JudikaturBVwG

W602 2313890-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2025

Spruch

W602 2313890-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte GSTREIN über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Zum Vorverfahren

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 29.12.2022 einen Asylantrag in Österreich. Bei seiner Erstbefragung wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer an einem Sprachfehler leidet und schwerhörig ist, die Erstbefragung konnte jedoch durch mehrmaliges, lautes Nachfragen durchgeführt werden. Asylgründe nannte der Beschwerdeführer keine, er habe keine Probleme in Indien.

Am XXXX 2023 wurde der Beschwerdeführer wegen akuter Selbstgefährdung von der Polizei in das Krankenhaus XXXX gebracht. Am 31.01.2023 reiste er in die XXXX aus und wurde am 07.03.2025 via Dublin-IN von Österreich zur Fortführung des Asylverfahrens rückübernommen. In der Überstellungsankündigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) vom 03.03.2023 findet sich folgender Hinweis: „Achtung. Die Person ist psychisch krank. (siehe Gesundheitsbescheinigung)“. Am 11.03.2023 wurde der Beschwerdeführer von der Fremdenpolizei in Salzburg aufgegriffen und zur Unterkunftnahme in die Steiermark geschickt, wo er jedoch nicht ankam.

Ohne Durchführung einer niederschriftlichen Einvernahme wies das Bundesamt mit Bescheid vom XXXX den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung (ohne Angabe des Herkunftsstaates) zulässig ist und legte als Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkte IV.-VI.). Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer an keinen schweren psychischen Störungen und / oder schweren ansteckenden Erkrankungen leide und keine Bedrohung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention festgestellt werden konnte.

Dieser Bescheid wurde am 20.03.2023 durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt. Dagegen wurde kein Rechtsmittel erhoben.

2. Zu gegenständlichem Verfahren

Anfang Jänner 2024 verließ der Beschwerdeführer Österreich und reiste in die Schweiz. Dort war er wegen psychischer Probleme in stationärer Behandlung. Mit Entscheid vom XXXX 2024 ordnete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde XXXX für den Beschwerdeführer eine Vertretungsbeistandschaft nach Art. 394 ZGB für die Bereiche Administration, Wohnen und Gesundheit an; diese wurde mit Beschluss vom XXXX 2025 wegen der Überstellung des Beschwerdeführers nach Österreich wieder aufgehoben. In Österreich prüft das Bezirksgericht XXXX zum Entscheidungszeitpunkt die Bestellung eines Erwachsenenvertreters für den Beschwerdeführer.

Am XXXX 2025 stellte der Beschwerdeführer im Zuge der Überstellung aus der Schweiz einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am selben Tag von einem Organ der Fremdenpolizei XXXX erstbefragt. Änderungen seien seit seinem letzten Asylantrag nicht erfolgt, er fühle sich psychisch nicht wohl und legte medizinische Unterlagen aus der Schweiz vor. Hinweise auf Verständigungsschwierigkeiten wurden nicht protokolliert. Das Bundesamt beauftragte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten, das schriftlich am XXXX erstattet wurde. Die für den 22.04.2025 und für den 28.04.2025 anberaumten Einvernahmetermine vor dem Bundesamt nahm der Beschwerdeführer, trotz persönlich ausgehändigter Ladungsschreiben, unentschuldigt nicht wahr. Am 28.04.2025 ersuchte ein Mitarbeiter XXXX das Bundesamt schriftlich um die Übermittlung eines neuen Ladungstermins, da sich der Beschwerdeführer auf dem Weg zum Interview „verirrt“ habe.

Mit Bescheid vom XXXX wies das Bundesamt den Folgeantrag des Beschwerdeführers, ohne neuerliche Anberaumung eines Einvernahmetermins, wegen entschiedener Sache sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten zurück (Spruchpunkt I. und II.), erteilte keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Indien zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG nicht eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Gegen den Beschwerdeführer wurde ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren erlassen (Spruchpunkt VII.).

Gegen diesen Bescheid, der dem Beschwerdeführer am 21.05.2025 durch Hinterlegung zugestellt wurde, erhob dieser durch seine Rechtsberatung vollumfänglich Beschwerde, diese eingelangt am 03.06.2025 beim Bundesamt, und beantragte eine mündliche Verhandlung. Der Akt langte mit der Beschwerde am 05.06.2025 beim Bundesverwaltungsgericht ein, das Einlangen wurde dem Bundesamt am 06.06.2025 schriftlich, per 05.06.2025, bestätigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Anträgen auf internationalen Schutz:

Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsbürger und heißt XXXX , geboren am XXXX . Er stammt aus dem Punjab, seine Religionszugehörigkeit ist der Sikhismus. Seine Identität steht nicht fest. Die Familie des Beschwerdeführers, die zumindest aus seinen Eltern besteht, lebt in Indien. In Österreich leben keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers und er geht hier keiner Erwerbstätigkeit nach. Strafrechtlich ist der Beschwerdeführer in Österreich unbescholten, ob nach wie vor ein Verfahren wegen einer vom Beschwerdeführer initiierten Strafanzeige in der Schweiz anhängig ist, wurde nicht festgestellt. Der zum Entscheidungszeitpunkt rechtmäßige Aufenthalt basiert auf dem laufenden Asylverfahren, ein anderweitiges Aufenthaltsrecht in Österreich kommt ihm nicht zu.

Der Beschwerdeführer spricht Punjabi. Er spricht kaum Deutsch. Sein Sprachverständnis ist intakt, seine Aussprache jedoch eingeschränkt. Er leidet an einer deutlichen Dysarthrie. Er weist eine schwere Hörbeeinträchtigung auf. In Indien besuchte er nur rund vier Jahre die Grundschule.

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine, mit Bescheid vom XXXX erlassene, aufrechte Rückkehrentscheidung nach rechtskräftiger Abweisung seines ersten Asylantrags in Österreich. Die Behörde stützte die Abweisung darauf, dass der Beschwerdeführer in Indien keiner Verfolgung aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war oder ist und der Beschwerdeführer ausschließlich wirtschaftliche Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates geltend machte. Im Falle seiner Rückkehr würde er in keine aussichtslose oder existenzbedrohende Notlage geraten. Zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides waren XXXX bekannt, ebenso der Umstand, dass der Beschwerdeführer wegen einer akuten Selbstgefährdung im Krankenhaus XXXX nach dem Unterbringungsgesetz vom XXXX 2023 bis längstens XXXX 2023 stationär aufgenommen war. Das Bundesamt stellte im Bescheid fest, dass beim Beschwerdeführer keine schwere psychische Störung und / oder ansteckende Krankheiten bestehen.

Der Beschwerdeführer reiste nach Rechtskraft des Bescheides nicht nach Indien aus, sondern befand sich bereits seit Jänner 2024 in der Schweiz, von wo aus er im Februar 2025 nach Österreich rücküberstellt wurde und am XXXX 2025 verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte. Nachdem der Beschwerdeführer zwei Ladungstermine unentschuldigt nicht befolgte, wies das Bundesamt den verfahrensgegenständlichen Antrag ohne persönliche Befragung des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurück, da der Beschwerdeführer keine neuen Gründe für seinen Folgeantrag geltend gemacht habe.

Der Beschwerdeführer weist erst seit XXXX 2025 eine behördliche Meldung eines Hauptwohnsitzes in Österreich auf. In der Zeit von XXXX 2025 bis zum XXXX 2025 war er zunächst in einer therapeutischen Unterkunft aufhältig.

Der Beschwerdeführer ist psychisch krank. Seit Abschluss des ersten Asylverfahrens wurden folgende Diagnosen gestellt: Psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol: Schädlicher Gebrauch; anamnestische komplexe posttraumatische Belastungsstörung; anamnestische dissoziative Krampfanfälle sowie anamnestisch eine akute polymorphe psychotische Störung. Zuletzt wurden beim Beschwerdeführer eine leichtgradige depressive Anpassungsstörung und berichtete Panikattacken im Zusammenhang mit der unklaren Lebenssituation diagnostiziert.

