Spruch
W148 2280684-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. KEZNICKL über die Beschwerde vom 30.10.2023 des XXXX , geboren am XXXX , Staatsbürger der arabischen Republik Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 13.10.2023, Zahl XXXX , in einer Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 10.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung brachte er vor:
„Mein Heimatort ist an der Front zwischen den Türken und den Kurden. Die Lage ist sehr unsicher. Ich wurde auch bereits zufällig im Bauch angeschossen. Ich fürchte auch den Reserve Dienst beim Militär oder von jemanden anderen rekrutiert zu werden. Das sind alle meine Fluchtgründe.“
2. Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass er im Sommer 2021 angeschossen worden sei, wobei er nicht wisse, von wem. Er habe seinen Präsenzdienst abgeleistet, sei jedoch wieder als Reservist einberufen worden, wovor er Angst habe. In seiner Region würden Türken, Kurden, Iraner und das Regime die Kontrolle ausüben. Der Beschwerdeführer lehne den Militärdienst ab. Er sei als Kurde diskriminiert und sogar geschlagen worden.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Internationalen Schutz bezüglich Asyl (Spruchpunkt I.) abgewiesen, dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung zuerkannt (Spruchpunkt III.).
Die negative Asylentscheidung begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass keine Gründe für eine maßgeblich wahrscheinliche aktuelle Gefahr vorliegen würden.
4. In der dagegen erhobenen Bescheidbeschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Feststellungen, das Verfahren sowie die rechtliche Beurteilung fehlerhaft gewesen seien. Der Beschwerdeführer sei gegen das Assad-Regime, er gehöre der sozialen Gruppe der Kurden an, weigere sich für das Regime als Reservist zu kämpfen und werde ihm daher eine politische Gesinnung unterstellt. Beantragt werde die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, allenfalls die Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung des Verfahrens an die belangte Behörde, Bestellung eines landeskundlichen Sachverständigen zu Syrien sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens am 06.11.2023 vor.
6. Mit Schriftsatz vom 25.03.2024 ersuchte der Beschwerdeführer über seine rechtsfreundliche Vertretung das BVwG, in der Sache zu entscheiden oder eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da die Ungewissheit seiner Situation für den Beschwerdeführer sehr belastend sei.
7. Mit Schriftsatz vom 29.07.2024 gab der Migrantinnenverein St. Marx und dessen Obmann Dr. Lennart BINDER die Auflösung der Vollmacht bekannt.
8. Mit Schriftsatz vom 01.08.2024 gab die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH bekannt, den Beschwerdeführer im Verfahren zu vertreten.
9. Mit Schriftsatz vom 30.04.2025 gewährte das BVwG dem Beschwerdeführer zu einem Konvolut an Berichten zum Herkunftsstaat rechtliches Gehör und lud ihn zu einer Stellungnahme binnen 14 Tagen ein. Das BVwG führte dabei aus, dass unpräjudiziell festgehalten werde, dass damit die Fluchtgründe des Beschwerdeführers im Wesentlichen weggefallen seien, weil das syrische Regime nun keine Macht zur Rekrutierung oder Verfolgung aufgrund einer potentiell unterstellten oppositionellen Gesinnung mehr habe, Zwangsrekrutierungen oder asylrelevante Repressalien der aktuellen Machtinhaber, die den Beschwerdeführer betreffen könnten, seien nicht bekannt. Auf die zahlreichen Rückkehrer werde an dieser Stelle verwiesen. Zusammengefasst erkenne das Bundesverwaltungsgericht vorläufig im bisherigen Vorbringen des Beschwerdeführers gemessen an der aktuellen Lage und mit Verweis auf die Familienangehörigen im Heimatland keinerlei individuelle Bedrohung oder Verfolgung von Asylrelevanz, weshalb die Beschwerde abzuweisen wäre. Der Beschwerdeführer werde deshalb eingeladen, geeignete Beweismittel vorzulegen, aus denen sich eine asylrelevante Verfolgung trotz der geänderten, notorisch bekannten Sachlage ergebe. In Bezug auf eine allgemein allenfalls volatile Lage werde auf den subsidiären Schutzstatus verwiesen, der dem Beschwerdeführer derzeit zukomme.
10. Mit Schriftsatz vom 09.05.2025 führte der Beschwerdeführer über seine rechtsfreundliche Vertretung im Wesentlichen aus, dass in den Länderberichten einhellig die Einschätzung vertreten werde, dass Kurden in Gebieten unter Kontrolle der SNA, insbesondere in der Region XXXX , welche die Heimatregion des Beschwerdeführers sei, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung durch die SNA aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden („Rasse“ bzw. Nationalität i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention), sowie aufgrund einer unterstellten politischen Gesinnung aufgrund eines unterstellten Naheverhältnisses zu kurdischen Parteien hätten. Nach EUAA, Country Guidance: Syria, April 2024, 74 ff hätten Kurden in Regionen, die von der SNA kontrolliert werden – dabei werde ausdrücklich XXXX genannt – generell wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit. Die Höchstgerichte hätten die Gefahr der Verfolgung für Kurden in Gebieten, die von der SNA kontrolliert werden, bestätigt. (VfGH 19.09.2023, E720/2023; 19.09.2022, E3074/2021; VwGH 08.10.2020, Ra 2020/18/0120). Seit dem Sturz der Regierung von Bashar al-Assad habe sich die Lage von Kurden in Syrien verschlechtert. Laut einem Bericht der Nachrichtenplattform BasNews vom 4. Februar 2025 (BasNews 04.02.2025 Anonyme Gruppen verhaften wahllos dutzende junge Kurden in XXXX , https://www.basnews.com/ar/babat/874272) habe der kurdische Medienaktivist Mustafa Sheikho erklärt, dass bewaffnete Gruppen, die den Milizen "Al-Amshat" und "Al-Hamzat" angehören, dutzende junge Kurden in der Stadt XXXX im Norden Syriens festgenommen hätten. Die Vorgänge seien auch von der Nachrichtenplattform Rudaw berichtet worden (Rudaw Arabia 04.02.2025 Menschenrechtsorganisation: Die bewaffnete Gruppe, die junge Kurden verhaftete gehöre zur Ammashat und Hamza-Fraktion). Bei den verschleppten jungen Kurden handle es sich demnach um Personen aus XXXX . Mittlerweile würden Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden sogar auch in Landesteilen, die nicht unter Kontrolle der SNA stünden, etwa in XXXX Stadt, willkürlich verhaftet, misshandelt, verschleppt und zum Verschwinden gebracht. Der Beschwerdeführer habe daher im Entscheidungszeitpunkt aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der „Rasse“ und Nationalität sowie unterstellten politischen Überzeugung durch die SNA in seiner Heimatregion in XXXX . Auch aus dem neuen Länderinformationsblatt vom 08.05.2025 Version 12 ergebe sich: „Im Nordwesten sind kurdische Syrer weiterhin von durch die Türkei unterstützen Gruppierungen Missbräuchen unterworfen.“ Weiters ergebe sich unter Punkt „Allgemeine Menschenrechtslage – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 08.12.2024), dass in den letzten Jahren SNA-Kämpfer schwere Menschenrechtsverletzungen gegen kurdische Gemeinden in XXXX und im Umland von XXXX begangen hätten. Sie seien beschuldigt worden, willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen ohne Kontakt zur Außenwelt, Entführungen und Folter begangen zu haben (S. 161f LIB 08.05.2025).
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.06.2025 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, in welcher der vertretene Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbrachte, dass sein Bruder nach dem Sturz Assads dreimal von Milizen mitgenommen worden sei. Auch habe er Angst vor religiösen Extremisten in Syrien, die ihn nicht in Ruhe lassen würden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund des vom Gericht durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:
1.1. Der Beschwerdeführer hat den im Rubrum genannten Namen und das Geburtsdatum, er ist syrischer Staatsangehöriger, Kurde und sunnitischer Moslem.
1.2. Er stammt aus XXXX (Gouvernement XXXX ) und hat dort die meiste Zeit seines Lebens gelebt. Er hat auch in XXXX Stadt und in XXXX (Gouvernement XXXX ) gelebt. XXXX stand zwischen 2014 und 2019 unter Kontrolle der YPG, zwischen 2020 und Dezember 2024 unter Kontrolle der SDF bzw. des Regimes Assad und steht seit Dezember 2024 unter Kontrolle der Kräfte des Dawn of Freedom.
1.3. Er wurde im Juli 2021 in Syrien von Unbekannten aus nicht bekannten Gründen angeschossen und verletzt.
1.4. Er befürchtet religiöse Verfolgung auf Grund seiner auch öffentlich geäußerten Abgrenzung zur Religion. Kurz nach Sturz des Assad-Regimes wurde zweimal nach dem Beschwerdeführer gefragt, man hat sich nach seinem Aufenthaltsort und dem Grund für seine Reise nach Europa gefragt.
1.5. Sein Bruder ist durch die Gruppierungen Hamzat und Amschat, welche türkische Interessen vertreten, dreimal entführt worden und nur durch Lösegeldzahlungen bzw. einen Bürgen freigekommen.
1.6. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zur Situation im Herkunftsstaat
Länderinformationsblatt der Staatdokumentation vom 08.05.2025:
„Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. § 3 Abs 4a AsylG
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
[…]
Mögliche Änderungen bzgl. asylrelevanter Themen gem. GFK
[…]
4. Politische Überzeugung
4.1. Wehrpflicht
Vorhandene Informationen Tendenz
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer Ahmed ash-Shara' erklärte am 15.12.2024, dass er die Wehrpflicht in Syrien beenden werde (ISW 16.12.2024). Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025). Verbesserung
Offizielle Aussagen lassen den Schluss zu, dass sich die Situation in Bezug auf die Wehrpflicht verbessern wird. Derzeit sind keine Fälle von (Zwangs-)rekrutierungen bekannt. […]
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).
[…]
In der ersten Woche nach der Flucht al-Assads aus dem Land gelang es Syrien, ein vollständiges Chaos, zivile Gewalt und den Zusammenbruch des Staates abzuwenden (MEI 19.12.2024). Ehemalige Regimeoffiziere sollen viele Regierungsgebäude niedergebrannt haben, um Beweise für ihre Verbrechen zu verstecken, nachdem sie nach dem Sturz des Regimes von Präsident Bashar al-Assad aus dem Innenministerium geflohen waren (Araby 16.12.2024). Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT 12.12.2024).
Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).
Die Übergangsregierung ließ laut Medienberichten die Verwaltungsbeamten auf ihren Posten (LTO 9.12.2024). Eine diplomatische Quelle eines europäischen Staates wiederum berichtet von einer Beurlaubung aller Staatsbeamten: Durch die Beurlaubung aller Staatsbeamter gibt es in Syrien zwar nun (interimistische) Minister, aber kaum Beamte, soll heißen, keine funktionierende Verwaltung. Mit ganz wenigen Ausnahmen stehen die Ministerien leer. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich - personell überlastet - um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die kommunale Versorgung ist nicht vorhanden bzw. derzeit auf Privatinitiativen reduziert (SYRDiplQ1 5.2.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei leiten Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). Syrienexperte Daniel Gerlach sagte, dass die leitende Beamtenebene im Land fehlt, die zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Verwaltung - die ihre Arbeit wieder aufgenommen hat - steht. Es fehlen diejenigen, die mit den Verwaltungsträgern in Kontakt sind und die Politik umsetzen. Diejenigen, die in Syrien politische Entscheidungen träfen, seien ungefähr 15 bis 16 Personen, schätzt Gerlach (AC 23.1.2025). Alle Minister der Übergangsregierung waren aus dem 7. Kabinett der SSG, das im Februar 2024 ernannt worden war (AlMon 11.12.2024). Ash-Shara' und der Interims-Premierminister haben Loyalisten zu Gouverneuren in mehreren Provinzen und zu Ministern in der Übergangsregierung ernannt (ISW 19.12.2024). Al-Bashir hat gegenüber Al Jazeera erklärt, dass die Minister der SSG vorerst die nationalen Ministerämter übernehmen werden (AJ 15.12.2024a). Ash-Shara', sagte, dass in den ersten 100 Tagen keine internen und externen Parteien berücksichtigt werden. Er hat allen seinen Kameraden, die der HTS oder anderen Gruppierungen angehören, sehr deutlich gemacht, dass er diese Phase nur Leuten anvertraut, die sein persönliches Vertrauen haben. Er hat seine Partner und Freunde gebeten, ihm in dieser Phase beizustehen und sich darauf vorzubereiten, die Form einer neuen Regierung zu diskutieren (Akhbar 31.12.2024). Die HTS, die in der neuen Regierung erheblichen Einfluss hat, verfügt einem Bericht des Atlantic Council zufolge nicht über ausreichende technokratische Fachkenntnisse, um eine so komplexe Nation wie Syrien zu verwalten (AC 23.1.2025).
Die Regierung hat keinen Zeitplan für die Durchführung von Wahlen festgelegt. Ash-Shara' stellte am 16.12.2024 fest, dass Syrien nicht bereit für Wahlen sei. Die Amtszeit der Übergangsregierung wurde bis März 2025 festgesetzt (ISW 16.12.2024). Am 29.3.2025 ernannte der Präsident die neue syrische Regierung. Diese besteht aus Technokraten, ethnischen Minderheiten und mehreren engen Vertrauten ash-Shara's. Fast die Hälfte der Ernannten steht in keiner Verbindung zur HTS. Unter den Ernannten ist eine Frau, ein Angehöriger der drusischen Minderheit, ein Kurde und ein Alawit (FT 30.3.2025). Das einzige weibliche Kabinettsmitglied ist katholische Christin (VN 1.4.2025). Keiner davon erhielt ein wichtiges Ressort. Syrien-Experte Fabrice Balanche erklärte, dass wichtige Ressorts an ‚ehemalige Mitstreiter vergeben wurden, die bereits Teil der Syrischen Heilsregierung in der Provinz Idlib‘ im Nordwesten Syriens waren (AlMon 30.3.2025). Der Verteidigungsminister und der Außenminister der Übergangsregierung behielten ihre Ämter. Innenminister Khattab war zuvor Leiter des Geheimdienstes (Independent 29.3.2025). Auch Außenminister ash-Shaibani behielt sein Amt (AlMon 30.3.2025). Mehrere der neuen Minister waren unter dem Assad-Regime tätig. Zu den ehemaligen Assad-Beamten gehören Yarab Badr, der neue Verkehrsminister, und Nidal ash-Sha'r, der zum Wirtschaftsminister ernannt wurde (NYT 30.3.2025). Die Mitglieder sind für fünf Jahre bestellt (FT 30.3.2025). Das Kabinett hat keinen Premierminister, da gemäß der vorläufigen Verfassung die Regierung einen Generalsekretär haben wird (Independent 29.3.2025). Ein neues Gremium, das Ende März per Dekret bekannt gegeben wurde, das Generalsekretariat für politische Angelegenheiten, gewährte ash-Shara's Stellvertreter, Außenminister ash-Shaibani, weitreichende Befugnisse über die Führung von Ministerien und Regierungsbehörden - ähnlich der Rolle eines Premierministers (FT 30.3.2025).
Die Kurden im Nordosten Syriens stellen sich gegen die neu vorgestellte syrische Regierung. Das Kabinett spiegele nicht die Vielfalt des Landes wider, teilte die Demokratische Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) mit. Man sehe sich daher nicht an die Entscheidungen der neuen Regierung gebunden (Zeit Online 30.3.2025; vgl. Standard 30.3.2025; K24 30.3.2025). Obwohl der neuen Regierung mit Bildungsminister Mohammad Turko ein Kurde angehört, sind keine Vertreter der DAANES ins neue Kabinett berufen worden (MEE 30.3.2025). Einige Kritiker weisen auf die Diskrepanz zwischen ash-Shara's Rhetorik bei Treffen mit internationalen Vertretern und dem vermeintlichen Fehlen eines integrativen Diskurses mit einheimischen Akteuren hin (Etana 10.1.2025). In den ersten fünfzig Tagen der neuen Regierung wurden in den Regierungsinstitutionen eine Reihe von Ernennungen vorgenommen, darunter neben den Ministern auch die meisten Gouverneure und Direktoren der wichtigsten Regierungsbehörden und Abteilungen, die eine hoheitliche Dimension haben, wie der Geheimdienst, die Zentralbank und der Kassationshof (AJ 27.1.2025a). Die Problematik besteht darin, dass der Kreis der Entscheidungsträger - zumindest derzeit - ein besonders kleiner, ausschließlich aus engsten Vertrauten aus Idlib bestehender ist, d. h. ein in sich geschlossener Kreis. Hinzu kommen bereits interne Unstimmigkeiten: So mancher militärischen Gruppierung und manchem Weggefährten aus Idlib geht der moderate Zugang der Übergangsbehörden bereits zu weit. War man in den ersten euphorischen Wochen nach der Machtübernahme noch zuversichtlich-optimistisch bzw. vielmehr überzeugt, die Erfahrungen aus dem Modell Idlib auf das ganze Land übertragen zu können (die Argumentation dabei: Idlib als erfolgreicher Mikrokosmos Gesamtsyriens, da ja bewaffnete Gruppen aus dem ganzen Land nach Idlib transferiert worden waren), so hat 50 Tage nach dem Fall des Regimes Assad die Realität die neuen Machthaber eingeholt. Das katastrophale administrative Erbe, die schlechte Wirtschaftslage, die schiere Größe und Vielfalt des Landes, sowie der Mangel an allem, auch an eigenem Fachwissen und Erfahrung. Die Verwaltung eines Stadtstaates (Idlib) hat eine ganz andere Dimension als die eines komlpexen, zerstörten Landes (SYRDiplQ1 5.2.2025).
Die Übergangsregierung kündigte an, dass eine umfassende nationale Dialogkonferenz, eine vorläufige Verfassungserklärung abgeben, einen Ausschuss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung bilden und eine Übergangsregierung bestätigen wird, die die Macht von al-Bashirs Regierung übernehmen wird (AJ 27.1.2025a). Am 12.2.2025 bestätigten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass die syrische Präsidentschaft das Vorbereitungskomitee für die Nationale Konferenz gebildet hat bestehend aus fünf Männern und zwei Frauen (AJ 12.2.2025; vgl. Sky News 12.2.2025). Zur Vorbereitung der Konferenz hat das siebenköpfige Vorbereitungskomitee Anhörungen in den Gouvernements organisiert und manchmal mehrere zweistündige Sitzungen pro Tag abgehalten, um die 14 Provinzen Syriens in einer Woche abzudecken. Fünf Mitglieder des Komitees gehörten der HTS an oder stehen ihr nahe. Vertreter der Drusen oder Alawiten, zwei der großen Minderheiten in Syrien, waren nicht dabei (BBC 25.2.2025). Mit 12.2.2025 nahm dieses Komitee seine Arbeit auf, um die nationale Konferenz vorzubereiten und die Einladungen an die Teilnehmer zu verschicken (AJ 12.2.2025). Die sieben Mitglieder des Vorbereitungskomitees haben etwa 4.000 Menschen in ganz Syrien konsultiert, um Meinungen einzuholen, die bei der Ausarbeitung einer Verfassungserklärung, eines neuen Wirtschaftsrahmens und eines Plans für institutionelle Reformen helfen sollen, teilte das Komitee am 23.2.2025 Reportern mit (REU 23.2.2025; vgl. AlHurra 23.2.2025). Am 25.2.2025 fand die Konferenz zum Nationalen Dialog in Damaskus statt. Hunderte von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen waren anwesend, aber viele andere Persönlichkeiten und Gruppierungen waren nicht anwesend (AlHurra 25.2.2025). Ca. 400 Vertreter der Zivilgesellschaft, der Glaubensgemeinschaften, der Opposition und der Künstler nahmen teil (AlHurra 25.2.2025). Laut BBC waren es sogar 600 Teilnehmer (BBC 25.2.2025). Die Kurdische Autonomieverwaltung (Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien - DAANES) und ihr militärischer Arm, die SDF, haben keine Einladung zur Teilnahme an der Konferenz erhalten. Die Organisatoren hatten zuvor mitgeteilt, dass keine militärischen Einheiten oder Formationen, die noch ihre Waffen behalten, eingeladen wurden (AlHurra 25.2.2025). Nach der Eröffnung der Konferenz wurden die Teilnehmer in sechs Workshops eingeteilt, die sich mit zentralen Themen befassten, darunter ‚persönliche Freiheiten‘, ‚Verfassungsaufbau‘ und ‚Übergangsjustiz‘. In der Abschlusserklärung der Konferenz wurde die rasche Bildung des provisorischen Legislativrats gefordert, der die Aufgaben der Legislative nach ‚Kriterien der Kompetenz und der gerechten Vertretung‘ übernehmen soll (BBC 25.2.2025). Das Komitee der Dialogkonferenz gibt Empfehlungen heraus und erlässt keine Entscheidungen (AJ 21.2.2025). Diese Empfehlungen sollen in die Verfassungserklärung und den Plan für institutionelle Reformen einfließen, versichert der Sprecher des Komitees (AlHurra 23.2.2025; vgl. BBC 23.2.2025). Auf der Konferenz wurden mehrere Erklärungen abgegeben, darunter die Bildung eines Legislativrats, ein Bekenntnis zur Übergangsjustiz, zu den Menschenrechten und zur Gewährleistung der Meinungsfreiheit. Eine am Ende der eintägigen Konferenz veröffentlichte Erklärung - die nur wenige Tage zuvor angekündigt wurde und vielen potenziellen Teilnehmern nur wenig Vorbereitungszeit ließ - ebnete den Weg für die Bildung eines siebenköpfigen Ausschusses, der mit der Ausarbeitung einer Übergangserklärung zur Verfassung beauftragt wurde (TNA 3.3.2025). Am 2.3.2025 gab die neue Regierung die Bildung dieses siebenköpfigen Ausschusses bekannt. Der Ausschuss besteht aus einem Expertenkomitee, dem auch zwei Frauen angehören und dessen Aufgabe es ist, die Verfassungserklärung, die die Übergangsphase regelt, in Syrien zu entwerfen. Das Komitee werde ‚seine Vorschläge dem Präsidenten vorlegen‘, hieß es in einer Erklärung, ohne einen Zeitrahmen anzugeben (FR24 2.3.2025; vgl. BBC 3.3.2025). Weniger als zwei Stunden nach dieser Entscheidung wurden die Texte der Artikel, die in diese Erklärung aufgenommen werden sollen, bekannt, was bei den Syrern sowohl Bestürzung als auch Spott hervorrief, zumal die Informationen von arabischen Satellitenkanälen und nicht von lokalen Sendern stammten (Nahar 4.3.2025). Der Ausschuss stellte fest, dass die Verfassungserklärung die allgemeinen Grundlagen des Regierungssystems festlegen wird, um Flexibilität und Effizienz bei der Verwaltung des Staates in dieser sensiblen Zeit zu gewährleisten, um die politische und soziale Einheit und die territoriale Integrität des Landes zu bewahren. Die Ideen aus den nationalen Dialogen und Diskussionen, die in den Workshops zur Verfassungsgebung während der Nationalen Dialogkonferenz stattgefunden haben, sollen vom Ausschuss berücksichtigt werden (SANA 3.3.2025).
Am 13.3.2025 unterzeichnete ash-Shara' die angekündigte Verfassungserklärung (NYT 14.3.2025). Das vorläufige Dokument besteht aus vier Kapiteln und 53 Artikeln (AlHurra 14.3.2025). Es sieht eine fünfjährige Übergangsphase vor (BBC 14.3.2025). Nach dieser Übergangsphase soll eine dauerhafte Verfassung verabschiedet und Wahlen für den Präsidenten abgehalten werden (NYT 14.3.2025). Die Erklärung legt fest, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, wie es schon in der vorherigen Verfassung geschrieben stand. Anders als in der Verfassung von 2012, schreibt diese Verfassungserklärung die islamische Rechtslegung als wichtigste Quelle der Gesetzgebung fest. Daneben werden die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verankert sowie die Rechte der Frauen garantiert (BBC 14.3.2025). Der Präsident ist jedoch allein für die Ernennung der Richter des neuen Verfassungsgerichts Syriens verantwortlich. Die Richter müssen unparteiisch sein (NYT 14.3.2025). Für die Rechenschaftspflicht des Präsidenten wird in der Verfassung keine Möglichkeit eingeräumt. Der Erklärung zufolge wird ash-Shara' neben dem Präsidenten der Republik die folgenden Ämter bekleiden: Premierminister, Oberbefehlshaber der Armee und der Streitkräfte und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. In Artikel 41 räumt die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Möglichkeit ein, mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates, dessen Mitglieder er selbst auswählt, den Ausnahmezustand auszurufen (AlHurra 14.3.2025). Der neu gebildete Nationale Sicherheitsrat setzt sich aus Shara'-Getreuen zusammen, darunter Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra, Innenminister Ali Keddah, Außenminister As'ad ash-Shaibani und Geheimdienstchef Anas Khattab (ISW 13.3.2025). Der Meinung des Syrienexperten Fabrice Balanche nach ist der Nationale Sicherheitsrat ‚die eigentliche Regierung‘ (AlMon 30.3.2025). Die Erklärung garantiert Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Allerdings können alle Rechte, einschließlich der Religionsfreiheit, eingeschränkt werden, wenn sie unter anderem als Verstoß gegen die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung angesehen werden. Die Verpflichtung zur Gewährleistung der Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit ist mit einigen Ausnahmen verbunden, darunter die Verherrlichung des Assad-Regimes (NYT 14.3.2025). Auch die Symbole des Assad-Regimes sind unter Strafe gestellt sowie seine Verbrechen zu leugnen, zu loben, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen (AlHurra 14.3.2025). Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden (NYT 14.3.2025). Aussagen eines Mitglieds des Ausschusses für die Verfassungserklärung zufolge werde eine neue Volksversammlung die volle Verantwortung für die Gesetzgebung tragen. Zwei Drittel ihrer Mitglieder würden von einem vom Präsidenten ausgewählten Ausschuss ernannt, ein Drittel vom Präsidenten selbst. Außerdem werde ein Ausschuss gebildet, der eine neue dauerhafte Verfassung ausarbeiten solle (BBC 14.3.2025). Diese temporäre Verfassung konzentriert viel Macht in den Händen des Präsidenten. So werden dem Präsidenten die Exekutivgewalt und die Befugnis, den Ausnahmezustand zu erklären, gewährt (NYT 14.3.2025). Das Parlament ist nicht befugt, den Präsidenten anzuklagen, Minister zu ernennen oder zu entlassen oder die Exekutive zu kontrollieren (HRW 25.3.2025). Immerhin spricht die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Befugnis ab, allgemeine Amnestiegesetze zu erlassen, die al-Assad zuvor für sich monopolisiert hatte (AlHurra 14.3.2025). In der Verfassung ist Syrien als ‚arabische‘ Republik definiert mit Arabisch als einziger Amtssprache (LSE 28.3.2025). Sie löste innerhalb Syriens viele Diskussionen aus. Umstritten sind insbesondere jene Passagen, die dem Präsidenten ein Machtmonopol einräumen (AlHurra 14.3.2025). Der Syrische Demokratische Rat, der politische Arm der kurdisch geführten Kräfte, die den Nordosten Syriens kontrollieren, erklärte, das neue Dokument sei ‚eine neue Form des Autoritarismus‘ und kritisierte die seiner Meinung nach unkontrollierten Exekutivbefugnisse (NYT 14.3.2025). Das International Centre for Dialogue Initiatives schreibt, dass diese Reformen einseitig von einem ebenfalls vom Präsidenten ernannten Verfassungsausschuss ausgearbeitet wurden, der dann behauptete, ihre Legitimität stamme aus einem Dialogprozess. Die sogenannte Nationale Dialogkonferenz wurde so zu einem politischen Deckmantel für vorab festgelegte Verfassungsänderungen, die unter dem Deckmantel der Reform die autoritäre Herrschaft festigten (ICDI 4.4.2025). Trotz der weitverbreiteten Kritik an der aktuellen Verfassung ist keine kurzfristige Überarbeitung vorgesehen. Die vorliegende Fassung ist das Ergebnis eines beschleunigten Verfahrens, das unmittelbar nach der Nationalen Dialogkonferenz im Februar 2025 in Gang gesetzt wurde. Ein siebenköpfiges Gremium erarbeitete die Verfassung in kürzester Zeit und wird in ihrer aktuellen Form noch nicht ihren Ansprüchen für einen pluralistischen, freien und gerechten Staat gerecht (AdRev 3.4.2025).
Als Reaktion auf die neue Verfassung gründeten 34 verschiedene syrische Parteien und Organisationen am 22.3.2025 eine Allianz, die Allianz für gleiche Staatsbürgerschaft in Syrien (Syrian Equal Citizenship Alliance bzw. Tamasuk). Zu den Organisationen der Allianz gehört der Syrische Demokratische Rat (ISW 24.3.2025), die Partei des Volkswillens, die Demokratische Ba'ath-Partei und die Kommunistische Arbeiterpartei (TNA 23.3.2025) sowie andere kurdische, christliche und drusische Gruppierungen (ISW 24.3.2025). Das Bündnis bezeichnet sich selbst nicht als Opposition und verlangt eine dezentrale Machtverteilung (TNA 23.3.2025).
Die Verfassung und das Parlament wurden während der dreimonatigen Übergangszeit ausgesetzt, so die interimistischen Behörden (Almodon 8.1.2025). Laut Leaks wird der Übergangspräsident die Volksversammlung innerhalb von 60 Tagen nach der Veröffentlichung der Verfassungserklärung ernennen. Die Volksversammlung wird 100 Mitglieder umfassen, wobei eine gerechte Vertretung der Komponenten und Kompetenzen berücksichtigt wird, und wird vom Präsidenten der Republik durch ein republikanisches Dekret für eine Amtszeit von zwei Jahren ernannt (AlHurra 3.3.2025). Am 29.12.2024 sagte ash-Shara' in einem Interview, dass die Durchführung legitimer Wahlen eine umfassende Volkszählung benötige (Arabiya 29.12.2024). In einem Interview gab er an, dass es damit in Syrien freie, faire und integre Wahlen abgehalten werden können, einer Volkszählung, der Rückkehr der im Ausland lebenden Menschen, der Öffnung der Botschaften und der Wiederherstellung des legalen Kontakts mit der Bevölkerung bedarf. Darüber hinaus sind viele der Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben wurden oder in Lagern in den Nachbarländern leben, nicht bei den Flüchtlingskommissionen registriert usw. (Economist 3.2.2025). Abgesehen von der wiederholten Aussage, dass Ausschüsse gebildet und Fachleute hinzugezogen würden, gab al-Shara nicht viel Aufschluss darüber, wie der Wahlprozess aussehen würde (NYT 30.12.2024). Ash-Shara' hatte angemerkt, dass die Einrichtung dieser Ausschüsse in naher Zukunft unwahrscheinlich sei. Er teilte der BBC am 18.12.2024 mit, dass ein syrisches Komitee von Rechtsexperten zusammentreten werde, um eine Verfassung zu verfassen und über eine Reihe nicht näher bezeichneter rechtlicher Fragen, darunter den Alkoholkonsum, zu entscheiden. Es ist unklar, auf welche Rechtsexperten sich ash-Shara' bezieht und ob diese Experten repräsentativ für die multiethnische, sektiererische und religiöse Bevölkerung Syriens sind oder ob es sich um HTS-nahe sunnitische Gelehrte handelt (ISW 19.12.2024).
