Spruch
W198 2304677-1/15E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Kurt SCHEBESTA sowie Sascha ERNSZT als Beisitzer in der Beschwerdesache von XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Hauffgasse vom 27.11.2024, VSNR: XXXX , in nicht öffentlicher Sitzung, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird für gegenstandslos erklärt und das Verfahren gemäß §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Hauffgasse (im Folgenden: AMS oder belangte Behörde) vom 27.11.2024, VSNR: XXXX , wurde der Bezug der Notstandshilfe für XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerin) gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG für den Zeitraum von 28.07.2024 bis 03.08.2024 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 261,94 verpflichtet.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum von 28.07.2024 bis 03.08.2024 zu Unrecht bezogen habe, da sie von der Firma XXXX eine Urlaubsersatzleistung erhalten habe. Während einer Urlaubsersatzleistung ruht der Anspruch auf Notstandshilfe.
2. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 12.12.2024 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin führte sie zusammengefasst aus, dass ihr Anspruch auf Urlaubsersatzleistung aus einem geringfügigen Dienstverhältnis stammen würde. Die Anwendung des § 16 Abs. 4 AlVG, so wie es die belangte Behörde vornehme, sei gemäß § 12 Abs. 6 lit a AlVG nicht möglich, da es sich weiterhin um ein Entgelt handle, dass die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreite. § 16 Abs. 4 AlVG sei aber nur auf eine Urlaubsersatzleistung anwendbar, die die Geringfügigkeitsgrenze überschreite.
3. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Bezug habenden Akt ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung am 19.12.2024 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Im Beschwerdevorlageschreiben wurde unter anderem ausgeführt, dass aus Sicht des AMS eine Rechtsfrage zu klären sei. Laut jüngster Erlasslage – an diese sei das AMS gebunden – führe auch eine Urlaubsersatzleistung aus geringfügiger Beschäftigung zum Ruhen des Anspruches auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Dem Gesetzeswortlaut sei nicht zu entnehmen, dass das Ruhen lediglich bei pflichtversicherter Urlaubsersatzleistung eintreten soll.
4. Mit Schriftsatz vom 03.03.2025 gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt habe, stellte einen Antrag auf Akteneinsicht und gab eine ergänzende Stellungnahme ab.
5. Dem Antrag auf Akteneinsicht wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 11.03.2025 stattgegeben.
6. Die belangte Behörde wurde am 11.03.2025 vom Ergebnis der Beweisaufnahme (Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 03.03.2025) verständigt und ihr wurde die Möglichkeit gegeben, bis 25.03.2025 einlangend, dazu eine Stellungnahme abzugeben.
7. Am 26.03.2025 gab die belangte Behörde telefonisch bekannt, dass die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme nicht eingehalten werden habe können, da der zuständige Sachbearbeiter erkrankt gewesen sei. Eine Stellungnahme wurde aber angekündigt.
8. In ihrer schriftlichen Äußerung vom 26.03.2025 gab die belangte Behörde bekannt, dass sie beabsichtige, den verfahrensgegenständlichen Bescheid aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 19.11.2024 zu GZ Ra 2024/08/0103 mittels Aufhebungsbescheid nach § 68 Abs. 2 AVG zu beheben. Dieser werde nach Endausfertigung unmittelbar an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
9. Mit Schreiben vom 28.03.2025 wurde die Beschwerdeführerin vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt.
10. Mit Bescheid des AMS vom 08.05.2025 wurde der angefochtene Bescheid vom 27.11.2024 gemäß § 68 Abs. 2 AVG behoben.
Begründend wurde dabei im Wesentlichen festgehalten, dass gemäß der aktuellen höchstgerichtlichen Judikatur (Erkenntnis des VwGH vom 17.12.2024, GZ Ra 2024/08/0124) feststehe, dass das Ruhen gemäß § 16 Abs. 1 lit. l iVm Abs. 4 AlVG nicht immer dann eintritt, wenn ein der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegendes geringfügiges Beschäftigungsverhältnis beendet und daraus eine Urlaubsersatzleistung bezogen wird. Sind daneben noch ein oder mehrere andere Beschäftigungsverhältnisse aufrecht, aus denen (insgesamt) ein Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt wird, besteht nämlich auf Grund des § 12 Abs. 1 AlVG mangels Arbeitslosigkeit noch kein Anspruch, der ruhen könnte. Der Leistungsanspruch wird nur begründet - um in der Folge während des Bezugs der Urlaubsersatzleistung zu ruhen -, wenn die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses dazu führt, dass insgesamt kein Entgeltanspruch über der Geringfügigkeitsgrenze mehr besteht (vgl. zu dieser Voraussetzung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit VwGH 19.11.2024, Ra 2024/08/0103). Als „anspruchsbegründendes“ Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 16 Abs. 4 AlVG ist also jenes zu verstehen, dessen Beendigung gemäß § 12 AlVG die Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe herbeigeführt hat. Wird in der Folge ein daneben zunächst noch aufrechtes oder während der Arbeitslosigkeit aufgenommenes (weiteres) geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (§ 12 Abs. 6 lit. a AlVG) beendet und auf Grund dessen eine Urlaubsersatzleistung bezogen, so führt dies - da es sich nicht um ein anspruchsbegründendes Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 16 Abs. 4 AlVG handelt - nicht zum Ruhen des Anspruchs.
