JudikaturBVwG

I419 2311601-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2025

Spruch

I419 2311601-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Marc Deiser und Thomas Geiger MBA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS XXXX vom 07.03.2025, Zl. XXXX , betreffend Zurückweisung wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das AMS Anträge des Beschwerdeführers, zwei „Mitteilungen über den Leistungsanspruch“ des AMS an ihn zu korrigieren, hilfsweise aber Bescheide zu erlassen, wegen entschiedener Sache zurück. Das AMS habe bereits zuvor bescheidmäßig die Höhe des Arbeitslosengeldes ausgesprochen, das dem Beschwerdeführer ab dem 03.06.2024 gebühre, und das Bundesverwaltungsgericht habe den Bescheid darüber im Beschwerdeverfahren bestätigt. Zumal eine neue Anwartschaft nicht vorliege, verbiete sich eine nochmalige Entscheidung über die Höhe des Anspruchs.

2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, die Beschäftigung des Beschwerdeführers im Inland nach seiner „Grenzgänger-Eigenschaft“ habe weniger als vier Wochen gedauert, weshalb diesem nach § 21 Abs. 7 Z. 2 AlVG die dort vorgesehene Maßgeblichkeit eines fiktiven Entgelts zugutekomme, wogegen Abs. 1 nicht anzuwenden sei. Eine entschiedene Sache liege gerade deswegen nicht vor, weil das Bundesverwaltungsgericht entschieden habe, dass das Auslandseinkommen des Beschwerdeführers als Grenzgänger nach § 21 Abs. 7 Z. 3 nicht berücksichtigt werde, sodass sich überhaupt erst die Frage stellen, wie die Bemessungsgrundlage nur mit inländischen Daten zu berechnen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt, wie in I. wiedergegeben. Außerdem wird festgestellt:

1.1 Der Beschwerdeführer deutscher Staatsangehörigkeit beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 19.08.2024 sprach das AMS aus, dass dem Beschwerdeführer gemäß Art. 62 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Verbindung mit § 21 AlVG ab dem 03.06.2024 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich € 22,53 gebühre. Dieser sei von 14. bis 21.05.2024 bei der XXXX beschäftigt gewesen; die Anwartschaft habe er nur durch Heranziehung ausländischer Arbeitszeiten erfüllt.

1.2 Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde und brachte darin vor, ihm sei als Grenzgänger kein Anspruch auf Arbeitslosengeld im Ausland entstanden. Seine Beitragszeiten als Grenzgänger im EU/EWR-Raum wären bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen, was eine Bemessungsgrundlage von € 6.475,-- und ein tägliches Arbeitslosengeld von € 75,40 bis einschließlich 29.12.2024 ergäbe.

1.3 Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Beschwerde am 08.11.2024 abgewiesen und die Revision dagegen für nicht zulässig erklärt ( XXXX ); eine außerordentliche Revision oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erfolgten nicht. Im genannten Erkenntnis hat es die Zeiten selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeiten des Beschwerdeführers in der Schweiz ab 2017 bzw. 2018 festgestellt, ferner dessen Einkommen dort aus der selbständigen Tätigkeit von 2022 und aus der unselbständigen von 2023. Schließlich stellte es auch fest, wann ab 2000 der Beschwerdeführer im Inland mit Hauptwohnsitz gemeldet war, und weiters, dass er von 14. bis 21.05.2024 in Österreich beschäftigt war und dabei € 353,03 Bruttoeinkommen erzielt habe.

1.4 Rechtlich führte es aus, das AMS habe bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes zutreffend – den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechend sowie im Einklang mit der diesbezüglichen Rechtsprechung des VwGH – das vom Beschwerdeführer in der Schweiz bezogene Entgelt unberücksichtigt gelassen. Aufgrund der Anwartschaftsbegründung unter Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten im EU-/EWR-Ausland sei die Anwendung der VO (EG) 883/2004, insbesondere des Art. 62 Abs. 1, jedenfalls geboten und bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes ausschließlich jenes Entgelt heranzuziehen, das die betreffende Person während ihrer (allenfalls sehr kurzen) letzten Beschäftigung erhalten hat, auch dann, wenn die für den zuständigen Träger geltenden Rechtsvorschriften einen bestimmten Bezugszeitraum vorsehen.

Weil somit auf Grundlage gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen ausschließlich auf das im Inland erzielte Entgelt abzustellen sei, blieben in einem anderen Mitgliedstaat erzielte Einkünfte bei Ermittlung der Leistungshöhe unbeachtlich. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts – auch gegenüber nationalem Verfassungsrecht – könne die Bestimmung des § 62 der VO (EG) 883/2004 nicht etwa aufgrund gleichheitsrechtlicher Erwägungen in Frage gestellt werden und gingen die diesbezüglichen Einwände des Beschwerdeführers ins Leere.