Am 29.1.2025 versammelten sich die Führer der militärischen Gruppierungen, die an der militärischen Kampagne zum Sturz Assads beteiligt waren, zu einer Zeremonie im Präsidentenpalast, um den Sieg zu erklären. In der Siegeserklärung kündigten sie neun Schritte an, die in drei Hauptthemen unterteilt sind, wie beispielsweise: 1. Füllen des Machtvakuums durch die Annullierung der Verfassung von 2012, die Aussetzung aller Ausnahmegesetze, die Auflösung der während der Zeit des vorherigen Regimes gebildeten Volksversammlung und aller aus ihr hervorgegangenen Komitees und die Ernennung des Befehlshabers des militärischen Operationskommandos, Ahmed ash-Shara', zum Präsidenten des Landes während der Übergangszeit. Bei der Zeremonie wurde die Auflösung von vier Institutionen, welche die Säulen der Herrschaft und Kontrolle des früheren Regimes darstellten und die Schaffung eines neuen Regimes behindern, angekündigt, nämlich: die Armee, die Sicherheitsdienste mit ihren verschiedenen Zweigen und alle damit verbundenen Milizen, die Arabische Sozialistische Ba'ath-Partei, die Parteien der Nationalen Progressiven Front und die ihnen angeschlossenen Organisationen, Institutionen und Komitees und das Verbot ihrer Wiedererrichtung auch unter einem anderen Namen und Rückgabe ihrer Vermögenswerte an den syrischen Staat (AJ 31.1.2025a). Die Ba'ath-Partei des gestürzten syrischen Machthabers Bashar al-Assad stellte nach eigenen Angaben mit 12.12.2024 sämtliche Aktivitäten ein. Dies gelte bis auf Weiteres, hieß es in einer auf der Website der Parteizeitung veröffentlichten Erklärung. Die Vermögenswerte und die Gelder der Partei würden unter die Aufsicht des Finanzministeriums gestellt, Fahrzeuge und Waffen sollen nach Parteiangaben an das Innenministerium übergeben werden. Die Ba'ath-Partei war seit 1963 in Syrien an der Macht (Tagesschau 12.12.2024). Viele Mitglieder der Parteiführung sind untergetaucht und einige aus dem Land geflohen. In einem symbolischen Akt haben die neuen Machthaber Syriens das ehemalige Hauptquartier der Partei in Damaskus in ein Zentrum umgewandelt, in dem ehemalige Mitglieder der Armee und der Sicherheitskräfte Schlange stehen, um sich registrieren zu lassen und ihre Waffen abzugeben (AP 30.12.2024). Am 11.2.2025 gab das Präsidialamt bekannt, dass die wichtigsten Oppositionsgremien Syriens, die im Exil tätig waren, Damaskus die von ihnen bearbeiteten Akten übergeben haben, als Teil der Bemühungen, die während des Konflikts gebildeten Institutionen ‚aufzulösen‘. Dieser Schritt kommt der Abschaffung der wichtigsten unbewaffneten Oppositionsgruppen Syriens gleich und erinnert an ash-Shara's Versuch, alle bewaffneten Gruppen aufzulösen und in die Armee zu integrieren (FR24 12.2.2025). Für die in den Kriegsjahren im und aus dem Ausland tätige Opposition hat man nur Geringschätzung (SYRDiplQ1 5.2.2025).
Während ash-Shara' ein gewisses Maß an Pragmatismus gezeigt hat, insbesondere im Umgang mit lokalen Gemeinschaften, sind die Strukturen der Übergangsregierung nach wie vor zentralisiert und hierarchisch, wobei die Macht in einem kleinen Führungskreis konzentriert ist. Dies schränkt die Möglichkeiten für eine integrative Entscheidungsfindung ein und verstärkt die Wahrnehmung der Ausgrenzung von Minderheiten und Frauen (AC 20.12.2024). HTS hat in Idlib einerseits bemerkenswerte Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung gemacht. So erlaubte sie beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen und Autos zu fahren - Maßnahmen, die angesichts der radikalen dschihadistischen Vergangenheit der Gruppe bemerkenswert sind. Darüber hinaus hat HTS Zivilisten in seine Regierungsverwaltung integriert und einen technokratischen Regierungsstil eingeführt, selbst in sensiblen ideologischen Bereichen wie Bildung und Religion, in denen die Gruppe ursprünglich ausschließlich eigenes Personal ernennen wollte. Andererseits ist die mangelnde Bereitschaft, politische Opposition zuzulassen, nach wie vor besorgniserregend. In Idlib hat HTS nach und nach die Macht monopolisiert und agierte praktisch als Einparteienstaat. Politische Opposition und zivilgesellschaftlicher Aktivismus wurden unterdrückt (DIIS 16.12.2024). Zu den ersten Entscheidungen der Übergangsregierung unter al-Bashir gehörten die Entsendung von Polizeikräften in Großstädte und das Verbot von Rauchen und Alkoholkonsum (MAITIC 17.12.2024). Der HTS wurden unter anderem von Human Rights Watch, immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, Frauen und religiöse Minderheiten vorgeworfen. Es kam auch zu groß angelegten Protesten gegen die HTS und ihren Anführer, ash-Shara' (Rosa Lux 17.12.2024). Laut Terrorismusexperte Peter Neumann haben die Kämpfer der HTS für ein islamistisches Regime gekämpft. Er hält es für möglich, dass es zu einer Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte (Spiegel 11.12.2024). Auch Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler spricht von Videos von Personen aus dem Umfeld der HTS, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024). Alberto M. Fernandez, Vizepräsident des Middle East Media Research Institutes, wiederum sieht nicht so sehr die Gefahr, dass Syrien nun ein islamischer Staat sein wird, sondern dass es ein gescheiterter Staat sein wird. Die Gefahr besteht eher darin, dass die Anarchie die Oberhand gewinnt und nicht das Scharia-Recht. Dennoch sehen auch sie, al-Shara', seine Organisation die HTS und viele ihrer Verbündeten als Hardcore-Islamisten. Der beste Vergleich sind nicht der Islamische Staat (IS) und al-Qaida, sondern die Taliban und die Hamas, politische Projekte, die sowohl islamistisch als auch nationalistisch sind (MEMRI 9.12.2024). Etwa 70 % der syrischen Bevölkerung sind sunnitische Muslime, darunter auch Kurden, die etwa 10 % der Bevölkerung ausmachen. Die arabischen Sunniten sind sich jedoch in ihren Zielen nicht einig, und viele wünschen sich für die Zukunft Syriens keinen islamischen Staat (SWI 13.2.2025).
Trotz der Kritik ergab eine im März 2025 im Auftrag von ‚The Economist‘ durchgeführte Umfrage, an der 1.500 Syrer aus allen Provinzen und konfessionellen Gruppen des Landes teilnahmen, dass 81 % die Herrschaft von ash-Shara' befürworten. Nur 22 % sind der Meinung, dass seine Vergangenheit als al-Qaida-Führer ihn für eine Führungsrolle disqualifiziert. Eine große Zahl der Befragten gibt an, dass sie seine neue Ordnung als sicherer, freier und weniger konfessionell geprägt empfinden als das Regime von al-Assad. Etwa 70 % sind optimistisch, was die allgemeine Richtung des Landes angeht. Die zufriedenste Provinz ist Idlib, ash-Shara's ehemaliges Machtgebiet, wo 99 der 100 Befragten sich optimistisch äußern. Tartus, wo Anfang März 2025 mehrere Massaker an der alawitschen Minderheit stattgefunden haben, ist die pessimistischste Provinz. Selbst dort gaben 49 % an, optimistisch zu sein, während 23 % sich pessimistisch äußerten. (Economist 2.4.2025).
Anfänglich drängten die Vereinten Nationen (VN) auf eine Rückkehr zum lange stagnierenden politischen Übergang auf der Grundlage der Resolution 2254 (National 9.12.2024). Die 2015 verabschiedete Resolution 2254 des Sicherheitsrates, die einen politischen Übergang in Syrien durch Verhandlungen zwischen der Regierung des gestürzten Regimes und der Opposition forderte, ist inzwischen gegenstandslos geworden, da das Regime, mit dem verhandelt werden sollte, gestürzt ist (AJ 28.12.2024a). Ash-Shara' sieht keine Notwendigkeit mehr für den Arbeitsmechanismus der Vereinten Nationen in Syrien und macht keinen Hehl aus seiner mangelnden Bewunderung für den UN-Gesandten Geir Pedersen. Die neue Regierung hat kein Interesse mehr an der Resolution 2254 und ihren Bestimmungen. Ash-Shara' sagte, dass die vergangenen Jahre die Ineffektivität der VN gezeigt hätten, weshalb er die Resolution mit dem Sturz des Regimes als hinfällig betrachte (Akhbar 31.12.2024).
Syrien steht auf der US-amerikanischen Liste der Länder, die den Terrorismus unterstützen und HTS wird von der Europäischen Union, der Türkei und den USA als ausländische terroristische Organisation eingestuft (AJ 15.12.2024a). HTS wurde im Mai 2014 auf die Terrorliste der UN gesetzt, als der Sicherheitsausschuss zu dem Schluss kam, dass es sich um eine terroristische Organisation mit Verbindungen zur al-Qaida handelt. Sie unterliegen drei Sanktionsmaßnahmen: Einfrieren von Vermögenswerten, Reiseverbot und Waffenembargo. Das bedeutet, dass international von allen Mitgliedstaaten erwartet wird, dass sie diese Maßnahmen einhalten. Um HTS nicht mehr als Terrororganisation zu listen, müsste ein Mitgliedstaat die Streichung von der Liste vorschlagen, und dieser Vorschlag würde dann an den zuständigen Ausschuss des Sicherheitsrats weitergeleitet. Der Ausschuss, der sich aus Vertretern aller 15 Länder zusammensetzt, die den Sicherheitsrat bilden, müsste dann einstimmig beschließen, den Vorschlag zu genehmigen (UN News 12.12.2024). Die internationale Gemeinschaft akzeptierte in bilateralen und multilateralen Formaten, dass HTS, trotz ihrer Einstufung als terroristische Vereinigung, einen Platz am Verhandlungstisch benötigt (MEI 9.12.2024).
Das Präsidium der syrischen Übergangsregierung hat einen Beschluss zur Einrichtung einer Allgemeinen Behörde für Land- und Seehäfen gefasst, die verwaltungstechnisch und finanziell unabhängig und direkt mit dem Premierminister verbunden ist. Die Behörde für Land- und Seehäfen wird die Generalgesellschaft des Hafens von Tartus, die Generalgesellschaft des Hafens von Latakia, die Generaldirektion der Häfen und andere umfassen, erklärte das Präsidium in einer separaten Entscheidung und ernannte Qutaiba Ahmad Badawi zum Leiter der Behörde. Die neue Behörde wird die Ein- und Ausfahrt von Passagieren und Fracht und alles, was diese Aufgabe erleichtert, überwachen und organisieren, sagte sie. Die Behörde wird auch die Seeschifffahrt, die kommerziellen maritimen Angelegenheiten, die Häfen und den Seeverkehr beaufsichtigen und die für ihre Arbeit notwendigen kommerziellen Schiffe und Immobilien besitzen und leasen (LBCI 1.1.2025).
Ash-Shara's Regierung kontrolliert begrenzte Teile Syriens, darunter die meisten westlichen Städte und Teile des ländlichen Raums (TWI 28.2.2025). Nordostsyrien wird von einer Kombination aus den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Focres - SDF) und arabischen Stammeskräften regiert (MEI 19.12.2024). Die SDF führen Gespräche mit ash-Shara', bleiben aber vorsichtig, was seine Absichten angeht (TWI 28.2.2025). Nord-Aleppo wird von der von der Türkei unterstützten Syrischen Übergangsregierung kontrolliert (MEI 19.12.2024). Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen innerhalb der SNA kontrollieren Teile Nordsyriens nahe der türkischen Grenze, darunter 'Afrin, Suluk und Ra's al-'Ain. Diese Gebiete hat die SNA 2018 und 2019 von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) erobert (Al-Monitor 8.12.2024). Am 29.1.2025 zwang die Türkei den Anführer dieser Gruppe, Sayf Abu Bakr, nach Damaskus zu reisen und dem neuen Präsidenten persönlich zu gratulieren, aber dies ist das einzige Zugeständnis, das er ash-Shara' bisher gemacht hat. Die beiden Anführer haben eine lange Geschichte gegenseitiger Feindseligkeit, insbesondere da viele Kämpfer der Syrischen Nationalarmee Veteranen des blutigen Krieges sind, den HTS 2017-2020 um die Kontrolle über die Provinz Idlib führte (TWI 28.2.2025). Südsyrien wird von einer halbunabhängigen Struktur in Suweida zusammen mit ehemaligen Oppositionsgruppen in Dara'a kontrolliert (MEI 19.12.2024). Im Euphrat-Tal ist die Loyalität der sunnitischen Stämme gegenüber HTS weniger sicher, während in Dara'a die vom ehemaligen Rebellen Ahmad al-'Awda und anderen südlichen Fraktionen kontrollierten Truppen sich der Integration in die neue syrische Armee widersetzen (TWI 28.2.2025). Anfang Jänner 2025 hinderten lokale Gruppierungen, die in der Provinz Suweida operieren, einen Militärkonvoi der DMO an der Einfahrt in die südsyrische Provinz. Quellen erklärten gegenüber Al Jazeera, dass die Entscheidung auf Anweisung des geistlichen Oberhaupts der monotheistischen Gemeinschaft der Drusen, Hikmat al-Hijri, getroffen wurde, der betonte, dass keine militärische Präsenz von außerhalb der Provinz erlaubt sei. Die Quellen erklärten, dass der Militärkonvoi in die mehrheitlich drusische Provinz Suweida kam, ohne sich vorher mit den lokalen Gruppierungen in der Provinz abzustimmen (AJ 1.1.2025a). Etana zufolge soll die HTS zunehmend versucht haben, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara'a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-'Awda führte. In intensiven Verhandlungen im Gebäude des Gouvernements Dara'a wurde die Auflösung sowohl des 5. Korps als auch der Gruppen von Ahmad al-'Awda (die einst die 8. Brigade des 5. Korps bildeten) sowie anderer ehemaliger Oppositionsgruppen aus der Stadt Dara'a und at-Tafas angestrebt. Während HTS die Integration aller ehemaligen Oppositionsgruppen unter einem neuen Verteidigungsministerium nach al-Assad anstrebt, wuchs der Druck auf al-'Awda, der sich unter den bisherigen Bedingungen gegen die Auflösung gewehrt hatte (Etana 17.1.2025). Am 13.4.2025 gab die Gruppierung dem politischen und militärischen Druck schließlich nach und ihre Auflösung bekannt. Die Waffen werden an die Regierung übergeben (National 14.4.2025), schwere Waffen wurden von den Sicherheitskräften der Regierung beschlagnahmt (Etana 16.4.2025). Ash-Shara's politisches Projekt eines zentralisierten Syriens steht im Widerspruch zur aktuellen Realität vor Ort. Er glaubt, dass der Föderalismus die ‚Nation‘ spalten könnte - eine Auffassung, die zum Teil auf der antiisraelischen Stimmung in der syrischen Bevölkerung beruht (TWI 28.2.2025).
Ahmed ash-Shara' wurde 1982 (Rosa Lux 17.12.2024) als Ahmed Hussein ash-Shara' in Saudi-Arabien als Kind syrischer Expatriates geboren. Ende der 1980er-Jahre zog seine Familie zurück nach Syrien (NYT 12.12.2024). Als junger Mann radikalisierte er sich während der blutigen zweiten Intifada, als die israelische Regierung auf palästinensische Selbstmordattentate mit brutaler Gewalt antwortete. Auch der 11.9.2001 prägte ihn (Rosa Lux 17.12.2024). Er ging 2003 in den Irak, um sich al-Qaida anzuschließen und gegen die US-Besatzung zu kämpfen. Arabischen Medienberichten und US-Beamten zufolge verbrachte er mehrere Jahre in einem amerikanischen Gefängnis im Irak. Zu Beginn des Bürgerkriegs tauchte er in Syrien auf und gründete die Jabhat an-Nusra, aus der sich schließlich Hay'at Tahrir ash-Sham entstand (NYT 12.12.2024). 2003 nahm er den Kriegsnamen Abu Mohammad al-Jolani an (Rosa Lux 17.12.2024). In einem vor einigen Jahren mit dem US-amerikanischen Sender PBS geführten Interview gab ash-Shara' zu, dass er bei seiner Rückkehr nach Syrien finanzielle Unterstützung durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) erhielt, der zu diesem Zeitpunkt weite Teile des Iraks und Syriens besetzt hielt (DW 18.12.2024). Im Januar 2017 gründete er mit der HTS ein neues Bündnis verschiedener islamistischer Milizen, das sich dezidiert von der dschihadistischen al-Qaida und ihrem Ziel eines globalen Dschihads gegen den Westen lossagte (Rosa Lux 17.12.2024). Seit dem Bruch mit al-Qaida haben er und seine Gruppierung versucht, internationale Legitimität zu erlangen, indem sie globale dschihadistische Ambitionen ablehnten und sich auf eine organisierte Regierungsführung in Syrien konzentrierten (NYT 12.12.2024). 2013 setzten die USA ihn auf ihre Terrorliste und lobten später sogar ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen für Hinweise zu seiner Ergreifung aus. 2018 wurde dann auch die HTS von den Vereinigten Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft, die Vereinten Nationen folgten (Rosa Lux 17.12.2024).
Als Teil des Übergangs von der Revolution zum Staatsaufbau arbeitet die neue syrische Regierung daran, diesen Aufbau zu stärken und zu konsolidieren, indem sie eine nationale Armee aufbaut, die alle militärischen Formationen und Gruppierungen umfasst, die sich aufgrund bestimmter Umstände und Fakten während der syrischen Revolution gebildet haben (AJ 29.1.2025).
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Politische Lage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Die Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES), die von den Kurden häufig als Rojava oder ‚Westkurdistan‘ bezeichnet wird, wurde auf der dritten Konferenz des Syrischen Demokratischen Rates (Syrian Democratic Council - SDC) am 16.7.2018 in 'Ain 'Issa gegründet. Vor der AANES hieß das lokale System Demokratische Föderation Nordsyrien (Democratic Federation of Northern Syria - DFNS), dessen Name 2016 übernommen wurde. Der Generalrat der Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) verabschiedete am 13.12.2023 einen Gesellschaftsvertrag, in dem die AANES in Demokratische Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) umbenannt wurde. Der Gesellschaftsvertrag gilt als de-facto-Verfassung. Im Zuge dieses Vertrags wurden die Verwaltungsgebiete zu einer einzigen Region unter dem Namen Nord- und Ostsyrien zusammengefasst (K24 13.12.2023). Die DAANES ist eine von Kurden angeführte, aber multiethnische Koalition, die sich in den letzten zehn Jahren eine relative Autonomie vom Assad-Regime bewahrt hat. Ihr mächtiger militärischer Flügel, die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF), diente auf ihrem Höhepunkt als wichtiges Bollwerk gegen den Islamischen Staat (IS) und profitiert nach wie vor von der anhaltenden amerikanischen Unterstützung in der Region (MEPC 2025). Die SDF sind die militärische Kraft für die Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien. Die Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG) sind die dominierende Kraft innerhalb der SDF, obwohl es auch Kämpfer aus arabischen, christlichen und anderen Gemeinschaften gibt. Die SDF kontrollieren große Teile Nord- und Nordostsyriens, darunter die Städte ar-Raqqa, al-Hasaka, die Verwaltungshauptstadt Qamishli und Teile der Provinz Deir ez-Zour. Die Türkei betrachtet die SDF als den syrischen Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê - PKK), was die SDF jedoch bestreiten (Al-Monitor 8.12.2024). Die SDF kontrollieren ein Gebiet von mehr als 35.000 Quadratkilometern, was bedeutet, dass sie etwa 18,92 % des syrischen Territoriums kontrollieren (AJ 29.1.2025). Obwohl die DAANES international nicht anerkannt ist, unterhält sie eine enge Arbeitsbeziehung zu den USA, welche die SDF seit Beginn des Krieges gegen den IS unterstützen (K24 13.12.2023; vgl. AJ 29.1.2025).
Der politische Flügel der SDF, der Syrische Demokratische Rat (Syrian Democratic Council - SDC), beglückwünschte das syrische Volk am 8.12.2024 zum Ende des Assad-Regimes und versprach, mit verschiedenen Gruppen im Land zusammenzuarbeiten. In einer Erklärung heißt es: Wir werden mit allen nationalen, kulturellen und gesellschaftlichen Kräften Syriens zusammenarbeiten, indem wir uns am nationalen Dialog beteiligen und unsere Verantwortung wahrnehmen, um ein neues Syrien zu schaffen, das alle seine Bürger einschließt (Al-Monitor 8.12.2024). Nach dem Sturz al-Assads hissten die SDF als Geste gegenüber der neuen Regierung in Damaskus die Revolutions- und Unabhängigkeitsflagge der Rebellengruppen auf ihren Einrichtungen, was von Washington begrüßt wurde (AJ 9.1.2025a). Am 29.12.2024 erklärte ash-Shara' gegenüber dem Fernsehsender Al Arabiya, dass die SDF in die neue nationale Armee integriert werden sollten. Waffen dürfen nur in den Händen des Staates sein. Wer bewaffnet und qualifiziert ist, um dem Verteidigungsministerium beizutreten, ist bei uns willkommen, sagte er (AJ 31.12.2024a). Laut dem Vizepräsidenten des Middle East Media Research Institutes zeigen sich die Kurden pragmatisch und werden versuchen, eine Vereinbarung mit den Machthabern zu treffen, die ein gewisses Maß an lokaler Autonomie bewahrt. Zu viel Autonomie wird Ankara verärgern, zu wenig Autonomie wird das Land gespalten halten (MEMRI 9.12.2024). Seit Dezember 2024 verhandelt die SDF mit der Übergangsregierung in Damaskus über ein mögliches Abkommen, das ihre Eingliederung in ein geeintes Syrien vorsieht (FP 20.2.2025). Ahmad ash-Shara' hat sich am 30.12.2024 mit einer Delegation der SDF, getroffen, um eine Grundlage für einen zukünftigen Dialog zu schaffen. Die Atmosphäre war positiv (Sky News 31.12.2024a). Ein syrischer Politiker sagte, dass die Verhandlungen mit der YPG [gemeint sind vermutlich die SDF; die Quelle ist türkisch Anm.] komplex bleiben, weil die Gruppierung auf Autonomie und mehr Kontrolle über rohstoffreiche Gebiete bestehe (TR-Today 8.1.2025). Umgekehrt soll laut einem Journalisten der türkischen Tageszeitung Hürriyet SDF-Kommandeur Mazloum 'Abdi bei seinem Treffen mit ash-Shara' angeboten haben, eine kurdische Fraktion in der syrischen Armee zu schaffen und das syrische Öl gleichmäßig zu teilen, was aber ash-Shara's Regierung ablehnte und betonte, dass es keine andere Lösung als die Übergabe von Waffen gäbe (Akhbar 9.1.2025). 'Abdi bot an, die Ölvorkommen in den von ihm kontrollierten Gebieten an die Zentralverwaltung zu übergeben, vorausgesetzt, der Reichtum wird gerecht auf alle syrischen Provinzen verteilt (Sharq 14.1.2025). Der syrische Verteidigungsminister sagte, dass sie [gemeint sind hier vermutlich die syrischen Behörden Anm.] kein Öl wollen, sondern die Institutionen und die Grenzen (Barrons 22.1.2025). Am 9.1.2025 berichtete Al Jazeera, dass 'Abdi sich mit der neuen syrischen Regierung geeinigt hätte, jegliche Teilungsprojekte, die die Einheit des Landes bedrohen, abzulehnen. (AJ 9.1.2025a; vgl. Arabiya 9.1.2025). 'Abdi sagte am 14.1.2025, dass seine Forderungen nach einer dezentralisierten Verwaltung für die von ihm kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens nicht im Widerspruch zur Einheit des Landes stünden und dass er dies als die beste Option für die syrische Realität betrachte, wobei er darauf hinwies, dass er diese Forderungen der neuen syrischen Regierung bei früheren Konsultationen vorgelegt habe. Die Forderung einer dezentralisierten Verwaltung Nord- und Ostsyriens ist die Hauptforderung der SDF. 'Abdi wies darauf hin, dass es sich bei der von ihm geforderten Dezentralisierung um eine ‚geografische Dezentralisierung und nicht um eine Dezentralisierung auf nationaler Ebene‘ handele und erklärte, dass sie kein eigenes Parlament und keine eigene Regierung fordern (Sharq 14.1.2025). Am 27.1.2025 sagten Quellen, die der neuen Regierung nahestehen, dass diese den SDF ein Angebot gemacht habe, das die Anerkennung der kulturellen Rechte der Kurden und deren Aufnahme in die nächste Verfassung sowie die Öffnung des Weges für Kurden, um in die Sicherheits- und Militäreinrichtungen aufgenommen zu werden, beinhaltet. Die Quellen bestätigten, dass das Angebot auch ein dezentralisiertes Verwaltungssystem umfasst, das den lokalen Räten weitreichende Befugnisse zur Verwaltung der Angelegenheiten der Provinzen einräumt. Denselben Quellen zufolge lehnten die SDF das Angebot jedoch ab und bestanden auf ihren eigenen Bedingungen, zu denen gehören: Beitritt zur syrischen Armee als integrierte Einheit, Beibehaltung ihrer derzeitigen militärischen Einsatzgebiete, Erhalt eines Anteils an den Einnahmen aus den Ölfeldern und -quellen. Die SDF begründen ihre Position mit der Furcht vor einem möglichen türkischen Angriff auf ihre Gebiete und der fehlenden Integration der Gruppierungen der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) in das syrische Verteidigungsministerium. Die syrische Regierung lehnt ihrerseits die Vorschläge der SDF ab und betont, dass sie die Existenz von Blöcken innerhalb der Armee ablehnt und nicht bereit ist, das Öl-Dossier als politische Verhandlungskarte zu nutzen (AJ 27.1.2025b). In einem grundlegenden Wandel gegenüber der Ära al-Assad hat die Übergangsregierung in Damaskus den Kurden Syriens gleiche Rechte versprochen und angekündigt, Kurdisch zur zweiten Landessprache zu machen. Vertretern der SDF und der autonomen Verwaltung würden außerdem Sitze und Mitgliedschaft in allen Übergangsbehörden Syriens garantiert, darunter ein temporäres Parlament und ein Verfassungsausschuss. Die Einnahmen aus dem syrischen Öl-, Gas- und Agrarsektor würden anteilig in den Nordosten investiert werden. Nach wochenlangen Gesprächen hat die SDF einen Großteil des Abkommens grundsätzlich akzeptiert, wie ein Treffen zwischen der SDF und ihrem politischen Flügel und ihren Regierungsorganen am 17.2.2025 erneut bestätigte. Doch während die Organisation insgeheim schon seit Wochen akzeptiert hat, dass ihre Streitkräfte eines Tages aufgelöst und in die neuen Streitkräfte Syriens integriert werden, besteht das Haupthindernis bei den Gesprächen darin, wie dies geschehen soll. SDF-Anführer 'Abdi hat sich zwar mit allen anderen bewaffneten Gruppierungen in Syrien auf eine mögliche Auflösung geeinigt, fordert jedoch, dass das SDF-Personal ein eigenständiger Block innerhalb der neuen Streitkräfte Syriens bleibt und nur an seinen derzeitigen Standorten im Nordosten stationiert bleibt (FP 20.2.2025). Laut einem Mitglied des politischen Flügels der SDF, dem Demokratischen Rat Syriens (Meclîsa Sûriya Demokratîk - MSD), hat die autonome Verwaltung im Nordosten des Landes einen positiven Schritt unternommen, indem sie sich darauf vorbereitet, Grenzübergänge und offizielle Stellen an den syrischen Staat zu übergeben. Die syrische Übergangsregierung hat noch keine Vorstellung davon, wie die Verwaltung dieser Einrichtungen in Ostsyrien aufgenommen werden soll, daher müssen im Dialog zwischen der syrischen Regierung und der Autonomieverwaltung Ausschüsse auf Bildungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsebene gebildet werden (AJ 22.2.2025).