Diese anspruchsvernichtende Fallkonstellation liege im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Beschäftigung der Beschwerdeführerin beim Dienstgeber XXXX in der Zeit von 01.09.2023 bis 27.07.2024 sei durchgehend unverändert geringfügig gewesen und habe deren arbeitsrechtliche Beendigung mit 27.07.2024 ihre Arbeitslosigkeit auch nicht herbeigeführt. Der Bescheid vom 27.11.2024 sei daher gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben, um einen rechtkonformen Zustand herzustellen.
11. Nach telefonischer Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes am 16.06.2025 reichte das AMS am selben Tag den Zustellnachweis des Bescheides vom 08.05.2025 nach und gab bekannt, dass kein Rechtsmittel gegen den Bescheid eingelangt sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter I. dargelegte Verfahrensgang wird als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
Der Bescheid des AMS vom 08.05.2025, mit welchem der Bescheid des AMS vom 27.11.2024 gemäß § 68 Abs. 2 AVG behoben wurde, ist in Rechtskraft erwachsen.
2. Beweiswürdigung:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich unstrittig aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt und dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Der wesentliche Sachverhalt ist im gegenständlichen Fall unstrittig und handelt es sich um die Beurteilung einer reinen Rechtsfrage.
Die Rechtskraft des Bescheides vom 08.05.2025 ergibt sich aus dem Schreiben („Nachreichung“) des AMS vom 16.06.2025, mit welchem der Zustellnachweis des Bescheides übermittelt wurde. Daraus geht hervor, dass der Bescheid mit Hinterlegung am 14.05.2025 zugestellt wurde. Das AMS teilte weiters mit, dass kein Rechtsmittel gegen den Bescheid eingelangt sei und der Bescheid daher zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen sei.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BvwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.
Zu A) Einstellung des Verfahrens:
Gemäß dem – für behördliche Verfahren geltenden – § 68 Abs. 2 AVG können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, von Amts wegen sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
Die Anhängigkeit einer Beschwerde steht einer Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG nicht entgegen (vgl. VwGH 22.02.2022, Ra 2021/08/0044 mHa VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0029 [= VwSlg. 19.245 A/2015]).
Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde oder des Untergangs des Beschwerdeführers kann analog zu § 33 VwGG eine Einstellung auch bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers (Wegfall der Beschwer) in Betracht kommen. Dies grundsätzlich sowohl bei formeller Klaglosstellung als auch bei materieller Klaglosstellung wegen Wegfall des Rechtsschutzinteresses (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm 5).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eine Beschwerde mit Beschluss für gegenstandslos geworden zu erklären, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Gegenstandslosigkeit wird – neben formeller Klaglosstellung – angenommen, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt. Dabei ist zu beachten, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit einer Partei nicht den Anspruch auf die verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden an sich gewähren, sondern nur einen Anspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (vgl. z.B. VwGH 13.12.2010, 2009/10/0050 mit Verweis auf VwGH 29.09.2010, 2008/10/0029; 05.11.2014, Ro 2014/10/0084).
Gegenständlich wurde die Beschwerdeführerin nach Beschwerdeeinbringung durch die mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.05.2025 erfolgte – auf § 68 Abs. 2 AVG gestützte – Behebung des angefochtenen Bescheides vom 27.11.2024 formell und materiell klaglos gestellt; ihre Beschwer ist damit weggefallen.
Das Beschwerdeverfahren war daher spruchgemäß einzustellen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. etwa VwGH vom 13.12.2010, 2009/10/0050 mit Verweis auf VwGH vom 29.09.2010, 2008/10/0029; 05.11.2014, Ro 2014/10/0084), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.