häuser zu beurteilen. Nach Schätzungen des UNHCR kehrten bis zum 26. Februar 2025 schätzungsweise 885.294 Binnenvertriebene zurück, während etwa 7,4 Millionen Binnenvertriebene blieben. Die Gouvernorate mit dem größten Anteil an Binnenvertriebenenrückkehrern waren Aleppo mit 425.705, gefolgt von Hama mit 155.561 und Idlib mit 116.053.899 Wie UNOCHA feststellte, gehörten zu den gemeldeten Bedenken, die die Rückkehrentscheidungen der Binnenvertriebenen beeinflussten, die Zerstörung von Eigentum, unzureichende Infrastruktur, Unsicherheit sowie der Zugang zu zivilrechtlichen Dokumenten und Justizdienstleistungen, einschließlich Dokumenten zu Wohnungs-, Land- und Eigentumsrechten (nicht alle zivilrechtlichen Register und Gerichte waren Ende Januar 2025 betriebsbereit). Ein weiterer kritischer Punkt war die Kontamination mit nicht explodierten Kriegsmunitionsresten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung sowie aus dem vorgelegten Personalausweis, dem Wehrdienstbuch sowie dem Auszug aus dem Melderegister.

2.2. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort und seinen Aufenthaltsorten, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen und deren Aufenthaltsorten sowie zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang sind chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Syrien und in der Türkei plausibel. Dass der Beschwerdeführer den verpflichtenden syrischen Wehrdienst nicht abgeleistet hat, ergibt sich aus seinen dahingehend glaubhaften Angaben sowie insbesondere aus dem vorgelegten Wehrdienstbuch.

2.3. Die Detailinformationen zu den Aufenthalten der Familienmitglieder und den Kontakten erweisen sich als stets widerspruchsfrei vorgebracht und glaubhaft.

2.4. Die Feststellungen hinsichtlich des Aufenthalts im Bundesgebiet und des Bezugs von Leistungen aus der Grundversorgung gründen sich auf die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister und dem Grundversorgungs-Informationssystem.

Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus dessen eigenen Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers war auf Grundlage der Einsichtnahme in das Strafregister festzustellen.

2.5. Dass die vorgebrachte drohende Verfolgung durch das Regime (wegen Verweigerung einer Einziehung zum Militärdienst) weggefallen ist, ergibt sich einerseits aus den obigen Länderfeststellungen, wonach das syrische Regime unter Präsident Assad infolge der erfolgreichen Großoffensive der HTS Ende November/Anfang Dezember 2024 nicht mehr existiert. Effektiv ist damit auch die Bürgerkriegssituation – jedenfalls in der hier relevanten Herkunftsregion des Beschwerdeführers – weggefallen. Zudem hat auch der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2025 ausdrücklich erklärt, dass sein bisheriges Vorbringen nicht mehr relevant ist.

2.6. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren keinerlei Handlungen oder Tätigkeiten vorgebracht (und dementsprechend auch nicht belegt), die ihn öffentlich in irgendeiner Form mit dem Regime oder gar dessen Verbrechen in Verbindung bringen könnten.

Soweit der Beschwerdeführer nun aufgrund seiner politischen Einstellung eine drohende Verfolgung durch die HTS behauptet, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen aus folgenden Gründen nicht glaubhaft ist:

Der Beschwerdeführer brachte erstmals in der mündlichen Verhandlung am 16.04.2025 vor, dass er eine Verfolgung seitens der HTS fürchte ohne dabei konkrete Verfolgungsgründe zu nennen. Er beschränkte sich dabei auf allgemeine Aussagen, dahingehend, dass er gegen diese Gruppe(n) und gegen deren Politik sei. Konkreteres konnte er – auch auf Vorhalt, dass er jahrelang keine Probleme mit diesen Gruppierungen gehabt habe – nicht angeben. Die diesbezügliche Befragung verlief wie folgt:

„RI: Wann haben Sie Syrien verlassen?

BF: 2019.

RI: Haben Sie in dieser Zeit immer in XXXX gelebt?

BF: Ja.

RI: Wer hat zwischen 2011 und 2019 XXXX kontrolliert?

BF: Mehrere Gruppen, z.B. der IS und auch einige Gruppen, die der Türkei angehören.

RI: Mit diesen Gruppierungen hatten Sie und Ihre Familie in diesen Jahren aber offensichtlich keine Probleme.

BF: Ja, ich habe dort gelebt und gearbeitet, es gab keine Probleme.

RI: Wieso glauben Sie, dass Sie jetzt durch diese Gruppierungen verfolgt werden?