Am 10.3.2025 unterzeichneten der Anführer der kurdisch dominierten SDF Mazloum 'Abdi und Übergangspräsident Ahmad ash-Shara' ein Abkommen über die Integration der SDF in die staatlichen Institutionen Syriens. Das Abkommen sieht die Gewährleistung der Rechte aller Syrer auf Vertretung und Beteiligung, einen Waffenstillstand in allen syrischen Gebieten und die Integration aller zivilen und militärischen Institutionen im Nordosten Syriens vor. Das Abkommen sieht auch vor, dass die SDF den syrischen Staat bei der Bekämpfung von Assads Überbleibseln und Drohungen unterstützen und Aufrufe zur Teilung, Hassreden und Versuche, Zwietracht zu säen, zurückweisen werden (Arabiya 11.3.2025). Das Abkommen besteht aus acht Klauseln. Gemeinsame Ausschüsse sollen daran arbeiten, die Umsetzung des Abkommens bis Ende des Jahres abzuschließen (AJ 11.3.2025). Das Abkommen sieht vor, das DAANES-Gebiet unter die volle Kontrolle der syrischen Zentralregierung bringen (AJ 10.3.2025b). Es beinhaltet die Integration der zivilen und militärischen Einrichtungen im Nordosten Syriens in die syrische Staatsverwaltung, einschließlich der Grenzposten, des Flughafens [in Qamishli, Anm.] und der Öl- und Gasfelder, die von den SDF im Nordosten Syriens kontrolliert werden (FR24 10.3.2025). Kurz nach Bekanntgabe der Vereinbarung sagten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass sich ein Konvoi des syrischen Verteidigungsministeriums in Abstimmung mit den SDF nach al-Hasaka begeben wird und dass die Kräfte des Verteidigungsministeriums die Gefängnisse von den SDF übernehmen werden (AJ 11.3.2025). Das Wall Street Journal zitierte US-Beamte mit der Aussage, dass US-Militärpersonal zwischen den SDF und den sogenannten Rebellengruppen vermittelt habe. Die Beamten sagten, die Vermittlung schließe auch Gruppierungen ein, die von der Türkei seit dem Sturz des gestürzten Präsidenten Bashar al-Assad unterstützt werden (AJ 11.3.2025). Das Abkommen könnte den Konflikt der SDF mit der benachbarten Türkei und den von der Türkei unterstützten ehemaligen syrischen Rebellengruppen, die mit der Regierung verbündet sind und versuchen, die SDF aus Gebieten nahe der Grenze zu vertreiben, entschärfen (BBC 11.3.2025). Das Abkommen macht keine Angaben darüber, wie die militärischen Einheiten der SDF in das syrische Verteidigungsministerium integriert werden sollen, was bisher ein wesentlicher Knackpunkt in den Gesprächen war. Die Vereinbarung bezieht sich weder auf die Übergabe von Waffen noch auf die Auflösung der von der YPG dominierten militärischen Formation (AJ 11.3.2025). Die Vereinbarung enthält die Bestätigung, dass das kurdische Volk ein integraler Bestandteil Syriens ist und ein Recht auf Staatsbürgerschaft und garantierte verfassungsmäßige Rechte hat (AJ 10.3.2025b), einschließlich der Verwendung und des Unterrichts ihrer Sprache, die unter Assad jahrzehntelang verboten waren (Sky News 10.3.2025). Die Vereinbarung beinhaltet die Gewährleistung der Rechte aller Syrer auf Repräsentation und Beteiligung am politischen Prozess und an allen staatlichen Institutionen, unabhängig von ihrer religiösen und ethnischen Zugehörigkeit (Arabiya 10.3.2025; vgl. AJ 10.3.2025a).
Das Abkommen hat bis Ende März nicht zu einer Beruhigung der Fronten geführt, obwohl eine Waffenruhe vorgesehen wäre. Die staatlichen Institutionen im Nordosten Syriens blieben ebenfalls unter der Schirmherrschaft der DAANES, auch was die Zahlung der Gehälter der Beschäftigten angeht (SYD 31.3.2025). Am 1.4.2025 erklärten die SDF, sich aus zwei historisch kurdischen Stadtvierteln in Aleppo zurückzuziehen. Lokale Quellen berichteten anschließend, dass sich die SDF am 2.4.2025 vom Tishrin-Damm und der Qara-Qozak-Brücke zurückgezogen haben, wo sie seit Dezember 2024 gegen SNA kämpften. Eine ‚Sonderverwaltung‘, die möglicherweise aus Mitarbeitern des Damms besteht, wird die Kontrolle über das Gebiet um den Tishrin-Damm übernehmen. Den Mitarbeitern des Damms wurde gestattet, in dem Gebiet zu bleiben, damit das Elektrizitätswerk seinen regulären Betrieb fortsetzen kann. Eine Anti-SDF-Quelle behauptete außerdem, dass sich die SDF nach dem Verlassen des Tishrin-Staudamms und der Qara-Qozak-Brücke auch aus weiteren Ortschaften südlich des Staudamms entlang der Autobahn 4 zurückziehen würde. Syrische Quellen, darunter auch solche, die der Übergangsregierung nahestehen, behaupteten, der Rückzug der SDF sei das Ergebnis einer ‚vorläufigen Vereinbarung‘ zur Schaffung einer entmilitarisierten Zone um häufig umkämpfte Gebiete (ISW 2.4.2025). Dem Direktor der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights - SOHR) zufolge haben die Kämpfe rund um den Tishrin-Staudamm mit Mitte April 2025 aufgehört (SOHR 15.4.2025). Die syrische Regierung und die SDF haben eine Vereinbarung über die Übergabe des strategisch wichtigen Tishrin-Staudamms von der Kontrolle der SDF an Damaskus getroffen. Lokale kurdische Medien und staatliche Medien in Damaskus berichteten über die Vereinbarung, die nach viermonatigen Kämpfen um den Staudamm zwischen der von der Türkei unterstützten SNA und den SDF zustande kam. Der Staudamm liegt am Euphrat und ist ein wichtiger strategischer und infrastruktureller Standort in Zentralsyrien. Er verbindet außerdem Gebiete, die von den SDF kontrolliert werden, mit jenen der SNA und den neuen Regierungstruppen Syriens (LWJ 15.4.2025). Der Direktor von SOHR gibt an, dass es eine gemeinsame Verwaltung zwischen der syrischen Regierung und der mehrheitlich kurdischen Selbstverwaltung geben wird (SOHR 15.4.2025). In Aleppo begannen Regierungstruppen gemeinsame Patrouillen mit SDF-Einheiten durchzuführen. Teile der SDF begannen, sich aus dem wichtigsten kurdischen Viertel der Stadt zurückzuziehen (National 13.4.2025). Eine Quelle aus Nordsyrien berichtete, dass der Tishrin-Damm am 15.4.2025 bereits unter der Kontrolle der syrischen Regierung stand. Die SDF hätten sich bereits aus Aleppo zurückgezogen, aber noch keine Verhandlungen mit der Übergangsregierung über die territoriale Neuaufteilung in den mehrheitlich arabischen Provinzen ar-Raqqa und Deir ez-Zour aufgenommen (ISW 16.4.2025).
Der türkische Außenminister Hakan Fidan erklärte, dass die Türkei sowohl im Inland als auch international einen Olivenzweig ausstreckt, warnte jedoch, dass militärische Optionen auf dem Tisch bleiben, wenn dieses Angebot nicht angenommen wird (TR-Today 8.1.2025). Ende Jänner 2025 wiederholte die Türkei die Drohung einer Militäroperation gegen kurdische Kräfte in Syrien, wenn die SDF nicht die türkischen Forderungen erfüllen, zu denen auch die Beseitigung der Präsenz der PKK in der Region gehört (AJ 27.1.2025b). Der syrische Verteidigungsminister sagte am 22.1.2025, Damaskus sei offen für Gespräche mit den von Kurden geführten Kräften über deren Integration in die nationale Armee, sei aber bereit, Gewalt anzuwenden, sollten die Verhandlungen scheitern (Barrons 22.1.2025; vgl. BBC 22.1.2025).
Kurdisch geführte Truppen haben den Zusammenbruch der syrischen Armee genutzt, um die vollständige Kontrolle über die wichtigste Stadt, Deir ez-Zour, zu übernehmen (BBC 8.12.2024b). Diese wurde ihnen von den Rebellengruppierungen kurz darauf wieder abgenommen (Al-Monitor 8.12.2024). Kräfte der SNA wiederum haben die Situation genützt, um Territorium in Manbij von den SDF zu erobern (TWI 9.12.2024). Die SDF kontrollieren nun 20 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024). Am 6.2.2025 sind Streitkräfte des syrischen Ministeriums für Allgemeine Sicherheit in die nordwestsyrische Stadt 'Afrin einmarschiert. 'Afrin wird seit 2018 von verschiedenen bewaffneten Gruppierungen der von der Türkei unterstützten SNA besetzt gehalten. Mit dem Einmarsch in 'Afrin setzt die neue syrische Regierung ihre Kontrolle über Teile des Landes durch. 'Afrin ist ein historisch kurdisches Gebiet in Syrien, und der Machtwechsel wurde von den kurdischen Medien aufmerksam verfolgt (LWJ 6.2.2025).
Am 19.12.2024 bestätigte Mazloum 'Abdi, Oberbefehlshaber der SDF zum ersten Mal die Anwesenheit ausländischer Kämpfer aus dem gesamten Nahen Osten in den von den SDF kontrollierten Gebieten. 'Abdi erklärte gegenüber Reuters, dass zwar Kämpfer der PKK nach Syrien gekommen seien, es aber keine organisatorischen Verbindungen zwischen der PKK und seinen Kräften gebe. 'Abdi lobte nicht-syrische Kämpfer, die den von den USA unterstützten SDF im vergangenen Jahrzehnt im Kampf gegen den Islamischen Staat geholfen haben. Er sagte, einige seien im Laufe der Jahre nach Hause zurückgekehrt, andere seien geblieben, um im Kampf gegen den IS zu helfen, und dass es für sie an der Zeit sei, zurückzukehren, wenn ein Waffenstillstand erreicht werde (AJ 19.12.2024).
Anfang Februar 2025 wurden Pläne des US-Verteidigungsministeriums zum Abzug aller US-Truppen in Syrien bekannt. Der Abzug soll entweder in 30, 60 oder 90 Tagen erfolgen (TNA 5.2.2025; vgl. REU 5.2.2025b). Mitte April 2025 gaben die USA bekannt, mehr als die Hälfte ihrer in Syrien stationierten Truppen abzuziehen. Die US-Militärpräsenz soll in den folgenden Monaten auf weniger als 1.000 Soldaten reduziert werden. Das für den Nahen Osten zuständige US-Zentralkommando CENTCOM werde weiterhin bereit sein, Angriffe auf die Überreste des IS in Syrien auszuführen (FR 22.4.2025). Drei von acht Stützpunkten in Syrien sollen geschlossen werden (AJ 21.4.2025). Der Rückzug der US-amerikanischen Truppen aus Nord- und Ostsyrien würde es der Türkei ermöglichen, sich freier zu bewegen, um dem entgegenzutreten, was sie als Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit ansieht, einschließlich der SDF, die Ankara als eine Erweiterung der PKK betrachtet, die als terroristische Organisation eingestuft wird (AlHurra 6.2.2025a). Der türkische stellvertretende Außenminister Yilmaz gab bekannt, dass die Türkei gemeinsam mit Jordanien, dem Irak und der syrischen Übergangsregierung eine Viererkoalition bilden werde, um sicherzustellen, dass der IS Syrien und den Irak nicht erneut bedroht (AlMon 12.2.2025). Am 12.2.2025 forderte die Türkei die neue syrische Regierung auf, die Kontrolle über die Lager zu übernehmen, in denen Vertriebene und inhaftierte IS-Terroristen untergebracht sind. Das Ende des IS und der PKK bzw. YPG seien die Voraussetzung für ein friedliches, unabhängiges und politisch geeintes Syrien (DS 13.2.2025).
Anfang März 2025 kam es zeitgleich mit den Massakern an der Küste im Westen Syriens, insbesondere in Deir ez-Zour zu Demonstrationen gegen die SDF. Es wurde einerseits dazu aufgerufen, die Verantwortlichen für die Angriffe in den Küstengebieten zur Rechenschaft zu ziehen, andererseits aber auch gegen die SDF skandiert (AJ 8.3.2025). Mindestens 25 arabische Stämme haben seit dem 14.4.2025 die SDF verurteilt, wahrscheinlich als Reaktion auf die anhaltenden Forderungen der SDF nach einer Dezentralisierung der Kontrolle Damaskus' im Nordosten Syriens. Die Stämme lehnten das, was sie als ‚separatistisches Projekt‘ bezeichneten, das den mehrheitlich arabischen Gebieten aufgezwungen werde, ab. ‚Separatistisches Projekt‘ ist eine häufig verwendete Bezeichnung für die Bemühungen der SDF, unter der Übergangsregierung die Dezentralisierung und Föderalisierung im Nordosten Syriens zu erreichen. Unbekannte arabische Stammesführer trafen sich kürzlich in der Provinz ar-Raqqa mit den SDF, um deren Aufruf zur Unterstützung nachzukommen. Andere arabische Stammesführer verurteilten diese Treffen und stellten klar, dass die beteiligten Personen nicht die offizielle Position ihrer Stämme vertreten. Stattdessen bekundeten die Stammesführer ihre Unterstützung für die Übergangsregierung in Damaskus. Einige arabische politische Gruppierungen kündigten am 15.4.2025 die Bildung eines neuen Rates an, um sich der Kontrolle der SDF im Nordosten Syriens zu widersetzen und eine einheitliche Front für Verhandlungen mit Damaskus zu bilden (ISW 16.4.2025).
Außenpolitische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-06 17:32
Dem Assad-Regime war die Unterstützung aus dem Ausland weggebrochen: Die libanesische Hizbullah wurde im Krieg mit Israel stark dezimiert. Iran musste ebenfalls schwere Schläge gegen seine Militärführung in Syrien durch Israel einstecken. Und Russland ist mit Truppen und Gerät im Krieg gegen die Ukraine gebunden (NZZ 8.12.2024). Nach der Wende in Syrien durch den Sturz Assads hat sich die syrische Außenpolitik grundlegend verändert. Die Außenpolitik ist fragmentiert und strategisch unberechenbar. Während einige Fraktionen weiterhin Verbindungen zum Iran halten, haben andere begonnen, sich enger an die Türkei oder sunnitische Staaten zu binden. Israel intensiviert seine Luftangriffe auf iranische Stellungen, während die Türkei und die Golfstaaten versuchen, ihren Einfluss zu vergrößern. Die Region bleibt geopolitisch instabil, und die zukünftige Entwicklung der syrischen Außenpolitik hängt maßgeblich von den internen Machtkämpfen innerhalb der neuen islamistischen Regierung ab (VB Amman 9.2.2025). Durch das Ausschalten des Iran und Russlands sind noch drei Großmächte militärisch in die syrischen Angelegenheiten involviert - die Türkei, Israel und die USA (Soufan 16.12.2024). In den ersten Tagen der neuen Regierung entsandten Großbritannien, Frankreich, Deutschland, die USA, die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und Jordanien hochrangige Delegationen nach Damaskus, gefolgt von Delegationen auf Außenministerebene aus einer Reihe von europäischen und arabischen Ländern. Saudi-Arabien, Katar und die Türkei stehen an der Spitze der arabischen und internationalen Bemühungen, sich den neuen Machthabern in Damaskus zu öffnen, und zwar in Verbindung mit einer von Europa und den USA angestrebten Lockerung der Sanktionen (AJ 27.1.2025a). Der ehemalige Dschihadist, ash-Shara' strebt nach internationaler Legitimität und distanziert sich von seiner al-Qaida-Vergangenheit. Sein Stil hat sich allmählich von dschihadistischer Tarnkleidung zu staatsmännischen Anzügen gewandelt, während er sich in der internationalen Diplomatie engagiert (CNN 30.12.2024).
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Iran
Dank der umfassenden Zusammenarbeit mit dem Assad-Regime, die durch die iranische Intervention im Jahr 2013 aufrechterhalten werden konnte, hatte das Korps der Islamischen Revolutionsgarden - Quds Force (IRGC-QF) eine bedeutende militärische Produktions- und Umschlaginfrastruktur im Land aufgebaut, die in erster Linie der Bewaffnung und Stärkung der libanesischen Hizbollah diente (Soufan 16.12.2024). Während das frühere Regime eine enge Allianz mit Iran pflegte, ist das Verhältnis der neuen Machthaber zu Teheran deutlich komplexer und fragmentierter. Einige islamistische Gruppen haben weiterhin Verbindungen zu Iran, während andere versuchen, sich von der schiitischen Einflussnahme zu distanzieren und stattdessen enge Beziehungen zur Türkei oder zu sunnitischen Golfstaaten aufzubauen. Dies führt zu internen Spannungen innerhalb der neuen syrischen Führung und erschwert eine klare außenpolitische Ausrichtung. Iran hat an Einfluss verloren, da viele islamistische Gruppierungen Teheran als zu dominant betrachten und sich gegen dessen anhaltende Präsenz in Syrien wenden. Dies hat zu Konflikten zwischen pro-iranischen Milizen wie der Hizbollah und den neuen Machthabern geführt, insbesondere in Gebieten wie Deir ez-Zour und dem Süden Syriens. Israel setzt seine Luftangriffe auf iranische Stellungen in Syrien fort, weil Teheran weiterhin versucht, strategische Stellungen und Waffenlager zu halten (VB Amman 9.2.2025). Seit dem Sturz al-Assads hat Iran seine Vermögenswerte in Syrien weitgehend evakuiert, wodurch die Islamische Republik als bedeutender Akteur in der Innenpolitik Syriens im Wesentlichen ausgeschaltet wurde (Soufan 16.12.2024). Teheran ist nun gewillt, den Aufbau eines neuen, geeinten syrischen Staates zu sabotieren. In einer Rede Anfang Januar forderte Irans oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei höchstpersönlich die ‚syrische Jugend‘ dazu auf, Widerstand gegen die ‚fremden Besetzer‘ zu leisten. Die iranischen Revolutionswächter riefen auf ihren offiziellen Kanälen gar zu einer Gegenrevolution gegen die ‚ungläubigen Terroristen‘ auf und kündigten an, die ‚Befreiung‘ Syriens stehe unmittelbar bevor. Laut Beobachtern hat das iranische Regime in den vergangenen Wochen eine groß angelegte Desinformationskampagne gestartet, die primär darauf abzielt, religiöse Konflikte in Syrien zu schüren und damit die fragile Lage in dem Land zu destabilisieren. Dabei werden in den sozialen Netzwerken massenhaft falsche oder irreführende Berichte von Gewalttaten gegen Schiiten, Alawiten und Christen verbreitet, die angeblich von Kämpfern der islamistischen Miliz Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) verübt wurden. Dass es tatsächlich iranische Akteure sind, die diese Berichte streuen, lässt sich in den wenigsten Fällen nachweisen. Doch die schiere Anzahl von Postings lässt darauf schließen, dass es sich um eine organisierte Kampagne handelt (NZZ 8.1.2025). Ash-Shara', sein Team und sogar seine Partner sehen Iran als ihren Hauptfeind an, so wie er es vor dem Sturz des Regimes war und auch jetzt noch ist. Sie glauben, dass Iran (zusammen mit der Hizbollah) der einzige Akteur ist, der in der Lage ist, Unruhen in Syrien zu schüren und die Syrer in großer Zahl zu mobilisieren und sie zu unterstützen, um die neue Regierung zu destabilisieren (Akhbar 31.12.2024). Ash-Shara' forderte Teheran auf, seine Regionalpolitik und Interventionen zu überdenken, und betonte, dass Oppositionskräfte die iranischen Positionen in Syrien während der Offensive, die zum Sturz von al-Assad führte, verteidigt hätten. Er wies darauf hin, dass die Oppositionskämpfer diesen Ansatz verfolgten, obwohl Iran einer der wichtigsten Unterstützer von al-Assad sei. Ash-Shara' fügte hinzu, dass er als Reaktion auf diese Aktionen positive Gesten von Teheran erwartet habe, die jedoch ausgeblieben seien (Arabiya 29.12.2024).
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Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als ‚fluid‘. Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025). Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden (Standard 23.1.2025). Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt (Etana 22.2.2025). Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (UN News 12.2.2025).
In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle - 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet (Etana 22.2.2025). Das Middle East Institute berichtet auch von eindeutig sektiererischen Verstößen, wie die Zerstörung eines Schreins im ländlichen Hama durch zwei sunnitische Zivilisten und Fälle von Schikanen an Kontrollpunkten, konstatiert aber, dass die meisten Verstöße, die von Sicherheitskräften in ganz Syrien begangen wurden, sich gegen bestimmte Anhänger des ehemaligen Regimes zu richten scheinen. Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) (MEI 21.1.2025). Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha [Shabiha sind die irregulären, bewaffneten pro-Assad-Gruppierungen Anm.] befindet (MEI 21.1.2025).
Seit islamistische Rebellen im Dezember den langjährigen repressiven Machthaber Bashar al-Assad stürzten, kam es in mehreren Gebieten zu Zusammenstößen und Schießereien, wobei Sicherheitsbeamte bewaffnete Anhänger der vorherigen Regierung beschuldigten (FR24 1.3.2025). In mehreren Gebieten in Syrien kommt es weiterhin zu Zwischenfällen mit verirrten Kugeln. Im Februar sind bei solchen Vorfällen 18 Menschen, darunter drei Frauen und vier Kinder, getötet und vier weitere, darunter zwei Kinder, verwundet worden. Die Opfer verteilen sich auf die von der Regierung in Damaskus, der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) kontrollierten Gebiete. Diese Zwischenfälle werden durch die Verbreitung von Waffen unter der Zivilbevölkerung verschärft (SOHR 24.2.2025b). Sicherheitskräfte sind immer noch dabei, Überbleibsel des Regimes im ganzen Land auszuheben, die häufig Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit und Checkpoints ins Visier genommen haben. ETANA verzeichnete Angriffe von Pro-Regime-Gruppen auf Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit in Rif Dimashq, Ost-Dara'a und West-Homs. Auch in Hama und Jableh, in der Nähe der Hmeimim-Basis, kam es zu Zusammenstößen. Sicherheitskräfte haben in ehemaligen Regimegebieten von Deir ez-Zour mehrere Operationen durchgeführt (Etana 22.2.2025). Während Zehntausende auf die Initiative der Versöhnungsprozesse eingingen, lehnten bewaffnete Gruppierungen von Regimeüberbleibseln sie ab, vor allem an der syrischen Küste, wo hohe Offiziere des Assad-Regimes stationiert waren. Im Laufe der Zeit flohen diese Gruppierungen in die Bergregionen und begannen, Spannungen zu schüren, die Lage zu destabilisieren und sporadische Angriffe auf die Regierungstruppen zu verüben (AJ 10.3.2025c). Bis Anfang März 2025 beschränkten sich solche Übergriffe auf kleine Ausbrüche von willkürlicher Selbstjustiz und waren nicht Teil von groß angelegter, organisierter Gewalt. Am 6.3.2025 jedoch überfielen Aufständische des Assad-Regimes die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung in der westlichen Küstenstadt Jableh im Gouvernement Latakia und töteten 30 von ihnen (viele wurden später verbrannt oder in flachen Massengräbern aufgefunden) (TWI 10.3.2025). Die Anhänger des gestürzten Assad-Regimes riefen zu einem Aufstand auf. Ungefähr zur Zeit der ersten Angriffe gab eine Gruppierung, die sich selbst als ‚Militärrat für die Befreiung Syriens‘ bezeichnet, eine Erklärung ab, in der sie schwor, die Regierung zu stürzen (FT 10.3.2025). Unmittelbar nach dem Hinterhalt riefen die syrischen Sicherheitskräfte zu einer allgemeinen Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus auf und zur Ausrottung ehemaliger Regimegegner (TWI 10.3.2025). Sicherheitskräfte, die durch Verstärkung unterstützt wurden, begannen, gegen die Loyalisten des Assad-Regimes zu kämpfen und sie aus den Dörfern an der Küste Syriens zurückzudrängen. Die Loyalisten zogen sich aufs Land zurück, wobei sie Staatseigentum niederbrannten und mordeten. Als syrische Regierungstruppen und bewaffnete Zivilisten begannen, in alawitische Dörfer im Nordwesten Syriens einzudringen, tauchten Videos von Misshandlungen auf. Zivilisten berichteten von Massenmorden durch Sicherheitskräfte, was von Menschenrechtsgruppen bestätigt wurde (Guardian 10.3.2025). Laut dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights - SOHR) war es ein Fehler, dass die Regierung in Damaskus in den Moscheen zur Mobilisierung aufgerufen hatte. Dies habe zu einem Zustrom von Kämpfern von außerhalb der Region geführt, um Alawiten zu massakrieren (Sky News 9.3.2025a). Laut einem Freiwilligen der Nichtregierungsorganisation Weißhelme kamen Menschen aus allen Städten Syriens, um Rache zu üben (C4 9.3.2025). Die überwiegende Mehrheit der rechtswidrigen Tötungen von Zivilisten und Gefangenen durch syrische Sicherheitskräfte wurde laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) von zwei bestimmten Fraktionen sowie von Personen begangen, die sich Militärkonvois angeschlossen hatten. Konkret waren die beiden Fraktionen, die für die meisten Tötungen von Zivilisten verantwortlich sind, die Suleiman Shah Division [auch: Abu Amsha-Division oder Amsha-Division] und die Hamza-Division. Beide Fraktionen und ihre Anführer stehen wegen mutmaßlicher schwerer Menschenrechtsverletzungen, darunter Vergewaltigung und Folter, unter US-Sanktionen (Guardian 10.3.2025). Laut Washington Institute for Near Eeast Policiy umfasste die Mobilisierung drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA: Jaysh ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah Division und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA gelisteten Gruppierung Ansar at-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten (TWI 10.3.2025). Die Gruppierungen stehen nominell unter der Schirmherrschaft des neuen Staates, wobei Abu Amsha zum Leiter der Militärbrigade der Provinz Hama ernannt wurde. In Wirklichkeit übt der Staat jedoch nur begrenzte Kontrolle über sie aus. Die Bewaffneten, die die Massaker verübten, seien keine Bewohner der syrischen Küste, sondern stammten aus anderen Gouvernements und seien teilweise ausländischer Herkunft wie Usbeken, Tschetschenen und zentralasiatische Kämpfer (Sky News 9.3.2025a). Am 9.3.2025 gab eine syrische Sicherheitsquelle an, dass sich die Kämpfe in der Umgebung der Städte Latakia, Jabla und Baniyas etwas beruhigt hätten, während die Streitkräfte die umliegenden Berggebiete durchsuchten, in denen sich schätzungsweise 5.000 pro-Assad-Aufständische versteckt hielten (Sky News 9.3.2025b). Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab am 10.3.2025 das Ende der Militäroperation gegen die Überreste des Regimes in den Küstengebieten bekannt. Er betonte, dass die öffentlichen Einrichtungen ihre Arbeit wieder aufnehmen können, um die Rückkehr zum normalen Leben vorzubereiten, und dass die Sicherheitskräfte weiter daran arbeiten werden, die Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten (SANA 10.3.2025a). Der Gouverneur von Tartus betonte am 9.3.2025, dass die Provinz nach dem Sieg über die Überreste des untergegangenen Regimes eine allmähliche Rückkehr ins öffentliche Leben erlebt (SANA 9.3.2025a). In den meisten Vierteln der Stadt Latakia hat am 10.3.2025 das normale Leben wieder begonnen, nachdem die Angriffe der Überreste des ehemaligen Regimes vereitelt und die Sicherheit in der Stadt wiederhergestellt wurde (SANA 10.3.2025b). Nach der Ankündigung der Regierung in Damaskus über den Abschluss der Sicherheitskampagne an der syrischen Küste stürmten Gruppen von bewaffneten Männern, die dem Verteidigungsministerium angehören, die Stadt Harison in der Umgebung von Baniyas, wo sie Häuser und Eigentum von Zivilisten plünderten und in Brand setzten (SOHR 10.3.2025c). Die Lage in den Städten mag stabiler sein, aber in ländlicheren Gegenden finden abseits der Medien eklatante Rechtsverletzungen statt. Die Zwangsumsiedlungen gehen weiter (Sky News 9.3.2025a).
Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe variierte stark (Guardian 9.3.2025). Laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR), das umfassende Dokumentationsstandards anwendet und als unabhängig gilt, haben Anhänger des Assad-Regimes 383 Menschen getötet, darunter 211 Zivilisten und 172 syrische Sicherheitskräfte, während syrische Sicherheitskräfte 396 Menschen getötet haben, darunter Zivilisten und entwaffnete Kämpfer (Guardian 10.3.2025). Syrische Sicherheitsquellen gaben an, dass mehr als 300 ihrer Mitglieder bei Zusammenstößen mit Angehörigen der ehemaligen Syrischen Arabischen Armee, bei koordinierten Angriffen und Hinterhalten auf ihre Streitkräfte getötet wurden (Sky News 9.3.2025b). Es wurden Massengräber mit Dutzenden von toten Mitgliedern gefunden (AJ 9.3.2025). Die syrischen Sicherheitskräfte töteten 700 ehemalige Soldaten und bewaffnete Männer, die dem ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad treu ergeben waren, oder sogenannte Regimeüberreste (Arabiya 9.3.2025). Dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 745 alawitische Zivilisten aus konfessionellen Gründen getötet, wobei er betonte, dass sie nicht an den Kämpfen beteiligt waren oder mit dem Regime in Verbindung standen (Sky News 9.3.2025a). Darüber hinaus wurden 125 Mitglieder der Sicherheitskräfte und 150 alawitische Kämpfer getötet (Sky News 9.3.2025a). Die meisten der von Regierungstruppen getöteten Zivilisten waren Alawiten, aber auch einige Christen wurden als tot bestätigt. Unter den getöteten Aufständischen des ehemaligen Regimes befanden sich Sunniten, Alawiten und Christen (TWI 10.3.2025). Laut der Vereinten Nationen kam es zu Tötungen ganzer Familien (UN News 9.3.2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zog am 11.3.2025 Bilanz und verzeichnete eine Gesamtzahl von 1.093 Todesopfern vom Eintreffen bewaffneter Männer zur Unterstützung der Sicherheitskräfte bis zum 11.3.2025. Insgesamt wurden 44 Massaker verübt (SOHR 11.3.2025). Eine nicht näher genannte Beobachtungsgruppe verzeichnete der BBC zufolge mehr als 1.500 Todesopfer, darunter 1.068 Zivilisten (BBC 10.3.2025). Laut Aussage des Leiters von SOHR wurden Zehntausende Häuser geplündert und niedergebrannt (Sky News 9.3.2025a). Ein Freiwilliger der syrischen NGO Weißhelme (White Helmets) berichtete, dass seine Organisation am 5.3.2025 auf mehr als 40 Brände im Küstengebiet reagieren musste, bevor in der darauffolgenden Nacht die Schießerei begonnen hatte. Es wurde auch einer der Krankenwagen der Weißhelme angegriffen, ebenso das Krankenhaus und Kontrollpunkte (C4 9.3.2025).
Diese Eskalation war nicht auf Latakia im Westen Syriens beschränkt, denn auch in anderen Gebieten am Rande der Hauptstadt Damaskus und in Dara'a kam es zu bewaffneten Zusammenstößen (AlHurra 8.3.2025). Unbekannte bewaffnete Männer in einem Auto warfen am 10.3.2025 Granaten und eröffneten das Feuer mit Maschinengewehren auf das Hauptquartier der allgemeinen Sicherheitskräfte im Stadtteil al-Mezzeh in Damaskus. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Angreifern und den Sicherheitskräften (SOHR 10.3.2025d).
