JudikaturBVwG

W169 2300799-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2025

Spruch

W169 2300799-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2024, Zl. 1324015104/222853473, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.04.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 12.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Er gab an, in Middle Shabelle geboren zu sein, aus XXXX , in Middle Shabelle zu stammen und der Religionsgemeinschaft des sunnitischen Islam sowie dem Clan der Hawiye anzugehören. Er habe 12 Jahre die Grundschule besucht und in Somalia zuletzt als Hirte gearbeitet. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter, seine Ehefrau, sein Bruder und seine beiden Schwestern würden in Somalia leben. Seinen Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer im Februar 2022 mit dem Boot Richtung Jemen verlassen. Er habe sich daraufhin für einen unbekannten Zeitraum im Jemen, für ca. einen Monat in Saudi-Arabien sowie für einen unbekannten Zeitraum im Irak und in Syrien aufgehalten. Nach einem darauffolgenden eineinhalb Monate andauernden Aufenthalt in der Türkei und kurzen Aufenthalten bzw. Durchreisen durch Griechenland, Albanien, Serbien und Ungarn sei der Beschwerdeführer im September 2022 schließlich im Bundesgebiet angekommen. Die Ausreise des Beschwerdeführers sei durch einen Schlepper organisiert worden und der Beschwerdeführer wisse die Kosten seiner Ausreise nicht. Zu seinem Ausreisegrund gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er habe Somalia verlassen, weil er Angst vor der Terrorgruppe Al Shabaab habe. Sie hätten sein Dorf angegriffen und ihnen viele Tiere sowie die Ernte unter Anwendung von Gewalt geraubt. Danach hätten sich die Dorfbewohner bewaffnet und verteidigt, weil sie es nicht mehr ertragen hätten können, ständig überfallen zu werden. Die Dorfältesten hätten versucht, mit der Al Shabaab zu verhandeln, um eine Lösung zu finden und die Terroristen hätten zwei Bedingungen gestellt: Die Dorfbewohner müssten die Waffen ablegen und „Zakat“ zahlen. Die Dorfbewohner seien diesen Bedingungen zunächst nachgekommen, hätten ihre Waffen abgelegt und Zakat bezahlt, die Al Shabaab habe jedoch viele Mitglieder in einem anderen Krieg verloren und habe plötzlich verlangt, dass die Dorfbewohner für sie kämpfen. In einem Krieg davor hätten sie zudem den Vater des Beschwerdeführers getötet und auch den Beschwerdeführer selbst mit dem Tod bedroht, da er nicht freiwillig die von der Al Shabaab verlorenen Krieger ersetzen habe wollen.

2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.08.2024 wurden die Personendaten des Beschwerdeführers hinsichtlich seines Geburtsdatums und seines Herkunftsorts richtiggestellt. Hinsichtlich seines Herkunftsorts wurde korrigiert, dass er nicht aus XXXX in Middle Shabelle, sondern aus Jowhar in Middle Shabelle stamme. Der Beschwerdeführer gab darüber hinaus zu Protokoll, der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime und dem Clan der Hawiye-Moblen anzugehören sowie 12 Jahre die Schule besucht zu haben. Sein Vater sei im Mai 2021 von der Al Shabaab getötet worden, seine Mutter, sein 12jähriger Bruder und seine 14jährige sowie 17jährige Schwester würden im gemeinsamen Haushalt in XXXX leben. Seine Ehefrau lebe in Qalimow in Middle Shabelle bei ihren Eltern. Mit seiner Ehefrau sei er eine Woche zuvor und mit seiner Mutter drei Tage zuvor in Kontakt gestanden und seinen Angehörigen im Herkunftsstaat gehe es gut. Alle Familienangehörigen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat würden in Middle Shabelle leben.

Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer in freier Erzählung aus, er habe Somalia aufgrund der Sicherheitslage verlassen. Sie hätten Schwierigkeiten mit der Al Shabaab gehabt, diese hätte Zakat verlangt und auch Erzeugnisse aus der Landwirtschaft und Tiere mitgenommen. Die älteren Dorfbewohner, zu denen auch der Vater des Beschwerdeführers gezählt hätte, hätten sich bewaffnet und die Al Shabaab bekämpft und die Al Shabaab habe den Kampf für sich entschieden. Die Regierung habe versprochen, dass die Männer von XXXX mit Waffen ausgestattet werden würden, dieses Versprechen sei jedoch nicht eingehalten worden. Der Vater des Beschwerdeführers sei bei diesen Kämpfen im Mai 2021 getötet worden und die Dorfbewohner hätten verlangt, dass sich der Beschwerdeführer anstelle seines Vaters am Kampf beteilige. Der Beschwerdeführer und viele andere Jugendliche hätten den Kampf gegen die Al Shabaab aufgenommen. Weil der Beschwerdeführer die Dorfbewohner – wie zuvor sein Vater – finanziell unterstützt habe, sei er von Angehörigen der Al Shabaab telefonisch kontaktiert und auch mit dem Umbringen bedroht worden. Angehörige der Regierung hätten ihnen zudem Ausweise ausgestellt, die belegt hätten, dass sie mit der Regierung alliiert seien und an der Seite der Regierung gegen die Al Shabaab auftreten würden. Der Beschwerdeführer hätte den Personaleinsatz seines Dorfes koordinieren sollen, damit ein militärisches Vorgehen der Regierungstruppen koordiniert erfolgen hätte können. Sie hätten keine Waffen bekommen, hätten die Al Shabaab in der Schlacht im November 2021 aber dennoch besiegen können. Dann seien Regierungssoldaten gekommen und hätten ihnen vorgeworfen, dass sie sich gegen die Al Shabaab engagieren würden. Von ihnen sei auch verlangt worden, Geldzahlungen an die Regierungstruppen zu leisten. Der Beschwerdeführer habe ein Interview beim Radio Jowhar gegeben, in dem er gesagt habe, dass die Regierung sie nicht korrekt behandelt habe. Dieses Interview habe dazu geführt, dass der Beschwerdeführer von den Regierungstruppen festgenommen worden sei. Er sei etwa einen Monat von Anfang Dezember 2021 bis Anfang Jänner 2022 eingesperrt gewesen. Die Al Shabaab habe dann das ganze Dorf in Brand gesetzt, die Dorfbewohner hätten gegen die Festnahme des Beschwerdeführers demonstriert und der Beschwerdeführer sei wieder freigelassen worden. Dem Beschwerdeführer sei auferlegt worden, kein Interview zu geben und seine Nominierung zum Koordinator sei erloschen. Der Beschwerdeführer sei zudem von der Al Shabaab telefonisch bedroht worden und habe auch Anrufe von Regierungsmitarbeitern erhalten, die gefordert hätten, dass der Beschwerdeführer sich nicht weiter engagiere. Deshalb habe sich der Beschwerdeführer im Februar 2022 zu seiner Ausreise aus Somalia entschlossen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und monierte nach Wiederholung der bisher getätigten Angaben unter Ausführung näherer Gründe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, eine mangelhafte Beweiswürdigung sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung. Dem Beschwerdeführer drohe im Falle einer Rückkehr Verfolgung aus politischen Gründen durch die Al Shabaab einerseits und die somalische Regierung andererseits, weil er sich kritisch geäußert und die Terrormiliz aktiv bekämpft habe. Der somalische Staat sei nicht in der Lage, den Beschwerdeführer vor Verfolgung durch die Al Shabaab zu schützen, er sei auch nicht willens, den Beschwerdeführer zu schützen und dem Beschwerdeführer stehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

5. Mit Stellungnahme vom 09.04.2025 führte der Beschwerdeführer nach Wiederholung seines bisherigen Vorbringens aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in ein zwischen der somalischen Regierung und der Al Shabaab umkämpftes Gebiet mit seiner Festnahme, Inhaftierung und im schlimmsten Fall mit Tötung rechnen müsse. Der Beschwerdeführer verwies dabei auf eine Karte aus dem aktuellen Länderinformationsblatt, welche die Herkunftsregion des Beschwerdeführers teilweise als „umkämpfte Al Shabaab Unterstützungszone“ oder als „Al-Shabaab-Unterstützungszone“ ausweise. Darüber hinaus erstattete der Beschwerdeführer rechtliche Ausführungen hinsichtlich einer Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten.

6. Am 10.04.2025 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt (s. Verhandlungsprotokoll).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Er ist ein Staatsangehöriger von Somalia und gehört der Religionsgemeinschaft der Muslime sowie dem Clan der Hawiye-Moblen an. Er wurde in Jowhar geboren und lebte bis zu seiner Ausreise in XXXX in Middle Shabelle gemeinsam mit seinen Eltern, seinem jüngeren Bruder und seinen beiden jüngeren Schwestern. Dort besuchte er 12 Jahre die Grundschule und unterstützte seinen Vater bei dessen Arbeit, wie etwa in der Buchhaltung. Der Beschwerdeführer ist verheiratet.

Der Beschwerdeführer wurde in Somalia entgegen seinem Vorbringen weder individuell von der Al Shabaab noch von der somalischen Regierung bedroht. Er wurde nicht von der somalischen Regierung inhaftiert, nachdem er diese in einem Radio-Interview kritisiert hat und arbeitete auch nicht als Koordinator für diese, um sein Heimatdorf gegen die Al Shabaab zu verteidigen. Auch der Vater des Beschwerdeführers wurde im Mai 2021 nicht von Angehörigen der Al Shabaab getötet, weshalb festgestellt wird, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle)

Letzte Änderung 2025-01-10 07:06

Die Macht der Regierung von HirShabelle reicht in alle Gebiete östlich des Flusses Shabelle und jedenfalls in die Regionalhauptstädte Jowhar und - in gewissem Maße - Belet Weyne. Die Macawiisley haben beeindruckende Erfolge gegen al Shabaab erzielt und die Gruppe weitgehend aus den östlichen Teilen von Hiiraan und Middle Shabelle verdrängt (BMLV 7.8.2024). Die Regierung hat auch weiterhin die Kontrolle über die Gebiete östlich des Shabelle (UNSC 28.10.2024). Dies sind im wesentlich die einzigen nachhaltigen Erfolge der Regierungsoffensive in Zentralsomalia (BMLV 4.7.2024).