BF: Wegen ihrer Ideologie, sie sind radikalislamistisch. Die Gruppe, die das Land jetzt kontrolliert, war ja bekannt als die al-Nusra Front. Jeder weiß, dass sie zum IS gehören.

RI: Sie haben mir gerade gesagt, dass Sie jahrelang mit dieser Gruppierung keine Probleme hatten.

BF: Ich habe dort gelebt, ich habe mich auch nicht eingemischt. Aktuell haben sie viele Gebiete eingenommen. Der Beweis dafür sind die Massaker, die aktuell an der Küste passieren, dort werden die Alawiten getötet. Es herrscht dort ein sektiererischer Krieg.

RI: Sie sind aber sunnitischer Araber, ist das richtig?

BF: Ja.

RI: Weshalb sind Probleme einer religiösen Minderheit daher für Sie relevant?

BF: Ich habe nicht verstanden.

RI: Welcher Konfession und zu welcher Religionsgemeinschaft hat das Assad Regime, bzw. die Familie des Assad angehört?

BF: Das sind Alawiten.

RI: Wieso glauben Sie, dass die Probleme der Alawiten für Sie eine Bedeutung haben?

BF: Sie sind auch Menschen. Sie haben nichts mit den Kämpfen, die in Syrien passieren, zu tun. Sie töten Jung und Alt und es gibt viele Beweise.

RI: Aus welchen Quellen beziehen Sie Ihre Informationen zu Syrien?

BF: Aus den Sozialen Medien, es gibt dort verschiedene Nachrichten.“

Soweit der Beschwerdeführer nun behauptet, dass die HTS gegen die Alawiten vorgehen würden, ist darauf hinzuweisen, dass dies für den Beschwerdeführer als sunnitischer Araber nicht unmittelbar relevant ist. Sein Vorbringen zu den ihn angeblich drohenden Verfolgungshandlungen bleibt aus diesen Gründen insgesamt äußerst vage und unschlüssig.

Der Beschwerdeführer hat im gesamten behördlichen Verfahren, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht keinerlei Andeutungen gemacht, er hätte Probleme mit der FSA, der HTS oder anderen gegenüber der Assad-Regierung oppositionellen Gruppierungen (gehabt). Er hat nicht ansatzweise zu erkennen gegeben, diesen bzw. oppositionellen Gruppierungen gegenüber kritisch eingestellt zu sein, deren politische Sicht nicht zu teilen oder sich kritisch gegenüber Gruppierungen oder ihrer Anführer geäußert zu haben. Auch auf mehrfache Nachfrage war es ihm nicht möglich, darzulegen, wieso er – offenbar anlasslos – verfolgt werden sollte beziehungsweise wie seine Ablehnung der HTS überhaupt nach außen zu Tage treten würde.

2.7. Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den vor der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebrachten aktuellen Länderinformationen zu Syrien, insbesondere auf den Berichten der Staatendokumentation (Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024), des UNHCR (Regional Flash Updates Syria situation crisis, zuletzt #19 vom 21.03. 2025, und Syria governorates of return overview vom 31.12.2024), des ISW (Iran Update vom 30.12.2024), des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Briefing Notes vom 17.03.2025), von ACCORD (Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad vom 11.03.2025 und Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen [z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG]; Zwangsrekrutierungen vom 21.03.2025) und von EUAA (Syria: Country Focus vom März 2025). Es handelt sich um Berichte anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der entscheidungswesentlichen Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben und an ihrer Aktualität zu zweifeln.

Der Machtwechsel sowie dessen festgestellte Begleitumstände um den 08.12.2024 können als notorisch betrachtet werden. Zudem bildet der Kurzbericht der Staatendokumentation vom 10.12.2024 den Verlauf der zuletzt eingetretenen Ereignisse bis hin zur Machtergreifung durch die syrische Opposition ab. Der Bericht lässt keinen Zweifel am Sturz des syrischen Regimes, der Außerdienststellung der Regierungssoldaten und damit auch dem Auslaufen des syrischen Wehrdienstes offen.

Die Implosion des Assad-Regimes samt Flucht der Familie in die Russische Föderation sowie der syrischen Armee und die – jedenfalls in Relation zum vorherigen Bürgerkriegsverlauf – kaum gewaltsame Machtübernahme durch die HTS im nahezu gesamten bisherigen Regimegebiet sind von einer derart außergewöhnlichen Intensität und Nachhaltigkeit, dass diese substanzielle Änderung der Entscheidungsgrundlage hinsichtlich der Situation im Herkunftsstaat auch trotz des vergleichsweise kurzen Beobachtungszeitraumes von wenigen Monaten festgestellt werden kann.