Übergangspräsident ash-Shara' richtete einen dreißigtägigen Untersuchungsausschuss, der die tatsächlichen Geschehnisse untersuchen soll, ein. Im Gegensatz zu den früheren Ernennungen der Übergangsregierung für Ausschüsse, Ministerien und Provinzämter sind die sieben Mitglieder dieses neuen Ausschusses nicht mit HTS oder ihrer Verbündeten in Verbindung gebracht worden (TWI 10.3.2025). Der Ausschuss soll seinen Bericht dem Chef der syrischen Übergangsregierung, Ahmad ash-Shara', spätestens 30 Tage nach der Entscheidung zur Bildung des Ausschusses vorlegen (BBC 9.3.2025a). Er hat zur Aufgabe, die Ursachen, Umstände und Bedingungen aufzudecken, die zu diesen Ereignissen geführt haben, die Verletzungen zu untersuchen, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt war, die Verantwortlichen zu identifizieren, die Angriffe auf öffentliche Einrichtungen und Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und der Armee zu untersuchen, die Verantwortlichen zu identifizieren und diejenigen, die nachweislich an den Verbrechen und Verletzungen beteiligt waren, an die Justiz zu verweisen (SANA 9.3.2025b). Am 9.3.2025 begannen die Behörden, gegen diejenigen vorzugehen, die Gewalttaten gegen Zivilisten begangen hatten. Die syrische Übergangsregierung verhaftete sogenannte undisziplinierte Gruppen, die in den letzten Tagen während der Säuberungsaktionen Sabotageakte begangen hatten. Sie sollen strafrechtlich verfolgt werden, weil sie die Anweisungen des Kommandos missachteten (Arabiya 9.3.2025).
Viele Beobachter sind sich einig, dass trotz der starken Präsenz interner Faktoren auch der externe regionale Faktor bei den Unruhen in der syrischen Küstenregion eine wichtige Rolle spielte. Syrische Sicherheitsquellen weisen darauf hin, dass Iran in die Ereignisse in der Region verwickelt war und dass er die Überreste des Regimes von Bashar al-Assad finanzierte und bewaffnete, die zwischen der Küste und der Provinz Homs unterwegs waren und aufgrund der instabilen Sicherheitslage in den Osten Syriens vordringen konnten (BBC 9.3.2025b). Israel drang nach dem Sturz des Assad-Regimes in Grenzdörfer in Syrien ein und bezeichnete dies als vorübergehende Maßnahme zum Schutz seiner eigenen Sicherheit. Während israelische Politiker seit Monaten deutlich machen, dass sie beabsichtigen, ihre Truppen in den Grenzregionen zu belassen, die eigentlich eine von internationalen Friedenstruppen überwachte Pufferzone sein sollte, stellen ihre Erklärungen über ein entmilitarisiertes Südsyrien eine Eskalation dar, die die Spannungen innerhalb Syriens verschärft hat (NYT 25.2.2025). Israel hatte die Pufferzone auf dem syrischen Golan umgangen und das Rückzugsabkommen von 1974 verletzt, indem es in Quneitra und Dara'a eindrang und weiteres syrisches Gebiet besetzte, bis es den Berg Hermon erreichte (BBC 9.3.2025b). Israelische Streitkräfte führen weiterhin Angriffe in und jenseits des entmilitarisierten Grenzstreifens von 1974 zwischen den von Israel besetzten Golanhöhen und Quneitra durch. Versuche Israels, die Herzen und Köpfe der Menschen in Quneitra zu gewinnen, wurden wiederholt abgewiesen und fanden gleichzeitig mit Razzien, Schießereien und anderen Verstößen statt (Etana 22.2.2025). Israel führte seit dem Sturz von al-Assad Hunderte von Luftangriffen in ganz Syrien durch, bei denen Luftwaffenstützpunkte, Munitionsdepots, militärische Ausrüstung und Stellungen von Kräften, die der neuen Regierung treu ergeben sind, angegriffen wurden (SCR 30.1.2025). Am 1.3.2025 drohte der israelische Ministerpräsident Netanyahu und der Verteidigungsminister Katz der syrischen Übergangsregierung, in Syrien einzugreifen, um die Drusen zu beschützen (Enab 1.3.2025; vgl. TIS 1.3.2025). Berichten aus Syrien zufolge kam es zuvor im Rahmen einer Sicherheitskampagne in Jaramana, einem Vorort von Damaskus, zu Zusammenstößen zwischen den Behörden der neuen syrischen Regierung und örtlichen drusischen Kämpfern (TIS 1.3.2025). Kräfte von außen, die gemeinsam mit Assad die Macht verloren haben - Iran und seine Vasallen wie die libanesische Hisbollah -, haben Interesse daran, dass das neue Syrien scheitert (Standard 9.3.2025).
Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat Russland begonnen, seine Streitkräfte aus der strategisch wichtigen Marinebasis Tartus abzuziehen. Dieser Rückzug könnte das Machtgleichgewicht in der Region beeinflussen und Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Syrien haben (VB Amman 9.2.2025).
Ende Dezember wurde, einer syrischen Sicherheitsquelle von Al Jazeera zufolge, durch die Abteilung für militärische Operationen eine landesweite Sicherheitsoperation gestartet, um Überreste des untergegangenen Regimes zu jagen und militärische Kontrollpunkte an der Straße zum russischen Militärstützpunkt Hmeimim in Tartus einzurichten (AJ 28.12.2024b).
Die Internationale Koalition hat zwölf Sicherheitsoperationen gegen Zellen des Islamischen Staates (IS) durchgeführt, einige mit Beteiligung der SDF in verschiedenen Gebieten Syriens, wo diese Operationen zur Tötung von 14 Mitgliedern des IS führten, darunter zwei Anführer, sowie die Verhaftung von neun Personen, die beschuldigt werden, dem IS anzugehören und mit ihm zu kooperieren, darunter ein Ölinvestor (SOHR 23.2.2025). Die von den USA geführten internationalen Koalitionstruppen haben in Zusammenarbeit mit den SDF ein intensives militärisches Training mit schweren Waffen auf der Basis des Ölfeldes al-'Omar im Osten der Provinz Deir ez-Zour im Osten Syriens durchgeführt. Die Übungen sind Teil einer Reihe von Militärmanövern, die die Koalitionstruppen auf ihren Militärstützpunkten in den Provinzen Deir ez-Zour und al-Hasaka im Nordosten des Landes durchführen, um die Kampfbereitschaft und die operative Koordination mit den lokalen Partnern zu verbessern (TNA 27.2.2025).
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, sieht den Schlüssel, um die Voraussetzungen für ausreichende Lebensbedingungen und eine stabile Sicherheitslage zu schaffen, in der Elektrizität. Ohne diese gäbe es nicht nur extreme Unsicherheit. Die Lebensbedingungen, wie Kochen, Heizen, Transport usw. sind an Strom gekoppelt. Auch der Betrieb von Krankenhäusern und Schulen bedingt eine funktionierende Energieversorgung. Dauere der Zustand an, in dem nachts ganze Gegenden in völliger Dunkelheit lägen, sei ein ‚collapse of law and order‘ praktisch unvermeidlich. Die radikalen militanten Gruppierungen würden nur darauf warten, das Vakuum zu füllen (ÖB Amman 6.2.2025).
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Die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Syriens variiert (VB Amman 9.2.2025). Im Folgenden wir die Sicherheitslage je nach Region dargestellt:
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Nordsyrien
Die Sicherheitslage in Nordsyrien ist nach wie vor instabil, da verschiedene Fraktionen um Kontrolle und Einfluss konkurrieren (SCR 30.1.2025). Nach al-Assads Sturz und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt der Nordwesten Syriens eine der unruhigsten und komplexesten Regionen des Landes. Die neuen Machthaber bestehen aus einem Bündnis verschiedener islamistischer Fraktionen, wobei insbesondere Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) in Idlib und Teilen Aleppos eine führende Rolle einnehmen. Trotz der formellen Übernahme der Macht kommt es in der Region weiterhin zu Machtkämpfen zwischen rivalisierenden islamistischen Gruppen, Widerstandszellen Assad-treuer Kräfte und externen Bedrohungen durch Luftangriffe und Grenzkonflikte (VB Amman 9.2.2025). Teile des Nordostens Syriens, insbesondere Ost-Aleppo, ar-Raqqa und al-Hasaka, sind von Feindseligkeiten, Zusammenstößen und Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern (Improvised Explosive Devices - IED) betroffen (UNOCHA 12.2.2025). Idlib ist nun das Zentrum der islamistischen Verwaltung in Syrien, bleibt aber eine hochgradig instabile Region. Während HTS als dominierende Kraft die Kontrolle beansprucht, gibt es weiterhin Konflikte mit anderen Fraktionen sowie Widerstand durch kleinere Gruppierungen, die nicht vollständig in die neue Ordnung integriert wurden. Trotz des Sturzes al-Assads bleiben die syrischen Lufträume gefährdet durch israelische Angriffe auf iranische oder mit Iran verbundene Gruppierungen, während Russland gelegentlich gezielte Angriffe auf dschihadistische Gruppierungen in der Region durchführt. Spannungen zwischen HTS, anderen islamistischen Gruppierungen und lokalen Milizen sorgen für eine fragile Sicherheitslage mit regelmäßigen Attentaten und bewaffneten Auseinandersetzungen. Die anhaltende Instabilität, fehlende Grundversorgung und wirtschaftliche Notlage haben die humanitäre Situation in Idlib weiter verschärft. Aleppo bleibt eine der strategisch wichtigsten Städte Syriens, ist jedoch weiterhin zwischen verschiedenen Akteuren umkämpft. Während islamistische Gruppierungen Teile der Stadt kontrollieren, gibt es in anderen Bezirken noch Präsenz ehemaliger regierungstreuer Milizen oder autonomer kurdischer Einheiten. In nördlichen Teilen Aleppos gibt es weiterhin Spannungen zwischen türkisch unterstützten Milizen und kurdischen Einheiten der SDF. In Teilen Aleppos kommt es weiterhin zu gezielten Attentaten, Entführungen und Sprengstoffanschlägen gegen islamistische Führungspersonen, was auf eine aktive Widerstandsbewegung hindeutet. Die Stadt bleibt schwer beschädigt, und der Wiederaufbau schreitet nur schleppend voran, da sich die neuen islamistischen Machthaber auf militärische Kontrolle und weniger auf infrastrukturelle Erholung konzentrieren (VB Amman 9.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium gab bekannt, dass es einen Angriff der SDF an der Ashrafiya-Front Anfang März 2025 in Aleppo-Stadt zurückgeschlagen hat. Das syrische Verteidigungsministerium hat aus mehreren Gebieten militärische Verstärkung an die Kampffronten gegen die SDF in Aleppo geschickt (AJ 10.3.2025c). Die syrische Armee hat nach eigenen Angaben Mitglieder der kurdisch geführten SDF festgenommen, als diese aus dem Viertel al-Ashrafiya nach Aleppo eindrangen (BBC 9.3.2025a).
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Sicherheitslage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Letzte Änderung 2025-05-07 07:46
Die von den USA unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) werden von der Türkei als ‚Terroristen‘ betrachtet und als eine existenzielle Bedrohung für ihre nationale Sicherheit. Die Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), die sich aus ehemaligen Rebellengruppierungen zusammensetzt, liefert sich entlang des Euphrat einen erbitterten Kampf mit den SDF. Trotz türkischer Luft- und Artillerieunterstützung scheint die SNA die größten Verluste zu erleiden. Es ist erwähnenswert, dass viele der kurdischen Kämpfer der SDF von den USA ausgebildet und bewaffnet wurden (Leb24 13.2.2025). Nach dem Sturz der Assad-Regierung und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt auch der Nordosten Syriens eine umkämpfte und hochgradig instabile Region (VB Amman 9.2.2025). Im Nordosten (al-Hasaka, ar-Raqqa, Deir ez-Zour) ist das Risiko aktiver Konflikte größer als anderswo (GPC 3.4.2025). Während islamistische Gruppierungen in anderen Teilen Syriens ihre Kontrolle gefestigt haben, ist al-Hasaka weiterhin eine umstrittene Zone, in der die SDF, türkische Streitkräfte und islamistische Milizen um Einfluss kämpfen. Die SDF, dominiert von den kurdischen Volkverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG), hält weiterhin große Teile der Region, insbesondere Städte wie al-Hasaka und Qamishli. Islamistische Gruppierungen, die nach dem Sturz al-Assads in anderen Teilen des Landes an die Macht gelangt sind, versuchen, ihren Einfluss im Nordosten auszudehnen und liefern sich Gefechte mit den kurdischen Einheiten der SDF. Die türkischen Streitkräfte und ihre Verbündeten syrischen Milizen nutzen den Zusammenbruch der Assad-Regierung, um ihre Angriffe auf SDF-kontrollierte Gebiete zu intensivieren. Es kommt regelmäßig zu türkischen Luftschlägen, Artilleriebeschuss und Bodengefechten entlang der Grenze. Zellen des Islamischen Staats (IS) sind weiterhin aktiv und nutzen die chaotische Lage, um ihre Angriffe zu intensivieren (VB Amman 9.2.2025). Die Gebiete al-Hasaka, ar-Raqqa und Deir ez-Zour sind Angriffen des IS ausgesetzt (GPC 3.4.2025). Immer wieder kommt es zu Anschlägen auf kurdische Sicherheitskräfte, Gefängnisaufständen und Sabotageakten. Die Schwäche der neuen islamistischen Machthaber gegenüber dem IS in der Region führt dazu, dass sich lokale Stämme teils eigenständig bewaffnen, was zu einem weiteren Fragmentierungsprozess beiträgt. Die anhaltenden Kämpfe und türkischen Offensiven haben Tausende Binnenvertriebene zur Flucht gezwungen. Viele Flüchtlingslager, die ehemals unter al-Assad verwaltet wurden, sind in eine ungewisse Lage geraten, da humanitäre Organisationen nur noch eingeschränkt Zugang haben. Die Wasserversorgung ist durch türkische Angriffe auf Infrastruktur beeinträchtigt, und Nahrungsmittelknappheit sowie medizinische Engpässe verschärfen die humanitäre Krise (VB Amman 9.2.2025). In den von den SDF kontrollierten Gebieten kam es im Februar zu Angriffen von IS-Zellen, die SDF-Elemente und Sicherheitspositionen aus dem Hinterhalt und mit Maschinengewehren angriffen. Dabei wurden bei zehn Operationen, die sich auf Deir ez-Zour, ar-Raqqa und al-Hasaka verteilten, mehrere Personen getötet und verwundet, darunter zwei IS-Kämpfer (SOHR 24.2.2025a).
Die von der Türkei unterstützten syrischen Gruppierungen starteten im November eine Offensive gegen die SDF und vertrieben sie trotz der Bemühungen der USA, einen Waffenstillstand zu vermitteln, aus mehreren Gebieten im Norden (Arabiya 26.2.2025). Sie eroberten strategische Orte in der Umgebung von Manbij und Tall Rif'at. Die Kämpfe intensivierten sich in der Nähe des Tishrin-Staudamms am Euphrat in der Region Manbij im Osten Aleppos, der für die von den SDF kontrollierten Gebiete nach wie vor eine wichtige Wasser- und Stromquelle darstellt. Die Türkei hat Berichten zufolge Luftangriffe in der Region durchgeführt, was Bedenken hinsichtlich möglicher Schäden am Damm aufkommen lässt. Darüber hinaus wurden auch mehrere Orte in der Region Kobane und im Osten Aleppos angegriffen (SCR 30.1.2025). Washington vermittelte Anfang Dezember, nachdem die Kämpfe ausgebrochen waren, einen ersten Waffenstillstand. Dennoch kam es weiterhin zu Kampfhandlungen zwischen den beiden Parteien (Sky News 31.12.2024b). Auf mehreren Achsen im östlichen Aleppo und im Nordosten Syriens kam es zu einer Reihe von gegenseitigen Angriffen zwischen den SDF einerseits und den türkischen Streitkräften und pro-türkischen Gruppierungen andererseits. In der Nähe des Tishrin-Damms beschossen die türkischen Streitkräfte Stellungen der SDF intensiv mit Artillerie, während gleichzeitig ein Drohnenangriff auf Stellungen der SDF stattfindet, was zu Zusammenstößen zwischen beiden Seiten führte (SOHR 26.2.2025). Der Tishrin-Staudamm am Euphrat in Syrien ist zu einem zentralen Konfliktpunkt in der Zeit nach Assad geworden. Seit dem Sturz des Regimes von Diktator Bashar al-Assad am 8.12.2024 wird der Damm von den SDF und der SNA umkämpft (LWJ 26.1.2025). Trotz heftiger Kämpfe über mehrere Wochen hinweg hatte sich die lokale Konfliktkarte rund um den Tishrin-Staudamm nicht verändert. An den Frontlinien zwischen der von der Türkei unterstützten SNA und den SDF kam es auf beiden Seiten des Euphrat in der Nähe des Tishrin-Staudamms und der Qara-Qozak-Brücke zu anhaltenden, heftigen Gefechten (Etana 22.2.2025). Diese sollen dem Direktor der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge Mitte April 2025 eingestellt worden sein (SOHR 15.4.2025), nachdem die SDF sich aus dem Gebiet zurückgezogen haben. Die Kontrolle über den Staudamm soll die syrische Regierung übernehmen (ISW 16.4.2025). Anfang Februar kam es mehrmals zu tödlichen Anschlägen mit Autobomben in Gebieten, die von Türkei-nahen Milizen kontrolliert werden (Tagesspiegel 3.2.2025). Die türkischen Streitkräfte setzen ihre Operationen in Syrien unter dem Vorwand fort, die türkische Grenze zu Syrien zu sichern, der Kurdischen Arbeiterpartei (Partiya Karkerên Kurdistanê - PKK) entgegenzuwirken und Vereinbarungen zu garantieren (SOHR 9.1.2025). Am 27.2.2025 rief Abdullah Öcalan, der in der Türkei inhaftierte Anführer der PKK, dazu auf, die Waffen niederzulegen und die PKK aufzulösen (ANF 27.2.2025). In einer mit Spannung erwarteten Erklärung, von der sich viele erhoffen, dass sie den Weg für ein Ende des seit mehr als vier Jahrzehnten andauernden Konflikts zwischen der Türkei und den Kurden ebnet, forderte der inhaftierte Kurdenführer Abdullah Öcalan seine Anhänger auf, die Waffen niederzulegen und die Rebellenorganisation aufzulösen. Mazloum 'Abdi, Anführer der SDF, stellte klar, dass dieser Aufruf nur für die PKK gelte und nichts mit Syrien zu tun habe (AlMon 27.2.2025; vgl. AlHurra 27.2.2025). Er sagte, dass seine Kämpfer die Waffen nicht niederlegen werden (VOA 27.2.2025). Die Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Syrien waren ein wesentliches Hindernis bei den Friedensgesprächen zwischen Ankara und Öcalan, weil die Türkei darauf bestand, dass sie den Nordosten Syriens einschließen, wo türkische Streitkräfte und verbündete sunnitische Fraktionen seit neun Jahren einen erbitterten Feldzug führen, um die selbsternannte Demokratische Autonome Administration Nord- und Ostsyriens (DAANES) wegen ihrer Verbindungen zur PKK zu zerstören. Doch Ankara scheint ihre Haltung etwas abgemildert zu haben, da mehrere arabische Nationen dem wachsenden Einfluss der Türkei in Syrien entgegenwirken (AlMon 27.2.2025). In Washington besteht die Hoffnung, dass die Entscheidung Öcalans die Spannungen mit Ankara abbauen und die Bemühungen zur Bekämpfung der Überreste der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) erleichtern könnte. Die SDF schloss sich dem Optimismus Washingtons an (VOA 27.2.2025). 'Abdi stellte fest, dass es mit dem Frieden zwischen der PKK und der Türkei, keinen Grund und keine Entschuldigung mehr für die Türkei gäbe, Nordsyrien mehr unter dem Vorwand der PKK anzugreifen (VOA 27.2.2025; vgl. AlHurra 27.2.2025). Der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zufolge sind die Entwicklungen im Jahr 2024 ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass die türkische Intervention in Syrien eine Hauptursache für Blutvergießen ist. Seit Anfang 2024 hat SOHR den Tod von 88 syrischen Zivilisten dokumentiert: 17 Kinder, sechs Frauen und 65 junge und erwachsene Männer, die durch Schüsse türkischer Grenzsoldaten (Jandarma) und Luft- und Bodenangriffe türkischer Streitkräfte, darunter Luftangriffe von Kampfflugzeugen und Drohnen, getötet wurden (SOHR 9.1.2025). Zusammenstöße zwischen der SNA und der SDF sind nichts Neues, ebenso wenig wie Kämpfe zwischen der Türkei und der SDF. Ankara hat in den letzten zehn Jahren mehrere Operationen in Syrien gestartet, darunter die Operationen Euphrates Shield (2016), Olive Branch (2018) und Peace Spring (2019), die alle darauf abzielten, die SDF oder die Volksverteidigungseinheiten (YPG), die größte Fraktion innerhalb der SDF, zu bekämpfen. Vor dem Sturz des Assad-Regimes, der Ende November mit einer Offensive der HTS in der Nähe von Aleppo begann, waren die Fronten in Syrien zwischen den SDF und SNA mehrere Jahre lang unverändert geblieben. Der Zusammenbruch des Regimes führte jedoch zu raschen Veränderungen (LWJ 26.1.2025).
In den Gebieten in Nord- und Ostsyrien kam es im Februar aufgrund von alten Streitigkeiten und Racheakten zu einer Eskalation von Familien- und Stammeszusammenstößen, bei denen fünf Menschen getötet und sieben weitere verletzt wurden, darunter eine Frau. Diese Zusammenstöße konzentrierten sich auf die Gouvernements ar-Raqqa, Dei ez-Zour und al-Hasaka, wo leichte und mittelschwere Waffen zum Einsatz kamen (SOHR 15.2.2025). Inmitten dieser Unsicherheit haben Berichte über willkürliche Verhaftungen im Nordosten Syriens die Spannungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen verschärft (UNOCHA 12.2.2025).
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Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Seitdem der friedliche Aufstand gegen das Assad-Regime Ende 2011 in den bewaffneten Konflikt überging, bildeten sich bewaffnete Gruppierungen auf fast der gesamten syrischen Landkarte, angefangen bei Offizieren und Soldaten, die vom Regime übergelaufen waren, bis hin zu Gruppierungen, die sich aus lokalen und religiösen Gruppierungen zusammensetzten. Sie standen im Konkurrenzkampf einerseits untereinander und andererseits kämpften sie gegen die Regimekräfte, die ihnen bis 2018 schwere Verluste zufügten. Danach wurden viele Gruppierungen aufgelöst. Andere übersiedelten unter russischer Schirmherrschaft im Rahmen von Abkommen nach Nordsyrien oder blieben auf der Basis von ‚Versöhnungsabkommen‘ unter russischer Schirmherrschaft und Garantien bzw. direkten Abmachungen mit dem Assad-Regime weiter bestehen. Im Zuge der Kampfhandlungen im Spätherbst 2024 schienen die Oppositionskämpfer gut organisiert zu sein und arbeiteten in einem Bündnis unter dem Namen Abteilung für militärische Operationen (Department of Military Operations - DMO) zusammen (Asharq 9.12.2024). Für die Großoffensive ‚Abschreckung der Aggression‘, die am 17.11.2024 startete und zum Sturz des Präsidenten al-Assad führte, hatten sich die Rebellen monatelang vorbereitet (NYT 1.12.2024). Im Laufe des vergangenen Jahres entwickelten die Kämpfer eine neue Methode, die sich auf die Verwendung von Drohnen stützte (Guardian 8.12.2024). Von den ersten Tagen der Offensive an veröffentlichte die von den Rebellen geführte DMO mehrere Videos von Angriffen auf Militärfahrzeuge und Versammlungen von Soldaten des syrischen Regimes mit sogenannten Shaheen-Drohnen, die eine große Effektivität und Genauigkeit beim Treffen der Ziele zeigten. Für diese Drohnen wurden eigens die Shaheen-Bataillone geschaffen (AJ 10.12.2024). Diese Bataillone sind für ihr hohes Maß an Fachwissen und ihre Präzision bekannt. Sie sollen von Offizieren aus Osteuropa ausgebildet worden sein (IndepAr 5.12.2024). Für die Ausbildung soll die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) sogar eine eigene Drohnenakademie betrieben haben (LF 13.12.2024). Zum ersten Mal in der Geschichte des Syrienkonflikts war die bewaffnete Opposition nun in der Lage, den Luftraum zu kontrollieren (IndepAr 5.12.2024). Die verschiedenen Drohnentypen trugen dazu bei, eine Art Gleichgewicht im Luftraum zu erreichen, gemeinsam mit der Tatsache, dass die Russen den Großteil ihres Luftarsenals aus Syrien abgezogen hatten, weil sie mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt waren (AJ 10.12.2024). Die Drohnen, die in niedriger Höhe fliegen, greifen Fahrzeuge und gepanzerte Fahrzeuge an, feuern Raketen auf Soldaten ab, oder es sind Selbstmorddrohnen, die sich schnell auf Fahrzeuge und Panzer stürzen und sich sofort mit jedem Objekt, das mit ihnen kollidiert, in die Luft sprengen. Einer Warnung Russlands zufolge soll die HTS über mehr als 250 fortschrittlicher Drohnen verfügt haben. Gerüchten zufolge unterhielt die HTS im Nordwesten Syriens eine Fabrik zur Herstellung von Drohnen mit Düsentriebwerken und Sprengbomben gemeinsam mit ausländischer Unterstützung (IndepAr 5.12.2024), wie beispielsweise durch uigurische Ingenieure der Turkistan Islamic Party (TIP, die aus Dschihadisten besteht, die aus China stammen und sich im ländlichen Latakia und Idlib niedergelassen haben). Sie beaufsichtigen die Herstellung der Drohnen für ein monatliches Gehalt von bis zu 4.000 Dollar (Nahar 29.11.2024). Die Entwicklung dieser Waffen soll in kleinen Werkstätten, untergebracht in Garagen, Häusern, ehemaligen Schulgebäuden, Lagerhäusern und anderen Orten, die schwer zu entdecken sind, passiert sein (LF 13.12.2024). HTS hat eine komplexe Infrastruktur aufgebaut, um den Einsatz von Drohnen zu ermöglichen. Dazu gehört auch der Einsatz von 3-D-Drucktechnologie zur Herstellung von Teilen, die nicht ohne Weiteres aus kommerziellen Quellen bezogen werden können (LF 13.12.2024).
Der Interimsregierung unter der Führung der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) fehlt es an ausreichendem Personal, um das ganze Land zu verwalten und die Posten zu bemannen. Es werden entweder andere Gruppierungen mit an Bord geholt werden müssen, oder möglicherweise auch ehemalige Soldaten (PBS 16.12.2024). Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppierungen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich - personell überlastet - um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Associated Press berichtete am 16.12.2024, dass Polizeikräfte des Assad-Regimes verschwunden sind und an ihre Stelle Polizeikräfte der Syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Gouvernements - SSG) - der von der HTS geführten Regierung, die bis zum Sturz al-Assads in Idlib regierte - getreten waren. Sie bearbeiten Fälle von kleineren Diebstählen und Straßenkrawalle (AP 15.12.2024b). Die Polizisten der SSG sollen 4.000 Mann stark sein, wobei die Hälfte davon weiterhin in Idlib operiere, während die andere Hälfte in Damaskus und anderen Teilen Syriens für Ordnung sorgen. Obwohl manche von ihnen religiöse Symbole tragen, ließen sie andersgläubige Minderheiten weitgehend in Ruhe (AP 15.12.2024b). Die Kräfte, die Syriens neuem Machthaber zur Verfügung stehen, sind unzureichend. Die 30.000 Mann starke HTS ist nun über das ganze Land verteilt (Economist 5.3.2025). In Damaskus ist in den wichtigsten Bereichen nur Militärpersonal der HTS zu sehen, das ein Gefühl der Sicherheit vermittelt und versucht, den Verkehr zu regeln - allerdings mit begrenztem Erfolg. Dies ist nicht nur eine Folge der begrenzten Kapazitäten der HTS, die nun an ihre Grenzen stoßen, da sie ein ganzes Land und nicht nur einen Teil einer Provinz verwalten müssen. Es ist auch ein Symptom für den abrupten Zusammenbruch der traditionellen Sicherheitsstrukturen. In den meisten Städten wurden in den ersten Tagen nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes Polizeistationen und Gerichte geschlossen, und Diebstähle - sowohl von Autos als auch von Häusern - nahmen aufgrund des Mangels an neu ausgebildeten Polizisten zu (AGSIW 4.3.2025). Während des Umsturzes am 8.12.2024 wurden die meisten Polizeistationen in Damaskus von Plünderern verwüstet, wobei Ausrüstung und Unterlagen geplündert oder zerstört wurden. Die Polizei gab an, dass die Hälfte der etwa 20 Polizeistationen inzwischen wiedereröffnet wurde, aber sie jeweils nur mit zehn Beamten besetzt sind, die größtenteils aus Idlib kommen. Zuvor waren es 100 bis 150 Mann (REU 23.1.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei regeln Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). HTS hat sich auf ihre eigenen Einheiten und die ihrer engen Verbündeten verlassen, um die vier von Minderheiten dominierten Gouvernements zu sichern. Zu diesen gehören vor allem die Einheiten der Allgemeinen Sicherheit (auch: General Security) des Innenministeriums der ehemaligen syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG). Diese Kräfte sind im Wesentlichen schwer bewaffnete Polizisten, die eingesprungen sind, um Unterstützung zu leisten, während neue lokale Polizeikräfte noch aufgebaut werden. Die Abteilung für militärische Operationen hat auch Einheiten im ganzen Land eingesetzt, um die überlastete Allgemeine Sicherheit zu unterstützen und weitere Sicherheitslücken zu schließen. DMO-Einheiten führen gezielte Razzien gegen bewaffnete Zellen durch, halfen anfangs bei der Überwachung von Städten und besetzten zeitweise Kontrollpunkte. Ende Dezember 2024 wurden viele Einheiten aus den Küstenstädten abgezogen und auf Kontrollpunkte und Stützpunkte beschränkt, wo sie durch wachsende lokale Polizeikräfte ersetzt wurden. Am problematischsten waren die ausländischen Kämpfergruppen innerhalb der Eliteeinheit Rote Brigaden von DMO und HTS, die viele der Razzien der neuen Regierung anführt (MEI 21.1.2025). Die Sicherheitskräfte des alten Regimes wurden aufgelöst. Frühere Versprechen, die Polizei auf ihre Posten zurückzurufen, wurden nicht eingehalten. Die Menschen wurden aufgefordert, sich erneut auf ihre Stellen zu bewerben, aber das Verfahren ist undurchsichtig und soll Alawiten abschrecken. Ash-Shara' hat sich größtenteils an die Sicherheitskräfte seiner Verwaltung in Idlib gewandt, um den Personalmangel auszugleichen. Erfahrene Offiziere des alten Regimes sind jetzt Taxifahrer. In diesem Vakuum stellen die örtlichen Gemeinden ihre eigenen Bürgerwehren zusammen (Economist 5.3.2025).