Eine medikamentöse Therapie mit XXXX und bei Bedarf XXXX wurde bei seinem Aufenthalt in der Schweiz initiiert. Die Behörde stellte nicht fest, welche Medikation der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt benötigt.

Der Hörverlust besteht XXXX .

In der Schweiz wurde er am XXXX 2024 in einer XXXX für Psychiatrie und Psychotherapie vorstellig, stationär war er in dieser Klinik zumindest von XXXX 2024 bis XXXX 2024 aufhältig.

Mit Entscheid vom XXXX 2024 ordnete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde XXXX (Schweiz) für den Beschwerdeführer eine Vertretungsbeistandschaft nach Art. 394 ZGB für die Bereiche Administration, Wohnen und Gesundheit an. In der Begründung für die Vertretungsbeistandschaft wurde auf die verschiedenen gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers, wie XXXX Bezug genommen. Die Vertretungsbeistandschaft wurde mit Beschluss vom XXXX 2025 aufgrund der Überstellung des Beschwerdeführers nach Österreich aufgehoben, gleichzeitig wurde dieser Beschluss dem Bezirksgericht XXXX nachrichtlich betreffend Anregung zur Prüfung von Erwachsenenschutzmaßnahmen für den Beschwerdeführer übermittelt. Das Bezirksgericht XXXX verständigte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom XXXX 2025, XXXX , dass für ihn die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters geprüft wird.

In der bei der Überstellung ausgestellten gemeinsamen Gesundheitsbescheinigung vom 28.01.2025 (Standardformular für den Austausch von Gesundheitsdaten vor einer Überstellung gemäß der Dublin-Verordnung nach Artikel 32 Absatz 1 der VO (EU) Nr. 604/2013) ist unter der Rubrik sonstige Bemerkungen vermerkt:

„Um eine Destabilisierung des Gesundheitszustandes nach der Überstellung zu minimieren, bitten wir um folgende Punkte:

- Errichtung einer Erwachsenen Beistandschaft in Österreich

- Platzierung in einer seinen Bedürfnissen angepassten Institution

- Weiterführung der Psychotherapie

Besten Dank und Gruss

XXXX “

Nach Abschluss des ersten Asylverfahrens sind deutliche Hinweise auf eine schwere psychische Störung des Beschwerdeführers und seine eingeschränkte Fähigkeit, sich zu artikulieren, hervorgekommen. Diese sind durch Arztbriefe belegt, die wesentlich schwerwiegendere Einschränkungen als ein zuletzt eingeholtes neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom XXXX ausweisen. Aufgrund der sich dadurch ergebenden widersprüchlichen Angaben zum psychischen Gesundheitszustand und des anhängigen Verfahrens zur Klärung einer notwendigen Erwachsenenvertretung für den Beschwerdeführer besteht derzeit keine Klarheit über das Ausmaß von Einschränkungen seiner geistigen Leistungsfähigkeit und der Schwere seiner psychiatrischen Erkrankungen.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Indien:

Auszug aus den Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation zu Indien, Version 9 vom 14.04.2025:

[…]

20 Grundversorgung und Wirtschaft

Indien ist im Wirtschaftsjahr 2023/24, welches im März 2024 zu Ende gegangen ist, um beachtliche 8,2 % des BIP gewachsen - damit wurde der COVID-19-Pandemie bedingte Wirtschaftseinbruch überwunden und die indische Wirtschaft befindet sich wieder auf einem positiven Wachstumspfad. Indien ist damit die am stärksten wachsende Volkswirtschaft aller G20 Staaten. Diese Dynamik wird von einem wieder erstarkten Privatkonsum und einem enormen Investitionsprogramm der Regierung getragen. Externe Faktoren wie der Ukraine-Krieg, Lieferkettenprobleme, ein hohes Ölpreisniveau sowie auch die weltweite Zinswende führten zu einer höheren Inflation v. a. bei Lebensmitteln und Energie. Die Inflation hat sich mittlerweile von 6,7 % (2022/23) auf 5,7 % (2023/24) reduziert (WKO 9.2024). Die österreichische Botschaft in New Delhi hatte die indische Wirtschaft in ihrem Bericht von 2023 als resilient eingestuft (ÖB New Delhi 7.2023).

Im Wirtschaftsjahr 2023/24 stieg im Vergleich zum Vorjahr die Landwirtschaft um 1,4 % (14 % BIP-Anteil), der wiedererstarkende Industriesektor um 9,5 % (31 % BIP-Anteil) sowie der Dienstleistungsbereich um 7,6 % (55 % BIP-Anteil), wobei hier die IT-Services dominieren. Die indische Mittelschicht ist von 19 % im Jahr 2015 auf 32 % im Jahr 2024 gewachsen. Damit verändert sich nicht nur das Konsumverhalten der Menschen, sondern es steigen auch die Anforderungen an Infrastruktur sowie Gesundheitssysteme. Über 40 Mio. Studenten beginnen jährlich eine höhere Ausbildung, damit wächst der Talent- und Fachkräfte-Pool. Die wirtschaftliche Entwicklung führt zu einem Gesellschaftswandel mit einer Änderung der traditionellen Werte (WKO 9.2024).

Quellen: […]

20.1 Arbeitsmarkt

Im Jahr 2024 hatte Indien eine Erwerbsquote von 55,8 % (IOM 7.2024) und 2023 eine Arbeitslosenrate von 4,2 % (WB 7.1.2025) bis 4,7 % (IOM 7.2024). Die indische Regierung berichtet im Zeitraum 2022-23 eine Arbeitslosenrate von 3,2 % (GovI-MOSPI 9.10.2024), während der Thinktank Centre for Monitoring Indian Economy (CMIE) für August 2024 eine Rate von 8,51 % meldete. Es besteht Uneinigkeit darüber, wie die Arbeitslosigkeit in Indien gemessen werden soll. Nach Ansicht der Analysten ist die Diskrepanz auf die Definition von Arbeit zurückzuführen, die auch Teilzeitarbeit in der Landwirtschaft einschließt (FT 2.10.2024). In der arbeitenden Bevölkerung liegt der Anteil der Frauen bei 22 % und jener der Männer bei 74,6 % (IOM 7.2024). Es besteht im Wesentlichen eine umfassende und internationalen Standards entsprechende Arbeits- und Sozialgesetzgebung, allerdings nur für Beschäftigte in formellen Arbeitsverhältnissen (AA 5.6.2023). 2023 betrug der informelle Sektor 90 % (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023). Von den 10 % Beschäftigten im formellen Sektor, die über eine formelle soziale Absicherung und Arbeitsschutz verfügen, arbeiten 70 % im staatlichen Bereich. Nur 5 % der Gesamtarbeitskräfte sind ausgebildete Fachkräfte. Nicht mehr ganz die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig (ÖB New Delhi 7.2023). Der Großteil der im informellen Sektor beschäftigten Arbeitskräfte ist in der Privatwirtschaft tätig (IOM 7.2024). Im informellen Sektor sind geregelte Arbeitsverhältnisse mit angemessenen und regelmäßigen Einkünften die Ausnahme und die soziale Absicherung ist praktisch unbekannt. Gewerkschaften konzentrieren sich immer noch ganz überwiegend auf den (kleinen) formellen Sektor und sind zumeist parteipolitisch gebunden (AA 5.6.2023).