Die Verbindung von Jowhar nach Belet Weyne ist grundsätzlich offen. Die Ortschaften entlang der Straße befinden sich jedenfalls nicht unter Kontrolle von al Shabaab. Die Lage entlang dieser Route hat sich nach Rückschlägen für die Regierungstruppen im September 2023 wieder verschlechtert, ist allerdings nicht mit der schlechten Lage von vor der Offensive 2022 vergleichbar. Generell hat sich die Lage in Ost-Hiiraan und in Middle Shabelle verbessert. Hier sind in weiten Gebieten auch Bewegungen zwischen den Orten möglich (BMLV 7.8.2024). Allerdings sickert al Shabaab teilweise über den Shabelle nach Osten ein (Raum Jowhar - Mahaday) (BMLV 4.7.2024) und greift dann Orte an der Route oder den Verkehr selbst an (BMLV 7.8.2024). Zudem werden ATMIS-Stützpunkte entlang der Hauptversorgungsroute nach und nach an die Bundesarmee übergeben oder aufgelöst. Es sind aber gerade auch diese Stützpunkte, welche die Route sicher gemacht haben (BMLV 4.7.2024).

An der Grenze von Hiiraan zu Middle Shabelle kam es im Jänner 2024 im Streit um Land zu Auseinandersetzungen zwischen Clans. Sechs Menschen wurden dabei getötet. Lokalbehörden unternahmen Vermittlungsversuche (MUST 22.1.2024). Auch im April 2024 kamen dort (Bereich Moqokori und Adan Yabaal) bei Kämpfen zwischen Abgaal und Hawadle sechs Menschen ums Leben (SMN 18.4.2024). Generell tut sich die Regierung von HirShabelle schwer dabei, die zunehmenden Clankonflikte unter Kontrolle zu bringen (UNSC 28.10.2024).

Ende November 2024 wurden bei erneuten Kämpfen entlang der instabilen Grenze zwischen Hiiraan und Middle Shabelle sechs Menschen getötet und zehn weitere verletzt. Die Kämpfe um Ressourcen zwischen Abgaal und Hawadle ereigneten sich im Gebiet von Ceel Dheere. Trotz Versöhnungsbemühungen - darunter ein Treffen von Clanältesten und politischen Führern beider Clans in Mogadischu - ist die Situation weiter eskaliert. Bereits zuvor war es in den Gebieten von Ceel Baraf und Jalalaqsi zu Kampfhandlungen gekommen (HO 30.11.2024). Anfang Dezember konnte ein fragiler Waffenstillstand ausgehandelt werden, der von der Bundesarmee durchgesetzt werden soll (HO 3.12.2024b).

Hiiraan: Belet Weyne, Buulo Barde und Jalalaqsi befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS (PGN 28.6.2024). Die beiden erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Auch der Bereich entlang der somalisch-äthiopischen Grenze ist als sicher anzusehen (BMLV 7.8.2024). Gemäß Regierungsangaben haben die Hawadle in Hiiraan alle Teile ihres Clangebiets von al Shabaab zurückerobert (Economist 3.11.2022). Im Westen der Region konnten die - maßgeblich aus Hawiye / Hawadle bestehenden - Macawiisley hingegen nicht operieren, da dies das Territorium der Hawiye / Galja'el ist (AQ21 11.2023). Nur noch das südwestliche Hiiraan befindet sich unter Kontrolle von al Shabaab (PGN 28.6.2024). Die Präsenz von Kämpfern der al Shabaab im westlichen Hiiraan ist 2024 allerdings gewachsen (BMLV 7.8.2024).

In Belet Weyne ist die Sicherheitslage unverändert vergleichsweise stabil, es kommt nur sporadisch zu Gewalt oder Attacken der al Shabaab. In der Stadt befinden sich das Regionalkommando der Bundesarmee sowie Stützpunkte dschibutischer ATMIS-Truppen und der äthiopischen Armee. Zusätzlich gibt es einzelne Polizisten und Teile einer Formed Police Unit von ATMIS. Zudem gibt es eine relativ starke Bezirksverwaltung und lokal rekrutierte Polizeikräfte. Clankonflikte werden nicht in der Stadt, sondern mehrheitlich außerhalb ausgetragen. Die in Belet Weyne vorhandene Präsenz der al Shabaab scheint kaum relevant (BMLV 7.8.2024).