Ash-Shara' versprach, dass die bewaffneten Gruppierungen und Milizen entwaffnet würden (HB 16.12.2024), und kündigte an, dass die bewaffneten Gruppierungen aufgelöst und die Kämpfer ausgebildet werden, um in die Reihen des Verteidigungsministeriums einzutreten. Sie werden dem Gesetz unterworfen sein (DW 17.12.2024). Seit Jänner 2025 haben die Interimsministerien für Verteidigung und Inneres zügig daran gearbeitet, alle bewaffneten Gruppen unter einer einzigen, mit dem Staat verbundenen Armee und Polizei zu vereinen. Für diesen Prozess wurde der Oberste Ausschuss für die Regulierung der Streitkräfte eingerichtet, der Waffen, Technologie, Militärstützpunkte und Personal überwachen soll. Ein Ausschuss von Offizieren entwirft derzeit die Struktur der neuen syrischen Armee. Die Regierung hat klargestellt, dass alle militärischen Fraktionen aufgelöst und in staatliche Institutionen integriert werden (TNA 3.2.2025). Der Prozess der Bildung einer neuen Armee für Syrien wird auf der Vereinigung mehrerer bewaffneter Gruppierungen beruhen, die über das ganze Land verteilt sind. Einige dieser Gruppierungen waren in Nord- und Westsyrien aktiv, während andere ihren Einfluss auf Südsyrien konzentriert haben, wie die Achte Brigade unter der Führung des ehemaligen Oppositionskommandeurs Ahmad al-'Awda oder andere Formationen, die in der drusischen Mehrheitsprovinz Suweida eingesetzt werden. Diese Formationen, die sich in der nächsten Phase zu einer einzigen Armee vereinigen sollen, sind jedoch über ihre Visionen und Ziele sowie darüber, woher sie Unterstützung erhalten, zerstritten (AlHurra 12.2.2025). Die HTS verhandelte mit Einheiten der aufgelösten Syrischen Arabischen Armee (SAA) über die Zusammenlegung und Integration in eine neue syrische Armee (ISW 16.12.2024). Der neue syrische Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte für deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln. Die zwei größten drusischen Fraktionen aus der südlichen syrischen Provinz Suweida haben daraufhin ihre Bereitschaft erklärt, sich der neuen syrischen Armee anzuschließen (AlHadath 7.1.2025). Die richtungsweisende Entscheidung, die bewaffneten Gruppierungen unter einer einzigen nationalen Armee zusammenzufassen, wurde während eines hochrangigen Treffens in Damaskus formalisiert. Die neu vereinte Truppe wird dem Verteidigungsministerium unterstellt sein und darauf abzielen, die militärische Führung zu zentralisieren und die Ordnung wiederherzustellen. Das Abkommen umfasst nicht alle Fraktionen. Gruppierungen, die in südlichen Regionen wie Dar'aa, Quneitra und Suweida operieren, sowie in at-Tanf stationierte, von den USA ausgebildete Truppen bleiben außerhalb des Geltungsbereichs. Auch die kurdisch dominierten SDF fallen nicht unter das Abkommen. Pläne für eine umfassendere Integration sollen nach dem Ende der Amtszeit der Übergangsregierung im März umgesetzt werden (TR-Today 8.1.2025). Dem syrischen Verteidigungsminister zufolge waren die bewaffneten Gruppen bereit, sich der neuen Militärstruktur anzuschließen. Das syrische Verteidigungsministerium berichtete, dass die neue syrische Regierung mit Vertretern von mehr als 60 bewaffneten Gruppierungen zusammengetroffen sei, die sich bereit erklärt hätten, sich in das neue Verteidigungsministerium zu integrieren. Es wurde ein Ausschuss eingerichtet, um eine einheitliche Datenbank der Streitkräfte zu erstellen, die Informationen über die Humanressourcen (Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten und akademisches Personal) und über militärische Vermögenswerte (Hauptquartiere, Technologie und Waffen) enthalten soll. Die Informationen würden der Führung des Verteidigungsministeriums vorgelegt, gefolgt von Treffen mit den bewaffneten Organisationen, um die Struktur der Sicherheitskräfte festzulegen und Kommandeure zu ernennen (MAITIC 23.1.2025). Die Bewegung der syrischen Oppositionsfraktionen gegen Assad war schon immer zersplittert, und es gibt eine lange Geschichte von gescheiterten Vereinigungsprojekten, sowohl im Norden als auch im Süden des Landes. Nach dem Sturz von al-Assad hat sich die Lage geändert, aber die Probleme sind nicht völlig verschwunden (AlHurra 12.2.2025). Der Übergangsregierung ist es gelungen, von bewaffneten Gruppen im ganzen Land (mit Ausnahme von Suweida) vorsichtige Zugeständnisse zu erwirken. Die Bildung einer Süddivision deutet darauf hin, dass sie an einer vorübergehenden Lösung gegenüber dem geschäftsführenden Verteidigungsministerium interessiert ist: Bisher scheinen nicht zu HTS gehörende bewaffnete Gruppen bereit zu sein, mit dem Ministerium zusammenzuarbeiten, ohne jedoch ihre Organisationsstrukturen und geografischen Einflusszonen aufzugeben oder sich entwaffnen zu lassen. Tatsächlich werden die Brigaden der Süddivision die Spaltungen, die den Süden seit Jahren prägen - zwischen dem östlichen und westlichen Dara'a, zwischen Dara'a und Suweida und zwischen konkurrierenden Gruppierungen untereinander - aufrechterhalten (Etana 22.2.2025). Obwohl ash-Shara' Fortschritte bei der Bildung eines Verteidigungsministeriums nach al-Assad unter der Kontrolle der von HTS geführten Behörden in Damaskus signalisiert hat, gibt es über Erklärungen gegenüber den Medien und Diplomatenbesuchen hinaus kaum Anzeichen für praktische Fortschritte. Da es keinen transparenten Plan für die Bildung eines neuen Verteidigungsministeriums gibt, haben ehemalige Oppositionsfraktionen ihre Waffen nicht abgegeben (Etana 10.1.2025). Übergangspräsident ash-Shara' und Verteidigungsminister Abu Qasra haben sich noch nicht mit den Einzelheiten befasst, wie diese Armee von innen aussehen wird und ob das neue syrische Verteidigungsministerium in der Lage ist, eine vollständige Harmonie zwischen den Fraktionen und Kämpfern zu erreichen (AlHurra 12.2.2025).
Am 29.1.2025 wurde die Auflösung bewaffneter Gruppierungen in Syrien bekannt gegeben, darunter auch die HTS (Sky News 31.1.2025). Einem Journalisten von Sky News zufolge sind viele Gruppierungen, die HTS unterstützten, bereits Teil der Allgemeinen Sicherheit (General Security Force) geworden und tragen alle einheitliche schwarze Uniformen und Kampfanzüge (Sky News 13.2.2025). Die General Security war die wichtigste Polizeitruppe der HTS im Nordwesten Syriens und ist nun zur Gendarmerie der Übergangsregierung in ganz Syrien geworden, um das Sicherheitsvakuum nach dem Sturz des Regimes zu füllen (ISW 16.4.2025). Bereits am 28.1.2025 wurde berichtet, dass sich die der al-Qaida nahestehende Gruppierung Hurras ad-Din aufgelöst hatte. 2018 geriet die Gruppierung mit der HTS in Konflikt, nachdem sich Letztere von der al-Qaida losgesagt und ihren Namen geändert hatte (Araby 28.1.2025). Die verschiedenen Gruppierungen in Südsyrien, darunter die von Russland unterstützte 8. Brigade in Dara'a und drusische Milizen in Suweida, haben bestimmte Bedingungen für den Beitritt zu einer nationalen Armee festgelegt. Dazu gehören die Einrichtung einer wirklich repräsentativen Regierung, eine neue Verfassung und ein nicht konfessionsgebundenes Militär. Diese Forderungen unterstreichen das tief sitzende Misstrauen gegenüber einer zentralisierten Autorität und den Wunsch nach lokaler Autonomie, was die Aufgabe der Armeevereinigung weiter erschwert (DNewsEgy 3.2.2025). Bisher ist es gelungen, die von der Türkei unterstützten Gruppierungen in den nördlichen Teilen Syriens aufzulösen (NLM 25.2.2025). Militärangehörige, darunter hochrangige Offiziere, sagten, dass einige Oppositionsfraktionen weiterhin in den Formationen operieren, die sie vor dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad im Dezember genutzt haben, während gleichzeitig eine schrittweise Übergabe an Brigaden unter der Führung von Damaskus stattfindet, um eine neue Armee aufzubauen (National 21.2.2025).
Für das Innenministerium wird ein Kader vorbereitet, der eine spezielle Ausbildung erhalten soll, um seine Aufgaben im Rahmen eines Plans zur Gewährleistung einer sicheren Gesellschaft zu übernehmen (Araby 16.12.2024). Am 10.1.2025 gab das Innenministerium bekannt, dass der Eintritt in die Polizei und die Allgemeine Sicherheit durch die Einschreibung in die Polizeihochschule möglich sei. Die Kurse erstreckten sich auf fast alle syrischen Gouvernements, angeführt von Damaskus und seinem Umland, Homs, Tartus, Idlib, Suweida und Deir ez-Zour. In der Meldung hieß es, dass die Bewerber mindestens 20 sein müssen und höchstens 30 Jahre alt sein dürfen, mindestens einen Highschool-Abschluss oder einen gleichwertigen Abschluss haben müssen. Sie müssen die vorgeschriebenen Kurse bestehen, nicht wegen eines Verbrechens oder einer Straftat verurteilt worden sein, bei guter Gesundheit und körperlicher Fitness und mindestens 168 cm groß sein (Syria TV 21.2.2025). Mehr als 200.000 Menschen haben sich für einen neuen Polizeidienst angemeldet, der derzeit aufgebaut wird, sagte der Kursleiter an der Polizeiakademie in Damaskus. Polizisten, die vor Assads Sturz zu den Rebellen übergelaufen sind, können sich für die neue Truppe bewerben. Diejenigen, die dies nicht getan haben, wurden aufgefordert, einen ‚Versöhnungsprozess‘ zu durchlaufen, einschließlich der Unterzeichnung eines Dokuments, in dem sie den Regimewechsel akzeptieren, und der Abgabe ihrer Waffe. Es ist noch nicht klar, ob sie sich der neuen Truppe anschließen dürfen (REU 23.1.2025). Das Innenministerium änderte die Bedingungen für die Aufnahme von Mitgliedern des Sicherheits- und Polizeidienstes. Darunter sind eine Altersgrenze von 30 Jahren anstelle von zuvor 26 Jahren und Lockerungen bei den Anforderungen an die körperliche Gesundheit und Fitness. Die Ausbildung dauert 21 Tage. Unter dem Assad-Regime betrug die Ausbildungszeit neun Monate (Tayyar 31.1.2025). Reuters hingegen berichtet von zehn Tagen Unterricht in Waffenhandhabung und islamischen Recht. Wenn sich die Sicherheitslage verbessert, soll die Ausbildung auf neun Monate verlängert werden, wobei ein von den Rebellen in Idlib eingeführtes System verwendet wird (REU 23.1.2025). Die allgemeine Landschaft des neuen Sicherheitsapparats weist deutliche Veränderungen auf, vor allem in Bezug auf die islamistische Färbung, die mit einigen Details einhergeht, wie die lauten Takbir-Rufe [‚Allahu Akbar‘-Rufe Anm.] bei den Abschlussfeiern, nachdem die Freiwilligen die Scharia- und Militärtrainingskurse absolviert haben, und die Abschlussreden der Veranstaltung, die sich auf die islamischen Lehren und die Notwendigkeit konzentrieren, ‚im Einklang mit Gottes Gesetz‘ zu handeln (Tayyar 31.1.2025). Reuters zitiert Quellen, wonach die islamische Lehre dazu dienen soll, der neuen syrischen Polizei Moral zu vermitteln. Mitglieder der HTS-Polizeieinheit in Idlib sind nach Damaskus gereist, um Polizeibeamte zu rekrutieren. Die HTS-Polizei hat den Bewerbern eine Reihe von Fragen zu ihrem Glauben gestellt und die Ausbildung der neuen Rekruten konzentriert sich auf das Scharia-Recht (REU 23.1.2025).
Am 16.4.2025 kündigte das Innenministerium an, dass es einen Beamten ernennen werde, der sowohl die Kräfte der Allgemeinen Sicherheit als auch die Polizeikommandos in jeder Provinz beaufsichtigen solle, um so die Kontrolle über beide Kräfte zu zentralisieren (ISW 16.4.2025).
Langfristig werden Syriens Bemühungen zur Reform seines Militärs mit enormen Herausforderungen beim Wiederaufbau seines Waffenarsenals und seiner Infrastruktur konfrontiert sein, insbesondere nach der weitreichenden Zerstörung durch israelische Luftangriffe im Dezember 2024. Diese Angriffe galten über 100 Luftverteidigungsbatterien, Radarsystemen und Geheimdienstbasen, wodurch ein Großteil des syrischen Arsenals unbrauchbar wurde. Berichten zufolge führte Israel in acht Tagen über 600 Angriffe durch und zerstörte dabei etwa 80 % der strategischen Waffen Syriens. Die syrische Luftwaffe, die Berichten zufolge Anfang 2024 über 184 einsatzfähige Flugzeuge verfügte, verfügt nun nur noch über eine Handvoll übergebliebener - wenn auch einsatzfähiger - Flugzeuge. Dasselbe gilt für die Hunderte von Fahrzeugen und Ausrüstungsgegenständen - darunter Kampfpanzer, Schützenpanzer, Langstrecken-Mehrfachraketenwerfer und SAM-Systeme - welche die Rebellen von der sich zurückziehenden Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) erbeutet haben, deren Schicksal unbekannt ist. Schätzungsweise 15 Marineschiffe wurden bei Angriffen auf Minaa el-Beida und Latakia zerstört, Tartus wurde jedoch verschont, um russische Streitkräfte nicht zu treffen. Der Wiederaufbau des syrischen Militärs - insbesondere der Luftwaffe und der Luftverteidigungsnetze, einschließlich Abfangjäger-Vorräte, Ersatzteile und Ausbildung der Besatzungen - wird Jahre dauern und Milliarden Dollar kosten, und das zu einer Zeit, in der die staatlichen Kassen fast leer sind (TNA 3.2.2025). Ash-Shara' kündigte einen Plan an, für den Import moderner militärischer Fahrzeuge, die für die Sicherheitsdienste in allen Provinzen geeignet sein sollen (Araby 16.12.2024).
Die ehemaligen militärischen Geheimdienste Syriens waren für ihre Unterdrückung berüchtigt. In der neuen Struktur werden Anstrengungen unternommen, um ein Nachrichtensystem von Grund auf neu aufzubauen, das frei von den Altlasten des vorherigen Regimes ist (TR-Today 8.1.2025). Das syrische Generalkommando hat die Ernennung von Anas Hassan Khattab zum Leiter des allgemeinen Nachrichtendienstes bekannt gegeben. Khattab übernahm Anfang 2014 die Position des administrativen Emirs der Jabhat an-Nusra, nachdem er Ende 2013 einer der Anführer der Gruppe und allgemeiner administrativer Emir gewesen war. Nach Angaben des Sicherheitsrats wurde Khattab am 23.9.2014 gemäß den Ziffern 2 und 4 der Resolution 2161 (2014) auf die Sanktionsliste gesetzt, weil er mit al-Qa'ida in Verbindung stand, weil er ‚an der Finanzierung, Planung, Erleichterung, Vorbereitung, Begehung, Beteiligung oder Unterstützung der Handlungen und Aktivitäten der Jabhat an-Nusra beteiligt war‘ und weil er ‚die Handlungen und Aktivitäten der Jabhat an-Nusra in irgendeiner anderen Form unterstützt hat‘ (BBC 26.12.2024). Quellen bestätigten gegenüber Al Jazeera die Ernennung von Generalmajor 'Ali Nour ad-Din an-Na'san zum neuen syrischen Generalstabschef. Lokalen syrischen Plattformen zufolge war an-Na'san ein militärischer Befehlshaber von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) (AJ 9.1.2025b). Ende Dezember 2024 wurden von der neuen Regierung Kämpfer in Führungspositionen ernannt. Unter den 50 neuen militärischen Ernennungen waren sechs ausländische Kämpfer im Rang eines Brigadegenerals und eines Obersts, darunter zwei Araber. Die Ernennungen sind Teil einer umfassenderen Kampagne von ash-Shara' zur Umstrukturierung der Neuen Syrischen Armee, die Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlicher Nationalität umfasst (Sky News 30.12.2024).
Der Kreml teilte Mitte des Monats Dezember 2024 mit, dass das Schicksal der russischen Militärbasen in Syrien noch immer diskutiert werde und dass die Kontakte mit syrischen Beamten fortgesetzt würden (AJ 28.12.2024b).
Die bewaffnete Landschaft Syriens besteht aus einem komplexen Geflecht von über 60 Fraktionen, von denen jede ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Loyalitäten und ihre eigene Agenda hat. Mehr als die Hälfte sind der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) angeschlossen. Andere Fraktionen agieren unabhängig oder innerhalb kleinerer Allianzen, mit Ideologien, die von säkular bis islamistisch reichen, und Finanzierungsquellen, die verschiedene regionale und internationale Akteure umfassen. Dieses Flickwerk an Macht stellt ein erhebliches Hindernis für die Schaffung einer einheitlichen nationalen Armee dar (DNewsEgy 3.2.2025). Obwohl die Kämpfer nominell unter der Schirmherrschaft der neuen syrischen Regierung stehen, gibt es nach wie vor Milizen, von denen einige in Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren und relativ undiszipliniert sind (Guardian 9.3.2025). Die Kernkräfte der Gruppierung, die die neue Regierung anführt, HTS, sind bekanntermaßen weitaus disziplinierter als andere Akteure, was auf jahrelanger Beobachtung ihrer Aktivitäten in der Provinz Idlib und während des Sturzes von al-Assad beruht. Dennoch waren auch einige HTS-Kräfte an den Massakern im März 2025 in der syrischen Küstenregion beteiligt. Darüber hinaus trägt die neue Regierung weiterhin die Verantwortung für alle Tötungen, die von Gruppen unter ihrem formellen Kommando, einschließlich der SNA, begangen wurden. Ihre Unfähigkeit, diese Verbrechen zu verhindern, verdeutlicht, dass sie über Gebiete und Fraktionen außerhalb ihrer traditionellen Basis nach wie vor nur begrenzt befehligen und kontrollieren kann. Nachdem Berichte über Massaker aufgetaucht waren, gab das Innenministerium eine doppelte Erklärung ab, in der es die Zivilbevölkerung aufforderte, sich nicht einzumischen und die Reaktion der Regierung zu überlassen, und allen regierungsfreundlichen Kräften befahl, sich an die Verfahren zu halten, die während der Offensive zum Sturz des Assad-Regimes angewendet wurden, nämlich keine Zivilisten ins Visier zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch bereits zahlreiche Morde verübt worden, und die Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den notwendigen Prozess der Rechenschaftspflicht, der auf solche Vorfälle folgen muss, um weitere Vergeltungsmaßnahmen und Gräueltaten zu verhindern (TWI 10.3.2025). Es gibt große Probleme bei der Integration der Gruppierungen, die bereits unter dem Verteidigungsministerium zusammengelegt wurden. Zu nennen ist hier der Top-Down-Ansatz, bei dem die Priorität auf Loyalität statt auf Leistung gelegt wird. Es gelingt nicht die ideologischen und klassenbasierten Unterschiede zwischen - und innerhalb - der Gruppierungen, die jetzt unter dem Kommando ash-Shara's stehen, abzumildern (NLM 25.2.2025).
Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)
Die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [zu Deutsch: Komitee zur Befreiung der Levante Anm.] ist die stärkste Gruppierung in Syrien (Asharq 9.12.2024). Ihre Mannstärke wird auf 43.000 geschätzt. Die Hälfte dieser Gruppierungen ist nach der Rückeroberung in ihren ursprünglichen Gebieten geblieben, insbesondere in den Gebieten im Norden von Hama, im Süden von Idlib und im Westen und Süden von Aleppo (Quds 11.1.2025). Sie entstand aus dem Zusammenschluss von fünf Gruppierungen, u. a. der Jabhat Fatah ash-Sham, Liwa' al-Haqq, Jabhat Ansar ad-Din und Jaysh as-Sunna und wurde später von mehreren Bataillonen, Brigaden und Einzelpersonen unterstützt (AJ 3.12.2024). Die HTS versuchte ihren militärischen Flügel durch die Einrichtung eines gemeinsamen Einsatzraums namens ‚Shahba Community‘ in Zusammenarbeit mit bewaffneten Gruppierungen, darunter Ahrar ash-Sham, die Nour ad-Din-Zenki-Bewegung und die ‚50. Division‘ zu stärken (UNSC 22.7.2024). 2019 wurde der Operationsraum Fatah al-Mubin gegründet. Dieser war für die Koordinierung und Abteilung für militärische Operationen in Nordsyrien in Idlib und den ländlichen Gebieten von Aleppo, Latakia und Hama verantwortlich. Mitte 2020 schränkte die Hay'at Tahrir ash-Sham alle militärischen Operationen auf den Operationsraum Fatah al-Mubin ein und untersagte die Bildung jeglicher sonstiger militärischer Gruppierungen oder Operationsräume in den von ihr kontrollierten Gebieten. 2023 verkündete die HTS eine neue Struktur für die militärischen Kräfte in ihren Gebieten an (AJ 3.12.2024). Mitglieder der HTS sind nicht nur Syrer, sondern sie umfasst mehrere Nationen (Asharq 8.12.2024). Sie ist in sechs Brigaden, Spezialeinheiten und Elitetruppen unterteilt, die als Rote Brigaden bekannt sind (Quds 11.1.2025) bzw. als Rote Bänder, und welche Berichten zufolge dank ihrer Fähigkeiten in Bezug auf Ausbildung, Bewaffnung und die Fähigkeit, die Frontlinien zu durchdringen, in der Lage waren, mehrere Kampfhandlungen gegen Assads Streitkräfte zu gewinnen (Asharq 9.12.2024). Die Anzahl der Mitglieder dieser Eliteeinheit ist nicht bekannt, sie soll Berichten zufolge aber aus Hunderten von HTS-Mitgliedern bestehen (Asharq 8.12.2024), die Inghamasiyin genannt werden (AJ 5.12.2024) und von denen einige zu den ideologisch extremsten und kampferfahrendsten Elementen der Rebellenkoalition gehören (Guardian 8.12.2024). Auf ihren Köpfen tragen sie rote Bänder. Die Einheit, die 2018 gegründet wurde, hat einen hohen Ausbildungsstand (AJ 5.12.2024) und verfügt über Spezialwaffen (AlMayadeen 5.12.2024). Daneben gehören auch Gruppen von Scharfschützen zu dieser Eliteeinheit (Asharq 8.12.2024). Auch HTS-Anführer Ahmed ash-Shara' tauchte in einem Video 2020 mit rotem Band am Kopf auf (AlMayadeen 5.12.2024). Die HTS war es, die die Operation ‚Abschreckung der Aggression‘ im November und Dezember 2024 anführte (Asharq 9.12.2024).
Ash-Shara' kündigte gegenüber al-'Arabiya und al-Hadath an, dass sich seine Gruppierung bald auflösen wird (Arabiya 6.1.2025b). Am 29.1.2025 wurde die Auflösung der HTS bekannt gegeben (Sky News 31.1.2025).
Andere Gruppierungen
An der Operation ‚Abschreckung der Aggression‘ nahmen noch weitere Gruppierungen teil, die teilweise mit der ehemaligen Freien Syrischen Armee (Free Syrian Army - FSA) verbunden sind. Manche dieser Gruppierungen gehörten zur Nationalen Befreiungsfront (National Liberation Front - NLF), wie die Jabhat Tahrir as-Souriya und Jaysh Idlib al-Hurr (AJ 3.12.2024). Einige Gruppierungen werden von der Türkei ausgebildet und unterstützt. Darunter sind die Sultan Murad Division, die Sultan Suleiman Shah Division, die Hamza Division, Jaysh al-Islam und die Jabhat ash-Shamiya (Asharq 9.12.2024). Die NLF ist weitgehend für die Kontrolle in Idlib zuständig, während ein Großteil der militärischen Präsenz in die Schlüsselgebiete Aleppo, Homs, Damaskus, Latakia und Tartus abgezogen wurde. Die NLF koordiniert sich mit den örtlichen Sicherheitskräften. Aufgrund ihrer Mannstärke ist sie stark von verbündeten Gruppierungen abhängig (Etana 17.1.2025). Auch in Dara'a, im Süden Syriens, gibt es viele bewaffnete Gruppierungen, insbesondere Gruppierungen unter dem Banner der ehemaligen FSA (Asharq 9.12.2024).
Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA)
Mehr als die Hälfte der über 60 in Syrien bestehenden bewaffneten Gruppierungen gehört zur von der Türkei unterstützten Syrian National Army. Ihre Stärke beträgt mindestens 80.000 Mann und ihre Hauptaufgabe ist die Bekämpfung der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) (DNewsEgy 3.2.2025). Die Jabhat ash-Shamiya, die Bewegung Nour ad-Din-Zenki, die islamische Bewegung Ahrar ash-Sham im nördlichen Umland von Aleppo und die Gruppe ash-Shahba beteiligten sich an den Vorbereitungen für die Operation ‚Abschreckung der Aggression‘ im Sommer 2024, während die übrigen Fraktionen auf direkte Anweisungen aus Ankara warteten, wie die Nationale Befreiungsfront in Idlib, die Tausende von Kämpfern aus allen Untergruppierungen der Abteilung für militärische Operationen zur Verfügung stellte (Quds 11.1.2025). Sie könnte ca. 50.000 Kämpfer umfassen. Die SNA steht grundsätzlich in Konkurrenz mit der HTS. Ihre Anführer haben erklärt, dass sie schwere Waffen abgeben würde im Gegenzug für hohe Funktionen in der neuen syrischen Armee. Ihre Kleinfeuerwaffen werden sie behalten. Manche Anführer möchten ihr Einkommen, das sie durch Schmuggel über die türkisch-syrische Grenze erhalten, nicht aufgeben (Economist 14.1.2025). Im Widerspruch dazu wird die HTS von der von Ankara unterstützten Nationalen Befreiungsfront (National Liberation Front - NLF) unterstützt, die von Oberst Fadlallah al-Hajji angeführt wird, dem militärischen Befehlshaber der Faylaq ash-Sham und gleichzeitig stellvertretenden Verteidigungsminister in der Übergangsregierung (Quds 11.1.2025). Die NLF schloss sich im Oktober 2019 der SNA an (MEE 7.12.2024).
Die Suleiman Shah Division (auch: al-Amshat) wird von Mohammad Hussein al-Jassim, bekannt als Abu Amsha, angeführt, einer umstrittenen Figur, die sich schweren Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sieht. Seine Truppen haben ihren Sitz in Sheikh al-Hadid in 'Afrin und erstrecken sich auf Teile des nördlichen Landesteils von Aleppo. Die Hamza-Division (auch: Hamzat) kontrolliert al-Bab, Jarablus und 'Afrin und steht unter dem Kommando von Saif Bolad (Abu Bakr), einem prominenten Führer der von der Türkei unterstützten SNA. Im Jahr 2023 verhängte das US-Finanzministerium direkte Sanktionen gegen die beiden Fraktionen und beschuldigte sie, in den von ihnen kontrollierten Gebieten ‚Kriegsverbrechen und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen‘ zu begehen. Menschenrechtsberichten zufolge waren diese von der Türkei unterstützten Gruppierungen an ‚systematischen ethnischen Säuberungsaktionen‘ und groß angelegten ‚Massakern‘ gegen Zivilisten in Banias, Tartus und Latakia beteiligt, bei denen Hunderte von Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, getötet wurden (LebDeb 10.3.2025).
Die syrischen Sicherheitskräfte forderten Anfang März 2025 nach Zusammenstößen mit Anhängern des Assad-Regimes eine allgemeine Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus an. Drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA folgten diesem Aufruf: Jaish ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA benannten Gruppe Ansar al-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten. Die meisten lokalen Berichte deuten darauf hin, dass die überwiegende Zahl der von Regierungstruppen verursachten zivilen Todesfälle Anfang März 2025 in der Küstenregion von einer Mischung aus SNA-Fraktionen, ausländischen Kämpfern und zufälligen Zivilisten begangen wurde (TWI 10.3.2025).
Alle Gruppierungen der Syrischen Nationalen Armee sind an der Operation ‚Morgenröte der Freiheit‘ gegen die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) beteiligt (Quds 11.1.2025).
Fahim 'Issa, einer der prominentesten Militärkommandeure in Nordsyrien, sagte, dass die Fraktionen der SNA derzeit nicht bereit sind, sich zusammenzuschließen, weil sie sich in den Kämpfen gegen die SDF mit türkischer Unterstützung engagieren, was im Gegensatz zu ash-Shara's Ansatz steht, die Angelegenheit mit den kurdischen Kämpfern zu regeln (Quds 11.1.2025).
Die Motivationen der Kämpfer in der SNA sind alles andere als einheitlich. In Interviews wurden drei Hauptmotive im gesamten Korps der SNA hervorgehoben: Erstens sind die Kämpfer von Loyalität und Stammesverbundenheit angetrieben und verlassen sich auf verwandtschaftliche Bindungen und das Vertrauen in die lokale Führung. Zweitens werden sie eher durch wirtschaftliche Faktoren motiviert, wobei viele von ihnen im Schmuggel und in der Kontrolle des lokalen Marktes tätig sind. Drittens sind einige Kämpfer, insbesondere an der Levante-Front, ideologisch motiviert und vertreten revolutionäre Ideale und umfassendere Visionen des gesellschaftlichen Wandels (NLM 25.2.2025).