Die nationale Arbeitsvermittlungsagentur, welche beim Ministerium für Arbeit und dem Direktorat für Arbeit und Training angesiedelt ist, bietet Arbeitssuchenden Stellen. Dort müssen sich Arbeitssuchende selbst registrieren und werden sofort informiert, sobald eine passende Stelle verfügbar ist. Einige Staaten in Indien bieten Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von 3 Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen Informationen über die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen und die Verbesserung der Fähigkeiten entsprechend der Marktnachfrage zur Verfügung gestellt werden. (IOM 7.2024).

Durch das Gesetz zur nationalen Beschäftigungsgarantie im ländlichen Raum (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act - MGNREGA) existiert ein Arbeitsplatzgarantiesystem, mit einer gesetzlichen Jobgarantie für 100 Tage im Jahr. Dies betrifft Erwachsene jedes ländlichen Haushalts, die bereit sind, ungelernte Handarbeit im öffentlichen Dienst zum gesetzlichen Mindestlohn pro Tag zu verrichten. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie bietet Unterstützung zur Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten an (IOM 7.2024).

Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund von Ethnie, Geschlecht, Behinderung, Sprache, sexueller Ausrichtung, Geschlechtsidentität oder sozialem Status in Bezug auf Beschäftigung und Beruf (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz verbietet alle Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit, aber Zwangsarbeit, einschließlich Schuldknechtschaft für Erwachsene und Kinder, ist weiterhin weit verbreitet (USDOS 24.6.2024; vgl. FH 2024).

Die Gesetze der Bundesstaaten legen Mindestlöhne und Arbeitszeiten fest. Der tägliche Mindestlohn variierte, lag aber über dem offiziell geschätzten Armutseinkommen. Die Regierungen der Bundesstaaten legten einen gesonderten Mindestlohn für Landarbeiter fest (USDOS 23.4.2024).

Quellen: […]

20.2 Armut und Nahrungsmittelsicherheit

Nach den letzten verfügbaren Zahlen lebten 2021 12,9 % der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze (WB 10.2024a; vgl. UNDP 2024). Dies ist eine signifikante Verbesserung, 2004 waren es noch ca. 40 % und 2011 noch 22,5 % (ÖB New Delhi 7.2023). Erweitert man den Armutsbegriff um weitere Dimensionen, so zeigt sich, dass rund 34 % aller Inder von multidimensionaler Armut gefährdet (18,7 %) (AA 5.6.2023; vgl. UNDP 2024) oder betroffen (16,4 %) sind (AA 5.6.2023; vgl. UNDP 2024, WB 10.2024a). Der Begriff der multidimensionalen Armut bezieht sich hierbei auf Armut, die nicht nur das Einkommen, sondern auch weitere Dimensionen, wie Bildung, Gesundheit und Lebensbedingungen umfasst, während die internationale Armutsgrenze (USD 2,15 pro Tag Kaufkraft) lediglich eine Einkommensgrenze festlegt, ab der Menschen als arm gelten. Aufgrund dieser breiteren Definition von Armut ist der Anteil der multidimensionalen Armut höher als bei ausschließlicher Betrachtung der täglichen Armutsgrenze (WB 10.2024b). In einigen Bundesstaaten, insbesondere im Norden und Osten Indiens (Bihar, Jharkhand, Uttar Pradesh), ist ein höheres Maß an multidimensionaler Armut festzustellen, während die südlichen Bundesstaaten (Kerala, Tamil Nadu) niedrigere Armutsraten aufweisen (WB 10.2024a).

Es gibt in Indien einen politischen Konsens zum Recht auf Nahrung. Zwei Drittel der indischen Bevölkerung haben einen entsprechenden gesetzlichen Anspruch auf fünf Kilogramm Getreide und Hülsenfrüchte pro Monat (AA 5.6.2023; vgl. NFSP o.D.). Zusätzlich werden Preise für gewisse Nahrungsmittel staatlich gestützt (ÖB New Delhi 7.2023). Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 5.6.2023). Nach offiziellen Angaben sind 36 % der unter 5-Jährigen untergewichtig (AA 5.6.2023). Schwangere und stillende Mütter sowie Kinder im Alter von 6 Monaten bis 14 Jahren haben Anspruch auf kostenlose Mahlzeiten, die über Kinderentwicklungszentren (Integrated Child Development Services - ICDS-Zentren), den sogenannten Anganwadi-Zentren sowie über Schulen, im Rahmen des Mid-Day Meal-Programms (MDM), verteilt werden. Können berechtigte Personen nicht mit den zustehenden Nahrungsmitteln oder Mahlzeiten beliefert werden, haben diese Personen einen Anspruch auf eine Nahrungsmittelbeihilfe durch jeweilige Landesregierung in den Bundesstaaten (NFSP o.D.).

Quellen: […]

20.3 Wohnraum und Sozialwesen

In den Großstädten sind Preise für Eigentumswohnungen vergleichbar mit denen anderer Großstädte der Welt. Die Mietpreise sind in Städten relativ höher als in Dörfern. Die meisten Häuser werden durch Immobilienagenturen vermietet, die im Allgemeinen unorganisiert sind und einen kleinen Ort abdecken. Eine Kaution in Höhe einer Monatsmiete ist üblich. Für den Aufenthalt in einem Haus sind der Personalausweis und eine polizeiliche Überprüfung erforderlich, die jedoch in kleinen Städten und Dörfern kaum praktiziert wird (IOM 7.2024).

Zahlreiche Sozialprogramme sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern (AA 5.6.2023). Die Kriterien für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen sind jedoch komplex und variieren je nach Ort und der Zugang zu solchen Leistungen sollte nicht als selbstverständlich betrachtet werden. Selbst wenn ein Anspruch besteht, ist es nicht möglich, allein von Sozialleistungen zu leben (DFAT 29.9.2023). Die Regierung bietet eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen an. Diese richten sich meist an benachteiligte Personenkreise, wie beispielsweise Personen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (IOM 7.2024).

De facto ist der Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen in vielen Teilen Indiens noch wegen gravierender qualitativer und quantitativer Mängel, Korruption und Missmanagement beschwerlich bzw. oft verwehrt. Mit der Einführung der Identifikationsnummer Aadhaar und der davon unabhängigen Eröffnung von Bankkonten für jeden Haushalt in Indien konnten erste Erfolge bei der Eindämmung von Korruption und beim "verlustfreien" Transfer staatlicher Sozialleistungen verbucht werden (AA 5.6.2023). Die Aadhaar-Karte bietet eine Plattform für Sozialleistungen, Vergünstigungen und Subventionen (DFAT 29.9.2023) [für weitere Informationen zu Aadhaar siehe Bewegungsfreiheit und Meldewesen]. Mit dem Haushaltsgesetz 2018 wurde die Einführung einer Krankenversicherung für rund 100 Mio. Familien bzw. etwa 500 Mio. Menschen beschlossen (AA 5.6.2023).

Die Einzahlung in die Rentenkasse ist für Arbeitnehmer verpflichtend und mit der Arbeitsstelle verknüpft. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches den Teilnehmern ermöglicht, systematisch Ersparnisse während ihres Arbeitslebens anzulegen. Seit 2009 wird NPS allen Bürgern auf freiwilliger Basis zur Verfügung gestellt (IOM 7.2024).

