JudikaturBVwG

W265 2313171-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2025

Spruch

W265 2313171-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Maga Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den KOBV – Der Behindertenverband für Wien, NÖ Bgld., gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 22.01.2025, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des festgestellten Grades der Behinderung in Höhe von 60 (sechzig) von Hundert (v.H.) vor. B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 30.07.2024 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (in der Folge „belangte Behörde“ genannt) und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.

2. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.09.2024 erstellten Sachverständigengutachten vom selben Tag stellte die medizinische Sachverständige fest, dass bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen „Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Position 02.02.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung (EVO), Grad der Behinderung (GdB) 20 % und Affektive Störung, Position 03.06.01 der Anlage der EVO, GdB 20 %“ mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. vorliegen würden.

Das Leiden 1 werde durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein maßgebliches Zusammenwirken vorliege.

3. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 31.10.2024 erstatteten Gutachten vom 04.11.2024 stellte der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen „Hörstörung beidseits, Position Nr. 12.02.01 der Anlage der EVO, GdB 40 % und Tinnitus, Position 12.02.02 der Anlage der EVO, GdB 10 %“ und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. fest.

Der GdB des ersten Leidens werde durch das zweite nicht erhöht, da die entsprechende funktionelle Einschränkung zur Gänze beim ersten Leiden berücksichtigt sei.

4. In der Gesamtbeurteilung vom 05.11.2024, erstellt von der befassten medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Unfallchirurgie und Allgemeinmeidzin, kommt diese zum Ergebnis, dass bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen „Hörstörung beidseits, Position Nr. 12.02.01 der Anlage der EVO, GdB 40 %, Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Position 02.02.01 der Anlage der EVO, GdB 20 %, Affektive Störung, Position Nr. 03.06.01 der Anlage der EVO, GdB 20 % und Tinnitus, Position 12.02.02 der Anlage der EVO, GdB 10 %“ und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 von Hundert (in der Folge v.H.) vorliegen würden.

Leiden 1 werde durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliege.

5. Die belangte Behörde übermittelte die genannten Gutachten der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 05.11.2024 im Rahmen des Parteiengehörs und räumt ihr die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

6. Die Beschwerdeführerin gab bevollmächtigt vertreten durch den KOBV mit Eingabe vom 15.11.2024 eine schriftliche Stellungnahme ab und führte aus, dass ihre posttraumatische Belastungsstörung und Migräne mit vestibüler Aura nicht berücksichtigt worden seien. Sie verwies auf die bereits vorgelegten medizinischen Befunde.

7. Die belangte Behörde nahm diese Stellungnahme zum Anlass, um ergänzende Stellungnahmen der bereits befassten medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Orthopädie und Allgemeinmedizin einzuholen.

In deren Stellungnahme vom 07.01.2025 führte diese Folgendes aus: „Maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der EVO sind objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde.

Die bei der Begutachtung festgestellten Defizite, insbesondere im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates, und das psychiatrische Leiden wurden in der Beurteilung hinsichtlich Einstufung nach der EVO und hinsichtlich beantragter Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in vollem Umfang berücksichtigt, wobei jedoch die festgestellten Funktionsdefizite eine maßgebliche Einschränkung der Gehstrecke nicht ausreichend begründen können.

Höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich von Wirbelsäule und Bewegungsapparat konnten nicht festgestellt werden, siehe Status einschließlich Gangbild, keine erhebliche Einschränkung der Gesamtmobilität.

Befunde, die neue Tatsachen, noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden oder eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, wurden nicht vorgelegt.

Die vorgebrachten Argumente und nachgereichten Befunde beinhalten keine neuen Erkenntnisse, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten. Insbesondere konnte kein höhergradiges psychiatrisches Leiden anhand entsprechender Befunde, belegt werden, kein Aufenthalt an Fachabteilung dokumentiert, sodass keine Änderung vorzunehmen ist.“

In der weiteren Stellungnahme vom 13.01.2025 hielt die bereits befasste medizinische Sachverständigen fest: „Befunde, die neue Tatsachen, noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden oder eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, wurden nicht vorgelegt.