Syrische Freie Arme (Syrian Free Army - SFA)
Die Syrische Freie Armee (Syrian Free Army - SFA) [nicht zu verwechseln mit der mittlerweile aufgelösten Freien Syrischen Armee (Free Syrian Army - FSA) Anm.] ist eine von den USA unterstützte und ausgebildete Einheit von mehreren Hundert Mann, die in Südsyrien an einem Ort namens at-Tanf aktiv ist. Viele Jahre lang war die Einheit vom Großteil Syriens abgeschnitten, da sie nur in einem kleinen Gebiet um die Garnison patrouillieren konnte, in dem sich US-Soldaten aufhielten. Ihr Anführer ist Oberst Salem Turki al-'Antri. Die Syrische Freie Armee entstand aus der erstarkenden Rolle der USA in Syrien, deren Präsenz bis ins Jahr 2015 zurückreicht. Die USA unterstützten die hauptsächlich kurdischen Demokratischen Kräfte Syriens (Syrian Democratic Forces - SDF) im Osten Syriens erheblich. In at-Tanf jedoch, wo die USA einen Stützpunkt in der Nähe einer alten Landwirtschaftsschule errichteten, schlossen sich die USA mit den Maghawir ath-Thawra (MAT) zusammen, die sich aus syrischen Arabern zusammensetzten, die gegen das Assad-Regime waren. Die MAT, aus der später die Syrische Freie Armee hervorging, hatte im Jahr 2018 etwa 300 Mann. Die Rolle der Gruppe sollte darin bestehen, den Islamischen Staat im Rahmen der umfassenderen Anti-IS-Mission der USA in Syrien zu bekämpfen. Im Laufe der Zeit bildeten die USA die Syrische Freie Armee in Schießkunst, Taktik für kleine Einheiten und dem Einsatz leichter Fahrzeuge für Patrouillen aus. Die Truppen der SFA konzentrieren sich weiterhin auf lokale Aufgaben, wie die mobile medizinische Klinik und die Unterstützung der verbliebenen Vertriebenen in Rukban. Sie haben auch Minenräumaktionen durchgeführt. Einige Mitglieder der Syrischen Freien Armee stammen aus Gebieten in der Nähe von Palmyra, etwa 120 Kilometer nördlich von at-Tanf. Nach dem Sturz des Assad-Regimes reisten einige Mitglieder der Einheit, darunter auch al-'Antri, nach Palmyra, um sich mit Einheimischen zu treffen und in dem Sicherheitsvakuum zu agieren, das durch al-Assads rasch verschwindende Armee entstanden war (LWJ 10.2.2025). Die SFA besteht aus syrischen Rebellen, die sich dem syrischen Regime widersetzten. Es handelt sich um arabische Oppositionskräfte, und die Männer stammen hauptsächlich aus der syrischen Provinz Homs und anderen Gebieten in der Nähe von Damaskus und Palmyra (JPOST 2.1.2025). Mitte April 2025 wurde das Training der SFA durch die USA fortgesetzt (LWJ 16.4.2025).
Die Syrische Freie Armee hat sich dem neuen Verteidigungsministerium angeschlossen (TWI 12.2.2025).
Ausländische Kämpfer
Ash-Shara' hat sich an eine Gruppe ausländischer Kämpfer gewandt, die aus dem Norden gekommen sind. Ihre Zahl könnte zwischen 400 und 2.500 liegen (Economist 14.1.2025).
Dschihadistische Gruppierungen
Von den salafistischen Dschihadistengruppierungen, eine nicht unbedeutende Kraft, sind einige in die HTS integriert oder arbeiten unter ihrem Kommando. Darunter fallen Ansar at-Tawhid, Kämpfer der Turkistan Islamic Party (TIP), Jaysh al-Muhajireen wal-Ansar, Sham al-Islam, Ansar al-Islam und die Reste von Hurras ad-Din (Quds 11.1.2025).
Ahrar ash-Sham
Ahrar ash-Sham [zu Deutsch: Freie Männer der Levante Anm.] ist eine religiös ausgerichtete Gruppierung, die sich als eine der ersten bewaffneten Gruppierungen nach Ausbruch des Kriegs in Syrien gebildet hatte (Asharq 9.12.2024). Sie bezeichnet sich selbst als ‚eine umfassende islamische Reform- und Erneuerungsbewegung und eine der Fraktionen innerhalb der Islamischen Front‘, sieht ihre Aktivitäten als ‚militärisch, politisch, sozial und umfassend islamisch‘ und definiert ‚den Aufbau eines islamischen Staates‘ als ihr Ziel (AJ 3.12.2024). 2013 hatten sie die Kontrolle über die Stadt ar-Raqqa übernommen, die sie aber später an den Islamischen Staat (IS) verlor. 2014 wurde eines ihrer unterirdischen Hauptquartiere bei einem Luftangriff getroffen und 40 ihrer Anführer getötet (Asharq 9.12.2024).
Jaysh al-'Izza
Jaysh al-’Izza [zu Deutsch: Armee der Ehre Anm.] ist eine Gruppierung, die insbesondere im Raum Hama aktiv war. Sie wird von Major Jamil as-Salah angeführt (Asharq 9.12.2024). Sie gehört zur Freien Syrischen Armee (Free Syrian Army - FSA) (Arabiya 30.1.2025).
Jaysh al-Islam
Jaysh al-Islam [zu Deutsch: Armee des Islam Anm.]war früher eine der mächtigsten Gruppierungen in Syrien und operierte von Ost-Ghouta, Damaskus, aus. Sie wurden nach Nordsyrien verdrängt. Ihr Anführer war Zahran 'Aloush, der 2015 durch einen Luftangriff getötet wurde. Sein Nachfolger ist 'Isam al-Buwaydani. Diese Gruppierung wird von der Türkei unterstützt (Asharq 9.12.2024).
Jabhat Tahrir as-Souriya
Jabhat Tahrir as-Souriya (JTS) [zu Deutsch: Syrische Befreiungsfront Anm.] wurde Anfang 2018 gegründet und umfasst mehrere Bewegungen, darunter Jaysh al-Ahrar, die in der Region Idlib aktiv waren, Suqour ash-Sham Brigaden, Damaskus Gruppe und die Nour ad-Din-Zenki Brigaden (AJ 3.12.2024).
Nour ad-Din-Zenki Brigaden
Dabei handelt es sich um eine bewaffnete islamistische Gruppierung, die kurz nach dem Ausbruch der syrischen Revolution im Jahr 2011 gegründet wurde. Ihr Hauptgebiet war Aleppo, wo sie bis 2019 militärische und zivile Aktivitäten verband (AJ 3.12.2024).
Ansar at-Tawhid (Unterstützer des Monotheismus)
Das ist eine dschihadistische Gruppierung, die im syrischen Konflikt aktiv war. Sie ist ein Ableger von Jund al-Aqsa (Soldaten der Aqsa-Moschee), die von der bewaffneten Opposition und Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) zerschlagen wurde. Ansar at-Tawhid wurde 2017 von den verbliebenen Mitgliedern der aufgelösten Gruppe Jund al-Aqsa gegründet. Ihre Mitglieder vertreten eine salafistisch-dschihadistische Ideologie unter der Führung von Khaled Khattab. Diese Gruppierung soll seit dem Sturz von al-Assad für Menschenrechtsverletzungen, wie außergerichtlichen Tötungen, Zerstörung von Häusern, Angriffe auf privates und öffentliches Eigentum verantwortlich sein (SNHR 19.12.2024).
Turkistan Islamic Party (TIP) bzw. Eastern Turkistan Islamic Movement (ETIM)
Diese Gruppierung ist hauptsächlich in den Provinzen Idlib, im Nordosten von Latakia, im Norden von Hama und im Westen von Aleppo aktiv. Sie wird von dem regionalen Kommandeur Kaiwusair angeführt, der von Zahid Qari und Scheich Touba unterstützt wird, die beide im März vom in Afghanistan ansässigen Oberbefehlshaber Abdul Haq ernannt wurden. ETIM/TIP arbeitet mit HTS zusammen und griff im März gemeinsam mit dieser Gruppe syrische Militärstellungen in Idlib und Aleppo an. Die Gruppe erhält finanzielle Unterstützung von HTS, betreibt Unternehmen in Ländern der Region, darunter in der Türkei, um Gelder zu generieren, und bildet ausländische Terroristen mit immer ausgefeilteren Methoden aus (UNSC 22.7.2024).
Hurras ad-Din (HAD)
Die Hurras ad-Din (HAD) [zu Deutsch: Wächter der Religion Anm.] operierte hauptsächlich im Südosten von Idlib und im Norden von Latakia und verfügt über eine Stärke von einigen Tausend Kämpfern. Sie reaktiviert sich still und heimlich, wobei die Führung die Kämpfer anweist, außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um nicht entdeckt zu werden. Die Gruppe konzentriert sich weiterhin auf eine lokale Agenda, da sie zu Beginn des Konflikts zwischen dem Gazastreifen und Israel, aufgrund operativer und logistischer Herausforderungen, ihr Ziel, Angriffe von außen durchzuführen, nicht erreichen konnte. Ungeachtet ihrer Differenzen wurde 2024 eine opportunistische Ad-hoc-Zusammenarbeit zwischen der HAD und der HTS beobachtet, wobei die HAD logistische Unterstützung von der HTS erhielt, um gegen die syrischen Regierungstruppen zu kämpfen (UNSC 22.7.2024).
Operationen der südlichen Regionen
Die Gruppierung ‚Operationen der südlichen Regionen‘ stand bis 2013 unter der Führung von Oberstleutnant Yasser al-'Aboud (Asharq 9.12.2024) und wird mittlerweile von Ahmad al-'Awda angeführt. Sie kontrolliert die Provinz Dara'a. Diese Gruppierung war es, die am 8.12.2024 als Erstes in Damaskus einmarschiert ist (AAA 7.1.2025). Sie umfasst ca. 15.000 Kämpfer, die ihre Gehälter von ihrem Anführer al-'Awda offenbar mithilfe der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erhalten (Economist 14.1.2025).
Sie wollte als bewaffnete Gruppierung weiter bestehen und ihre Waffen nicht abgeben, auch wenn sie bereit war, sich dem neuen Verteidigungsministerium zu unterstellen. Eigenen Angaben zufolge verfügte die Gruppierung über Waffen, schweres Gerät und eine vollständige militärische Ausrüstung (AAA 7.1.2025). Nach intensiven Treffen und Beratungen haben die südlichen Fraktionen unter dem Namen Südlicher Operationsraum angekündigt, dass sie an ihren Waffen festhalten werden, aber bereit sind, sich dem Verteidigungsministerium anzuschließen (Quds 11.1.2025). HTS hat zunehmend versucht, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara'a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-'Awda führte (Etana 17.1.2025). Mitte Februar einigten sich die Anführer der südlichen Fraktionen und das Verteidigungsministerium auf die Bildung einer sogenannten Süddivision innerhalb der neuen syrischen Armee. Um sich in das neue Verteidigungsministerium ‚integrieren‘ zu können, baten die Vertreter der Übergangsregierung die Gruppierungen, Informationen über die Anzahl ihrer Kämpfer, die in ihrem Besitz befindlichen Waffen und die Militärstützpunkte zu übermitteln. Seit dem Treffen deuten mehrere Entwicklungen darauf hin, dass die Bildung der Division im Gange ist, und das Hauptquartier der 5. Division in Izra'a im Osten von Dara'a wurde als Kommandozentrale für die neue Division ausgewählt (Etana 22.2.2025). Nach monatelangen Spannungen zwischen dem Milizkommandanten Ahmad al-'Awda aus Dara'a und dem neuen syrischen Präsidenten Ahmad ash-Shara' - angeheizt durch Frustration über die mangelnde Machtteilung und Inklusivität im laufenden Übergangsprozess und in den Regierungsstrukturen des Landes - war al-'Awda gezwungen, zurückzutreten und die von ihm seit 2014 geführte bewaffnete Gruppe aufzulösen. Ihr Zusammenbruch folgte auf intensiven militärischen Druck der Allgemeinen Sicherheit nach den Gewalttaten der vergangenen Woche mit rivalisierenden, von Damaskus unterstützten Fraktionen (Etana 16.4.2025).
Die verschiedenen Gruppierungen in Südsyrien, darunter die von Russland unterstützte 8. Brigade in Dara'a und die drusischen Milizen in Suweida, haben spezifische Bedingungen für den Beitritt zu einer nationalen Armee festgelegt. Dazu gehören die Einrichtung einer wirklich repräsentativen Regierung, eine neue Verfassung und ein nicht konfessionsgebundenes Militär (DNewsEgy 3.2.2025).
In der Provinz Suweida wurde die Bildung eines Militärrats angekündigt, zu dessen Treffen am 24.2.2025 alle Waffenbesitzer eingeladen waren. Die wichtigsten Gruppierungen in der Provinz haben jedoch noch keine Verbindung zu dem Rat bekannt gegeben, und die Gruppierungen, die dahinter stehen, sind unbekannt. Der Gemeinsame Operationsraum in Suweida reagierte auf die Ankündigung mit einer Erklärung, in der es hieß: ‚Dieser Rat ist illegitim und die Erklärung vertritt nur seine Eigentümer und macht sie für alle Komplikationen verantwortlich, die sich aus diesem Treffen ergeben könnten.‘ (TNA 23.2.2025) Eine Gruppe militanter Drusen in Suweida hat die Gründung des Suweida-Militärrats bekannt gegeben, einer Koalition lokaler bewaffneter Gruppen, die sich für den Schutz der Region und die Aufrechterhaltung der Sicherheit einsetzen. Der Rat erklärte, seine Mission sei es, Zivilisten und öffentliches Eigentum vor Gewalt und Zerstörung zu schützen und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsfraktionen zu stärken. Er kündigte außerdem Pläne für regelmäßige Treffen an, um Bedrohungen einzuschätzen und entsprechend zu reagieren (LWJ 24.2.2025).
Rijal al-Karama und Liwa' al-Jabal
Die beiden größten militärischen Fraktionen in Suweida erklärten ihre Bereitschaft, sich zu einer militärischen Einheit zusammenzuschließen, die den Kern einer neuen nationalen Armee bilden wird, und lehnten jegliche Fraktions- oder konfessionelle Armee ab (Quds 11.1.2025).
Die alawitische Armee
Mehr als 400.000 Mitglieder der alawitischen Gemeinschaft wurden entlassen und sind vom Sturz al-Assads betroffen, darunter Angehörige der Armee, der Sicherheitsabteilungen, Beamte in Einrichtungen, die dem Verteidigungsministerium angegliedert sind, sowie Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen und Milizen. Das bedeutet, dass etwa 85 % der alawitischen Haushalte ohne einen Ernährer dastehen werden und innerhalb weniger Monate eine ganze Gemeinschaft von der Armutsgrenze an die Hungergrenze fallen könnte (Quds 11.1.2025).
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Sicherheitsbehörden in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Gebiete unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Region Nord- und Ostsyrien (DAANES)
In der Demokratischen Autonomen Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) dominieren die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF), eine Koalition von kurdischen, sunnitisch-arabischen und syrisch-christlichen Gruppierungen unter der Führung kurdischer Milizen, insbesondere der Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG). Sie gliedern sich in Einheiten der Inneren Sicherheit, Terrorismusbekämpfung und Kommandoeinheiten (CIA 31.7.2024). Nach Angaben des Pentagons machten Kurden im März 2017 40 % der SDF aus, während Araber 60 % ausmachten, obwohl andere Quellen darauf hinweisen, dass der Prozentsatz der arabischen Kämpfer geringer war. Jedenfalls besteht Konsens darüber, dass die Führung in den SDF den Kurden gehört. Neben syrischen Arabern und Kurden gibt es auch ausländische Kommandeure und Elemente in den SDF. Letztere sollen laut Aussagen des Kommandanten 'Abdi Syrien verlassen, wenn ein Waffenstillstand mit der Türkei bzw. der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) erzielt wurde (AJ 29.1.2025). Die YPG sind die größte Miliz in den SDF (BBC 10.12.2024). Experten schätzen die Anzahl der Kämpfer innerhalb der SDF auf 20.000 bis maximal 30.000. SDF-Anführer 'Abdi gibt die Anzahl mit 100.000 Kämpfer an (AJ 29.1.2025). Im Gegensatz zu den Selbstverteidigungsgruppen, die aus Wehrpflichtigen bestehen, werden die SDF an der Front eingesetzt (DIS 6.2024).
Die SDF nutzen die internationale finanzielle Unterstützung vor allem, um die Gehälter und Löhne ihrer Kämpfer und Verwaltungsangestellten zu zahlen, die zwischen 100 und 800 US-Dollar liegen. Diese Löhne sind die höchsten im Vergleich zu anderen lokalen bewaffneten Gruppen in Syrien, einschließlich der ehemaligen Regimetruppen, was den SDF in hohem Maße geholfen hat, eine kontinuierliche Rekrutierung in ihre Reihen zu gewährleisten (AJ 29.1.2025). Als die SDF im Jahr 2014 im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) andere Kurden zur Unterstützung aufgefordert haben, haben irakische Peshmerga und die türkisch-kurdische Arbeiterpartei (Partiya Karkerên Kurdistanê - PKK) ihnen Unterstützung zugesandt. Einige dieser ausländischen kurdischen Kämpfer haben das Land wieder verlassen. Eine Gruppierung mit Hunderten von Kämpfern ist mit dem Ziel geblieben, den Kurden bei ihrer Selbstverteidigung zu helfen (FAZ 28.1.2025).
Die Revolutionäre Jugendbewegung Syriens (Tevgera Ciwanên Şoreşger) identifiziert sich als sozialistische Bewegung, die von den Ideen Abdullah Öcalans, des inhaftierten Führers der PKK, inspiriert ist, und ideologisch mit der PKK und der Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat - PYD) verbunden ist. Die Jugendgruppe ist im gesamten Nordosten Syriens mit Büros und Zentren sowie einer Vielzahl von auf Jugendliche ausgerichteten kulturellen, politischen und militärischen Ausbildungsaktivitäten stark vertreten, von denen einige von hochrangigen SDF- und Autonomieverwaltungsbeamten besucht und unterstützt werden. Berichten zufolge haben Mitglieder der Revolutionären Jugendbewegung in den letzten Jahren feindselige Handlungen gegen Demonstranten, Journalisten und politische Oppositionsparteien begangen (HRW 2.10.2024).
Obwohl in mehreren schriftlichen Quellen des Danish Immigration Service (DIS) über die Wehrpflicht bei den SDF berichtet wurde, bleibt die Rekrutierung von Personal für die SDF freiwillig und basiert auf einem Vertrag zwischen den SDF und der betreffenden Person. Die Standarddauer des Vertrags beträgt zwei Jahre Dienst bei den SDF, kann jedoch nach Ermessen der Freiwilligen verlängert werden. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die Einzelpersonen weiterhin dazu motivieren, sich freiwillig den SDF anzuschließen. Dazu gehören wirtschaftliche Anreize, wie die im Vergleich zu anderen bewaffneten Gruppen relativ hohen Gehälter, die in Gebieten mit begrenzten Möglichkeiten für alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, wie ar-Raqqa und Deir ez-Zour, wirksam sind. Darüber hinaus ist die Fähigkeit der SDF, Schutz vor anderen Akteuren und Bedrohungen zu bieten, ein wichtiger Faktor für ihre Fähigkeit, Personal in Gebieten mit arabischer Mehrheit zu rekrutieren, und ethnische Kurden schließen sich den SDF an, um ihre Region zu verteidigen. Ein in Erbil ansässiger syrischer Journalist, versicherte, dass die SDF von Zwangsrekrutierungen absehen, um ihren Ruf als professionelle Streitmacht zu wahren. Die SDF vollziehen im Zusammenhang mit der Rekrutierung eine Identitäts- sowie eine Hintergrundüberprüfung durch die sogenannten ‚Komeen‘, die kleinste Verwaltungseinheit im DAANES kontrollierten Gebiet. Personen, die sich für die SDF bewerben, müssen ihren nationalen Personalausweis, Familiendokumente und ein lokales Ausweisdokument, das als ‚Shahadet at-Tarif‘ [arabisch Anm.] bzw. ‚Nasnameh‘ [kurdisch Anm.] bekannt ist und von der örtlichen Komeen ausgestellt wird, vorlegen (DIS 6.2024).
Die Übergangsregierung verfolgt eine zweigleisige Strategie, um die SDF zur Entwaffnung zu zwingen: Sie verhandelt aktiv mit den SDF und stimmt sich gleichzeitig mit der Türkei und der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army - SNA) ab. Sowohl die Türkei als auch die SNA bekämpfen die SDF aktiv in Nordsyrien (ISW 23.1.2025). Ein Treffen im Jänner 2025 zwischen dem syrischen Übergangspräsident Ahmad ash-Shara' und dem Kommandanten der SDF Mazloum 'Abdi sei 'Abdi zufolge positiv verlaufen. Sie hätten sich auf die großen Linien in Bezug auf die territoriale Integrität, die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Stabilität und die Aufrechterhaltung des Zusammenhalts der Institutionen im Allgemeinen geeinigt. Widersprüche gab es in Detailfragen. Zur Klärung eben dieser, wird ein militärisch-administrativer Ausschuss gebildet, um eine Einigung zu erzielen, die beide Seiten zufriedenstellt (Sharq 14.1.2025). Am 10.3.2025 unterzeichneten 'Abdi und Übergangspräsident ash-Shara' ein Abkommen über die Integration der SDF in die staatlichen Institutionen Syriens. Das Abkommen sieht vor, dass die SDF den syrischen Staat bei der Bekämpfung der Überbleibsel des Assad-Regimes und anderer Bedrohungen unterstützen (Arabiya 11.3.2025). In der Vereinbarung wurde ein Waffenstillstand auf allen syrischen Territorien und die Eingliederung aller zivilen und militärischen Einrichtungen im Nordosten Syriens in die Verwaltung des syrischen Staates, einschließlich der Grenzübergänge, des Flughafens und der Öl- und Gasfelder festgehalten. Das Abkommen soll bis Ende des Jahres 2025 umgesetzt werden (AJ 10.3.2025a).
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Streit- und Sicherheitskräfte der gestürzten Assad-Regierung (Stand August 2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 15:44
Streitkräfte
Die syrischen Streitkräfte bestanden aus der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA), die auch die Republikanische Garde umfasste, den Seestreitkräften, den Luftstreitkräften, den Luftverteidigungskräften, den Nationalen Verteidigungskräften (National Defence Forces - NDF) und den Lokalen Verteidigungskräften (Local Defense Forces - LDF). Die NDF und LDF stellten regierungstreue Milizen und Hilfstruppen dar. Einige davon wurden von Iran unterstützt. Daneben wurden die syrischen Streitkräfte auch von den russischen Streitkräften, der mit Iran verbundenen Gruppierung Hizbollah und dem Korps der Islamischen Revolutionsgarden Irans unterstützt (CIA 31.7.2024). Dem New Lines Institute for Strategy and Policy zufolge standen neben den Teilstreitkräften Eliteeinheiten, wie die Vierte Division und die Republikanische Garde auf derselben Hierarchieebene, die teilweise eine direkte Kommunikationslinie zum Präsidenten, ausländischen Kräften und den Geheimdiensten hatten (NLI 3.2023). Die Aufgabe der Republikanischen Garde war die Verteidigung Damaskus' sowie der Schutz der Präsidentenpaläste unter anderem in Lataki, Qardaha, Salanfah, Aleppo (ZAW 29.5.2021). Die Vierte Division wurde ebenfalls zum Schutz der Hauptstadt sowie des Regimes vor Bedrohungen insbesondere von innen etabliert. Während des Bürgerkriegs wurde diese Division allerdings zu einem eigenen Heer ausgebaut, deren Einheiten im ganzen Land operieren. Die Vierte Division wird für viele Übergriffe gegen Zivilisten verantwortlich gemacht und hat daher einen schlechten Ruf in der syrischen Bevölkerung (MEI 24.9.2021). Geführt wurde die Vierte Division vom Bruder des Präsidenten, Maher al-Assad. Er galt als zweitstärkster Mann im syrischen Regime, der außerdem über ein riesiges Finanzimperium verfügte (NLI 3.2023). Die Vierte Division und insbesondere Maher al-Assad spielten eine zentrale Rolle in der etablierten Parallelwirtschaft, die von der groß angelegten Produktion illegaler Drogen, wie Captagon, bis hin zu Schmuggel, Erpressung und informeller Besteuerung des grenzüberschreitenden Handels reicht (BI 27.1.2023). Die Nichtregierungsorganisation Syrian Network for Human Rights (SNHR) sagte in einem Interview mit dem Danish Immigration Service, dass die Vierte Division den Iranischen Revolutionsgarden loyaler verbunden waren als dem syrischen Staat. Wer sich der Republikanischen Garde oder der Vierten Division anschloss, kann mit hohen Gehältern und Straffreiheit bei der Begehung von Straftaten rechnen. Beiden Einheiten werden Übergriffe auf Zivilisten, wie der Beschuss von Häusern von Zivilisten mit Maschinengewehren, Granaten und Panzern, vorgeworfen. Darüber hinaus hatte die Vierte Division SNHR zufolge ihre Existenz mit dem Schmuggel von Rauschmitteln, der Lösegelderpressung von Zivilisten zum Freikauf von Familienangehörigen sowie mit Autodiebstahl und Erpressung an Checkpoins finanziert (DIS 4.2023).
Berichten zufolge leitete Präsident al-Assad eine Sitzung mit den Kommandanten des Sicherheitsapparates, um einen Fahrplan für eine Umstrukturierung des Sicherheitssektors zu erarbeiten. Ziel dabei war die Stärkung der Koordination zwischen verschiedenen Sicherheitsbehörden (AAA 5.8.2024; vgl. Almodon 28.1.2024). Bei einem im Internet veröffentlichten Interview kündigte ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums an, dass der Plan eine Berufsarmee vorsehe. Die Grundvoraussetzungen dafür wurden bereits durch Gesetze, Entscheidungen und Maßnahmen getroffen, wie Anreize und Zugeständnisse (Harmoon 29.5.2024). Einen solchen Anreiz stellte das monatliche Gehalt inklusive Zulagen dar, das Angaben des Mitarbeiters des Verteidigungsministeriums zufolge wesentlich höher sein sollte als jenes von Wehrpflichtigen (100 USD vs. 16-18,5 USD) (AlSouria 6.12.2023). Teil der Umstrukturierung waren auch personelle Umbesetzungen auf der Führungsebene (Jusoor 6.5.2024).
Zu den SAA gehörten auch die Spezialkräfte als reguläre Einheit. Mitglieder dieser Einheit wurden aus anderen Teilen der regulären Streitkräfte rekrutiert. Das bedeutet, dass Wehrpflichtige und Reservisten ebenfalls für den Dienst in den Spezialkräften eingesetzt werden konnten. Die Zahl der Spezialeinheiten ist in den letzten Jahren zurückgegangen, wodurch sich auch die von Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Verstöße gegen Zivilisten reduziert haben. Es wurden in den Jahren 2021 und 2022 von Vorfällen, wie der Tötung von Zivilisten durch diese Spezialkräfte berichtet (DIS 4.2023).
Neben den Wehrpflichtigen gab es auch die Möglichkeit für Freiwillige, sich der Syrischen Arabischen Armee zu verpflichten (MoDSyr 7.8.2024). Eine Freiwilligen-Einheit war die 25th Special Tasks Division (ehemalige Tiger Forces), zu deren Aufgaben der Schutz der Gebiete, in denen sich russische Militärbasen befanden, gehörte. Daneben waren Einheiten dieser Divison auch an den Frontlinien im Gouvernement Idlib stationiert. Obwohl es weniger Vorwürfe gegen die 25th Special Tasks Division gab als gegen die Tiger Forces, wurden ihren Einheiten schwere Übergriffe, wie wahllose Artillerie-Beschüsse von medizinischen und Bildungseinrichtungen und Märkten, Massenhinrichtungen von Zivilisten und bewaffneten Oppositionskämpfern, zur Last gelegt. Zusätzlich dazu wurde ihnen auch Erpressung, Lösegeldforderungen sowie Plünderungen von zivilem Eigentum vorgeworfen (DIS 4.2023).
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Sicherheitskräfte
Das Innenministerium bestand im Allgemeinen aus zwei Behörden: den sog. ‚Inneren Sicherheitskräften‘, der Polizei und der Behörde für zivile Angelegenheiten. Die inneren Sicherheitskräfte waren neben der Aufrechterhaltung der Sicherheit und öffentlichen Ordnung auch für die Einwanderung, Reisepässe, Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsgenehmigungen, die Verkehrsregelung und die Gefängnisse zuständig. Die Behörde für zivile Angelegenheiten bestand aus zivilen Angestellten und befasste sich mit Angelegenheiten in Bezug auf Personenstandsgesetzen, Wahlen, Volksabstimmungen, Pilgerreisen und Grenzen (OSS 22.1.2019). Gemäß offizieller Webseite des syrischen Verteidigungsministeriums waren die Internen Sicherheitskräfte Teil der regulären Streitkräfte in Syrien. Zu ihren Aufgaben gehörte die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und die Teilnahme an der Bewachung lebenswichtiger Ziele gemäß den Anweisungen des Oberbefehlshabers der Armee und der Streitkräfte in Abstimmung mit dem Innenminister und dem regionalen Verteidigungskommando (MoDSyr o.D.; vgl. SYD 17.7.2024). Dem Innenministerium waren auf Provinzebene Polizeikommandos unterstellt, die dieses auf Ebene der Gouvernements vertraten. Ihnen waren Polizeistationen unterstellt. Diese vertraten die Internen Sicherheitskräfte in ihrem Zuständigkeitsbereich und spielten eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit und öffentlichen Ordnung, der Prävention und Kontrolle von Kriminalität und Schutz der öffentlichen und persönlichen Freiheiten. Sie nahmen Beschwerden von Bürgern entgegen und stellten offizielle Mitteilungen zu, wie beispielsweise Einberufungsschreiben (SYD 17.7.2024).
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Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 15:46
Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen - vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon 17.3.2025).
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und ‚für kurze Zeiträume‘. Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vgl. MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vgl. AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte ‚Versöhnungszentren‘ eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla 24.1.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein ‚Versöhnungszentrum‘, wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian 13.1.2025). In diesen ‚Versöhnungszentren‘ erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk ‚desertiert‘. Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham 10.3.2025). Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur (DNewsEgy 3.2.2025). Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den ‚Versöhnungszentren‘ in verschiedenen Städten aufgetaucht sind (BBC 29.12.2024). Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen ‚Versöhnungsprozessen‘ entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen (MEI 13.3.2025).
Der Übergangspräsident Ahmed ash-Shara' hat die Vision einer neuen ‚Nationalen Armee‘ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeblich die Führung übernehmen soll (DNewsEgy 3.2.2025). Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln (Arabiya 6.1.2025b). Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) (MAITIC 9.1.2025). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren (UNSC 7.1.2025). Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein (Al Majalla 24.1.2025). Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission. (AlHurra 12.2.2025).
Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025). Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (UNSC 7.1.2025).
Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden (SCI o.D.). Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben (Arabiya 10.2.2025a). Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei (Syria TV 21.2.2025). Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen (Enab 12.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.3.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara'a in Südsyrien eröffnet (NPA 17.3.2025). Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet (ISW 16.4.2025). Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung (FDD 28.1.2025).
Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit (Syria TV 26.2.2025).
