Spruch
I412 2305747-2/3E
Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, vom 26.06.2025 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 24.06.2025, den Beschluss:
A)
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Antragsteller (AS) stellte am 27.09.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid vom 09.12.2024 wurde der Antrag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Türkei nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des AS in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist. .). Gestützt auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.) und ihm keine Frist für eine freiwillige Ausreise Tagen gewährt (Spruchpunkt VII.)
3. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und u.a. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
4. Mit Ladung des BVwG vom 05.05.2025 wurde für den 24.06.2025 eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt, die Ladung wurde an die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers im elektronischen Rechtsverkehr ordnungsgemäß zugestellt.
5. In weiterer Folge fand am 24.06.2025 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Bei Aufruf der Sache waren weder der AS noch deren rechtsfreundliche Vertretung anwesend.
6. Mit Erkenntnis vom 25.06.2025, GZ I412 2305747-1/5E wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. – V. und VII. als unbegründet abgewiesen und das mit Spruchpunkt VI. verhängte Einreiseverbot behoben.
7. Mit am 26.06.20225 einlangenden Schriftsatz brachte die bevollmächtigte Rechtsvertretung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Bundesverwaltungsgericht ein. Begründend wird darin ausgeführt, der Rechtsvertreter des AS sei nicht in Kenntnis ob dieses Verhandlungstermins gewesen. In der ersten Maiwoche habe aufgrund der urlaubsbedingten Abwesenheit der Stammsekretärin in der Kanzlei des Rechtsvertreters des AS aushilfsweise eine Sekretärin den Dienst versehen und irrtümlicherweise die Ladung zur Beschwerdeverhandlung, die per ERV zugemittelt worden sei, nicht ausgedruckt und dem Rechtsvertreter des AS zur Vorlage gebracht, um den Verhandlungstermin im Fristenbuch einzutragen, sowie den AS auch über den Verhandlungstermin in Kenntnis zu setzen. Der AS sei sohin nicht in Kenntnis ob des Verhandlungstermines gewesen. Es liege sohin ein minderer Grad des Versehens vor, dass der am 24.06.2025 anberaumte Beschwerdeverhandlungstermin nicht wahrgenommen werden habe können.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird – um Wiederholungen zu vermeiden –als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Rechtsvertreter des Antragstellers hat am 24.06.2025 das Protokoll über die in Abwesenheit durchgeführte mündliche Verhandlung im elektronischen Rechtsverkehr erhalten.
Der Wiedereinsetzungsantrag wurde am 26.06.2026 via Web-ERV eingebracht und der Antrag damit rechtzeitig eingebracht.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der relevante Sachverhalt ergeben sich zweifelsfrei aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des Bundesverwaltungsgerichtes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Antrag auf Wiedereinsetzung
§ 33 VwGVG lautet:
§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat, beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.
Eine mündliche Verhandlung wurde versäumt, wenn die Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Verhandlung erschienen ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71, Rz 28 mwN.). Wie sich aus dem ERV-Protokoll ergibt, wurde die AS für die mündliche Verhandlung mit Ladung vom 05.05.2025 ordnungsgemäß geladen, was im Wiedereinsetzungsantrag auch nicht bestritten wurde. Die Verhandlung wurde versäumt, da der AS sowie seine Rechtsvertretung zu dieser unentschuldigt nicht erschienen sind.
Das Bundesverwaltungsgericht ist auf Grund der Antragsbedürftigkeit des Wiedereinsetzungsverfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihm verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung miteinzubeziehen. Eine amtswegige Prüfung, ob sonstige vom Antragsteller nicht geltend gemachte Umstände die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, hat nicht zu erfolgen (vgl. VwGH 17.03.2015, Ra 2014/01/0134).
Ein Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung ist dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten.
Das Versehen einer Kanzleiangestellten eines Rechtsanwalts ist dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber der Kanzleiangestellten verletzt hat. Ein berufsmäßiger Parteienvertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozesshandlungen gesichert erscheint. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. VwGH 13.12.2021, Ra 2020/15/0130, mwN).
Es besteht eine Verpflichtung des Wiedereinsetzungswerbers zur Konkretisierung aller Umstände, die es ermöglichen, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes zu beurteilen. Der Wiedereinsetzungswerber hat von sich aus initiativ alles vorzubringen, was die Annahme eines die Rechtzeitigkeit der Vornahme einer Prozesshandlung hindernden Umstandes begründen kann (VwGH 20.11.2015, Ra 2015/02/0209, mwN). Dazu zählt auch die Darstellung des in der Kanzlei des Rechtsvertreters eingerichteten Kontrollsystems zur Sicherstellung, dass dem Vertreter tatsächlich die gesamte eingehende Post rechtzeitig vorgelegt wird. Fehlt es an einer derartigen Darstellung im Wiedereinsetzungsantrag, kann das VwG vom Fehlen solcher Kontrollmaßnahmen und Anordnungen ausgehen, und es kann am Vorliegen eines (dem Wiedereinsetzungswerber zuzurechnenden) den Grad minderen Versehens übersteigenden Verschuldens des Vertreters kein Zweifel bestehen (vgl. VwGH 27.7.2020, Ra 2020/11/0102; 19.4.2007, 2007/09/0019, jeweils mwN).
Das Bundesverwaltungsgericht ist auf Grund der Antragsbedürftigkeit des Wiedereinsetzungsverfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihr verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung miteinzubeziehen. Eine amtswegige Prüfung, ob sonstige vom Antragsteller nicht geltend gemachte Umstände die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, hat nicht zu erfolgen (vgl. VwGH 3.2.2021, Ra 2020/05/0056, mwN).
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war demnach abzuweisen.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im Wiedereinsetzungsantrag wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Der für die Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrags maßgebliche Sachverhalt ist aufgrund der Aktenlage als ausreichend geklärt. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.