Quellen: […]

21 Medizinische Versorgung

Das indische Gesundheitssystem bietet ein komplexes (Kumar/Cureus 16.5.2023) und vielfältiges Netzwerk von (Kumar/Cureus 16.5.2023; vgl. IOM 7.2024) öffentlichen und privaten Anbietern an. Es hat sich im Laufe der Jahre erheblich verändert, steht aber immer noch vor zahlreichen Herausforderungen (Kumar/Cureus 16.5.2023). Nach der indischen Verfassung sind die einzelnen Bundesstaaten für die meisten Aspekte des Gesundheitswesens, einschließlich des öffentlichen Gesundheitswesens und der Krankenhäuser, zuständig. Ein besonderes Merkmal des öffentlichen Gesundheitswesens ist, dass es Massengesundheitsprogramme gibt, von denen die meisten präventiver und fördernder Natur sind, wie z. B. ausgewählte Programme zur Krankheitsbekämpfung, zur Familienplanung und zur Gesundheit von Mutter und Kind (Empfängnisverhütung, Impfungen, Schwangerenvorsorge usw.) (IOM 7.2024). Nichtübertragbare Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs nehmen in Indien zu und belasten das Gesundheitssystem zusätzlich. Trotz der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte steht Indien nach wie vor vor der Herausforderung, übertragbare Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria und HIV/AIDS unter Kontrolle zu bringen (Kumar/Cureus 16.5.2023).

Der öffentliche Sektor umfasst primäre, sekundäre und tertiäre Gesundheitseinrichtungen, die von der Zentralregierung und den Regierungen der Bundesstaaten verwaltet werden. Die primäre Gesundheitsversorgung ist die erste Anlaufstelle für den Einzelnen (Kumar/Cureus 16.5.2023) und wird von primären Gesundheitszentren, kommunalen Gesundheitszentren und Subzentren bereitgestellt (Kumar/Cureus 16.5.2023; vgl. IOM 7.2024). Die Kliniken der primären Gesundheitsversorgung sind Teil des staatlich finanzierten öffentlichen Gesundheitssystems des Landes (IOM 7.2024). Obwohl diese Kliniken weitgehend in der Nähe aller Dörfer vorhanden sind (IOM 7.2024), kommt es dennoch noch immer zu einem Mangel an Gesundheitseinrichtungen, insbesondere in ländlichen Gebieten (Kumar/Cureus 16.5.2023). Die sekundäre Gesundheitsversorgung konzentriert sich auf Akut- und Spezialleistungen, die von Bezirkskrankenhäusern erbracht werden. Die Tertiärversorgung bezieht sich auf weiterführende medizinische Leistungen, einschließlich Spezialleistungen, die von medizinischen Hochschulen erbracht werden. Der private Sektor umfasst einzelne Ärzte, Pflegeheime, Kliniken und Betriebskrankenhäuser (Kumar/Cureus 16.5.2023).

Darüber hinaus wird über einen Mangel an medizinischer Ausrüstung, Ressourcen und grundlegender Infrastruktur (Kumar/Cureus 16.5.2023), wie z. B. sauberem Wasser, berichtet. Die Qualität und Verfügbarkeit von Gesundheitsdiensten ist sehr unterschiedlich (DFAT 29.9.2023), und das Angebot an Fachkräften (wie Ärzten, Krankenschwestern und Sanitätern) reicht nicht aus, um die Nachfrage zu decken (DFAT 29.9.2023; vgl. Kumar/Cureus 16.5.2023). Einerseits bestehen zwischen städtischen und ländlichen Gebieten erhebliche Unterschiede in der Qualität und Zugänglichkeit von Gesundheitsdiensten (Kumar/Cureus 16.5.2023), aber auch zwischen reicheren Bundesstaaten (z. B. Kerala) und Großstädten (z. B. Delhi, Kolkata und Mumbai) im Vergleich zu weniger wohlhabenden (DFAT 29.9.2023). Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 5.6.2023). Im Gegensatz zu ländlichen Gebieten verfügen städtische Gebiete in der Regel über eine bessere Infrastruktur, Zugang zu qualifiziertem Personal und Verfügbarkeit von spezialisierter Versorgung (Kumar/Cureus 16.5.2023).

Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt (AA 5.6.2023). In der Regel wird für die Inanspruchnahme der Gesundheitseinrichtungen ein gültiger Identitätsnachweis (Adhaar-Karte, Wählerausweis, PAN, Führerschein) verlangt. In den öffentlichen Krankenhäusern Indiens haben die Patienten Zugang zu subventionierter Gesundheitsversorgung (IOM 7.2024). Da allerdings der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der mit westlichen Industriestaaten vergleichbar ist (AA 5.6.2023). Dadurch wurde Indien ein beliebtes Reiseziel für den Medizintourismus (Kumar/Cureus 16.5.2023). Eine private Gesundheitsversorgung ist allerdings vergleichbar teuer (IOM 7.2024; vgl. DFAT 29.9.2023) und die meisten Kosten für die Gesundheitsversorgung müssen von den Patienten und ihren Familien getragen werden und nicht von der Versicherung (IOM 7.2024). Für viele Inder können die hohen Eigenbeteiligungen im Gesundheitswesen eine große Belastung darstellen. Krankenversicherungen sind in Indien nicht so weit verbreitet wie in anderen Ländern. Dies kann dazu führen, dass Behandlungen verzögert oder vermieden werden, was zu weiteren Komplikationen und Gesundheitsproblemen führen kann (Kumar/Cureus 16.5.2023). Krankenversicherungen für die Allgemeinbevölkerung werden von verschiedenen privaten und öffentlichen Unternehmen mit unterschiedlichen Prämienzahlungen angeboten. Die staatliche, sozial ausgerichtete Universelle Krankenversicherung deckt nur indische Bürger ab, die unterhalb der Armutsgrenze leben (IOM 7.2024). Die Pradhan Mantri Jan Arogya Yojana (PMJAY) ist eine Krankenversicherung für die ärmsten Bevölkerungsschichten Indiens, rund 500 Millionen Menschen. Im Dezember 2022 gab es rund 117.000 Ayushman Bharath Health and Welfare Centres (AB-HWCs) in ganz Indien. Die AB-HWCs bieten kostenlose unentbehrliche Medikamente, diagnostische Dienstleistungen und Telekonsultationen an (Kumar/Cureus 16.5.2023).

Apotheken sind in Indien selbst in abgelegenen Städten zu finden. Indien ist der größte Hersteller von Generika und die Kosten für wichtige Medikamente werden von der Regierung kontrolliert. Generische Medikamente können auch bei den Pradhan Mantri Bhartiya Janaushadhi Kendras gekauft werden (IOM 7.2024). Janaushadhi Kendras sind von der Regierung betriebene Verkaufsstellen, die Medikamente zu niedrigen Preisen zur Verfügung stellen (GoI-J 2025; vgl. IOM 7.2024). In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich. Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich (AA 5.6.2023).

Quellen: […]

22 Rückkehr

Jeder indische Staatsangehörige hat das Recht auf Ausreise und Rückkehr in das eigene Land (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 5.6.2023). Die Einreise ist ohne ein gültiges Reisedokument grundsätzlich nicht möglich. Ein von einem EU-Land ausgestelltes Heimreisepapier wird von der indischen Regierung nicht anerkannt. Die Ausstellung der nötigen Heimreisedokumente durch die indische Botschaft im jeweiligen EU-Land ist in der Regel mit einem zeitaufwendigen Verfahren verbunden, da es in Indien u. a. kein Meldewesen gibt (ÖB New Delhi 7.2023). Am 1.9.2023 trat ein Migrations- und Mobilitätsabkommen zwischen Österreich und Indien in Kraft, mit gegenseitigen Verpflichtungen zur Vereinfachung von Verfahren (APMM 1.9.2023).

Es bestehen keine Hinweise darauf, dass eine Asylantragstellung im Ausland zu nachteiligen Konsequenzen nach der Rückkehr führt (AA 5.6.2023; vgl. DFAT 29.9.2023, ÖB New Delhi 7.2023). Zur Festnahme ausgeschriebene Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Strafverfolgungsbehörden rechnen (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (radikale Sikhs, Kaschmiris) werden von der Regierung durch den Geheimdienst beobachtet. Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023), sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Es ist strafbar, zu Terrorgruppen Kontakte zu unterhalten oder an Handlungen beteiligt zu sein, die die Souveränität, Integrität oder Sicherheit Indiens gefährden (ÖB New Delhi 7.2023).