Im März 2024 wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Kräften von HirShabelle und Milizen der Region Hiiraan in und im Umfeld der Stadt sechs Menschen - darunter Zivilisten - getötet (HO 14.3.2024; vgl. UNSC 3.6.2024). Der Gewaltausbruch wird als Fortsetzung der Absetzung des Gouverneurs von Hiiraan, Ali Jeyte Osman, im Juni 2023 durch den Präsidenten des Bundesstaates gewertet (HO 14.3.2024). Älteste der Hawadle haben einen Waffenstillstand vermittelt, eine Clankonferenz wurde einberufen (UNSC 3.6.2024). Allerdings ist es auch im Oktober 2024 zu Auseinandersetzungen zwischen Hawadle-Milizen und Kräften von HirShabelle gekommen (Sahan/SWT 30.10.2024).

Middle Shabelle: Jowhar, Balcad, Adan Yabaal und Cadale befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS (PGN 28.6.2024; vgl. BMLV 7.8.2024). Die beiden erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 1.12.2023). Auch in Adan Yabaal befinden sich starke Kräfte der Bundesarmee, der Bereich ist keiner unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt (Sahan/SWT 1.9.2024). Ansonsten findet sich die Armee nur in kritischen Gebieten - also entlang der Hauptversorgungsrouten (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab wurde im Dezember 2022 aus der Bezirkshauptstadt Adan Yabaal vertrieben. Die Stadt war seit 2016 eine wichtige Bastion der Gruppe (VOA 6.12.2022). In Middle Shabelle befindet sich lediglich noch ein schmaler Streifen im Nordwesten, westlich des Shabelle an der Grenze zu Hiiraan, unter Kontrolle von al Shabaab (PGN 28.6.2024; vgl. BMLV 7.8.2024).

Gemäß Angaben vom September 2024 übt al Shabaab aber zunehmend militärischen Druck auf das Gebiet um Balcad aus (Sahan/SWT 1.9.2024). Im August 2024 hatte al Shabaab die Stadt Balcad kurzfristig gestürmt (GO 13.8.2024). Schon im April des Jahres war die Gruppe mit stärkeren Kräften in die Stadt vorgedrungen und haben sich kurz darauf wieder zurückgezogen (SMN 6.4.2024). Laut Vereinten Nationen kommt es in Balcad zur Einschüchterung und zu Unsicherheit durch al Shabaab und andere bewaffnete Kräfte (UNSC 28.10.2024).

Jowhar gilt als relativ ruhig. Dort befinden sich das Brigadekommando der burundischen ATMIS-Kräfte und ein Bataillon dieser Truppen (BMLV 7.8.2024).

Im Bezirk Cadale waren im November 2022 Clanauseinandersetzungen ausgebrochen, nachdem sich al Shabaab aus dem Gebiet zurückgezogen hatte. Auslöser war ein Landkonflikt, es gab Dutzende Tote (HO 29.11.2022; vgl. FTL 18.11.2022). Die somalische Regierung hat Sicherheitskräfte entsandt (RD 1.12.2022), Friedensverhandlungen wurden in Gang gesetzt (FTL 18.11.2022). Im Oktober 2023 sind Clankonflikte im Bezirk aber wieder aufgeflammt (MUST 24.10.2023).

Vorfälle: In den beiden Regionen Hiiraan (420.060) und Middle Shabelle (961.554) leben nach Angaben einer Quelle 1,381.614 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2022 insgesamt 36 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "Violence against Civilians"). Bei 28 dieser 36 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2023 waren es 29 derartige Vorfälle (davon 20 mit je einem Toten) (ACLED 2023). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und Violence against Civilians ergeben sich für 2023 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): Hiiraan 5,00; Middle Shabelle 0,83;

In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2023 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie "Violence against Civilians", in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt:

Dieses Bild zeigt Grafiken zur Entwicklung der gewaltsamen Vorfälle in den Regionen Hiiraan und Middle Shabelle in den Jahren 2013 bis 2023.

Quelle: ACLED 12.1.2024

Quellen:

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (12.1.2024): Curated Data - Africa (14 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 23.1.2024 [Login erforderlich]

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (2023): Curated Data - Africa (6 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich]

AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (4.7.2024): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1.12.2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

Economist - Economist, The (3.11.2022): Somali clans are revolting against jihadists, https://www.economist.com/middle-east-and-africa/2022/11/03/somali-clans-are-revolting-against-jihadists, Zugriff 18.10.2023

FTL - Facility for Talo and Leadership (18.11.2022): Peace Talks Commence in Adale Town, https://www.ftlsomalia.com/peace-talks-commence-in-adale-town/, Zugriff 18.10.2023

GO - Garowe Online (13.8.2024): Al-Shabaab attacks military base in Somalia, https://www.garoweonline.com/en/news/somalia/al-shabaab-attacks-military-base-in-somalia, Zugriff 17.12.2024

HO - Hiiraan Online (3.12.2024b): Somali clans reach fragile ceasefire after deadly violence near Hiiraan-Middle Shabelle border, https://www.hiiraan.com/news4/2024/Dec/199180/somali_clans_reach_fragile_ceasefire_after_deadly_violence_near_hiiraan_middle_shabelle_border.aspx?utm_source=hiiraan utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 17.12.2024

