JudikaturBVwG

W200 2301884-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 2025

Spruch

W200 2301884-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. TAURER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzende über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien vom 30.09.2024, Zl. 21395203500049, betreffend die Abweisung der beantragten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist seit 21.08.2024 im Besitz eines bis zum 30.09.2025 befristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 Prozent.

Kausal dafür war ein Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin vom 23.07.2024, das folgendes Ergebnis der Begutachtung ergab:

„Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

1. Posttraumatische Belastungsstörung

Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da im 1. Jahr nach Trauma - inkludiert auch Dependenz 03.05.01 40

2. Zustand nach Polytrauma mit Fraktur des 1. Halswirbelkörpers

Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da noch deutliche Funktionseinschränkung nach Wirbelkörperfraktur im 1. Jahr mit verzögerter Frakturheilung 02.01.02 40

3. Arterielle Hypertonie

Fixer Rahmensatz 05.01.01 10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: die führende funktionellen Einschränkung 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da ein ungünstiges Zusammenwirken gegeben ist. Leiden 3 erhöht nicht, da von zu geringer funktioneller Relevanz.“

Betreffend die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ wurde darin ausgeführt, dass keine der festgestellten Einschränkungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würde. Es liege kein maßgeblich herabgesetzter Allgemein- und Ernährungszustand, keine maßgebliche Einschränkung des Gangbilds, der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit und eine damit einhergehende Mobilitätseinschränkung vor, die die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel erschweren würde.

Am 27.08.2024 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass.

Nach Übermittlung des Gutachtens vom 23.07.2024 im Parteiengehör - der Beschwerdeführer hatte dazu keine Stellungnahme abgegeben - wurde der Antrag mit Bescheid vom 30.09.2024 abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde monierte der Beschwerdeführer – ein Facharzt für XXXX -, dass ihm die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln aufgrund der Folgen der Körperverletzung vom 20.08.2023, des resultierenden chronischen Schmerzsyndroms in der HWS sowie der erheblichen Bewegungseinschränkung sehr beschwerlich sei. Er könne nur langsam und wegen der Schonhaltung hölzern gehen, Busse wegen der Erschütterung und schmerzbedingt gar nicht benützen, müsse daher Wege mit dem Zug absagen, wenn ein Schienenersatzverkehr angekündigt sei. In Zügen und Straßenbahnen müsse er quer zur Fahrtrichtung sitzen, um vertikale Erschütterungen des Kopfes zu minimieren. Er könne den Kopf nur jeweils etwa 30° horizontal bewegen und könne schmerzbedingt nie vertikale Bewegungen durchführen und deshalb sei das Treppensteigen und das Ein- und Aussteigen mit einer großen Stolpergefahr verbunden. Er sei auch körperlich und aufgrund von posttraumatischen Belastungsstörungen psychisch erheblich eingeschränkt, nicht belastbar, werde von anderen Fahrgästen wegen seines hölzernen Ganges und andersartiger Körperhaltung gehänselt. Das löse bei ihm emotionale Einbrüche aus und er müsse weinen, was es noch schlimmer mache. Selbst die Traumatherapie sei aufgrund seiner psychischen Instabilität emotional kaum zu ertragen. Die Einnahme der vielen Medikamente beeinträchtige sein Wohlbefinden und reduziere seine Aufmerksamkeit und Wachheit, er sei tagsüber oft schläfrig. Angeschlossen war ein Bescheid des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien betreffend die Zuerkennung einer Invaliditätsversorgung wegen dauernder Berufsunfähigkeit ab 01.05.2024 sowie das ärztliche Gesamtgutachten zum Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie mit den Diagnosen:

A) Hauptdiagnose: Posttraumatische Belastungsstörung

B) Nebendiagnosen: Psychische und Verhaltensstörung durch Alkoholabhängigkeitssyndrom, depressive Episode, gegenwärtig mittelgradig depressiv, Bruch des ersten Halbwirbels

C) weitere Diagnosen: Bruch des äußeren Keilbeines am Fuß rechts.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 vom Hundert (vH).