Für Rückkehrer gibt es weder staatliche Aufnahmeeinrichtungen - auch nicht für unbegleitete Minderjährige - noch Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen (AA 5.6.2023).

Quellen: […]

22.1 Rückkehrunterstützung des österreichischen Staates

[Dieses Kapitel basiert auf Informationen, die von der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) mit Stand Dezember 2024 zur Verfügung gestellt worden sind (BMI 6.12.2024). Im Bereich der Rückkehrunterstützung kann es zu kurzfristigen Änderungen kommen. Für weitere Informationen sei auf die entsprechende Seite der BBU verwiesen].

Die Mitarbeiter der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) informieren individuell über die Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr bzw. die verfügbaren Unterstützungsleistungen.

Die Rückkehrunterstützung umfasst folgende Leistungen:

Kostenlose individuelle Beratung zur freiwilligen Rückkehr einschließlich Antragsstellung auf finanzielle Unterstützung durch die BBU

Organisatorische Unterstützung bei der Reisevorbereitung

Übernahme der Heimreisekosten

Finanzielle Starthilfe in Höhe von bis zu € 900

Reintegrationsprogrammteilnahme nach der Rückkehr im Zielland

Ein Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen besteht nicht. Die Bewilligung erfolgt durch das österreichische Bundesamt für Fremdwesen und Asyl (BFA). Weitere Informationen zu den aktuellen Unterstützungsangeboten (Rückkehrunterstützung inkl. Reintegrationsunterstützung) sind auf der Webseite www.returnfromaustria.at verfügbar.

Die BBU unterstützt sowohl bei der Reiseplanung und der Flugbuchung als auch bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten, einer ggf. notwendigen medizinischen Versorgung sowie mit der Übernahme der Rückreisekosten. Organisatorische Unterstützung kann grundsätzlich in jeder Verfahrenskonstellation gewährt werden. Voraussetzung für die Gewährung der Übernahme der Heimreisekosten ist die Mittellosigkeit der rückkehrenden Person.

Finanzielle Starthilfe

Die Höhe der finanziellen Starthilfe ist in einem degressiven Modell geregelt und staffelt sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung auf unterstützte freiwillige Rückkehr:

Während des laufenden asyl- oder fremdenrechtlichen Verfahrens bis ein Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung: € 900,00 pro Person; ab einem Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung: € 250,00 pro Person

Kernfamilien: Maximalbetrag von € 3.000 pro Familie

Sonderkonstellation: Für vulnerable Rückkehrende, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein einmaliger Betrag von € 250,00 pro Person gewährt werden.

Kriterien für den Erhalt der finanziellen Starthilfe und der Reintegrationsunterstützung (Ausnahmen im Einzelfall möglich):

Freiwillige Ausreise

Finanzielle Bedürftigkeit bzw. Mittellosigkeit

Erstmaliger Bezug der Unterstützungsleistung

Nachhaltigkeit der Ausreise

Keinerlei Evidenz eines Sicherheitsrisikos durch die freiwillige Rückkehr

Keine schwere Straffälligkeit

Ausgeschlossen vom Bezug der finanziellen Starthilfe sind EWR-Bürger, Personen aus den Westbalkan-Staaten sowie Staatsangehörige von Ländern mit visumsfreier Einreise nach Österreich (z. B. Georgien, Moldawien). Sonderkonstellation: Für vulnerable Rückkehrende aus diesen Regionen, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein einmaliger Betrag von € 250,00 pro Person gewährt werden.

Reintragrationsunterstützung

Für 42 Herkunftsländer können freiwillige Rückkehrer im Sinne des Leitgedankens "Rückkehr mit Perspektiven" Reintegrationsunterstützung im Wert von bis zu € 3.500 beantragen.

Die Abwicklung des Reintegrationsangebots erfolgt mit den Kooperationspartnern:

Frontex (EU Reintegrationsprogramm EURP)

IOM Österreich (Reintegrationsprogramm RESTART IV)

Caritas Österreich (Reintegratonsprogramm IRMA plus III)

OFII (französische Migrationsbehörde „French Office for Immigration and Integration“)

ETTC (im Irak tätige NGO „European Technology and Training Centre“)

Im Rahmen der Reintegrationsprogramme erhalten Rückkehrende umfassende Unterstützung bei der Wiedereingliederung in ihrem Herkunftsland. Dazu gehören individuelle, persönliche Beratung und vorwiegend Sachleistungen z. B. wirtschaftliche, soziale und psychosoziale Hilfen. Die Programme bieten ein breites Spektrum an Leistungen, um einen optimalen Einsatz der Mittel zu gewährleisten.

Weitere Informationen zu den jeweiligen Programmen bzw. für welche Herkunftsländer diese angeboten werden, sind den oben angeführten Seiten zu entnehmen (BMI 6.12.2024).

Quellen: […]

[…]

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Anträgen auf internationalen Schutz:

Die Feststellungen zu den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben bei seinen Befragungen vor den Behörden im Asylverfahren (1. AV, AS 1-5; EB, AS 1-2) und sonstigen offiziellen Stellen (z.B. 1. AV, AS 25 – Vorführung in eine Krankenanstalt; Klinikaufenthalte, Angaben gegenüber dem Gutachter XXXX , AS 123). Mangels Vorlage gültiger heimatstaatlicher Identitätsnachweise war nur eine Verfahrensidentität festzustellen. Seine Religionszugehörigkeit gab er bei seinen Befragungen in seinen Asylverfahren mit Sikhismus an und war diese daher auch festzustellen. Die in der Beschwerde genannte Zugehörigkeit zum Islam (Beschwerde, AS 294) ist auch aufgrund seines, wegen seiner Sprachkenntnisse glaubwürdigen Herkunftsgebietes Punjab in Indien, in dem die Mehrheitsbevölkerung dem Sikhismus angehört (LI, Kapitel Sikhs), nicht nachvollziehbar. Aktenkundig ist, dass zumindest seine Eltern noch in Indien leben (1. AV, AS 5; EB, 1. AV, AS 35). Familienangehörige in Österreich sind im Verfahren nicht hervorgekommen (1. AV, AS 5), Hinweise auf eine Erwerbstätigkeit in Österreich bestehen nicht (Auszug AJ-WEB vom 10.06.2025, OZ 2). Die strafrechtliche Unbescholtenheit in Österreich ergibt sich aus dem aktuellen Auszug aus dem Strafregister (Auszug vom 05.06.2025, OZ 2), zum Stand eines allfälligen Strafverfahrens in der Schweiz liegen keine weiteren Informationen vor, abgesehen von der Angabe im Fallübergabeformular vom XXXX 2025: „Eine Strafanzeige von Seiten Herr XXXX ist in der Schweiz noch hängig.“ (AS 75). Sein derzeitiges Aufenthaltsrecht scheint auch im Auszug aus dem zentralen Fremdenregister vom 05.06.2025 auf (OZ 2). Die mangelnden Deutschkenntnisse sind mehrfach niederschriftlich und in Befunden festgehalten (z.B. EB, AS 1; Klinikeinweisung vom 02.08.2024, AS 59; neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom XXXX , AS 125ff). Die Feststellungen zum Sprachverständnis und zur Dysarthrie sind insbesondere dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten (S 10) entnommen. Der rund vierjährige Schulbesuch in Indien war aufgrund seiner Angabe vor dem begutachtenden Facharzt (neurologisch-psychiatrisches Gutachten, S 8) festzustellen.