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Wehr- und Reservedienst in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Letzte Änderung 2025-05-08 15:58
Wehrdienst
Der Gesellschaftsvertrag von 2023 regelt in der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) in Abschnitt 5 die Selbstverteidigungspflicht. Artikel 111 besagt, dass Selbstverteidigung eine Garantie und Fortsetzung des Lebens, und basierend auf dem Recht und der Pflicht ist, die Existenz zu verteidigen. Sie erfordert die Einrichtung eines Selbstschutzsystems, das auf dem Bewusstsein der legitimen Selbstverteidigung und der organisierten demokratischen Gesellschaft in Nord- und Ostsyrien beruht. Einerseits gibt es die Community Protection Forces, die für den Schutz Nord- und Ostsyriens und die Gewährleistung des Schutzes von Leben und Eigentum der Bürger vor allen Angriffen und Besatzungen verantwortlich sind. Die Community Protection Forces werden unter Beteiligung aller Bürger organisiert. Selbstverteidigung ist ein Recht und eine Pflicht für jeden Bürger. Es ist die Pflicht organisierter ethnischer und religiöser Gruppen, sich wirksam am Selbstverteidigungssystem zu beteiligen, angefangen bei Stadtvierteln, Dörfern, Städten und allen Wohneinheiten. Anderseits erwähnt Artikel 111 auch die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF). Sie sind die legitimen Verteidigungskräfte in der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens. Sie nehmen den freiwilligen Beitritt der Söhne und Töchter des Volkes und die Pflicht zur Selbstverteidigung an. Ihre Aktivitäten werden vom Demokratischen Volksrat und der Verteidigungskommission überwacht. Sie organisieren sich autonom innerhalb des Demokratischen Konföderalen Systems Nord- und Ostsyrien und haben die Aufgabe, die DAANES und alle syrischen Gebiete zu verteidigen und sie vor jeglichen potenziellen Angriffen oder Gefahren von außen zu schützen (RIC 14.12.2023). Laut Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigung gelten Männer mit Vollendung des 18. Lebensjahres als wehrpflichtig und müssen den Selbstverteidigungsdienst bis zum vierzigsten Lebensjahr vollendet haben (Artikel 13). Wehrpflichtig ist jeder männliche Bewohner der Region Nord- und Ostsyrien, der das gesetzliche Alter für die Ausübung des Selbstverteidigungsdienstes erreicht hat, bzw. jeder, der seit mehr als drei Jahren dauerhaft in Nord- und Ostsyrien ansässig ist und die syrische Staatsangehörigkeit besitzt (Artikel 1) (AANES-GC 22.2.2024). Zwei Quellen, die vom Danish Immigration Service (DIS) befragt wurden, äußerten jedoch Zweifel an der konsequenten Einberufung von Personen von außerhalb der DAANES in allen Regionen (DIS 6.2024). Frauen in den von der Autonomen Verwaltung kontrollierten Gebieten können freiwillig Wehrdienst leisten (Enab 22.2.2024). Wladimir van Wilgenburg, Journalist und Autor, und ein Experte für syrische Kurden haben noch von keinem Fall gehört, in dem Frauen zwangsweise zur Selbstverteidigung eingezogen wurden (DIS 6.2024).
Das sogenannte Verteidigungsbüro des Exekutivrats der ‚Demokratischen Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien‘ hat die für die Wehrpflicht erforderlichen Geburtsjahrgänge festgelegt, während die Verhaftungskampagnen gegen junge Menschen für die Einberufung in die Reihen der SDF weitergehen. Die Erklärung wurde vom Verteidigungsbüro der Autonomen Verwaltung an alle Verteidigungsbüros in der Region verteilt. Darin steht, dass wer zwischen dem 1.1.1998 und dem 31.12.2005 für den Dienst der Selbstverteidigung wehrpflichtig ist (Shaam 10.1.2024). Bereits vier Tage nach dem Erlass der Richtlinien, in der die Geburtsjahrgänge für die Selbstverteidigungspflicht bekannt gemacht wurden, nahmen die SDF eine Rekrutierungskampagne in al-Hasaka im Juni 2024 wieder auf, nachdem sie im Monat zuvor, am 8.5.2024 die Rekrutierungsprozesse eingestellt hatten (Enab 27.6.2024a). Anfang Juli 2024 wurden beispielsweise 240 Personen in den Provinzen Deir ez-Zour, al-Hasaka und ar-Raqqa gefangen genommen, um sie für den Militärdienst zu rekrutieren (SO 2.7.2024). Die Dienstzeit im Selbstverteidigungsdienst beträgt laut Artikel 2 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungspflicht zwölf volle Monate beginnend mit dem Datum der Einschreibung des Wehrpflichtigen (AANES-GC 22.2.2024).
2014 wurde die Zwangsrekrutierung von den Volksschutzeinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG), einer militärischen Säule der SDF, im Anschluss an das Dohuk-Abkommen, bei dem sich die kurdischen Parteien in der irakischen Stadt Dohuk getroffen hatten, um eine Einigung über die Verwaltung der Region zu erzielen, eingeführt (Enab 22.2.2024).
Araber und Kurden werden laut von ACCORD befragten Experten vor dem Gesetz gleichbehandelt. Fabrice Balanche erklärt jedoch, dass mehr Flexibilität gegenüber Arabern gezeigt werden würde, um einen Aufstand zu vermeiden. Arabische Stammesführer hätten lokal die Macht und würden für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken. Einem Syrienexperten zufolge seien die speziellen Konsequenzen für Araber von Region zu Region unterschiedlich. Nicht alle von den SDF kontrollierten Gebiete stünden unter derselben Art von Kontrolle. In den vornehmlich arabisch besiedelten Stammesregionen von Deir ez-Zour hätten die SDF beispielsweise nicht die Kapazität, eine direkte Rekrutierung wie in der Provinz al-Hasaka durchzusetzen. Anders als Balanche meint Muhsen Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, dass arabische Wehrdienstverweigerer bei der Festnahme anders behandelt werden und Beleidigungen und Gewalt ausgesetzt sein könnten (ACCORD 6.9.2023). Quellen des Danish Immigration Service (DIS) zufolge ist DAANES bei der Umsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigung in Gebieten mit überwiegend arabischer Bevölkerung vorsichtig. Ebenso werden Christen in der Praxis nicht der gleichen Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigung unterworfen wie Kurden, so eine weitere Quelle. Daher nehmen christliche Jugendliche in der Regel nicht an der Selbstverteidigungspflicht teil, sondern treten stattdessen für drei Jahre der christlichen Polizeitruppe Sutoro bei. Dieser Dienst befreit sie von der Selbstverteidigungspflicht (DIS 6.2024).
Mehrere Quellen des DIS, darunter ein ehemaliger Rekrut, der seine Wehrpflicht vor zwei Jahren erfüllt hat, berichteten, dass der Selbstverteidigungsdienst mit einem grundlegenden theoretischen und praktischen militärischen Ausbildungsprogramm beginnt. Während des theoretischen Teils erhalten die Wehrpflichtigen Unterricht in allgemeiner Geschichte der Nationalen Streitkräfte sowie in Kultur und Ethik. Sie erhalten auch eine theoretische Einführung in militärische Themen, einschließlich militärischer Begriffe und Waffen. Im praktischen Teil des Ausbildungsprogramms absolvieren die Wehrpflichtigen ein körperliches Training und eine Waffenausbildung. Während der ersten Phase der Grundausbildung haben die Wehrpflichtigen keinen einzigen Tag frei. Nach Abschluss ihrer Ausbildung haben sie acht bis zehn Tage frei, bevor sie in ihren jeweiligen Einheiten und Aufgabenbereichen eingesetzt werden. Anschließend haben die Wehrpflichtigen für den Rest ihres Dienstes alle zehn Tage einen Tag frei. Nach der Ausbildungszeit, die bis zu zwei Monate dauert, werden die Wehrpflichtigen verschiedenen Aufgaben in unterschiedlichen Zentren oder Einheiten zugewiesen, wo sie für den Rest ihres Dienstes tätig sind. Die Ausbildung oder Qualifikationen der Wehrpflichtigen werden bei der Zuweisung ihrer Aufgaben oft berücksichtigt. So werden beispielsweise diejenigen mit einem besseren Bildungshintergrund und besseren Fähigkeiten Aufgaben in Büros oder Einrichtungen zugewiesen, die von ihren Fähigkeiten profitieren könnten. Wehrpflichtige mit niedrigem oder ohne Bildungshintergrund werden oft für Aufgaben im Zusammenhang mit der Bewachung oder dem Schutz öffentlicher Gebäude eingesetzt. Im Allgemeinen werden die Wehrpflichtigen nicht in Kampfsituationen eingesetzt. Es gab jedoch Fälle, in denen die Wehrpflichtigen in Kampfsituationen verwickelt waren, z. B. während der Schlacht um Afrin im Jahr 2018, bei schweren Kämpfen in Deir ez-Zour im Sommer 2023, bei den Kämpfen in Tell Abyad und bei Angriffen des Islamischen Staats (IS) auf das Gefängnis von al-Hasaka (2022), das hauptsächlich von Wehrpflichtigen bewacht wurde (DIS 6.2024).
Aufschub und Befreiung
Die Gesetzgebung erlaubt es Personen, die zur Selbstverteidigung verpflichtet sind, ihren Dienst aufzuschieben oder sich davon befreien zu lassen, je nach ihren individuellen Umständen. Diese Regeln, die unter anderem Ausnahmen aus medizinischen Gründen und Aufschübe für Studierende oder im Ausland lebende Personen vorsehen, werden von der DAANES aufrechterhalten und durchgesetzt. Einer Person, der eine Befreiung oder Entlassung von der Selbstverteidigungspflicht gewährt wurde, wird dies in ihrem Selbstverteidigungsheft vermerkt (DIS 6.2024). Das Gesetz Nr. 1 über die Selbstverteidigungspflicht erlaubt es durch Artikel 16 Studierenden, wenn diese die erforderlichen Unterlagen vorlegen, ihre Einberufung jeweils für ein akademisches Jahr, beginnend mit 15. März jeden Jahres, aufzuschieben (AANES-GC 22.2.2024). Im September 2023 nahm die Selbstverwaltung im Nordosten Syriens Änderungen im Gesetz zur Selbstverteidigung vor. Die Änderungen legen eine bestimmte Altersgrenze für den Aufschub des Studiums fest, und zwar für jede einzelne Ausbildungsstufe. So kann ein Masterstudent den Dienst bis zum Alter von 32 Jahren aufschieben und hat kein Recht auf Aufschub nach diesem Alter, auch wenn er seine Studien oder einen weiteren Studienzweig noch nicht abgeschlossen hat. Ein neuer Artikel Nr. 30 wurde dem Gesetz hinzugefügt, der vorsieht, dass Ärzte und Apotheker, die ihr Studium abgeschlossen haben und sich zum Dienst auf dem Land verpflichten, ihren Wehrdienst um ein volles Jahr aufschieben können, sofern der Antragsteller das 30. Lebensjahr nicht überschritten hat. Bereits im Jahr 2018 wurde das Gesetz geändert, beispielsweise wurde ein Aufschub von Universitätsstudenten, des einzigen Kindes in der Familie, wie von Familien der Gefallenen und derjenigen, die Brüder in den Inneren Sicherheitskräften (Assayish) und der YPG haben (Enab 22.2.2024). Laut Artikel 17 wird Studenten, die einen Studienaufschub erhalten haben und das Alter für die Aufnahme des Studiums noch nicht erreicht haben, wie z. B. Studenten, die einen Studienaufschub erhalten haben, während sie noch 17 Jahre alt waren, dieses Jahr nicht als eines der Aufschubjahre gezählt. (AANES-GC 22.2.2024). Darüber hinaus stellte eine Quelle des Verteidigungsministeriums der DAANES klar, dass Studierende nicht an Bildungseinrichtungen innerhalb der DAANES eingeschrieben sein müssen, um für eine Aussetzung ihrer Selbstverteidigungspflicht infrage zu kommen. Sie können auch an Einrichtungen in von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten oder in den Nachbarländern Syriens, einschließlich der Türkei, des Irak, des Libanon und Jordaniens, eingeschrieben sein (DIS 6.2024).
Gemäß Artikel 25 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungspflicht wird Brüdern von Wehrpflichtigen derselben Mutter innerhalb der Selbstverteidigungspflicht, die den Ausbildungskurs abgeschlossen haben, ein Aufschub gewährt. Dieser Aufschub wird zweimal für jeweils sechs Monate gewährt. Artikel 26 regelt administrative Aufschübe. So kann, wer frisch von außerhalb Syriens zurückgekehrt ist, eine Aufschiebung für maximal sechs Monate bekommen. Der einzige Bruder eines Vermissten kann einen Aufschub für zwei Jahre bekommen. Geschwister, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und deren Eltern verstorben oder behindert sind, können ein Jahr aufschieben. Die genannten Aufschübe werden nach einer Überprüfung durch das Zentrum für Selbstverteidigungsaufgaben und der Genehmigung durch die Abteilung für Selbstverteidigungsaufgaben gewährt (AANES-GC 22.2.2024). Personen, die mindestens drei Jahre lang in einer Einrichtung oder Truppe unter dem DAANES gedient haben, können von der Selbstverteidigungspflicht befreit werden. Dies gilt für bezahlte, auf einem Vertrag basierende Dienste in jeder vom DAANES anerkannten Einrichtung, wie z. B. der Verkehrspolizei. Ehemalige Mitglieder der Internen Sicherheitskräfte (Assayish) oder der SDF sind vom Selbstverteidigungsdienst befreit, wenn sie bereits zwischen 2012 und 2015 mindestens zwei Jahre lang bei der Assayish oder der SDF gedient haben. Auch Personen, die derzeit drei bis fünf Jahre lang bei der Assayish oder der SDF dienen, können eine Befreiung beantragen. Junge Männer, die nicht dienen wollen, können alternative Wege in Betracht ziehen, um die Vorschriften des Gesetzes über die Selbstverteidigungspflicht zu erfüllen. Eine Möglichkeit besteht darin, drei Jahre lang bei der Verkehrspolizei zu dienen, wodurch sie sich für eine Befreiung von ihrer Selbstverteidigungspflicht qualifizieren würden (DIS 6.2024).
Von der Pflicht zur Selbstverteidigung befreit sind laut Artikel 29 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungspflicht: Kinder und Geschwister von Märtyrern, die offiziell in den Registern der Märtyrer-Familien-Kommission eingetragen sind und eine Bescheinigung über das Märtyrertum besitzen, Personen mit besonderen Bedürfnissen und Patienten mit Krankheiten, die sie an der Ausübung ihrer Pflicht hindern, gemäß den medizinischen Berichten des militärmedizinischen Zentrums und der Genehmigung der Verteidigung in den autonomen und zivilen Verwaltungen, der einzige Sohn von Eltern oder eines Elternteils, unabhängig davon, ob beide leben oder tot sind, ein Findelkind, dessen Abstammung nicht bekannt ist. Alle männlichen Geschwister mit besonderen Bedürfnissen werden gemäß den Berichten des militärmedizinischen Zentrums als das einzige Geschwisterkind behandelt (AANES-GC 22.2.2024). Je nach Art der Erkrankung kann eine Person entweder von der Dienstpflicht befreit oder von ihr zurückgestellt werden. Medizinische Befreiungen werden bei körperlichen und psychischen Erkrankungen gewährt, die die betreffende Person daran hindern, der Selbstverteidigungspflicht nachzukommen. In solchen Fällen wird eine medizinische Untersuchung durchgeführt, um die Dienstfähigkeit der Person festzustellen. Gemäß Artikel 29 des Gesetzes über die Selbstverteidigungspflicht können Personen mit besonderen Bedürfnissen und Patienten mit Krankheiten, die sie an der Erfüllung der Selbstverteidigungspflicht hindern, von der Pflicht befreit werden, wenn sie über einen genehmigten medizinischen Bericht des Militärmedizinischem Zentrums und die Genehmigung der Verteidigungsämter in Verwaltungs- und Zivilabteilungen verfügen. Ein syrischer Universitätsprofessor teilte dem Danish Immigration Service mit, dass die Regeln für medizinische Ausnahmen weiterhin von den DAANES-Behörden umgesetzt und eingehalten werden (DIS 6.2024).
Gemäß Artikel 27 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungsdienstpflicht müssen Einwohner und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis aus allen Ländern mit Ausnahme der Länder, die eine Landgrenze zu Syrien haben, eine jährliche Aufschubgebühr von 400 US-Dollar für jedes Jahr ab Inkrafttreten des Gesetzes zahlen (AANES-GC 22.2.2024). Die Stundung durch Zahlung dieser Gebühr kann insgesamt zweimal in Anspruch genommen werden. Einzelpersonen können sich innerhalb der DAANES frei bewegen, ohne nach Zahlung der Gebühr zur Selbstverteidigung eingezogen zu werden. Einzelpersonen aus den DAANES, die in den Nachbarländern Syriens leben, können eine Stundung aus Bildungsgründen erhalten, z. B. wenn sie an einer Bildungseinrichtung in der Türkei eingeschrieben sind (DIS 6.2024). Gemäß Artikel 36 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungsdienstpflicht sind Personen nicht verpflichtet, den Selbstverteidigungsdienst zu leisten, wenn sie eine nicht-syrische Staatsbürgerschaft erhalten (AANES-GC 22.2.2024). Männer in der entsprechenden Altersgruppe, die Syrien verlassen haben, aber nach Überschreitung des Höchstalters für den Dienst zurückkehren, erhalten in der Regel Amnestie. Es kann jedoch eine Geldstrafe von bis zu 300 US-Dollar verhängt werden (DIS 6.2024).
Wehrpflichtverweigerer und Deserteure
Gemäß Artikel 15 des Gesetzes Nr. 1. über die Selbstverteidigungspflicht wird jeder säumige Soldat, der eingezogen wird, bestraft, indem er einen Monat auf das Ende seiner Dienstzeit angerechnet bekommt (AANES-GC 22.2.2024). Dass die Bestrafung mit einem zusätzlichen Monat auch in der Praxis so gehandhabt wird, bestätigten die von der Danish Immigration Service befragten Quellen. Die Namen der Wehrdienstverweigerer werden veröffentlicht und an Checkpoints weitergegeben. Dort wird nach ihnen gesucht, nicht aber in ihren Wohnhäusern (DIS 6.2024). Diejenigen, die auf frischer Tat beim illegalen Überschreiten der Grenze ertappt werden, werden direkt in das Ausbildungszentrum gebracht, um ihre Pflicht zur Selbstverteidigung zu erfüllen, besagt Artikel 28 im Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigungspflicht (AANES-GC 22.2.2024). Gemäß Quellen des Danish Immigration Service (DIS) werden Wehrdienstverweigerer, wenn sie an Checkpoints aufgegriffen werden, vorübergehend festgenommen und zur Ableistung ihres Dienstes geschickt. Die Familie des Betroffenen wird über seine Festnahme und Einberufung informiert. Den Quellen des DIS waren keine Fälle von Gewalt oder Misshandlung von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren bekannt, die an Kontrollpunkten gefasst wurden. Das Leben ist für diejenigen, die sich der Selbstverteidigungspflicht in den Nationalen Sicherheitskräften entziehen, eine Herausforderung, da viele junge Männer Kontrollpunkte meiden und auf Fluchtmöglichkeiten warten. Quellen berichteten von Entflohenen, die sich jahrelang versteckt hielten. In arabisch dominierten Gebieten kann die Flucht länger andauern, da die Behörden vorsichtig vorgehen, um keine Spannungen zu provozieren, indem sie diejenigen suchen und verhaften, die ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind (DIS 6.2024). Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, schreibt in einer E-Mail an ACCORD vom September 2023, dass alle Wehrdienstverweigerer unter die Bestimmungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht fallen würden und dem Gesetz entsprechend behandelt würden. Die Assayish würden den Wohnort von zum Dienst gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleiben, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft. Ein von ACCORD kontaktierter Syrienexperte gibt in einer E-Mail-Auskunft vom August 2023 an, dass die Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften vom Profil des Wehrpflichtigen und der Region, aus der er stamme, abhingen. Je strenger die kurdische Kontrolle, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass Rekruten nicht das Risiko eingehen würden, offen Einwände gegen den Selbstverteidigungsdienst zu zeigen. In al-Hasaka beispielsweise könnten Personen im dienstfähigen Alter verhaftet und zum Dienst gezwungen werden (ACCORD 6.9.2023).
Die SDF definieren einen Deserteur im Selbstverteidigungsgesetz als einen Kämpfer, der nach seinem Eintritt 15 aufeinanderfolgende Tage des Dienstes versäumt hat, während die volle Dienstzeit zwölf Monate beträgt (Enab 22.2.2024). Laut zwei vom DIS befragten Quellen werden Deserteure zwar nicht zusätzlich bestraft, aber es werden Ermittlungen zu ihren Motiven für die Desertion durchgeführt. Deserteure entscheiden sich oft dafür, die Region aus Angst vor möglichen Konsequenzen zu verlassen, obwohl die Einzelheiten dieser Konsequenzen unklar bleiben. Sowohl für Wehrdienstverweigerer als auch für Deserteure werden regelmäßig Amnestien angekündigt, vorausgesetzt, sie melden sich zum Wehrdienst und leisten ihn ab. Die jüngste Amnestie wurde Anfang Mai 2024 erlassen. Junge Menschen kommen ihren Verpflichtungen zur Selbstverteidigung in der Regel umgehend nach, wenn in der DAANES eine stabile Sicherheitslage herrscht, während sie sich bei anhaltenden externen Sicherheitsbedrohungen aktiv um eine Dienstverweigerung bemühen können (DIS 6.2024).
Familienangehörige von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren werden nicht bestraft. Den Quellen des DIS waren keine Fälle bekannt, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aufgrund der Wehrdienstverweigerung oder Desertion ihrer Verwandten Schikanen oder anderen Verstößen ausgesetzt waren, selbst in Fällen, in denen der Wehrdienstverweigerer an einem Checkpoint festgenommen wurden (DIS 6.2024).
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Bewegungsfreiheit - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Die Interimsregierung installiert Checkpoints, an denen Autos durchsucht werden. Es wird überprüft, wer unterwegs ist, beispielsweise um Menschen zu verhaften, die für Verbrechen gegen das syrische Volk in der Zeit des Regimes verantwortlich sind (PBS 16.12.2024). Die Kontaminierung durch explosive Kampfmittel stellt nach wie vor eine große Bedrohung für Zivilisten, die sich zwischen ehemaligen Kontrollgebieten bewegen, dar (UNOCHA 23.12.2024).
Laut Aussage des syrischen Verkehrsministers bei einem Interview mit der kurdischen Zeitung Rudaw haben die neuen syrischen Machthaber vom ersten Tag der Befreiung an damit begonnen, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, insbesondere durch die Sicherstellung der Grundversorgung, z. B. mit Brot und Treibstoff, zusätzlich zur Sicherung des Transportsektors, damit sich die Menschen zwischen den Provinzen bewegen können. Sie haben damit begonnen, Treibstoff für Fahrzeuge zu sichern, damit sie in Abstimmung mit dem Ölministerium eingesetzt werden können, und Fahrten zwischen Damaskus und den restlichen Provinzen, zwischen Idlib und den restlichen Provinzen und zwischen Aleppo und restlichen Provinzen zu organisieren, zusätzlich zum internen Transport innerhalb jeder Provinz. Sie haben mit der Umsetzung eines Plans zur Festlegung spezifischer Preise, die für Fahrzeugbesitzer und für Menschen mit sehr begrenztem Einkommen angemessen sind, begonnen. Etwa 70 bis 80 % der Preis- bzw. Transporttarifstruktur wurden fertiggestellt und umgesetzt. Was die Versorgung der Öffentlichkeit betrifft, so wurden etwa 50 bis 60 % der Strecken, ob intern oder extern, gesichert (Rudaw 1.2.2025).
In Idlib wurden viele Checkpoints abgebaut und Haftbefehle oder andere Arten von Kontrollen werden kaum noch vollstreckt (Etana 17.1.2025).
Bezüglich Verkehr und Handel mit den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gibt es laut Aussage des syrischen Verkehrsministers in einem Interview mit der kurdischen Zeitung Rudaw Sicherheitsprobleme und Risiken für die Bewegungsfreiheit der Menschen. Er hoffe auf eine schnelle Lösung des Problems, damit die Menschen in al-Hasaka und Deir ez-Zour Damaskus und ihre anderen Verwandten in den anderen Provinzen besuchen können (Rudaw 1.2.2025).
Wehrpflichtige im Regime al-Assads mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, sich frei im Land zu bewegen (BBC 29.12.2024). Deswegen wollten ehemalige Soldaten ihre Daten bei der neuen Übergangsregierung registrieren lassen, um neue Ausweise zu erhalten, mit denen sie in Syrien leben und sich frei bewegen können. Hunderte von ihnen wurden in Versöhnungszentren vorstellig (FR24 2.1.2025).
In Syrien gibt es fünf zivile Flughäfen, von denen nur Damaskus und Aleppo in Betrieb sind. Die beiden Flughäfen funktionieren gut. Der Flughafen Hmeimim in Latakia könnte laut syrischem Verkehrsminister bald in Betrieb genommen werden. Der Flughafen funktioniert, aber aufgrund der Präsenz der russischen Basis wird erst ein Plan entwickelt, um dieses Problem bezüglich ihrer Anwesenheit zu lösen. Daneben gibt es noch den zivilen Flughafen Deir ez-Zour, der jedoch stark beschädigt ist und Wartungskosten erfordert (Rudaw 1.2.2025). Am 8.1.2025 landete der erste internationale kommerzielle Flug seit dem Sturz des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad auf dem Flughafen von Damaskus (AJ 7.1.2025). Der Internationale Flughafen von Damaskus wurde in der Nacht vom 7. auf den 8.12.2024 geplündert, nachdem die Flughafenwachen geflohen waren, als Oppositionskräfte die Hauptstadt einnahmen. Der Großteil der technischen und ingenieurwissenschaftlichen Ausrüstung und des Zubehörs wurde gestohlen. Am 18.12.2024 wurde der Flughafen teilweise wiedereröffnet, als ein Inlandsflug in die nördliche Stadt Aleppo startete. Beamte des Flughafens gaben damals an, dass die Wiedereröffnung aufgrund von Vandalismus und Diebstählen nur teilweise erfolgte. Der Hauptflughafen Syriens in der Hauptstadt Damaskus nahm seinen vollen Betrieb am 8.1.2025 wieder auf (DS 7.1.2025). Es gibt nur sehr wenige syrische Flugzeuge. Der Staat besitzt nur zwei einsatzfähige Flugzeuge und es gibt einige Flugzeuge, die gewartet werden müssen, was vielleicht so teuer ist wie der Wert des Flugzeugs selbst. Zusätzlich gibt es ein unabhängiges syrisches Unternehmen, das vielleicht fünf oder sechs einsatzfähige Flugzeuge hat, und es gibt Verträge mit vielen Unternehmen. Das Problem liegt nicht in der Verfügbarkeit syrischer Flugzeuge, sondern in den Beschränkungen des Regimes für Verträge, in die der Luftfahrtsektor investieren könnte. In der nächsten Phase sollen die Flughäfen von Damaskus und Aleppo eine gute Anzahl von Flugzeugen erhalten (Rudaw 1.2.2025). Nur wenige Fluggesellschaften fliegen Syrien wieder an oder haben angekündigt, ihre Flüge ins Land wieder aufzunehmen (NTV 18.1.2025). Die Zahl der Flüge nach Damaskus nehme laut syrischem Verkehrsminister jeden Tag zu. Der Flughafen in Qamishli wurde drei Tage nach der Befreiung Syriens vom Assad-Regime von den SDF übernommen. Sie unterbrachen die Kommunikation mit Damaskus. Nach der Befreiung des Gebiets von den SDF, wird der Flughafen Qamishli aktiviert werden, so der Verkehrsminister (Rudaw 1.2.2025).
Dem syrischen Verkehrsminister zufolge sind 60 bis 70 % der Eisenbahnstrecken außer Betrieb und 30 bis 40 % der bestehenden Strecken müssen dringend gewartet werden. Züge und Lokomotiven und alle Bahnhöfe müssen gewartet werden, und es werden Ersatzteile gebraucht. Der Zugbetrieb wurde für den Transport von Grundstoffen wie Treibstoff und anderen Materialien von der Küste nach Aleppo und Damaskus wieder aufgenommen, und die Eisenbahn funktioniert, aber alle Gleise sind alt, und wenn der Transport zunimmt, müssen sie neu und kostspielig gewartet werden. Es gibt Gleise, die nicht mehr gewartet werden können, sondern komplett ausgetauscht werden müssen. Einige Strecken, die den Irak und Syrien verbinden und durch al-Hasaka führen, sind außer Betrieb, andere haben einige ihrer Bestandteile verloren und wieder andere funktionieren, aber aus Sicherheitsgründen wurden diese Strecken gesperrt. Es werden die Möglichkeiten für eine Hochbahn oder eine U-Bahn in Damaskus geprüft. Derzeit ist der Plan für ein U-Bahnnetz nur für Damaskus vorgesehen, da es in Damaskus zu viele Staus gibt. Wenn der Plan durch internationale Unternehmen erfolgreich ist, wird die Übergangsregierung vielleicht mit der Umsetzung beginnen (Rudaw 1.2.2025).
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Gebiete unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Region Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Nachdem ein interner Grenzübergang zu Manbij und 'Ain al-'Arab geschlossen wurde, ist der Personen- und Warenverkehr seit Mitte Dezember behindert. Der andauernde Beschuss und gewalttätige Zwischenfälle in der Nähe der Qaraqozak-Brücke blockieren auch den Zugang zwischen Manbij und Gebieten östlich des Euphrat, einschließlich des Gouvernements ar-Raqqa (UNOCHA 30.1.2025).
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Rückkehr - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 21:23
Mit dem Sturz al-Assads kehrten Tausende Syrer aus dem Libanon und der Türkei nach Syrien zurück. Für viele war das Assad-Regime das Haupthindernis für die Rückkehr in ihre Heimat. Die Aufnahmeländer haben diese Begeisterung genutzt, um weitere Rückkehrer zu ermutigen (CSIS 11.12.2024). Zehn Tage nach dem Sturz des syrischen Regimes am 8.12.2024 erklärte die Europäische Union (EU), sie schätze, dass zwischen Januar und Juni 2025 etwa eine Million syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückkehren würden. Das wurde durch die Direktorin des Büros des UNHCR für den Nahen Osten und Nordafrika bestätigt. Ahmad ash-Shara', der Befehlshaber der Militäroperationen in Syrien, der später zum Übergangspräsidenten des Landes wurde, betonte bei einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Geir Pedersen, dass eine seiner ersten Prioritäten darin bestehe, zerstörte Häuser wieder aufzubauen und die Vertriebenen in das letzte Zelt zurückzubringen, während er gleichzeitig sehr wichtige wirtschaftliche Entscheidungen treffe (Almodon 13.2.2025).
