JudikaturBVwG

G309 2305520-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2025

Spruch

G309 2305520-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Maria HIERZER als Beisitzerinnen, über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark vom 24.10.2024, OB: XXXX , betreffend der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid vom 24.10.2024 wird behoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" in den Behindertenpass vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 18.03.2024 im Wege der zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass ein. Dazu brachte er verschiedene medizinische Beweismittel (Befunde etc.) in Vorlage.

2. Die belangte Behörde holte im Ermittlungsverfahren ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin – basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF - ein.

3. Dem BF wurde das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme abzugeben. Der BF brachte eine Stellungnahme ein und übermittelte der belangten Behörde neue Befunde. Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin ein.

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.10.2024 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten gestützt.

5. Mit Schreiben vom 12.11.2024 erhob der BF binnen offener Frist Beschwerde gegen den Bescheid.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) durch die belangte Behörde einlangend mit 10.01.2025 vorgelegt.

7. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde ein Amtssachverständiger (Facharzt für Innere Medizin) mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

8. Das Ergebnis der Beweisaufnahme in Form des Sachverständigengutachtens vom 25.03.2025 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 07.04.2025 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 (sechzig) von Hundert.

Er leidet an folgenden Gesundheitsstörungen:

- Prostatakrebs nach OP und unauffälligen Verlaufskontrollen

- Funktionseinschränkung rechte Schulter

- Bauchspeicheldrüsenentzündung 2005

- Schwerhörigkeit rechts

- Wirbelsäulensyndrom

- Depression

- Refluxkrankheit

- Funktionseinschränkung links Knie

Betreffend die Gesundheitsschädigung im Hinblick auf die Erkrankung der Bauchspeicheldrüse wird gemäß Pos.Nr. 07.07.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung ein Grad der Behinderung von 20 von Hundert festgesetzt.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, vom 25.03.2025 ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde aus fachärztlicher Sicht nachvollziehbar die Gesundheitsschädigung betreffend der Bauchspeisendrüse gemäß der Pos.Nr. 07.07.01 eine Stufe über den unteren Rahmensatzwert mit einem Grad der Behinderung mit 20 von Hundert eingeschätzt. Dies wird mit den rezidivierenden Blähungen, den Winden, der gelegentlichen Schmerzen im linken Oberbauch, sowie der regelmäßigen medikamentösen Therapie begründet.

Das Sachverständigengutachten vom 25.03.2025 wird der Entscheidung des erkennenden Senates daher in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt, zumal auch keine der Verfahrensparteien eine diesbezügliche Stellungnahme eingebracht hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine „technische“ Natur – also medizinisches Fachwissen – gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zu Mal auch keine Verfahrenspartei eine Verhandlung beantragte.

3.2. Zu Spruchteil A) - Stattgebung der Beschwerde:

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten sind. Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.

Eine Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 (Zusatzeintragung D3) ist bei Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne der Abschnitte 07 und 09 der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie bei Malignomen des Verdauungstraktes im Sinne des Abschnittes 13 der Anlage zur Einschätzungsverordnung bei einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Hinsichtlich der beim BF vorliegenden Bauchspeicheldrüsenentzündung wurde gemäß der Pos.Nr. 07.07.01 der Anlage zur Einschätzungsverordung ein Grad der Behinderung von 20 von Hundert festgestellt.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung " Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor " in den Behindertenpass liegen daher vor.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

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