Die Feststellungen zum Erstverfahren ergeben sich aus dem Inhalt des Bescheides vom XXXX , Zahl XXXX . Die zum damaligen Entscheidungszeitpunkt bekannten Gesundheitsfakten ergeben sich aus den im verwaltungsbehördlichen Akt einliegenden Unterlagen:

Die Dauer seines Aufenthaltes in der Schweiz war nach Maßgabe seiner eigenen Angaben (EB, AS 17) und der ergänzenden Informationen im verfahrensgegenständlichen Bescheid (Bescheid, AS 220) festzustellen, ebenso seine Überstellung und die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unentschuldigt zwei Ladungstermine zur Einvernahme nicht wahrgenommen hat, was sich im Übrigen auch aus den im Akt befindlichen, vom Beschwerdeführer unterzeichneten Übernahmebestätigungen und den Aktenvermerken zum unentschuldigten Fernbleiben des Beschwerdeführers (AS 171, 177, 183, 191, 197) ergibt. Dass er eigenmächtig eine neue Unterkunft suchte, wird im verfahrensgegenständlichen Bescheid ausgeführt (Bescheid, AS 222). Die Feststellungen zur Meldeanschrift ergeben sich aus dem zentralen Melderegister (Auszug vom 05.06.2025, OZ 2).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand basieren auf den im Akt befindlichen medizinischen Unterlagen:

Arztbrief XXXX Psychiatrie und Psychotherapie, 02.08.2024 (AS 59-61)

Austrittsbericht XXXX Psychiatrie und Psychotherapie XXXX (AS 63-65)

Ambulanter Bericht Traumatologie XXXX (AS 67-68)

Austrittsbericht XXXX (AS 69-74)

Fallübergabeformular XXXX , per XXXX 2025 (AS75-77)

Neurologisch-psychiatrisches Gutachten von XXXX vom XXXX (AS 123-151)

Die Diagnose „F10.1 Psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol: Schädlicher Gebrauch“ ist dem Austrittsbericht vom XXXX 2024 entnommen, ebenso die anamnestische komplexe posttraumatische Belastungsstörung und die dissoziativen Krampfanfälle (anamnestisch). Diese Diagnosen sind bereits bei der Klinikeinweisung vom 02.08.2024 gestellt worden (AS 59). Die akute polymorphe psychotische Störung, F23.0 (anamnestisch) wurde zunächst in der gemeinsamen Gesundheitsbescheinigung, ausgestellt für die Rücküberstellung des Beschwerdeführers von der XXXX nach Österreich (1. AV, S 52) erwähnt und auch in der Klinikeinweisung vom 02.08.2024 (AS 59). Die leichtgradige depressive Anpassungsstörung und berichtete Panikattacken und deren Ursachen basieren auf den Aussagen des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vom XXXX (Gutachten, S 12).

Die verordneten Medikamente ergeben sich aus dem Austrittsbericht vom XXXX 2025, die darin als „Festmedikation“ im Gegensatz zur „Reservemedikation“ bezeichnet sind. Als Reservemedikation sind Ibuprofen und Phytotherapeutika genannt (AS 69). Als weiteres Prozedere wird in diesem Austrittsbericht zur Stabilisierung und im Sinne einer Rückfallprophylaxe die Fortsetzung der etablierten Psychopharmakotherapie unter regelmässigen Labor- und EKG-Kontrollen empfohlen. Diese Empfehlungen wurden auch in die gemeinsame Gesundheitsbescheinigung (AS 4) übernommen. Im Fallübergabeformular XXXX wird auf die für den Beschwerdeführer für die Überstellung vorbereitete Fixmedikation für eine Woche und die ihm mitgegebenen Originalpackungen seiner Psychopharmaka hingewiesen (AS 76). Mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit waren dem Beschwerdeführer daher zum Zeitpunkt seiner Überstellung nach Österreich am XXXX 2025 diese Psychopharmaka verordnet gewesen. Im neurologisch-psychiatrischen Gutachten steht unter dem Punkt „Aktuelle Medikation“ hingegen folgendes: „Angeführt wird, dass er Medikamente einzunehmen habe. Befragt, für welche Erkrankungen er die Medikamente einnimmt, kann er diesbezüglich keine wesentlichen Angaben tätigen. Er spricht undeutlich.“ (Gutachten, S 8). In der Zusammenfassung kommt der Gutachter zum Ergebnis: „Eine dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit ist bei den vorliegenden neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen nicht erforderlich.“ (Gutachten, S 13). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Gutachter zur Medikamenteneinnahme keinen vollständigen Befund erhoben hat, zumal ihm das Fallübergabeformular XXXX vom XXXX 2025 zur Verfügung gestellt wurde (AS 123) und darin der Hinweis auf die verordneten Psychopharmaka enthalten ist. Auch der Beschwerdeführer selbst hat den Gutachter über seine regelmäßige Medikamenteneinnahme informiert und hat der Gutachter diesbezüglich wegen Verständigungsschwierigkeiten nicht nachgefragt. Ungeachtet dieser bestehenden Anhaltspunkte hat der Gutachter es dennoch unterlassen, die verordneten und eingenommenen Medikamente festzustellen, darunter insbesondere Psychopharmaka. Die Schlussfolgerung im neurologisch-psychiatrischen Gutachten, dass eine dauerhafte medizinische Behandlungsbedürftigkeit nicht besteht, ist daher ohne fachärztliche Darlegung, warum entgegen der bisherigen Medikamentenverschreibung eine weitere Medikation nicht angezeigt ist, nicht nachvollziehbar und hat auch das Bundesamt zu diesem Punkt keine weitere Klärung verlangt.

Das neurologisch-psychiatrische Gutachten widerspricht in diesem Punkt dem Austrittsbericht und dem Fallübergabeformular. Die im verfahrensgegenständlichen Bescheid getroffene Feststellung, dass sich aus dem medizinischen Sachverständigen-Gutachten keinerlei Hinweise auf einen dauerhaften oder akuten Behandlungsbedarf ergeben, ist zwar aus dem Gutachten übernommen, übersieht aber, dass zu dieser Frage einander widersprechende Beweisergebnisse vorliegen und überdies das neurologisch-psychiatrische Gutachten in diesem Punkt bereits aufgrund der vom Gutachter nicht überprüften Aussage des Beschwerdeführers, regelmäßig Medikamente zu nehmen, auch in sich nicht schlüssig ist.

Die konkrete Feststellung des Hörverlustes ist dem Austrittsbericht vom XXXX 2024 zu entnehmen: H91.9, Hörverlust, nicht näher bezeichnet, XXXX (Bericht S 1).

Die Feststellungen zur eingerichteten Vertretungsbeistandschaft in der Schweiz und deren Endigung ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Beschluss XXXX , Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, vom XXXX 2025, Nr. 2100 (AS 179-182). Die Anregung zur Prüfung von Erwachsenenschutzmaßnahmen und deren Umsetzung in Österreich waren festzustellen, da diese einerseits dem Beschluss XXXX entnommen werden konnte und andererseits die Verständigung von der Befassung des Erwachsenenschutzvereines vom XXXX 2025 zu XXXX mit der Beschwerde übermittelt wurde (Beschwerde, AS 299).

Die gemeinsame Gesundheitsbescheinigung befindet sich im Verwaltungsakt (AS 3-8).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer möglicherweise eine schwere psychische Störung aufweist und sich nur eingeschränkt artikulieren kann, war daher entgegen der Zusammenfassung und Beurteilung im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom XXXX zu treffen.

Die Fragestellung der Behörde für die Erstellung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens lautete (Einzelauftrag zu einer psychologischen Untersuchung vom 13.02.2025, AS 99):

1) Leidet der ASt an einer psychischen Erkrankung?

2) Wenn zu 1) ja: Ergibt sich daraus eine dauerhafte medizinische Behandlungsbedürftigkeit (= länger als 3 Monate)?

3) Wenn zu 2) nein: Wann besteht voraussichtlich keine weitere medizinische Behandlungsbedürftigkeit?