Dies gilt auch für das weitgehende Ende der Bürgerkriegssituation in Syrien – was die festgehaltenen Scharmützel/Gefechte mit versprengten Regime-Anhängern oder einzelnen ethnischen/religiösen Gruppen (etwa Alawiten) oder die noch anhaltenden Gefechte im nördlichen Landesteil (kurdisch besiedelte Gebiete) per se nicht ausschließt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Zu A) Zur Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF):

3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird ausgeführt, dass drohende Bestrafung wegen der Weigerung der Teilnahme an einem von der Völkergemeinschaft verurteilten Kriegseinsatz dann zur Asylgewährung führen könne, wenn dem jeweiligen Asylwerber eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde (siehe etwa VwGH 21.12.2000, 2000/01/0072). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt darüber hinaus ausdrücklich die Auffassung, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen – etwa gegen die Zivilbevölkerung – auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009). Dies ist auch in Art. 9 Abs. 2 lit e der Richtlinie 2011/95/EU ausdrücklich festgehalten. Daher wäre eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 der genannten Richtlinie fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung.

3.3. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge, Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Auch unbestrittenen Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457).

Die amtswegigen Ermittlungspflichten im Asylverfahren sind im § 18 Abs. 1 AsylG 2005 geregelt, der inhaltlich nahezu wortgleich der Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997 entspricht. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. AsylG 1997 folgend stellt diese Gesetzesstelle eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht (vgl. VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. VwGH 31.05.2001, Zl. 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, Zl. 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).

3.4. Die Ausführungen des Beschwerdeführers sind insgesamt nicht geeignet, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK sowie eine für sie aktuelle Verfolgungsgefahr aus eben diesen Gründen darzutun.

Zunächst ist festzuhalten, dass das bisherige Vorbringen in Bezug auf das Assad-Regime (und die Einziehung zum Militärdienst) vollständig weggefallen ist. Dieser Wegfall kann aufgrund der sehr engen Definition des geltend gemachten Verfolgers und dessen vollständigen Zusammenbruchs (samt Flucht des Diktators ins Ausland) auch bereits zum jetzigen Zeitpunkt als nachhaltige und dauerhafte Änderung der Umstände angesehen werden. Es gibt keine schlüssige Argumentation, wie das Assad-Regime sich in Syrien erneut etablieren sollte, wo doch die militärischen Verbündeten (Russland und Iran) bei seinem Sturz effektiv nicht reagiert haben und die nationale Struktur des Regimes binnen eines Wochenendes nahezu vollständig implodiert ist. Dies übrigens auch nach Ansicht des Beschwerdeführers selbst.

Auch eine Asylantragstellung im Ausland (aus den ursprünglich vorgebrachten Gründen) begründet angesichts der geänderten Umstände im Herkunftsstaat kein Risiko einer asylrelevanten Verfolgung. Es liegen nach dem Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür vor, dass die HTS dem Beschwerdeführer aufgrund seiner illegalen Ausreise 2019, seinem Aufenthalt in der Türkei oder seiner Asylantragstellung im Ausland eine oppositionelle politische Haltung unterstellen würde; insbesondere zumal diese Ereignisse zeitlich vor dem Machtwechsel in Syrien stattgefunden haben.

Soweit der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung im April 2025 neue Asylgründe – eine Verfolgung durch die HTS aufgrund einer dieser gegenüber oppositionellen Einstellung - vorbrachte, kommt diesen wie oben dargelegt keine Glaubhaftigkeit zu. Überdies erweisen sie sich die vorgebrachten, angeblich drohenden, Verfolgungshandlungen als reine Spekulationen oder betreffen eine Schutzebene (subsidärer Schutz aufgrund fortgesetzter bewaffneter Auseinandersetzungen), die im gegenständlichen Verfahren gar nicht zur Diskussion steht.

Dies gilt insbesondere auch für die durch keinerlei Berichtsmaterial unterlegbare Behauptung seines Vertreters, der Beschwerdeführer könnte von den neuen Machthabern gezwungen werden, Verbrechen gegen Alawiten zu verüben oder zumindest gegen diese zu kämpfen.

3.5. „Aussetzung von Verfahren“, Rechtsschutz und UNHCR-Position zur Rückkehr in die Arabische Republik Syrien

Der Vollständigkeit halber ist vor dem Hintergrund der laufenden Diskussionen und der Vorgehensweise des BFA im Kontext mit Verfahren betreffend Syrien festzuhalten, dass die österreichische Rechtsordnung ein rechtswirksames „Aussetzen“ von Verfahren betreffend internationalen Schutz aufgrund einer allfällig „unklaren“ Situation nicht vorsieht. Dies gilt insbesondere für das Bundesverwaltungsgericht, dem gleichzeitig eine gesetzliche Erledigungsfrist vorgeschrieben ist. Ein Abwarten auf eine umfangreiche strukturierte Berichtslage zur Situation in Syrien (inkludierend auch die Umstände für eine allfällige Rückkehr) ist daher nicht abzuwarten, wenn hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Fragen eines Verfahrens hinreichend gesicherte Informationen vorliegen.