Die vorgebrachten Argumente und nachgereichten Befunde beinhalten keine neuen Erkenntnisse, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten. Ein stationärer Aufenthalt an einer Fachabteilung wurde nicht dokumentiert, Diabetes mellitus und Bluthochdruck sind nicht fachärztlich befundbelegt, sodass keine Änderung vorzunehmen ist.“

8. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.01.2025 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid die eingeholten Sachverständigengutachten sowie die Stellungnahmen in Kopie an.

9. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, bevollmächtigt vertreten durch den KOBV, fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass seitens der belangten Behörde nicht ausführlich auf den psychiatrischen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin eingegangen worden sei und auch kein Gutachten aus dem Fachbereich der Psychiatrie eingeholt worden sei. Die Beschwerdeführerin leide an Angst und Depression gemischt, an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Panikattacken und Pseudodemenz.

10. Die belangte Behörde leitete in der Folge ein Beschwerdevorentscheidungsverfahren ein und holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.04.2025 erstellten Sachverständigengutachten vom 24.04.2025 stellte der medizinische Sachverständige bei der Beschwerdeführerin folgende Funktionseinschränkungen

1) Posttraumatische Belastungsstörung, Position 03.05.05 der Anlage der EVO, GdB 50 %

2) Hörstörung beidseits, Position 12.02.01 der Anlage der EVO, GdB 40%

3) Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Position 02.02.01 der Anlage der EVO, GdB 20 %

4) Tinnitus, Position 12.02.02 der Anlage der EVO, GdB 10 %

5) Migräne, Position 04.11.01 der Anlage der EVO, GdB 10 %

und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 60 v.H. fest.

Das führende Leiden 1 werde durch Leiden 2 im GdB um 1 Stufe erhöht, da maßgebliches Sinnesleiden. Leiden 3, 4 und 5 würden nicht weiter erhöhen, wegen fehlendem maßgeblich ungünstigen Zusammenwirkens.

11. Mit Schreiben vom 22.05.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde vom 05.03.2025, den Bescheid vom 22.01.2025 und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am 23.05.2025 einlangten. In dem Schreiben führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdevorentscheidung habe nicht mehr fristgerecht erledigt werden können. Das neuerliche ärztliche Sachverständigengutachten liege bei.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.05.2025 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach die Beschwerdeführerin syrische Staatsbürgerin ist, und ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

13. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte das genannte Gutachten mit Schreiben vom 27.05.2025 an die Parteien des Verfahrens mit der Möglichkeit hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Keine der Parteien gab innerhalb der gewährten Frist eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 03.07.2024 bei der belangten Behörde ein.

Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Anamnese:

Vorgutachten Orthopädie, Unfallchirurgie, 9.9.2024 sowie Gesamtgutachten inklusive HNO

4.11.2024

Hörstörung, 40%

Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates, 20%

Affektive Störungen, 20%

Tinnitus, 10%

Gesamt GdB 40%

Die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wurde als nicht ausreichend begründbar angesehen.

Beschwerdevorentscheidung

Die AW wird im Rollstuhl von einem Bekannten zur Untersuchung gebracht, sie selbst spricht kaum Deutsch.

Im Vorgutachten 9.9.2024: ... kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit Rollator, das Gangbild ist ohne Rollator verlangsamt, unter Wehklagen, hinkfrei

Derzeitige Beschwerden:

es wird ein Ganzkörperschmerz angegeben, der Schlaf sei schlecht

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikation: laut vorgelegter Liste Dr. XXXX , 4.5.2025

- Halcion

- Diclobene

- Tramal

- Seractil

- Lyrica

- Metformin

- Wellbutrin

- Amlodipin

- Ziprasidon

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Arztbrief Dr. XXXX , FA Neurologie, ohne verwertbares Datum Diagnose: migräneartige Kopfschmerzen, Migräne-Sekundärprophylaxe Nervenleitgeschwindigkeit ebendort unauffällig