Bis August 2024 waren schätzungsweise 34.000 Flüchtlinge zurückgekehrt, aber nach der Invasion Israels im Libanon im Oktober 2024 flohen weitere 350.000 aus dem Libanon zurück nach Syrien, um dem Konflikt zu entkommen. Mit weiteren 125.000 Rückkehrern seit dem Sturz al-Assads Anfang Dezember erreichte die Gesamtzahl der Rückkehrer im Jahr 2024 fast eine halbe Million (FA 11.2.2025). Laut UNOCHA wurden bis 15.12.2024 225.000 Rückkehrer in ganz Syrien registriert. Die Mehrheit ist in die Gouvernements Hama und Aleppo zurückgekehrt. Das bedeutet, dass die Zahl der Menschen, die neu vertrieben wurden, von 1,1 Millionen, wie am 12.12.2024 gemeldet, auf 882.000 Menschen am 15.12.2024 gesunken ist. Von dieser Zahl wurden mindestens 150.000 Menschen mehr als einmal vertrieben. Viele Familien sind in frühere Lager in ihren Herkunftsgebieten zurückgekehrt, weil es in ihren Heimatstädten an grundlegenden Versorgungsleistungen mangelt oder die Infrastruktur beschädigt ist. Einige Familien gaben auch an, dass sie auf die Räumung von Kampfmittelrückständen in ihren Herkunftsgebieten warten, bevor sie zurückkehren (UNOCHA 16.12.2024). UNHCR schätzt, dass von 8.12.2024 bis 2.1.2025 über 115.000 Syrer nach Syrien zurückgekehrt sind, basierend auf öffentlichen Erklärungen von Aufnahmeländern, Kontakten mit Einwanderungsbehörden in Syrien und dem UNHCR sowie der Grenzüberwachung durch Partner (UNHCR 2.1.2025). Insgesamt sind nach Angaben des UNHCR 800.000 vertriebene Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt, darunter 600.000 Binnenvertriebene (Internal Displaced Persons - IDPs) (Stand 31.1.2025) (AlHurra 31.1.2025). Die Zahl der Personen, die in das Gouvernement Aleppo zurückkehren, ist am höchsten, wobei die Rückkehrer die verbesserte Sicherheitslage und die Abschaffung des Wehrdienstes als Hauptgründe für ihre Rückkehr nennen (UNHCR 2.1.2025). Grundsätzlich verzeichnen die UN einen Anstieg an rückkehrwilligen Syrern, die im Nahen Osten leben. Fast 30 % geben an, in ihre Heimat zurückzuwollen. Als großes Hindernis für die Rückkehr sieht UNHCR-Chef Grandi die Sanktionen (Zeit Online 26.1.2025). Die syrischen Behörden gaben an, dass innerhalb von zwei Monaten nach der Befreiung Syriens 100.905 Bürger über die Grenzübergänge der Türkei zurückgekehrt sind. Der Grenzübergang Jdaydat Yabous/ Masna' zum Libanon fertigte in zwei Monaten 627.287 Reisende ab, darunter 339.018 syrische Staatsbürger und arabische und ausländische Gäste, und 288.269 Ausreisende. Im gleichen Zeitraum wurden am Grenzübergang Nassib/ al-Jaber zu Jordanien 174.241 Passagiere syrischer Staatsbürger und arabischer und ausländischer Gäste abgefertigt, davon 109.837 bei der Einreise und 64.404 bei der Ausreise. Am Grenzübergang al-Bu Kamal/ al-Qa'im wurden 5.460 syrische Staatsbürger abgefertigt, die im Irak leben und zurückkehren, um sich dauerhaft in Syrien niederzulassen (Nashra 11.2.2025). Bei den Angaben zu Rückkehrern sind die zuständigen Behörden und Forschungszentren nicht in der Lage festzustellen, ob diese Menschen lediglich zurückgekehrt sind, um ihre Familien zu besuchen und zu treffen, oder ob sie freiwillig und dauerhaft zurückgekehrt sind (Almodon 13.2.2025).
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CNN zufolge gab es nicht nur einen Strom von Rückkehrern, sondern auch zahlreiche Familien, die - meist aufgrund ihrer Konfession - aus Angst vor der neuen Regierung das Land verlassen wollten (CNN 12.12.2024).
Im Jänner 2025 führte UNHCR eine Befragung zu Wahrnehmungen und Absichten von Flüchtlingen in Jordanien, Libanon, Irak und Ägypten durch. Ein zunehmender Anteil erklärte die klare Absicht, zurückzukehren. Insgesamt hoffen 80 % der Flüchtlinge, eines Tages nach Syrien zurückkehren zu können. Dies stellt eine deutliche Veränderung der Rückkehrabsichten der Flüchtlinge im Vergleich zur letzten Umfrage im April 2024 dar, bei der nur 57 % der Flüchtlinge die Hoffnung äußerten, eines Tages zurückkehren zu können. Viele Flüchtlinge weisen auf erhebliche Hindernisse für eine Rückkehr hin, darunter Schulden in den Aufnahmeländern und Schäden an ihren Häusern in Syrien (UNHCR 23.1.2025). In der erwähnten Umfrage gab ein Viertel der Befragten an, in den nächsten zwölf Monaten zurückkehren zu wollen. Mehr als die Hälfte der Befragten, die nicht innerhalb der nächsten zwölf Monate zurückkehren möchte, hat vor, innerhalb der nächsten fünf Jahre zurückzukehren. Fast alle möchten in ihre Herkunftsregion zurückkehren. Über 60 % der Befragten erachten einen ‚go and see‘-Besuch für essenziell, bevor sie eine endgültige Rückkehrentscheidung treffen. 52 % gaben an, dass al-Assads Sturz ihre Rückkehrentscheidung beeinflusst hat. Aus dem Feedback, das UNHCR durch direkte Kommunikation mit Flüchtlingen erhalten hat, geht hervor, dass die Hauptanliegen derjenigen, die an einer Rückkehr interessiert sind, die Bereitstellung von Transportmitteln und Bargeldzuschüssen zur Deckung der Grundbedürfnisse sowie Unterstützung innerhalb Syriens beim Wiederaufbau ihrer Häuser und ihres Lebens sind. Während immer mehr Syrer ihre Absicht bekundeten, in den nächsten zwölf Monaten zurückzukehren, zeigt die Umfrage auch, dass 55 % der Flüchtlinge noch nicht beabsichtigen, zurückzukehren. Von den 61 % der Flüchtlinge, die ein Haus/Eigentum in Syrien besitzen, geben 81 % an, dass es entweder vollständig zerstört oder teilweise beschädigt und unbewohnbar ist, was nach wie vor ein großes Hindernis für ihre Rückkehr darstellt (UNHCR 6.2.2025). Einer Umfrage zufolge, bei der 1.100 in der Türkei ansässige Syrer zwischen 9. und 11.12.2024 befragt wurden, wollten 70 % nach Syrien zurückkehren, im Vergleich zu 45 % vor dem Sturz al-Assads. Die Studie ergab, dass 45,5 % der Syrer bereit sind, in ihre Heimat zurückzukehren, wenn sich die Lage in Syrien verbessert, während 26,7 % ‚so schnell wie möglich‘ zurückkehren möchten (DS 27.12.2024). Das Journal ‚Just Security‘ führte zwischen Februar und April 2024 eine Umfrage unter 87 zurückgekehrten Syrern in verschiedenen Regionen Syriens durch. In den von der Türkei kontrollierten Gebieten ist das Misstrauen unter den arabischen Rückkehrern besonders ausgeprägt. 60 % von ihnen haben überhaupt kein Vertrauen in die örtlichen Behörden. Auch unter den turkmenischen Rückkehrern herrscht große Skepsis. 55 % von ihnen haben wenig oder gar kein Vertrauen in diese Behörden (35 % haben wenig Vertrauen und 20 % gar kein Vertrauen). 50,6 % der befragten Rückkehrer aus allen Regionen Syriens berichteten von Erfahrungen mit Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Gewalt. Während in den von Kurden kontrollierten Gebieten der höchste Anteil der Befragten angab, sich in der Lage zu fühlen, ihre Rechte uneingeschränkt auszuüben, berichteten arabische Rückkehrer in den von der Türkei kontrollierten Gebieten am wenigsten, sich in der Lage zu fühlen, ihre Rechte auszuüben (JS 29.1.2025). Das Norwegian Refugee Council führte eine Befragung von 4.206 Vertriebenen im Nordwesten Syriens zu ihren Zukunftsplänen durch und sprach mit Hunderten von Familien, die Jahre nach ihrer Flucht zurückgekehrt sind. In Vertriebenenlagern im Nordwesten gaben nur 8 % der Befragten an, dass sie innerhalb der nächsten drei Monate in ihre Herkunftsgebiete zurückkehren wollen (NRC 13.2.2025).
Das Land, in das die Menschen zurückkehren, unterscheidet sich grundlegend von jenem, das sie verlassen haben. Die Zerstörung von Häusern und wichtiger Infrastruktur, vermisste Angehörige, weitverbreitete Armut, das Risiko wieder aufflammender Gewalt und die Unsicherheit über die unerfahrenen neuen Staats- und Regierungschefs des Landes - zusätzlich zu der anhaltenden humanitären Krise des letzten Jahrzehnts - sind zu nennen (FA 11.2.2025). Die anhaltende Unsicherheit - einschließlich bewaffneter Zusammenstöße, zunehmender krimineller Aktivitäten und nicht-explodierter Kampfmittel - stellt die Zivilbevölkerung weiterhin vor Herausforderungen und wird wahrscheinlich die potenzielle Entscheidung der außerhalb des Landes lebenden Syrer, nach Hause zurückzukehren, beeinflussen (UNHCR 2.1.2025). Neben den Sicherheitsbedenken beeinflussen auch die Zerstörung von Eigentum und eine unzureichende Infrastruktur die Rückkehrentscheidungen von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen (UNOCHA 30.1.2025). Viele wollen auch wegen des Mangels an Arbeitsplätzen und grundlegenden Dienstleistungen nicht zurückkehren. Viele Flüchtlinge haben auch kein Zuhause, in das sie zurückkehren können. Einige Häuser wurden während des Krieges zerstört, in anderen leben neue Bewohner und viele Flüchtlinge haben keine Dokumente, die ihre Besitzansprüche belegen (CSIS 11.12.2024). Viele Flüchtlinge und Vertriebene sind nach dem Sturz des Regimes bei der Rückkehr in ihre Gebiete, Städte und Dörfer schockiert, wenn sie feststellen, dass andere in ihren Häusern wohnen. In einigen Fällen besitzen diese derzeitigen Bewohner Dokumente, die belegen, dass sie die Immobilien gekauft haben, aber Untersuchungen zeigen, dass es sich oft um Fälschungen handelt, einschließlich gefälschter Eigentumsnachweise und Gerichtsurteile, die äußerst schwer aufzuspüren sind (HLP Syria 20.1.2025). Die Rückkehr im Winter ist besonders schwierig, da die Flüchtlinge nicht wissen, ob ihre Häuser Schutz vor der Kälte bieten oder nicht. Es ist unklar, an wen sich Flüchtlinge wenden können, wenn sie nach ihrer Rückkehr Probleme mit Wohnraum oder Eigentumsrechten haben, und ob die Übergangsregierung in der Lage sein wird, grundlegende Dienstleistungen bereitzustellen (CSIS 11.12.2024). Partnerorganisationen von UNOCHA betonen auch, dass der Zugang zu zivilen Dokumenten und Rechtsdienstleistungen, einschließlich solcher im Zusammenhang mit Fragen zu Wohnraum, Land und Eigentum, entscheidende Hindernisse für die Rückkehr darstellt. Gegenwärtig sind nicht alle Standesämter und Gerichte im ganzen Land funktionsfähig oder teilweise funktionsfähig, was den Zugang erschwert (UNOCHA 30.1.2025). Es ist unrealistisch zu erwarten, dass die bestehenden Probleme allein durch die Absetzung al-Assads gelöst werden. Es gibt kaum Anhaltspunkte dafür, dass Syrien einen einzigartigen oder anderen Weg einschlagen wird als andere vergleichbare Fälle (JS 29.1.2025). Einem Wirtschaftswissenschaftler zufolge ist das größte Hindernis für die Rückkehrer das Fehlen staatlicher Institutionen, die in der Lage sind, grundlegende Dienstleistungen wie Strom und Wasser bereitzustellen, was das tägliche Leben kostspielig und schwierig macht. Das Fehlen von organisierten Märkten, die grundlegende Waren anbieten, und das Fehlen einer Angebotskontrolle haben zu einem wirtschaftlichen Chaos geführt, wodurch sich die Rückkehrer in einem finanziell instabilen Umfeld wiederfinden. Der dramatische Anstieg der Preise, sowohl bei den Mieten als auch bei den Grundversorgungsleistungen, stellt eine zusätzliche Belastung für die Rückkehrer dar, da sie bei begrenztem Einkommen hohe Lebenshaltungskosten zu tragen haben. Zusätzlich zu den wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Herausforderungen erleben viele Rückkehrer aufgrund der großen Kluft zwischen ihren Hoffnungen und der Realität, die sie vorgefunden haben, eine psychische Krise (AlHurra 11.2.2025). Die meisten Flüchtlinge, die sich in die neuen Gesellschaften im Ausland integriert und Arbeitsmöglichkeiten und ein angemessenes Einkommen gefunden haben, wollen nicht zurückkehren, andere fürchten sich vor der Sicherheitslage, dabei zögern die Minderheiten am meisten, zurückzukehren (Almodon 13.2.2025). Eine schlecht organisierte Massenrückkehr werde die bereits begrenzten Ressourcen des Landes belasten und die syrischen Übergangsbehörden, die UN-Organisationen und die syrische Zivilgesellschaft unter enormen Druck setzen, schreibt das Magazin Foreign Affairs (FA 11.2.2025). Es gibt derzeit vor Ort moderate UN-Hilfen, etwa zum Wiederaufbau der Häuser (ÖB Amman 6.2.2025).
Viele vertriebene Familien, die sich auf die Rückkehr vorbereiten, äußerten auch Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit der Kontaminierung durch explosive Kampfmittel. Seit November 2024 wurden in Idlib, Aleppo, Hama, Deir ez-Zour und Latakia insgesamt 136 Landminenfelder und Minenpräsenzpunkte neu identifiziert. Allein in den ersten drei Januarwochen wurden bei 87 Vorfällen mit explosiven Kampfmitteln im ganzen Land nach Angaben von Partnerorganisationen von UNOCHA mindestens 51 Menschen getötet und 75 weitere verletzt (UNOCHA 30.1.2025).
Die neue Regierung hat die Zollgebühren vereinheitlicht. Diese Entscheidung dient nicht den Interessen der Syrer, sondern belastet ihren Lebensunterhalt. Diese Maßnahme soll zum einen so schnell wie möglich den Weg für die Rückkehr Hunderter syrisches Fabriken und Unternehmen in den Nachbarländern zu ebnen, damit diese wieder auf syrischem Territorium arbeiten können. Zum anderen möchte man syrische Auswanderer und ausländische Investoren einladen, Fabriken und Unternehmen in Syrien zu gründen, mit dem Ziel, das Rad der Wirtschaft in Bewegung zu setzen, Tausende von Arbeitsplätzen für Syrer zu schaffen und so eine integrierte Volkswirtschaft aufzubauen. Dadurch werden syrische Produkte nun mit Zollgebühren nach Syrien eingeführt, um es für und syrische Händler und Unternehmen im Ausland attraktiver zu machen, wieder nach Syrien kommen. Die neue Regierung hat viele Vorteile angeboten, um Investitionen nach Syrien zu locken (AJ 10.2.2025b).
Rückkehrer nach Aufnahmeland
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Türkei
Die Türkei beherbergt fast 3,3 Millionen syrische Flüchtlinge (HRW 16.1.2025). Vor dem Hintergrund der flüchtlingsfeindlichen Stimmung schob die Türkei im Jahr 2024 Tausende ab oder übte anderweitig Druck auf sie aus, das Land in Richtung Nordsyrien zu verlassen, darunter auch nach Tall Abyad, einem abgelegenen, von der Türkei besetzten Bezirk, in dem Gesetzlosigkeit herrscht und die humanitäre Lage katastrophal ist (HRW 16.1.2025). Aus der Türkei sind laut türkischem Innenminister zwischen 9. und 13.12.2024 7.621 Syrer unter temporärem Schutz nach Syrien zurückgekehrt (VB Istanbul 18.12.2024). Obwohl sich die Zahl der Rückkehrer unmittelbar nach dem Sturz al-Assads verdoppelt hatte (VB Istanbul 11.12.2024), gab es insgesamt nur einen geringen Anstieg der Anzahl an tatsächlichen Rückkehrern. Geändert hat sich vor allem das Profil der Rückkehrer, nämlich alleinreisende Männer. Die meisten stammen aus der Region rund um Idlib und Aleppo. Meist wird ein Mitglied von Familienverbänden vorausgeschickt, um die Lage vor Ort (Sicherheit, Lebensbedingungen etc.) zu beurteilen, bevor der Rest der Familie nachziehen würde (VB Istanbul 13.12.2024). Zwischen 8.12.2024 und 9.1.2025 sind 52.622 Syrer aus der Türkei nach Syrien zurückgekehrt. Die Mehrheit davon, 41.000 Personen, reisten als Familien zurück. Die Restlichen waren Einzelreisende (T24 9.1.2025; vgl. CNN Türk 9.1.2025). UNHCR wiederum verzeichnet v. a. Einzelpersonen, die allein zurückkehren, oft weil keine unterhaltsberechtigten Familienmitglieder in der Türkei leben oder weil sie die Bedingungen in Syrien prüfen wollen, bevor sie sich mit ihren Familien wiedervereinigen. Zu den Hauptgründen für die Rückkehr gehören verbesserte Sicherheit, politische Veränderungen und Familienzusammenführung, wobei einige auch Heimweh oder wirtschaftliche Erwägungen anführen. Die meisten Rückkehrer möchten in ihre Herkunftsprovinzen zurückkehren, wobei Aleppo, Idlib, Damaskus und Hama die häufigsten Ziele sind (UNHCR 23.1.2025). Die Rückkehr von 40.000 Syrern aus der Türkei in kurzer Zeit habe eine grenzüberschreitende und interne Krise ausgelöst, die sich auf die Ressourcen auswirkt, die für die bestehende Bevölkerung ohnehin nicht ausreichten, so ein Experte für Flüchtlingsfragen gegenüber der arabischsprachigen Zeitung Almodon (Almodon 13.2.2025). Mittlerweile berichtet der Flüchtlingsverband in der Türkei von einigen Fällen, in denen die Rückkehrer ihre Entscheidungen bereuten. Es werden v. a. Beschwerden, wie der Mangel an Bildungs- und Gesundheitsdiensten angeführt. Der türkische Innenminister Yerlikaya verkündete, dass zwischen al-Assads Sturz am 8.12.2024 und Ende Jänner 2025 insgesamt 81.576 Syrer nach Syrien aus der Türkei zurückgekehrt sind (REU 5.2.2025a). Die türkische Direktion für Migrationsmanagement kündigte an, Büros in Syrien einrichten, um die Ein- und Ausreise von Syrern in die Türkei mit den neuen syrischen Beamten zu koordinieren und sicherzustellen, dass die Flüchtlinge keine Probleme mit der Identifizierung haben (DS 27.12.2024). Die zerstörte Infrastruktur, die erdrückenden wirtschaftlichen Bedingungen und die Unsicherheit brachten enorme Herausforderungen mit sich, die es für einen großen Teil der Rückkehrer fast unmöglich machten, sich zurechtzufinden. Während einige das Recht verloren haben, in die Türkei zurückzukehren, haben andere, insbesondere diejenigen mit türkischem Wohnsitz und türkischer Staatsbürgerschaft, begonnen, ihre Entscheidung zu überdenken und ernsthaft in Betracht zu ziehen, in das ‚Land der Zuflucht‘ zurückzukehren (AlHurra 11.2.2025). Vom 1.1. bis zum 1.7.2025 werden den syrischen Flüchtlingen in der Türkei, genauer den Haushaltsvorständen, vorübergehende Besuche (Go-and-See-Visits) in Syrien erlaubt. Dementsprechend kann dasselbe Familienmitglied innerhalb von sechs Monaten maximal dreimal nach Syrien reisen, und die Abreise wird über zwei Grenzübergänge organisiert. Syrer, die die Möglichkeit eines vorübergehenden Besuchs nutzen, behalten ihren vorübergehenden Schutzstatus (UNHCR 27.12.2024).
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Rückkehr in die Gebiete unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Letzte Änderung 2025-05-08 21:23
Die Situation der Vertriebenen im Nordosten Syriens ist dramatisch. Dort leben über 44.000 Menschen in 250 Sammelunterkünften, die in städtischen Gebäuden, Schulen, Moscheen, Stadien und anderen Einrichtungen eingerichtet wurden. Seit dem 4.12.2024 sind Familien aufgrund der Kämpfe in Tall Ref'at und Aleppo in diese Sammelunterkünfte geflohen (UNOCHA 16.12.2024).
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EUAA Interim Country Guidance: Syria Common analysis and guidance note
Based on information up to 11 March 2025
June 2025
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Refugee status
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Profiles at risk of persecution from multiple actors (including previously the Assad regime)
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Kurds
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The analysis below is primarily based on the following EUAA COI reports: Country Focus 2025, 1.3.3; Country Focus 2024, 1.5; Targeting 2022, 10. Country Guidance should not be referred to as a source of COI. The section below should be read in conjunction with most recent COI available at the time of the examination.
The Assad regime subjected Kurds to various forms of discrimination (refer to EUAA, '4.10.2. Kurds' in Country Guidance: Syria, April 2024). As mentioned above, the risk related to the Assad regime has vanished. Before the fall of the Assad regime, the Syrian National Army (SNA) subjected Kurds to persecution (e.g. militia violence, illegal detention, abduction, torture and ill treatment against civilians) and there is no information available indicating that their approach towards Kurds has changed.
In the framework of the agreement between the SDF and the Transitional Administration, the latter stated its intention to acknowledge the Kurdish minority as an integral part of Syria and to ensure their political representation and participation. However, at the time of writing, the practical implementation of the agreement could not be monitored (see Syrian Democratic Forces (SDF).
Therefore, it can be concluded that:
Acts reported to be committed by the SNA against Kurds are of such severe nature that they amount to persecution (e.g. militia violence, arbitrary detention, kidnapping, killing, enforced disappearance). For Kurds from areas under the control of the SNA, well-founded fear of persecution would in general be substantiated. In the case of other Kurds, the potential statelessness of the applicant should be considered. More specifically, stateless Kurds are treated differently depending on their home area. Before the fall of the Assad regime, the Kurdish-led DAANES reportedly did not differentiate between stateless Kurds and those holding citizenship, and stateless individuals had equal access to services, institutions, and education. In the areas under the control of the Transitional Administration, at the time of writing, there is no information available suggesting that stateless Kurds have been naturalised which would give them access to equal rights attached to the Syrian citizenship.
See also Members of and persons perceived to be collaborating with the SDF/YPG.
Where well-founded fear of persecution is substantiated for an applicant under this profile, this may be for reasons of race, nationality and/or (imputed) political opinion.“
2. Beweiswürdigung:
Beweis erhoben wurde durch Einsicht in den vorgelegten Behördenakt und Einvernahme des Beschwerdeführers.
Zum Beschwerdeführer
2.1. Ergibt sich aus dem im Behörden- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren kongruent vorgetragenen Vorbringen.
2.2. Ergibt sich aus dem im Behörden- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren kongruent vorgetragenen Vorbringen. Die Feststellung zur Kontrolle von XXXX (andere Schreibweise lt. Carter Center: XXXX ) ergibt sich aus den Online-Kartenwerken des Carter Center, abrufbar unter
https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html
und der Syria Live Map, abrufbar unter
https://syria.liveuamap.com/
(beide abgerufen am 20.06.2025).
Anbei werden die relevanten Kartenausschnitte der o.a. Onlineressourcen abgebildet:
a. Carter Center
b. Live Map
2.3. Ergibt sich aus dem im Behörden- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren kongruent vorgetragenen Vorbringen.
2.4. Ergibt sich aus seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung. Beweiswürdigende Überlegungen zulasten des Beschwerdeführers aufgrund des erstmaligen Vorbringens in der mündlichen Verhandlung waren nicht anzustellen, es liegt in der Natur der Sache, dass sich Fluchtgeschichte bzw. Rückkehrbefürchtungen nach dem Sturz des Regimes Assad anders darstellen als vorher.
2.5. Ergibt sich aus seinem Vorbringen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Beweiswürdigende Überlegungen zulasten des Beschwerdeführers aufgrund des erstmaligen Vorbringens in der mündlichen Verhandlung waren nicht anzustellen, es liegt in der Natur der Sache, dass sich Fluchtgeschichte bzw. Rückkehrbefürchtungen nach dem Sturz des Regimes Assad anders darstellen als vorher. Außerdem handelt es sich bei den geschilderten um rezente Ereignisse.
2.6. Ergibt sich aus dem Strafregisterauszug vom 20.06.2025.
Zur Situation im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen, zusammengefasst im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 12 vom 08.05.2025. Der „EUAA Syria: Country Focus, Country of Origin Information Report, March 2025“ sowie die „EUAA Interim Country Guidance: Syria, Common analysis and guidance note, June 2025“ geben eine dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation im Wesentlichen entsprechende Lage in Syrien wieder.
Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Syrien zugrunde gelegt werden konnten. Sie erweisen sich für das Vorbringen des Beschwerdeführers auch als hinreichend aktuell und es hat sich seither aufgrund des Amtswissens die Lage im Herkunftsstaat nicht maßgeblich geändert, sodass die Länderberichte den Feststellungen zur Situation in Syrien zugrunde gelegt werden konnten. Die getroffenen Länderfeststellungen enthalten eine Vielzahl von Berichten, legen damit ein ausgewogenes Bild der allgemeinen Situation in Syrien dar und beziehen sich zudem auch auf die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 i.V.m. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung droht.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182). Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413; 30.08.2017, Ra 2017/18/0119; 25.01.2001, 2001/20/0011).
Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (VwGH 16.02.2000, 99/01/0397). Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Einer von Privatpersonen und privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 21.04.2011, 2011/01/0100). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119; 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN). Die Richtlinie (EU) 2011/95 (Statusrichtlinie) sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).
Abgesehen davon, dass einer derartigen, nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH 10.03.1993, 92/01/1090) bzw. wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist (VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551).
Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können positive Feststellungen von der Behörde nicht getroffen werden (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069, Rz 16).
Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann („innerstaatliche Fluchtalternative“). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (zur Rechtslage vor dem AsylG 2005: VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist – wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert – nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer „inländischen Flucht- oder Schutzalternative“ (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 08.09.1999, 98/01/0614).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322; VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Dabei reicht für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089).
Auch aus einer Mehrzahl allein jeweils nicht ausreichender Umstände im Einzelfall kann sich bei einer Gesamtschau die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem oder mehreren von asylrelevanten Gründen ergeben (VwGH 26.06.1996, 95/20/0423).
3.2. Daraus ergibt sich in der Sache:
3.2.1. Schussverletzung
Der Beschwerdeführer hat selbst vorgebracht, nicht zu wissen, wer und aus welchem Motiv man ihn angeschossen hat. Einen Konnex zu einem der Verfolgungsgründe der Genfer Flüchtlingskonvention hat der Beschwerdeführer weder behauptet noch im Ansatz versucht, glaubhaft zu machen. Eine Asylgewährung scheidet somit mangels Konnex zu einem der Verfolgungsgründe der Genfer Flüchtlingskonvention aus.
3.2.2. Religiöse Verfolgung
Syrien hat eine lange Tradition der Koexistenz verschiedener religiöser Minderheiten. Den Länderberichten lässt sich nicht entnehmen, dass (seit dem Sturz des Assad-Regimes) der religiöse Fokus deutlich zugenommen hätte, was sich auch in einer massiven Verfolgung religiöser Minderheiten äußern würde. Wenn also der Beschwerdeführer wegen seiner Ansichten angefeindet wird, so erreichen diese Anfeindungen nach den dem BVwG zur Verfügung stehenden Berichten jedenfalls nicht für eine Asylgewährung notwendige Eingriffstiefe. Weiters ist festzuhalten, dass sich die Befürchtungen des Beschwerdeführers nicht auf seine persönlichen Erlebnisse in Syrien stützen, da er das Land im Oktober 2022 verlassen hat. Eine Asylgewährung scheidet somit mangels maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung aus.
3.2.3. Entführung des Bruders durch protürkische Kräfte (und mögliche Verfolgung wegen Zugehörigkeit der Volksgruppe der Kurden)
Zunächst ist festzuhalten, dass Entführungen mit Lösegeldforderungen im Bereich des Strafrechts angesiedelt sind. Fraglich ist also, ob der Staat (derzeit: die Syrische Übergangsregierung) Schutz gegen solche Vorgänge bieten kann. Den zitierten Länderberichten ist zu entnehmen, dass bereits die HTS im Februar 2025 XXXX militärisch besetzt hat, mutmaßlich um die dort notorisch unruhige Lage und die Spannungen zwischen protürkischen Kräften und den Kurden zu befrieden (zur Lage in XXXX noch im Januar 2024 vergleiche BVwG 22.01.2024, W168 2254949-1/7E, zur Situation von Kurden in Gebieten unter SNA-Kontrolle vergleiche die oben wiedergegebenen Teile der EUAA Interim Country Guidance Syria aus dem Juni 2025). Die damaligen syrischen Machthaber (HTS) haben also den Willen gezeigt, die dortigen Missstände abzustellen. Da der syrische Staat mit der Offensive in XXXX gezeigt hat, willens zu sein, seine Bürger gegen Verbrechen der geschilderten Art zu schützen, fehlt es für die Zuerkennung von Asyl bereits an der Unwilligkeit des Staates, Schutz vor Verfolgung anzubieten. Als weiterer Aspekt der Offensive in XXXX ist die verringerte Wahrscheinlichkeit zu nennen, dass solche Verfolgungshandlungen in Zukunft in gehäufter Form vorkommen werden, weshalb das Gericht auch nicht von einer Aktualität der Verfolgung ausgeht. Eine Asylgewährung scheidet somit wegen Schutzwilligkeit des Staates und mangelnder Aktualität der Verfolgungswahrscheinlichkeit aus.
3.2.4. Zusammenfassung
Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgründe glaubhaft zu machen. Solche Gründe sind auch sonst im Verfahren bzw. durch die ins Verfahren eingebrachten Länderberichte nicht hervorgekommen. Der Abweisung des Antrags auf Internationalen Schutz im bezüglich Asyl durch die belangte Behörde war somit nicht entgegenzutreten und es war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.