1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Allgemeinzustand: 58 jähriger AW in gutem AZ, Rechtshänder; Ernährungszustand: gut

Klinischer Status - Fachstatus:

Cor:HT rhythmisch, mittellaut, normfrequent Puls: 72/min

Pulmo: sonorer KS, Vesikuläratmen, Basen atemverschieblich, keine Dyspnoe in Ruhe und beim Gang im Zimmer

Abdomen: Bauchdecken im Thoraxniveau, Hepar nicht vergrößert, Lien nicht palpabel, keine pathologischen Resistenzen tastbar, indolent, blande NVH nach AE,

NL bds. Frei

Extremitäten:

OE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig.

Nacken und Schürzengriff möglich, in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Faustschluß beidseits unauffällig, eine Sensibilitätsstörung wird nicht angegeben Feinmotorik und Fingerfertigkeit ungestört.

UE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig, in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Bandstabilität, keine Sensibilitätsausfälle, selbständige Hebung beider Beine von der Unterlage möglich, grobe Kraft an beiden Beinen seitengleich normal.

Fusspulse tastbar, verstärkte Venenzeichnung keine Ödeme

PSR: seitengleich unauffällig, Nervenstämme: frei, Lasegue: neg.

Wirbelsäule: In der Aufsicht gerade, weitgehend im Lot, in der Seitenansicht gering verstärkte Brustkyphose FBA: 10 cm, Aufrichten frei, kein Klopfschmerz, altersentsprechend freie Seitneigung und Seitdrehung der LWS, zu 2/3 eingeschränkte Beweglichkeit der HWS, Kinn-Brustabstand: nicht durchgeführt; Hartspann der paravertebralen Muskulatur,

Gesamtmobilität - Gangbild:

kommt mit Halbschuhen frei gehend weitgehend unauffällig, Zehenballen- und Fersengang sowie Einbeinstand beidseits möglich. Die tiefe Hocke wird ohne Anhalten zu 2/3 durchgeführt. Vermag sich selbständig aus- und wieder anzuziehen.

Status Psychicus:

bewußtsein klar; gut kontaktfähig, allseits orientiert, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen, Merk- und Konzentrationsfähigkeit erhalten; keine produktive oder psychotische Symptomatik, Antrieb unauffällig, Affekt: dysthym

Funktionseinschränkungen: - Posttraumatische Belastungsstörung, - Zustand nach Polytrauma mit Fraktur des 1. Halswirbelkörpers, - Arterielle Hypertonie

1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch in einer Zusammenschau – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.

Im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten liegen keine Funktionseinschränkungen vor. Anhand des beobachteten unauffälligen Gangbilds und der objektivierbaren sicheren Gesamtmobilität, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit guter Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten und der derzeitigen Therapieerfordernis (Schmerzmedikation: Seractil 400mg, Mefenam 500 mg – also Schmerzmittel der WHO-Stufe 1) ergibt sich kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwerten.

Im Bereich der Gelenke der oberen Extremitäten liegen ebenfalls keine Funktionseinschränkungen vor.

Das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 m, Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich erschwert. Es liegen keine Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor.

Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Beim Beschwerdeführer liegen auch keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.

Neurologische Ausfälle konnten nicht festgestellt werden, insbesondere keine Gleichgewichtsstörungen objektiviert werden.

Es ist beim Beschwerdeführer auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Relevante Einschränkungen von Sinnesfunktionen konnten nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Zur Klärung des Sachverhaltes holte die belangte Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 23.07.2024, basierend auf einer Untersuchung am selben Tag, ein. Darin wurde kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt.

Hinsichtlich des Gangbildes ist darin festgehalten, dass der Beschwerdeführer mit Halbschuhen unauffällig frei geht und der Zehenballen- und Fersengang sowie Einbeinstand beidseits möglich ist. Auch die tiefe Hocke wird ohne Anhalten zu 2/3 durchgeführt. Im Status sind die oberen und unteren Extremitäten altersentsprechend frei beweglich, es sind keine Funktionseinschränkungen feststellbar.

Der Beschwerdeführer leidet nachvollziehbar aufgrund eines Bruchs des ersten Halswirbels im Jahr 2023 noch immer an Schmerzen. Die von ihm dem Gutachter in der Untersuchung genannte Schmerzmedikation ist eine der WHO-Stufe 1 (Nicht-Opioidanalgetika bzw. nicht-steroidalen Antirheumatika). Wie oftmalig in Gutachten zum Thema „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ erläutert wird, stehen in diesem Fall den Beschwerdeführern Therapieoptionen offen – konkret auch dem Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer leidet an einer PTBS. Diese stellte jedoch keine erhebliche Einschränkung psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Sinne der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen dar.