18.6.2024

Migräne mit vestibulärer Aura

Bekannter übersetzt: Stange auf Kopf vor 10 Jahren, sehen nicht gut am Abend, Kopfschmerzen Oberkopf, Schwindel fallweise schwankend, klopfend, keine Sehstörung, Übelkeit und Erbrechen, VAS 10

Neurologischer Status: Gehen mit Gehhilfe breitbasig, langsam, Blase harnträufeln anamnestisch, kein Lhermitte, FNV zielsicher, MER ? rechtsbetont, Wärme/Kälte o.B., Sprache unauffällig Psychiatrischer Status: F43.1, F43.2

Klinisch psychologischer Befund, FEM,

28.3.2024

Diagnose: posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörung, Wechseljahre FEM - Bestätigung einer klinisch psychologischen Diagnostik in der Erstsprache arabisch,

7.3.2024

Dr. XXXX , 16.5.2024, 16.10.2023 sowie 15.11.2024

... bestätigt, an posttraumatischer Belastungsstörungen (sie hat Ihre ganze Familie in Syrien beim Erdbeben verloren), Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche, Persönlichkeitsstörungen, Angst, Schlafmangel, Hypertonie, Polyarthrosen und Diabetes Mellitus Typ 2 leidet.

Neuropsychiatrischer Befundbericht Dr. XXXX , 28.2.2025 ... Bezug auf unseren fachärztlichen Befundbericht vom 02.12.2024, in dem wir die Arbeitsunfähigkeit der Patientin aufgrund der vorliegenden komplexen Multimorbidität festgestellt haben, eine Besserung des Krankheitsbildes in keiner Weise zu erwarten und es besteht keine Möglichkeit der Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit, darüber hinaus empfehlen wir dringend, einen dem Krankheitsbild und den geschilderten Einschränkungen in der Alltagsbewältigung angemessenen Grad der Behinderung von mindestens 70 % anzuerkennen

Diagnosen: präsenile Demenz, Gonarthrose bds., gemischte Angst und depressive Störung, Beckenschiefstand, Kalkaneussporn bds., Lumbalgie mit Facettensyndrom und L3 Läsion,

posttraumatische Belastungsstörung, Panikstörung mit agoraphoben Episoden, Restless- legs Syndrom, Hörminderung, Sehminderung, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Diabetes mellitus, essentielle Hypertonie, Z.n. Beinvenenthrombose links, Harninkontinenz

Befundbericht Dr. XXXX , FA Psychiatrie, 18.12.2024 und 12.2.2025 Angst und depressive Störung, gemischt, posttraumatische Belastungsstörung, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Panikattacke, Pseudodemenz Therapieempfehlung: arabischsprechenden Psychiater empfohlen

Orthopädie Hütteldorf, 13.3.2025

Spreizfuß bds., Cervikalsyndrom, plantarer und dorsaler Fersensporn, Lumbalgie mit Gangunsicherheit, Gonarthrose bds., Polyarthralgie, Depressio, Beckenschiefstand, Bursitis trochanterica sin., V.a. rheumatoide Arthritis

PSD 6, 13.11.2024

posttraumatische Belastungsstörung, Migräne, nicht näher bezeichnet, Zustände im Zusammenhang mit der Menopause und dem Klimakterium, Diabetes mellitus, Rückenschmerzen, Gonarthrose

....seit 01.08.2024 in regelmäßiger Betreuung, Sprachbarriere. In der psychologische Testung war eine depressive Symptomatik fassbar. Als Hauptbeschwerden wurden zudem Schlafstörungen und Albträume genannt. Zusätzlich auch dissoziative Anfälle beschrieben. Im Schädel-MRT zeigt sich eine vaskuläre Leukenzephalopathie - in der psychologischen Testung waren keine Symptome einer Demenz fassbar

Untersuchungsbefund:

Klinischer Status - Fachstatus:

der AW werden die Schuhe ausgezogen, ebenso beim Ausziehen des Mantels wird ihr geholfen, der Transfer gelingt großteils selbständig, das intramurale Gangbild etwas verlangsamt jedoch nicht maßgeblich auffällig HN: Visus mit Brille korrigiert, ansonsten HN stgl. unauffällig

OE: Tonus, Trophik o.B., Angabe von multilokulären Schmerzen grobe Kraft wird mit KG 2 dargeboten (fraglich reproduzierbar), VdA o.B., FNV langsam, Feinmotorik kann nicht überprüft werden (Compliance)

UE: Tonus, Trophik o.B., grobe Kraft proximal kann nicht geprüft werden, da die AW dies aufgrund der Schmerzangaben nicht zulässt, Babinski bds. negativ, MER stgl. mittellebhaft, VdB einzeln kurz möglich, KHV non poss (Compliance)

Sensibilität: fraglich divergierende Angaben

Gesamtmobilität - Gangbild:

verlangsamt mit teilweise Anhalten

Status Psychicus:

aufgrund ausgeprägter Sprachbarriere nur eingeschränkt einschätzbar, AW wirkt depressiv,

zurückgezogen, gehemmt, insgesamt deutlich überlagert

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Posttraumatische Belastungsstörung,

2. Hörstörung beidseits

3. Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates,

4. Tinnitus

5. Migräne

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 v. H.

Leiden 1 wird durch Leiden 2 im GdB um 1 Stufe erhöht, da ein maßgebliches Sinnesleiden vorliegt. Leiden 3, 4 und 5 erhöhen nicht weiter wegen fehlendem maßgeblich ungünstigen Zusammenwirkens.

Eine Nachuntersuchung ist 04/2027 erforderlich, da eine Besserung von Leiden 1 unter regelmäßiger fachärztlicher und psychotherapeutischer Betreuung in der Muttersprache möglich ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus der seitens des Bundesverwaltungsgericht am 23.05.2025 durchgeführten Abfrage aus dem Zentralen Melderegister, aus der sich ein Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet ergibt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 24.04.2025 basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.04.2025.

Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der medizinische Gutachter setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden, dem Beschwerdevorbringen sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie stufte die posttraumatische Belastungsstörung der Beschwerdeführerin als das führende Leiden 1 im unteren Rahmensatz der Position 03.05.05 der Anlage der EVO mit einem GdB von 50 %, da psychisch instabil bei Therapieregime ein. Begründend führt er im Vergleich zum Vorgutachten aus, dass das aktuelle Leiden 1 aufgrund vorliegender Befunde als posttraumatische Belastungsstörung geführt und um 3 Stufen höher eingestuft werde.

Leiden 1 wird durch Leiden 2 im GdB um 1 Stufe erhöht, da ein maßgebliches Sinnesleiden vorliegt. Leiden 3, 4 und 5 erhöhen nicht weiter wegen fehlendem maßgeblich ungünstigen Zusammenwirkens, wodurch sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. ergibt.

Nachdem eine Besserung von Leiden 1 möglich ist, war festzustellen, dass in einem Jahr eine Nachuntersuchung vorzusehen sein wird.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 24.04.2025, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.04.2025.

Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

„§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41 (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.“

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1 Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2 (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3 (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4 (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen. (2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

...“

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 24.04.2025 basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.04.2025 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 60 v.H. beträgt. Keine der Parteien bestritt dieses Sachverständigengutachten.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der Beschwerdeführerin somit erfüllt. Es ist mit einer Verbesserung der Leidenszustände der Beschwerdeführerin zu erwarten, weswegen der Behindertenpass befristet auszustellen sein wird.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und auf das über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf alle Einwände und vorgelegten Atteste der Beschwerdeführerin in fachlicher Hinsicht eingeht. Keine der Parteien gab zu diesem Gutachten eine Stellungnahme ab. Der Beschwerde war aufgrund dieses Gutachtens Folge zu geben. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.