4) Wenn zu 1) ja: Ist aufgrund der psychischen Erkrankung des ASt die Durchführung einer Überstellung in ein und in weiterer Folge ein Verbleib im Ankunftsland möglich, ohne dass von einer derartigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes auszugehen ist, dass d. ASt in einen lebensbedrohlichen Zustand gerät, oder sich die Krankheit in lebensbedrohlichem Ausmaß verschlechtert? (Reisefähigkeit und med. Versorgungsnotwendigkeit im Ankunftsland)

5) Wenn zu 4) Antwort ja: Welche med. Maßnahmen sind vor, während und nach der Überstellung in ein Ankunftsland erforderlich, um eine derartige Gefährdung weitgehend zu minimieren?

6) Ist d. ASt derart orientiert, dass er/sie in der Lage ist, schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen? (Einvernahme-/Parteienfähigkeit)

Abschiebung und Verbleib (in beiden Fällen Mindesterfordernis) möglich:

a) ohne weiterführende Therapie

b) mit medikamentöser Therapie (welche Medikamente)

c) mit medikamentöser Therapie und Psychotherapie

d) anderes

e) gar nicht

Beurteilungsgrundlagen für das Gutachten waren folgender Auszug aus dem Behördenakt: Ambulanter Bericht Traumatologie XXXX , Klinik für Traumatologie, vom XXXX (AS 67-68) und der Austrittsbericht XXXX (AS 69-74), das Gespräch mit dem Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi sowie der klinische Untersuchungsbefund einschließlich der Erhebung des neurologischen Status und des psychiatrischen Status (Gutachten S 2-10). Die Klinikeinweisung vom 02.08.2024 und der Austrittsbericht vom XXXX 2024 wurden dem Gutachter laut Akt und den im Gutachten selbst bezeichneten Beurteilungsgrundlagen nicht übermittelt.

Der Gutachter weist mehrfach im Gutachten auf die Artikulierungsprobleme des Beschwerdeführers hin: Undeutliche Sprechweise (Gutachten, S 7, 8, 9), deutlich eingeschränkte Ausdrucksfähigkeit (Gutachten, S 10), deutliche Sprachstörung und die erschwerte Gesprächsführung (Gutachten, S 11). Obwohl die Gesprächsführung, trotz Anwesenheit des Dolmetschers (Gutachten, S 11) erschwert ist, setzt sich der Gutachter über eine zentrale Aussage des Beschwerdeführers, wie die bereits vorgenannte Medikation, hinweg. Im eigentlichen Gutachten beantwortete der Gutachter die an ihn gerichteten Fragen wie folgt:

1) Leidet der ASt an einer psychischen Erkrankung?

1. Höhergradige Hörminderung beidseits, höhergradige Einschränkung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit bei erhaltenem Sprachverständnis

2. Depressive Anpassungsstörung – leichtgradig

3. Berichtete Panikattacken

2) Wenn zu 1) ja: Ergibt sich daraus eine dauerhafte medizinische Behandlungsbedürftigkeit (= länger als 3 Monate)?

Eine dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit ist bei den vorliegenden neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen nicht erforderlich.

3) Wenn zu 2) nein: Wann besteht voraussichtlich keine weitere medizinische Behandlungsbedürftigkeit?

S. Punkt 2)

4) Wenn zu 1) ja: Ist aufgrund der psychischen Erkrankung des ASt die Durchführung einer Überstellung in ein und in weiterer Folge ein Verbleib im Ankunftsland möglich, ohne dass von einer derartigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes auszugehen ist, dass d. ASt in einen lebensbedrohlichen Zustand gerät, oder sich die Krankheit in lebensbedrohlichem Ausmaß verschlechtert? (Reisefähigkeit und med. Versorgungsnotwendigkeit im Ankunftsland)

Im Fall einer Überstellung des Betroffenen in ein Ankunftsland ist eine kurz- bis mittelfristige Verschlechterung des Krankheitsbildes möglich, da in diesem Falle der Wunsch in Österreich bleiben zu dürfen nicht erfüllt werden würde.

Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht besteht im Falle einer Überstellung aber nicht die reale Gefahr, dass der Antragsteller aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte.

Inwieweit der Betroffene in einem Ankunftsland tatsächlich einem Bedrohungspotential ausgesetzt ist, kann der medizinische Gutachter nicht beurteilen.

5) Wenn zu 4) Antwort ja: Welche med. Maßnahmen sind vor, während und nach der Überstellung in ein Ankunftsland erforderlich, um eine derartige Gefährdung weitgehend zu minimieren?

Spezifische medizinische Maßnahmen sind nicht erforderlich.

6) Ist d. ASt derart orientiert, dass er/sie in der Lage ist, schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen? (Einvernahme-/Parteienfähigkeit)

Der Untersuchte ist soweit orientiert, dass er in der Lage ist, schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tötigen. Die Anamneseerhebung ist aber aufgrund der vorliegenden Sprachstörung erschwert.

Abschiebung möglich:

a) ohne weiterführende Therapie

Ein Sachverständigengutachten, das von der Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt wird, muss ausreichend begründet sein. Der Sachverständige muss in seinem Gutachten darlegen, auf welchem Weg er zu seiner Schlussfolgerung gekommen ist, damit eine Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens vorgenommen werden kann (VwGH 28.06.2023, Ra 2022/07/0196). Die Schlussfolgerungen im Gutachten sind aufgrund der mehrfach im Gutachten angesprochenen Sprachstörung des Beschwerdeführers teilweise jedoch nicht nachvollziehbar, wie die bereits erwähnten und im Gutachten nicht berücksichtigten Angaben zur Medikation, aber auch die, aufgrund der undeutlichen Sprechweise des Beschwerdeführers nicht weiter erhobenen Angaben zu seinen Beschwerden. Der Beschwerdeführer führte an, er habe das Gefühl, „Angst zu haben“ und gab auch „geistige Probleme“ an. In der Folge schreibt der Gutachter: „Weiteres kann bezüglich der Beschwerden nicht erhoben werden, der Betroffene spricht undeutlich.“ (Gutachten, S 9). Im psychiatrischen Status wird festgestellt: „Duktus soweit erhebbar geordnet, inhaltliche Denkstörungen nicht nachweisbar.“ (Gutachten, S 10). Auch hier schränkt der Gutachter seinen Befund ein: „soweit erhebbar“. Das Gutachten kann daher nur eingeschränkt als schlüssig betrachtet werden und hätte von der Behörde ihrer Entscheidung nicht als alleiniges Beweismittel zugrunde gelegt werden dürfen.

Liegen mehrere widersprechende Gutachten vor, die voneinander abweichende Schlussfolgerungen enthalten, ist eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Ergebnissen der Gutachten unter Prüfung der Schlüssigkeit durchzuführen. Die Feststellung, dass möglicherweise eine schwere psychische Störung des Beschwerdeführers vorliegt, war insbesondere aufgrund der im Akt einliegenden ärztlichen Unterlagen und den darin enthaltenen Diagnosen aus der Schweiz zu treffen, die sich teilweise mit der, bereits in der XXXX im Erstverfahren gestellten Diagnose einer akuten polymorphen psychotischen Störung (F23.0) decken. Es wird dabei nicht verkannt, dass ein Teil der Diagnosen durch fremdanamnestische Angaben zustande kam, ungeachtet dessen empfahl die XXXX für Psychiatrie und Psychotherapie die Klinikeinweisung des Beschwerdeführers zur psychischen Stabilisierung und diagnostischen Abklärung (Klinikeinweisung vom 02.08.2024, AS 61). Ein solcher Klinikaufenthalt fand vom XXXX 2024 bis zum XXXX 2024 statt. Der psychopathologische Befund bei Eintritt lautete (AS 68):

„Der psychopathologische Befund konnte aufgrund bestehender Sprach und Verständigungsbarrieren nur bedingt erhoben werden: Adäquat gepflegtes äusseres Erscheinungsbild. Wach. Im Kontaktverhalten hilfesuchend, zugewandt und kooperativ. Orientierung konnte nicht eruiert werden. Auffassung aufgrund Sprach- und Verständigungsbarriere deutlich erschwert. Konzentration im Gespräch nicht höhergradig gestört. Keine formale oder inhaltliche Denkstörungen eruierbar. Gespräch nicht höhergradig gestört. Keine formale oder inhaltliche Denkstörungen eruierbar. Stimmung leicht ängstlich, verzweifelt. Affektive Schwingungsfähigkeit reduziert. Psychomotorik adäquat zu Stimmung und Affekt, Nachtschlaf und Appetit nicht erfragt. Keinen Anhalt für akute Selbst- oder Fremdgefährdung.“.