In den Erläuterungen zur genannten Verordnung werden Krankheitsbilder psychischer, neurologischer oder intellektueller Natur, die im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder relevant sind, aufgelistet:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Der Beschwerdeführer erfüllt keines dieser Krankheitsbilder.

Der diagnostizierte Bluthochdruck zieht auch keine Unmöglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach sich.

Die festgestellten Leiden lassen somit laut Gutachten nachvollziehbar das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu. Der Gutachter hält insbesondere nachvollziehbar fest, dass das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 m, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert ist. Im Rahmen der Begutachtung mit Untersuchung konnte keine relevante Gangbildbeeinträchtigung festgestellt werden, es ist eine gute Kraftentfaltung im Bereich der unteren und oberen Extremitäten gegeben. Die Greiffunktionen sind erhalten, um sich festhalten zu können. Die Beweglichkeit im Bereich der Schultergelenke ist nicht eingeschränkt.

Es ist beim Beschwerdeführer – wie sich aus den nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters ergibt – auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Aus dem Gutachten ergeben sich keinerlei Hinweise auf erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen. Ebenso wenig sind daraus relevante Einschränkungen von Sinnesfunktionen ableitbar.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde, dass er wegen seiner eingeschränkten Beweglichkeit ausgelacht werde, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich die bei ihm vorliegende Beweglichkeitseinschränkung nicht von der eingeschränkten Beweglichkeit aufgrund anderer Ursachen –beispielsweise wegen einer Parkinsonerkrankung oder wegen Multipler Sklerose,… unterscheidet bzw. abhebt.

Dass Personen mit Bewegungseinschränkungen vereinzelt von undisziplinierten und charakterlich defizitären Verkehrsteilnehmern leider ausgelacht werden, kann nicht zur Folge haben, dass diesen Personen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist – derartige Vorkommnisse sind für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht relevant, zumal sie auch in der Sphäre dritter Personen liegen.

Es ist festzuhalten, dass es dem Bundesverwaltungsgericht bewusst ist, dass beim Beschwerdeführer Funktionseinschränkungen vorliegen, die für ihn sicherlich sehr belastend sind, aber für die Beurteilung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, bestimmte Voraussetzungen vorliegen müssen. Diese sind beim Beschwerdeführer aber nicht gegeben. Dass er Schmerzen hat, wird nicht bestritten, dennoch ist dazu festzuhalten, dass er Schmerzmedikation der WHO Stufe 1 einnimmt, die Einnahme stärkerer Medikamente aber jedenfalls eine zumutbare Therapieoption darstellen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3), der Behindertenpass gemäß § 43 Abs. 1 oder der Parkausweis für Menschen mit Behinderungen gemäß § 43 Abs. 1a eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG, auszugsweise).

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (kurz: VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen), BGBl II 2013/495, zuletzt geändert durch BGBl II 2016/263, ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Gemäß § 1 Abs. 5 der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.10.2011, 2009/11/0032).

In den Erläuterungen zur Stammfassung der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der geltenden Fassung geregelt in § 1 Abs. 4 Z 3) ausgeführt:

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – severe combined immunodeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z. B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer – unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse – durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 bis 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186).

Beim Beschwerdeführer liegen – wie sich aus den getroffenen Feststellungen ableiten lässt – weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten festgestellt werden. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Es wird im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt somit davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden (§ 24 Abs. 5 VwGVG).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Zur Klärung des Sachverhaltes holte die belangte Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten basierend auf einer Untersuchung ein. Im vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und das Nichtvorliegen der (medizinischen) Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragungen festgestellt.

Auch das Vorbringen in der Beschwerde war nicht geeignet, Gutachten zu entkräften. Angesichts der plausiblen Beschreibung des medizinischen Zustandes des Beschwerdeführers (im Gutachten) konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung daher unterbleiben (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180). Eine solche wurde im Übrigen auch nicht beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Entscheidung hängt von Tatsachenfragen ab. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.