Soweit eine gewisse Skepsis hinsichtlich der weiteren Entwicklung in Syrien besteht, ist nochmals zu betonen, dass die österreichische Rechtsordnung sowohl das Institut der Wiederaufnahme eines Verfahrens kennt als auch die Möglichkeit eines weiteren Antrags auf internationalen Schutz einräumt. Angesichts der oben in Punkt 1.7. dargestellten Lageänderung bestehen kaum Zweifel, dass derartige (Folge-)Anträge – soweit sie sich auf die Entwicklung seit 10.12.2024, insbesondere die Politik der HTS, beziehen – inhaltlich behandelt werden müssen und nicht wegen „entschiedener Sache“ zurückgewiesen werden können. Umgekehrt können gegenwärtige Befürchtungen betreffend eine asylrelevante Verfolgung ohne aktuell hinreichende Substanz (sondern lediglich mit dem Verweis auf eine mögliche zukünftige Entwicklung) nicht zu einer Zuerkennung des Asylstatus führen – und auch nicht dazu, dass die Behörden/Gerichte mit einer Entscheidung zuwarten, ob sich die Situation in Richtung der geäußerten Befürchtungen verschlechtert.

Soweit die UNHCR „Position on Returns to the Syrian Arab Republic“ in ihrem Punkt 7 davon spricht, dass UNHCR „does not consider that the requirements for cessation of refugee status for beneficiariesof international protection originating from Syriahave currently been met“ ist zu betonen, dass es sich bei diesem Papier um eine Globalposition zur weltweiten Verbreitung handelt und sich aus dem Titel, der Gesamtstruktur und den Punkten 2 bis 4 sowie 5 und 6 klar ergibt, dass sich dieses Papier primär auf die Rückkehr, die Erlassung von Rückkehrentscheidungen (dabei beachtlich: das Prinzip des non-refoulment) sowie den nach wie vor zu gewährenden Zugang zu einem Verfahren betreffend internationalen Schutz bezieht. In diesem Zusammenhang besteht auch die in der Judikatur des VwGH festgehaltene „Indizwirkung“ von Dokumenten des UNHCR. All diese Themen sind allerdings nicht von der gegenständlichen Entscheidung betroffen.

Insbesondere macht die Formulierung des Punkt 6 der „Position“ klar, dass es nach Ansicht des UNHCR keine vollständig negativen Entscheidungen (mit Rückkehrpflicht) geben soll, bevor nicht hinreichend verlässliche Informationen über die allgemeine Sicherheitslage und Menschenrechtssituation bestehen. Damit bezieht sich UNHCR aber unmissverständlich auf jenen Bereich des internationalen Schutzes, der in Österreich vom Status des „Subsidiär Schutzberechtigten“ erfasst wird. Entscheidend ist dabei, dass diese rechtliche Differenzierung zwar in den EU-Mitgliedsstaaten erfolgt, aber eben nicht weltweit, weshalb UNHCR in einer allgemein formulierten Position diese Differenzierung nicht aufnehmen kann.

Daraus ergibt sich, dass dem vorliegenden UNHCR-Positionspapier zwar eine Indizwirkung in Bezug auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz sowie hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zukommt. Nicht jedoch hinsichtlich der Frage, wie über die (ausschließliche) Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zu entscheiden ist. Mangels einer entsprechenden einschlägigen Indizwirkung steht das Positionspapier somit einer negativen Entscheidung ausschließlich betreffend § 3 AsylG nicht entgegen. Subsidiärer Schutz – und damit ein bestehendes Hindernis für eine Rückkehrentscheidung – kommt dem Beschwerdeführer ohnehin zu.

3.6. Im gegenständlichen Fall liegen somit keine substantiellen, stichhaltigen Gründe für das Vorliegen einer individuellen Gefahr der Verfolgung oder einer gegründeten Furcht vor einer solchen nach § 3 Abs. 1 AsylG iVm. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK vor. Vielmehr sind in Bezug auf den Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt bloß alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Unbilligkeiten aufgrund des (bisherigen) Bürgerkrieges bzw. der allgemein schlechten Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers zu erkennen, die nicht asylrelevant sind und denen bereits mit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes Rechnung getragen wurde.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, des EuGH und des EGMR); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

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