HO - Hiiraan Online (30.11.2024): Inter-clan clashes in central Somalia leave six dead, ten injured, https://www.hiiraan.com/news4/2024/Nov/199134/inter_clan_clashes_in_central_somalia_leave_six_dead_ten_injured.aspx?utm_source=hiiraan utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 17.12.2024

HO - Hiiraan Online (14.3.2024): Six dead as Hirshabeelle and Hiiraan state forces engage in overnight battle, https://www.hiiraan.com/news4/2024/Mar/195447/six_dead_as_hirshabeelle_and_hiiraan_state_forces_engage_in_overnight_battle.aspx, Zugriff 7.5.2024

HO - Hiiraan Online (29.11.2022): Family of five massacred in Warsheikh district, https://www.hiiraan.com/news4/2022/Nov/188900/family_of_five_massacred_in_warsheikh_district.aspx?utm_source=hiiraan utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 18.10.2023

IPC - Integrated Food Security Phase Classification (13.12.2022): Nearly 8.3 million people across Somalia face Crisis (IPC Phase 3) or worse acute food insecurity outcomes, https://reliefweb.int/attachments/fc2d405c-ca29-4526-ad96-6618c2756192/Multi-Partner-Technical-Release-on-Updated-IPC-Analysis-for-Somalia-fo-October-2022-to-June-2023-Final-(English)-13-Dec-2022.pdf, Zugriff 10.10.2023

MUST - Mustaqbal Media (22.1.2024): Hiran Region: Clan Skirmishes Escalate at Hiran-Middle Shabelle Border, Causing Casualties, https://mustaqbalmedia.net/en/hiran-region-clan-skirmishes-escalate-at-hiran-middle-shabelle-border-causing-casualties/, Zugriff 24.1.2024

MUST - Mustaqbal Media (24.10.2023): Federal Government Troops Deployed to Mediate Clashes in Middle Shabelle Region, https://mustaqbalmedia.net/en/federal-government-troops-deployed-to-mediate-clashes-in-middle-shabelle-region, Zugriff 18.4.2024

PGN - Political Geography Now (28.6.2024): Preliminary Somalia Control Map – Approximate Territorial Control, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

RD - Radio Dalsan (1.12.2022): Somalia deploys Gor Gor Special Force to contain inter-clan wars, https://www.radiodalsan.com/somalia-deploys-gor-gor-special-force-to-contain-inter-clan-wars/, Zugriff 18.10.2023

Sahan/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Sahan (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (30.10.2024): The Return of the 'Hiiraan State', in: The Somali Wire Issue No. 749, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (1.9.2024): Al-Shabaab Encroaches on Mogadishu, in: The Somali Wire Issue No. 726, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

SMN - Shabelle Media Network (18.4.2024): Deadly Inter-Clan Clashes Erupt in Somalia, https://shabellemedia.com/deadly-inter-clan-clashes-erupt-in-somalia, Zugriff 7.5.2024

SMN - Shabelle Media Network (6.4.2024): Al-Shabaab Militants Launch Deadly Attack in Bal’ad Town, Somalia, https://shabellemedia.com/al-shabaab-militants-launch-deadly-attack-in-balad-town-somalia, Zugriff 17.12.2024

UNSC - United Nations Security Council (28.10.2024): Letter dated 15 October 2024 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 2713 (2023) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council, https://digitallibrary.un.org/record/4066421/files/S_2024_748-EN.pdf?ln=en, Zugriff 3.12.2024

UNSC - United Nations Security Council (3.6.2024): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General (S/2024/426) [EN/AR/RU/ZH], https://reliefweb.int/attachments/2ee6cff6-d8b3-4bac-bf53-5c07f96b1a9f/n2414191.pdf, Zugriff 28.6.2024

VOA - Voice of America (6.12.2022): Somali Army Dislodges Al-Shabab From Key Stronghold, https://www.voanews.com/a/somali-army-dislodges-al-shabab-from-key-stronghold-/6864706.html, Zugriff 18.10.2023

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Zumal der Beschwerdeführer aber zweifellos aus dem somalischen Kulturraum stammt, kann ihm in seiner angegebenen Staats-, Clan- und Religionszugehörigkeit gefolgt werden. Ebenso besteht kein Grund zum Zweifel an seinem Familienstand, der Anzahl seiner Familienmitglieder, mit denen er aufwuchs, seiner Schulbildung und Arbeitserfahrung.