Es sei bei einem Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 03.06.2024, worauf der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld bezogen habe, nicht ausschlaggebend und für die Bemessung des Arbeitslosengeldes unbeachtlich, dass der Beschwerdeführer im August 2024 neuerlich in der Schweiz berufstätig gewesen sei.

1.5 Dieser erhielt das Arbeitslosengeld zunächst bis 23.07.2024, meldete sich am 21.08.2024 im Inland ab und am 23.09.2024 wieder an, worauf er ab diesem Tag neuerlich Arbeitslosengeld bekam. Der Beschwerdeführer bezog nach der Zustellung des Erkenntnisses am 15.11.2024 noch bis 30.11.2024 Arbeitslosengeld und war bis 16.12.2024 im Inland gemeldet. Eine Arbeit nahm er hier nach dem 21.05.2024 nicht wieder auf.

1.6 Mit seiner Eingabe vom 06.12.2024 reagierte er auf die Mitteilung des AMS, dass ihm ab 23.09.2024 (genau genommen: wieder) Arbeitslosengeld von täglich € 22,53 zustehe, mit der Eingabe vom 21.01.2025 auf eine solche Mitteilung, wonach der Betrag sich zufolge einer Änderung im EStG auf € 22,67 erhöhe, was wegen rückwirkenden Inkrafttretens auch für die Bezüge des Jahres 2024 gelte, wobei den Mitteilungen jeweils der Hinweis angefügt war, es könne binnen dreier Monate ein Bescheid über den Leistungsanspruch verlangt werden.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt, den Gerichtsakt sowie den Akt des vorigen Beschwerdeverfahrens. Der Sachverhalt ist wie bereits in diesem unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1 Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Letzteres betrifft die amtswegige oder aufsichtsbehördliche Bescheidänderung oder -aufhebung.

Die Anordnung, dass Anbringen unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 AVG nicht inhaltlich behandelt, sondern zurückgewiesen werden, soll die wiederholte Befassung der Behörde mit einer bereits entschiedenen Sache vermeiden, wobei es auf die unveränderte Sach- und Rechtslage ankommt.

3.2 Wie festgestellt, hat dieses Gericht mit Erkenntnis vom 08.11.2024 über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld ab 03.06.2024 inhaltlich entschieden, und hervorgehoben, dass das AMS das in der Schweiz bezogene Entgelt zu Recht unberücksichtigt gelassen hat. Mit seinen Anträgen macht der Beschwerdeführer sinngemäß geltend, dass dieses Entgelt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes doch, und zwar auf Basis nationalen Rechts bei der Bemessung berücksichtigt werden müsse. Eine Rechtsänderung oder eine Änderung des Sachverhaltes wird dagegen nicht behauptet.

3.3 Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist. Diese Bindungswirkung besteht innerhalb der Grenzen der Rechtskraft, sohin nicht im Falle einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage. (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/01/0287, mwN) Eine solche Änderung ist vorliegend nicht zu sehen, zumal auch die in der jüngsten Mitteilung des AMS angesprochene (Wert-) Anpassung im EStG nichts daran änderte, dass der in der bereits ergangenen Entscheidung angeführte Vorrang des Gemeinschaftsrechts zu beachten und daher ausschließlich auf das zuletzt mit der inländischen Beschäftigung erzielte Einkommen abzustellen war.

3.4 Damit erweist sich, dass das AMS an die über die erste Beschwerde ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts gebunden ist (wie auch dieses selbst), was einer neuerlichen Entscheidung entgegensteht. Es kann daher offenbleiben, ob die beiden nach § 47 Abs. 1 AlVG danach ergangenen Mitteilungen dennoch zu ergehen hatten, obwohl eine solche Mitteilung nach der Rechtsprechung ein Anerkenntnis eines Anspruches auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe darstellt, woraus folgt, dass sie in einer noch nicht entschiedenen Sache zu ergehen hat. (VwGH 24.01.2024, Ra 2023/08/0097, Rz. 17)

3.5 Das AMS hat sich daher zu Recht nicht inhaltlich mit den Anträgen befasst, sondern hatte diese zurückzuweisen, wie es dies mit dem bekämpften Bescheid getan hat. Da der zurückweisende Bescheid also zu Recht erging, ist die Beschwerde dagegen unbegründet und war wie geschehen abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer Beschwerdeverhandlung ist im vorliegenden Fall auf Basis des § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG zu beurteilen, wonach eine Verhandlung (u. a. dann) entfallen kann, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichtes, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Verhandlung geboten gewesen wäre. In der Beschwerde wurde zwar ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, das Gericht konnte sich aber auf Feststellungen stützen, die mit denen des bekämpften Bescheids übereinstimmen und in der Beschwerde unbestritten blieben, sodass insoweit kein ungeklärter Sachverhalt vorlag.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Zurückweisung von Anträgen wegen entschiedener Sache.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Rückverweise