JudikaturBVwG

L501 2312083-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2025

Spruch

L501 2312083-1/5E IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 20.01.2025, XXXX , betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung (GdB) vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Am 18.01.2024 langte im Sozialministeriumservice (in der Folge „belangte Behörde“) der Antrag der nunmehr beschwerdeführenden Partei (in der Folge „bP“) auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung ein, der im Falle des Nichtvorliegens eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass gilt.

Basierend auf dem von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten vom 27.11.2024 aus dem Bereich Allgemeinmedizin/Orthopädie stellte die belangte Behörde mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen. Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde ausgeführt, dass das dem Bescheid beiliegende und einen Teil der Begründung bildende Sachverständigengutachten als schlüssig erkannt und der Entscheidung zugrunde gelegt worden sei.

In der fristgerecht erhobenen Beschwerde ersucht die bP unter Beilage neuer Befunde um einen neuen Begutachtungstermin und brachte ergänzend vor, dass ein Gehen und Anziehen alleine nicht möglich sei.

Im Hinblick auf die geplante Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde ein auf einer klinischen Untersuchung beruhendes Sachverständigengutachten aus dem Bereich Allgemeinmedizin/Orthopädie vom 28.04.2025 eingeholt, in dem im Wesentlichen wie folgt ausgeführt wird:

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Führend ist das Leiden Nummer 1 mit 40%. Das Leiden Nummer 2 steigert da es das Gesamtbild verschlechtert um eine Stufe. Das Leiden Nummer 3 steigert bei Überschneidung mit Leiden Nummer 2 nicht weiter. Die restlichen Leiden steigern aufgrund von Geringfügigkeit bzw. fehlender funktioneller Wechselwirkungen nicht weiter. Somit ergibt sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 50%

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Zustand nach CTS OP 2019, Zustand nach Meningeom-OP 2005 mit Resttumor, postoperative Anämie 08/2024, chronisch atrophe Antrumgastritis 08/2024, unklare tumoröse Raumforderung im Bereich des Pylorus, polypoide Struktur an der Vorderwand des Antrums (Histo ausständig), kombinierte Hyperlipidämie - keine erheblichen (residualen) Funktionseinschränkungen, keine aktuellen Fachbefunde vorliegend

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Aufgrund der Verschlechterung des Gesamtzustandes und der Mobilitätseinschränkung trotz Rehabilitationsaufenthalt Höherbewertung des Wirbelsäulenleidens. Neu hinzugekommen sind die Leiden mit der laufenden Nummer 2 und 4, chronisches polytopes Schmerzsyndrom und Zustand nach Nierenentfernung. Die Einschätzung der übrigen Leiden aus dem Vorgutachten bleibt unverändert.

Die im Hinblick auf die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellte Frage wurde wie folgt beantwortet:

Aufgrund der chronischen Schmerzsymptomatik bei degenerativer Wirbelsäulenerkrankung und Funktionseinschränkung beider Kniegelenke besteht eine erhebliche Einschränkung der Mobilität, Stützkrücken oder ein Rollator sind ständig als Mobilitätshilfen erforderlich. Übliche Niveauunterschiede können auch mit Anhalten nur erschwert überwunden werden, zudem besteht eine Beeinträchtigung der Standhaftigkeit. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist erheblich erschwert.

Da das Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht in der gesetzlich vorgesehenen Zeit abgeschlossen werden konnte, wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet.

Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurde der bP in der Folge seitens des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich hierzu zu äußern. Es langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die bP erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Sie ist österreichische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz im Inland.

Vor Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides der belangten Behörde vom 20.01.2025 war die bP im Besitz eines bis 31.05.2024 befristeten Behindertenpasses.

Folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, liegen vor:

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Führend ist das Leiden unter der lfd. Nr. 01 mit 40 vH. Das Leiden unter der lfd. Nr. 02 steigert um eine Stufe, da es das Gesamtbild verschlechtert. Das Leiden unter der lfd. Nr. 03 steigert bei Überschneidung mit Leiden unter lfd. Nr. 02 nicht weiter. Die restlichen Leiden steigern aufgrund von Geringfügigkeit bzw. fehlender funktioneller Wechselwirkungen nicht weiter. Somit ergibt sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH.

II.2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes; die Ausführungen zu den allgemeinen Voraussetzungen aus dem Meldenachweis.

Das von der belangten Behörde im Zuge des in Aussicht genommenen Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholte Sachverständigengutachten ist ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die vorliegenden Funktionseinschränkungen wurden von der Sachverständigen im Rahmen der klinischen Untersuchung unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde erhoben und der entsprechenden Positionsnummer der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet.

Von der bP wurden im Rahmen des seitens des Verwaltungsgerichts gewährten Parteiengehörs keine Einwendungen gegen das eingeholte Sachverständigengutachten vom 28.04.2025 erhoben, die in den vorgelegten Befunden abgebildete Leiden wurden entsprechend berücksichtigt.

Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des von Amts wegen im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholten Gutachtens, es wurde kein für die Einschätzung entscheidend höheres Funktionsdefizit beschrieben als von Amts wegen gutachterlich festgestellt. Die bP ist diesen gutachterlichen Ausführungen weder auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten noch hat sie Beweise vorgelegt, die die Annahme zulassen würde, die Schlussfolgerungen der Sachverständigen seien unzutreffend (vgl. VwGH vom 05.10.2016, Ro 2014/06/0044). Die gutachterlichen Ausführungen wurden von der bP zudem weder substantiiert bestritten noch wurden Ungereimtheiten oder Widersprüche aufgezeigt, die eine Beeinspruchung auch ohne einem Entgegentreten auf gleichem fachlichen Niveau ermöglicht hätten (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholten Sachverständigengutachtens. Es wird daher – zumal es mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht - in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch einen Senat, anzuwendendes Verfahrensrecht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, […], und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

II.3.2. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise wie folgt:

§ 1. (1) […]

(2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

[…]

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

[…]

§ 42.

(1) Der Behindertenpass ist ein amtlicher Lichtbildausweis und hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum und den festgestellten Grad der Behinderung zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des Menschen mit Behinderungen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

[…]

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3), der Behindertenpass gemäß § 43 Abs. 1 oder der Parkausweis für Menschen mit Behinderungen gemäß § 43 Abs. 1a eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. Der Behindertenpass ist kein Nachweis im Sinne des § 14 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970 , in der jeweils geltenden Fassung.

[…]

Das von Amts wegen im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholte Gutachten ist - wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt – richtig, vollständig und schlüssig. Da sohin ein Grad der Behinderung von fünfzig (50) von Hundert (vH) festzustellen ist und folglich die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.

„Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des „Spruchs" der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. B 17.12.2014, Ra 2014/03/0049). Die Nichteintragung des begehrten Zusatzeintrags ist nicht von der gegenständlichen behördlichen Entscheidung vom 20.01.2025 mitumfasst. Das Bundesverwaltungsgericht war aufgrund dieser Beschränkung nicht befugt, den von der bP beantragten Zusatzvermerk zum Gegenstand seiner Entscheidung zu machen.

Es wird darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf das vorliegende Sachverständigengutachten vom 28.04.2025 diesbezüglich eine Entscheidung bei der belangten Behörde beantragt werden kann.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, 2013/08/0153).

Im vorliegenden Fall haben die Parteien die Durchführung einer Verhandlung durch das Verwaltungsgericht nicht beantragt. Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde das der Entscheidung zu Grunde gelegte – auf Basis einer klinischen Untersuchung erstellte - Gutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet, auch wurde es im Rahmen des Parteiengehörs nicht bestritten. Der auf sachverständiger Basis ermittelte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist geklärt und nicht ergänzungsbedürftig. Es wurde keine Rechts- oder Tatfrage aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

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