Zum Herkunftsort des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdiensts am 12.09.2022 zwar angab, aus XXXX in Middle Shabelle zu stammen (AS 11). Zu Beginn seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.08.2024 wurde der Herkunftsort des Beschwerdeführers jedoch dahingehend richtiggestellt, dass er nicht aus XXXX , sondern aus Jowhar in Middle Shabelle stamme (AS 50). Dabei konkretisierte der Beschwerdeführer, er habe in XXXX , das 50 km von Jowhar entfernt liege, sein Leben verbracht, sei aber in Jowhar im Krankenhaus geboren worden (AS 54), was auch seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2025 entspricht (Verhandlungsprotokoll S. 4). Seinen Angaben zufolge konnte daher Jowhar als Geburts- und XXXX als Herkunftsort des Beschwerdeführers festgestellt werden, zumal der Beschwerdeführer selbst angab, sich in XXXX sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise aufgehalten zu haben.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, wonach er in Somalia sowohl von der Al Shabaab als auch von der Regierung bedroht und eingesperrt worden sei bzw. sein Vater von der Al Shabaab getötet worden sei, ist nicht glaubhaft, da der Beschwerdeführer sein diesbezügliches Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigerte und sich auch in Widersprüche verstrickte:

Während der Beschwerdeführer in der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts sein Vorbringen ausschließlich darauf beschränkte, dass sein Dorf von der Al Shabaab angegriffen worden sei und die Al Shabaab von den Dorfbewohnern verlangt hätte, sich ihnen anzuschließen (AS 17), steigerte er sein Vorbringen in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dahingehend, dass er von der Regierung als Koordinator in der Abwehr gegen die Al Shabaab eingesetzt worden sei, er jedoch – nachdem er sich in einem Radiointerview kritisch gegenüber der Regierung geäußert habe – festgenommen und ein Monat inhaftiert worden sei (AS 60). Entgegen seinen Angaben in der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts erwähnte er weder in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass die Al Shabaab von den Dorfbewohnern verlangt hätte, sich ihnen anzuschließen. Auch zu seiner Tätigkeit als Koordinator der Regierung machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben, indem er in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anführte, sie hätten keine Waffen erhalten, hätten die Al Shabaab im November 2021 allerdings trotzdem besiegt (AS 60), in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht dagegen, er sei als Koordinator zu Behörden gegangen und habe Waffen von der Behörde geholt sowie diese zu den Dorfbewohnern gebracht, wobei sie die Waffen gegen die Al Shabaab eingesetzt hätten (Verhandlungsprotokoll S. 10).

Der Beschwerdeführer konnte darüber hinaus auch nicht glaubhaft machen, dass sein Vater im Jahr 2021 im Zuge des Angriffs der Al Shabaab auf sein Dorf getötet worden sei (vgl. AS 17, AS 60, AS 312, Verhandlungsprotokoll S. 7). So gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorerst an, dass er dabei gewesen sei, als sein Vater von der Al Shabaab getötet worden sei (Verhandlungsprotokoll S. 7). Insofern kann wiederum nicht nachvollzogen werden, warum der Beschwerdeführer in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu keinem Zeitpunkt erwähnte, beim Ableben seines Vaters anwesend gewesen zu sein. Der Beschwerdeführer machte darüber hinaus weder in seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht lebensnahe und konkrete Angaben zur Ermordung seines Vaters. Stattdessen beschränkt er sich auf abstrakte, detaillose Angaben und gab erst auf Nachfrage an, wo und von wem sein Vater getötet worden sei (Verhandlungsprotokoll S. 7). In der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte der Beschwerdeführer lediglich vor, sein Vater sei bei Kämpfen der Dorfbewohner gegen die Al Shabaab getötet worden und die Dorfbewohner hätten in Folge verlangt, dass sich der Beschwerdeführer anstelle seines Vaters an den Kämpfen beteilige (AS 60). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer dagegen an, sein Vater sei ein reicher Mann gewesen, er sei gegen die Meinung der Al Shabaab gewesen und habe auch gegen deren Meinung gekämpft. Zum Ort, an dem sein Vater getötet worden sei, gab der Beschwerdeführer lediglich an, er sei an dem Ort getötet worden, an dem er aufgewachsen sei und erst auf Nachfrage, dies sei in XXXX gewesen, sowie auf weitere Nachfrage, dass er in einer Moschee getötet worden sei (Verhandlungsprotokoll S. 7). Auch auf nochmalige Aufforderung, die Ermordung seines Vaters im Detail zu schildern, konnte der Beschwerdeführer keine lebensnahen Angaben machen, die darauf schließen lassen würden, dass der Beschwerdeführer persönlich erlebte Ereignisse wiedergibt. So gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht lediglich an, es seien zwei Gruppen gewesen, der Vater des Beschwerdeführers sei Anführer einer Gruppe gewesen und die Al Shabaab sei die andere Gruppe gewesen, die gegeneinander gekämpft hätten, wobei die Al Shabaab den Kampf gewonnen habe. Auf mehrmalige Nachfrage, wie die Ermordung seines Vaters in der Moschee nun abgelaufen sei, gab der Beschwerdeführer schließlich an, doch nicht vor Ort gewesen zu sein und die Ermordung seines Vaters nicht gesehen zu haben, sondern zu Hause gewesen zu sein, was seiner vorigen Angaben in der mündlichen Verhandlung klar widersprach (Verhandlungsprotokoll S. 7 und 8). Aufgrund der dargelegten widersprüchlichen Angaben konnte der Beschwerdeführer somit insgesamt nicht glaubhaft machen, dass sein Vater bei einem Angriff der Al Shabaab auf ihr Dorf ermordet worden sei. Da der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren gleichbleibend angab, dass sein Vater bereits verstorben sei, konnte Dahingehendes festgestellt werden, es war jedoch davon auszugehen, dass dieser eines natürlichen Todes gestorben ist.

