JudikaturBVwG

L511 2297865-2 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2025

Spruch

L511 2297862-3/4Z L511 2297863-2/4Z L511 2297865-2/4Z L511 2297867-2/4Z L511 2297861-2/4Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , 4. XXXX , geb. XXXX , 5. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Türkei, die minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführerinnen vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, alle vertreten durch BBU GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Erstaufnahmestelle West vom 30.05.2025, Zahlen: 1. XXXX , 2. XXXX , 3. XXXX , 4. XXXX , 5. XXXX :

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 17 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführenden sind türkische Staatsangehörige und stellten am 05.03.2025 die verfahrensgegenständlichen zweiten Anträge auf internationalen Schutz [Folgeanträge] (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes zur hg. GZ 2297862-3 [AS] 1-12).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA] wies mit Bescheiden vom 30.05.2025, die Folgeanträge der Beschwerdeführenden sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), stellte fest, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V) und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI). Mit Spruchpunkt VII erließ das BFA jeweils ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot (AS 137-237).

Die Beschwerdeführenden erhoben gegen die am 05.06.2025 zugestellten Bescheide am 13.06.2025 fristgerecht eine gemeinsame Beschwerde (AS 283-303).

2. Der Folgeantrag eines weiteren minderjährigen Kindes der Erst- und Zweitbeschwerdeführenden wurde vom BFA mit Bescheid vom 30.05.2025 gemäß § 3 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie gemäß § 8 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) abgewiesen. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), stellte fest, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V) und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI). Mit Spruchpunkt VII erließ das BFA jeweils ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot.

Gegen diesen Bescheid wurde gemeinsam mit den gegenständlichen Beschwerden am 13.06.2025 fristgerecht Beschwerde erhoben (hg. GZ 2297866-2 AS 75-188).

3. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] mit Schreiben vom 17.06.2025, eingelangt in der zuständigen Gerichtsabteilung am 25.06.2025, die Beschwerden samt durchnummerierten Verwaltungsakten vor (Ordnungszahl des Gerichtsverfahrensaktes [OZ] 1).

II. zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Der Erstbeschwerdeführer (hg. GZ 2297862-3) und die Zweitbeschwerdeführerin (hg. GZ 2297863-2) sind verheiratet und Eltern der minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführerinnen (hg. GZ 2297861-2, 2297865-2 und 2297867-2) sowie des minderjährigen Beschwerdeführers im ebenfalls beim BVwG anhängigen Beschwerdeverfahren zur hg. GZ 2297866-2. Alle Familienangehörigen sind türkische Staatsangehörige und stellten am 05.03.2025 die verfahrensgegenständlichen zweiten Anträge auf internationalen Schutz [Folgeanträge] (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes zur hg. GZ 2297862-3 [AS] 1-12).

1.2. Die Beschwerdeführenden sind Familienangehörige iSd § 2 Z 22 AsylG (Eltern und deren gemeinsame minderjährige Kinder). Die Verfahren mit den hg. GZ 2297861-2, 2297862-3, 2297863-2, 2297865-2, 2297866-2 und 2297867-2 sind somit als Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 zu führen.

1.3. Die Folgeanträge vom 05.03.2025 der Eltern (Erst- und Zweitbeschwerdeführende) sowie drei ihrer minderjährigen Kinder (Dritt- bis Fünftbeschwerdeführende) wurden vom BFA gemäß § 68 AVG sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (hg. GZ 2297861-2, 2297862-3, 2297863-2, 2297865-2 und 2297867-2).

Der Folgeantrag vom 05.03.2025 eines weiteren minderjährigen Sohnes der Erst- und Zweitbeschwerdeführenden wurde vom BFA hingegen gemäß § 3 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie gemäß § 8 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) abgewiesen (hg. GZ 2297866-2 AS 75-188).

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgt durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakten (jeweils OZ 1), Einsicht in Österreichische Datenregister, darunter Zentrales Melderegister [ZMR], Strafregister der Republik Österreich [SA], Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister des Bundesministeriums für Inneres [IZR], Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich [GVS]).

2.2. Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den jeweiligen Bescheiden des BFA vom 30.05.2025, mit denen über die Folgeanträge vom 05.03.2025 abgesprochen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch eine Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 BVwGG iVm § 7 BFA-VG sowie dem AsylG. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das BFA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

3.1. Im gegenständlichen Fall kommt den Beschwerden der Beschwerdeführenden keine aufschiebende Wirkung zu, da gemäß § 16 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und die mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist, keine aufschiebende Wirkung zukommt.

Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

3.2. Gemäß § 34 Abs. 4 letzter Satz AsylG ist, wenn einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen ist, dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen. Dies bedeutet, dass wenn nur einem Familienmitglied im Familienverfahren ein Abschiebeschutz zukommt, dieser auch allen anderen Familienmitgliedern zukommen muss.

Fallbezogen kommt der Beschwerde eines minderjährigen Familienmitgliedes im Familienverfahren gemäß § 34 AsylG die aufschiebende Wirkung zu, da das BFA den Folgeantrag des minderjährigen Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren zur hg. GZ 2297866-2 gemäß § 3 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie gemäß § 8 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) abgewiesen (und nicht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen) hat.

Vor diesem Hintergrund ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass eine Abschiebung der Beschwerdeführenden (Eltern und Geschwister des minderjährigen Beschwerdeführers zur hg. GZ 2297866-2) in den in Aussicht genommenen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK bedeuten würde, da die Auswirkungen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf das Kindeswohl auch dann zu bedenken und hinreichend zu berücksichtigen sind, wenn es sich beim Adressaten der Entscheidung nicht um den Minderjährigen selbst, sondern um einen Elternteil handelt (vgl. VwGH 31.03.2025, Ra2022/17/0016 mwN).

Den Beschwerdeführenden ist daher gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG iVm § 34 Abs. 4 AsylG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, damit keine reale Gefahr der Verletzung von Art. 8 EMRK besteht und allen Familienmitgliedern der gleiche Abschiebeschutz zukommt.

4. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

zu B) Unzulässigkeit der Revision

Die angewendeten Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetzes und des Asylgesetzes sind (soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich) eindeutig. Zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage (trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) etwa VwGH 28.05.2014, Ro2014/07/0053. Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

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