Betreffend seine Festnahme durch die Regierungsbehörden steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen ebenso, indem er in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl lediglich angab, für etwa einen Monat festgehalten worden zu sein (AS 60), in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diese Angaben jedoch steigerte und ausführte, er sei während seiner Inhaftierung auch geschlagen worden (Verhandlungsprotokoll S.12). Der Beschwerdeführer machte zudem in der Beschwerdeverhandlung - trotz mehrmaliger Nachfrage - nur äußerst vage Angaben betreffend seine Verhaftung (Verhandlungsprotokoll S. 12). Darüber hinaus gab der Beschwerdeführer an, er sei unter Auflagen entlassen worden und habe sich auch an die Auflagen gehalten, weswegen nicht nachvollzogen werden kann, welche Gefahr von der Regierung dem Beschwerdeführer gegenüber noch ausgehen sollte (Verhandlungsprotokoll S. 12).

Während der Beschwerdeführer in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in seinem Beschwerdeschriftsatz nur von einem Radio-Interview sprach, in dem er die Regierung kritisiert habe (AS 60, AS 312), steigerte er sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht dahingehend, auch ein zweites Radio-Interview gegeben zu haben, obwohl ihm auferlegt worden sei, keine weiteren Interviews zu geben, wobei er in diesem Interview gesagt habe, die Al Shabaab habe gegen die Behörden gewonnen, sie herrsche jetzt in seinem Heimatort und die Behörden hätten seinen Heimatort verlassen. Zudem habe er gesagt, dass die Behörden versagt und es nicht einmal einen Monat geschafft hätten, seinen Heimatort zu regieren, die Einwohner sich immer selbst beschützt hätten und darin besser gewesen seien als die Behörden (Verhandlungsprotokoll S. 14). Als Folge des Interviews sei der Beschwerdeführer – wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angab – von der Al Shabaab und den Behörden verfolgt worden (Verhandlungsprotokoll S. 15), was jedoch mangels dahingehender Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdiensts, der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und im Beschwerdeschriftsatz des Beschwerdeführers nicht als glaubhaft erachtet werden kann. Hätte der Beschwerdeführer tatsächlich ein zweites solches Interview gegeben und sollte er aus diesem Grund tatsächlich von der Regierung und der Al Shabaab verfolgt worden sein, so wäre davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer dieses zweite Interview schon zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren angeführt hätte. Die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend ein zweites Radio-Interview können sohin nur als unglaubhafte Steigerung des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers mit der Intention, sein Asylverfahren positiv zu beeinflussen, erachtet werden.

Zwar gab der Beschwerdeführer sowohl in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Beschwerdeschriftsatz als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, Drohanrufe von der Al Shabaab erhalten zu haben (AS 63, AS 312, Verhandlungsprotokoll S. 9). In der mündlichen Verhandlung näher danach befragt, konnte der Beschwerdeführer jedoch kaum konkrete Angaben machen. So antwortete der Beschwerdeführer etwa auf die Frage, wie viele Drohanrufe er von der Al Shabaab erhalten habe „Man kann es nicht zählen, immer.“(Verhandlungsprotokoll S.9) Der Beschwerdeführer nannte auch keine Daten oder Zeiträume, in denen die Drohanrufe stattgefunden hätten, sondern gab lediglich an, der erste Anruf der Al Shabaab habe nach dem Tod seines Vaters und der letzte Drohanruf „ungefähr“ bevor er aus Somalia ausgereist sei, stattgefunden. Nochmals danach befragt, wie lange vor der Ausreise der letzte Drohanruf der Al Shabaab stattgefunden habe, gab der Beschwerdeführer schließlich an, sich nicht erinnern zu können (Verhandlungsprotokoll S.9). Auch den Inhalt der Anrufe konnte der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung nicht nachvollziehbar darlegen. Der Beschwerdeführer führte diesbezüglich an, die Al Shabaab habe oft gesagt, der Beschwerdeführer habe den Islam verlassen und arbeite mit Christen, womit sie die Hirshabelle Behörden gemeint hätten. Der Beschwerdeführer habe in den Anrufen nie geschwiegen, sondern gesagt „Ich bin ein Übertreiber und ich halte zu meiner Meinung.“, womit der Beschwerdeführer gemeint habe, komplett gegen die Al Shabaab zu sein (Verhandlungsprotokoll S. 9). Entgegen seiner Angaben in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schilderte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht, von der Al Shabaab telefonisch auch mit dem Umbringen bedroht worden zu sein (AS 60). Wäre der Beschwerdeführer jedoch tatsächlich regelmäßig von der Al Shabaab telefonisch bedroht worden, so wäre davon auszugehen, dass er konkrete dahingehende Angaben machen könnte und sich nicht auf vage, detaillose Angaben beschränken müsste und er insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht – ebenso wie in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – erwähnen würde, dass er mit dem Umbringen bedroht worden sei. Der Beschwerdeführer konnte daher insgesamt nicht glaubhaft machen, Drohanrufe von der Al Shabaab erhalten zu haben. Der Beschwerdeführer gab darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht selbst an, von der Al Shabaab nie persönlich bedroht worden zu sein (Verhandlungsprotokoll S. 10), weswegen er auch diesbezüglich eine Gefahr einer Bedrohung oder Verfolgung durch die Al Shabaab in seinem Herkunftsstaat insgesamt nicht glaubhaft machen konnte.

Der Beschwerdeführer führte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zudem erstmalig an, auch seine Mutter habe nach seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat Drohanrufe der Al Shabaab erhalten und sei von dieser mit dem Umbringen bedroht worden, sollte sie den Beschwerdeführer nicht zur Al Shabaab bringen (Verhandlungsprotokoll S. 11). Dies steht aber in Widerspruch zu seinen Angaben in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wonach seine Familie in Jowhar nicht bedroht worden sei und unbehelligt dort leben könne (AS 63).

Insgesamt betrachtet ergibt sich somit aus diesen Erwägungen, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Vorbringens, Angriffe der Al Shabaab auf sein Dorf, im Zuge derer sein Vater umgebracht worden sei, erlebt zu haben, sowie mehrfache telefonische Bedrohungen der Al Shabaab erhalten zu haben, von der Regierung als Koordinator im Kampf gegen die Al Shabaab eingesetzt worden zu sein und die Funktion nach einem regierungskritischen Radio-Interview verloren zu haben sowie von der Regierung inhaftiert und misshandelt worden zu sein, nicht glaubwürdig war.

Abschließend ist noch anzumerken, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl selbst angab, dass sein Herkunftsort sowohl vor seiner Ausreise als auch gegenwärtig von den Regierungskräften kontrolliert werde (AS 63). Zudem bestätigte der Beschwerdeführer in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl selbst, somaliaweit vor allem in Gebieten der Regierung nichts von der Regierung befürchten zu müssen und auch vor staatlichen Institutionen seines Herkunftsstaates keine Befürchtungen zu haben (AS 62). In seiner Stellungnahme vom 09.04.2025 führte der Beschwerdeführer dagegen an, im Falle einer Rückkehr in umkämpftes Gebiet zurückkehren zu müssen und verwies auf eine Karte aus dem aktuellen Länderinformationsblatt vom 16.01.2025 sowie eine Meldung der Website somalia.liveuamap.com, der zu entnehmen ist, dass 23 Soldaten von der Al Shabaab im Zuge eines Kampfes in Balcad getötet worden seien, wobei er darauf verwies, dass sein Herkunftsort zwischen Balcad und Qalimow liege (OZ 4, S. 3). Diesbezüglich kann dem aktuellen, ins Verfahren eingeführten, Länderinformationsblatt betreffend Middle Shabelle entnommen werden, dass sich Jowhar, Balcad, Adan Yabaal und Cadale unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS befinden, wobei Jowhar und Balcad hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal als konsolidiert erachtet werden können. Allgemein befindet sich in Middle Shabelle lediglich noch ein schmaler Streifen im Nordwesten, westlich des Shabelle an der Grenze zu Hiiraan, unter Kontrolle von Al Shabaab, dennoch übt die Al Shabaab aber zunehmend militärischen Druck auf das Gebiet um Balcad aus (LIB S. 73, S. 74, siehe Punkt II.1.2.). Abgesehen von den widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der Kontrolle seines Herkunftsortes geht aus den Länderinformationen jedenfalls hervor, dass die Al Shabaab in bestimmten Gebieten Middle Shabelles Druck ausüben kann, insoweit kann den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 09.04.2025 auch gefolgt werden. Es ist jedoch darauf zu verweisen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Sicherheitslage in der Region Middle Shabelle bereits mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2024 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde (AS 295).

Andere Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen nannte der Beschwerdeführer nicht und sind auch sonst nicht hervorgekommen.

2.2. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation in Somalia beruhen auf den angeführten Quellen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Somalia vom 16.01.2025 (Version 7). Bei den Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Somalia ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Antragsteller bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend (VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).

Das Vorbringen des Antragstellers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit der Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 10.08.2019, Ra 2018/20/0314).

Wie beweiswürdigend dargelegt, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers über eine Bedrohung durch die Al Shabaab oder durch Angehörige der somalischen Regierung nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft darlegen, dass sein Dorf von der Al Shabaab angegriffen, er selbst von der Al Shabaab telefonisch bedroht, er von der Regierung als Koordinator in der Abwehr seines Dorfes gegen Al Shabaab Angriffe eingesetzt worden sei, er die Funktion als Koordinator aufgrund regierungskritischer Aussagen in einem Radio-Interview verloren und anschließend für einen Monat von der Regierung inhaftiert und misshandelt worden sei. Sonstige Gründe einer asylrelevanten Bedrohung sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es besteht somit keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrechtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers in Somalia aus Konventionsgründen.

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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