Die Empfehlungen für das weitere Procedere lauteten (AS 69):

„Zur weiteren Stabilisierung und im Sinne der Rückfallprophylaxe, empfehlen wir die Fortsetzung der etablierten Psychopharmakotherapie unter regelmässigen Labor- und EKG-Kontrollen. Eine erneute Hospitalisation in unserer Klinik ist bei einer entsprechenden Indikation jederzeit möglich. Wir bitten im Vorfeld um eine telefonische Kontaktaufnahme.“

Widersprüchlich zum neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom XXXX liegen auch Klinikberichte vom Oktober 2024 und ein Fallübergabebericht von Februar 2025 vor, in denen mehrfache psychiatrische Diagnosen aufscheinen. Die Behörde hat sich mit den widersprechenden Diagnosen nicht auseinandergesetzt und hat dem neurologisch-psychiatrischen Gutachter die bereits vorhandenen Klinikberichte nicht zur Verfügung gestellt. Die dem Gutachter mit dem Gutachtensauftrag übermittelten Klinikberichte betreffen ausschließlich den Bewegungsapparat, da der Beschwerdeführer eine Fibulafraktur erlitten hatte und dieser in der Klinik behandelt wurde (Ambulanter Bericht Traumatologie vom XXXX , AS 67 und Austrittsbericht Institut für Notfallmedizin vom XXXX , AS 69). Aufgrund der vorliegenden Klinikberichte im Bereich der Psychiatrie in Verbindung mit dem Fallübergabebericht XXXX , in dem auf die komplexe Traumafolgestörung und hohe Spannungszustände, in deren Folge der Beschwerdeführer Alkohol trinkt, hingewiesen wird, war davon auszugehen, dass eine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung im Bereich des Möglichen liegt und insbesondere nur aufgrund des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nicht ausgeschlossen werden kann.

2.2. Zu den Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien in der Fassung vom 14.04.2025. Da dieser aktuelle Länderbericht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde

3.1.1. Ein Anbringen ist, außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn es die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrt (§ 68 Abs. 1 AVG). Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum VwGVG bereits ausgesprochen, dass auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden darf. Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens, wobei die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens allgemein anzuwenden sind. Dieser Grundsatz ist daher auch dann zu beachten, wenn § 17 VwGVG eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs 1 AVG im Rahmen des VwGVG nicht vorkehrt. Fest steht nach der Judikatur weiters, dass auch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mit ihrer Erlassung rechtskräftig wird, wobei alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranziehbar. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (VwGH, 24.05.2016, Ra 2016/03/0050 mwN).

Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 03.10.2023, Ra 2023/14/0178-10). Es kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Als Vergleichsbescheid ist der Bescheid bzw. das Erkenntnis heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226 mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Prüfung des Vorliegens einer entschiedenen Sache von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt daher auch dann vor, wenn die Behörde in dem rechtskräftig bereits abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 08.04.1992, 88/12/0169).

3.1.2. Der EuGH gelangte in seiner Entscheidung vom 09.09.2021, C-18/20 zu Folgeanträgen zum Ergebnis, dass Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) so auszulegen sind, dass die Wendung, dass ein Folgeantrag zunächst daraufhin geprüft wird, ob ‚neue Elemente oder Erkenntnisse‘, die ‚zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind‘, im Sinne dieser Bestimmung sowohl Elemente oder Erkenntnisse, die nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den früheren Antrag auf internationalen Schutz eingetreten sind, als auch Elemente oder Erkenntnisse umfasst, die bereits vor Abschluss dieses Verfahrens existierten, aber vom Antragsteller nicht geltend gemacht wurden. Dies gilt im Besonderen auch dann, wenn das Vorbringen schon in einem früheren Verfahren hätte erstattet werden können und den Antragsteller ein Verschulden daran trifft, den fraglichen Sachverhalt nicht schon im früheren Verfahren geltend gemacht zu haben.

Damit ist es aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben nicht (mehr) zulässig, den Antrag eines Fremden, der in einem Folgeantrag im Sinn des Art. 40 Verfahrensrichtlinie „neue Elemente oder Erkenntnisse“, die „erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen“, dass er „nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist“, vorbringt oder wenn solche zutage treten, allein deshalb, weil er Gründe, die bereits vor Abschluss des ersten Verfahrens existent waren, erst im Folgeantrag geltend macht, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Es bedarf einer Prüfung im Sinn des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie, ob „neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist“. Kommt bei dieser Prüfung hervor, dass - allenfalls entgegen den Behauptungen eines Antragstellers - solche neuen Elemente oder Erkenntnisse nicht vorliegen oder vom Antragsteller gar nicht vorgebracht worden sind, so ist eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache weiterhin - in einem Verfahren, in dem auch die Vorgaben des Kapitels II der Verfahrensrichtlinie zu beachten sind - statthaft. Das gilt auch dann, wenn zwar neue Elemente oder Erkenntnisse vorliegen, die Änderungen aber lediglich Umstände betreffen, die von vornherein zu keiner anderen Entscheidung in Bezug auf die Frage der Zuerkennung eines Schutzstatus führen können. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat nämlich in diesen Konstellationen keine Änderung erfahren (VwGH 19.10.2021, Ro 2019/14/0006).

3.1.3. Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

3.1.4. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies folgendes:

Der für die Beurteilung der entschiedenen Sache maßgebliche Vorbescheid ist der Bescheid vom XXXX , Zahl XXXX . Grundlage dieser Entscheidung waren die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Erstbefragung, er habe in Indien keine Probleme gehabt. Den bereits bei der Erstbefragung erkennbaren Sprach- und Hörproblemen des Beschwerdeführers wurde durch eine lautere Sprache der Dolmetscherin Rechnung getragen. Die Behörde stellte fest, dass beim Beschwerdeführer keine schweren psychischen Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen. Die bereits vor Bescheiderlassung bekannten medizinischen Informationen, die Diagnose XXXX , die Medikation XXXX als auch die Hör- und Sprachprobleme wurden in der Entscheidung zwar nicht konkret gewürdigt, sind aber dennoch von der Rechtskraft der entschiedenen Sache erfasst, da es sich dabei um, im Entscheidungszeitpunkt bekannte Tatsachen handelte.

Seit Erlassung des Vorbescheides wurden in der Schweiz weitere Befunde zum psychischen Zustand des Beschwerdeführers erhoben und eine Vertretungsbeistandschaft nach Art. 394 ZGB eingerichtet. Auch in Österreich ist derzeit ein Verfahren zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters anhängig. Das Bundesamt holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein, das u.a. zum Schluss kam, dass eine dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit bei den festgestellten neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen nicht erforderlich ist und der Beschwerdeführer in der Lage ist, schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen, jedoch eingeräumt wurde, dass die Anamneseerhebung aufgrund der vorliegenden Sprachstörung deutlich erschwert war. Wie beweiswürdigend ausführlich dargelegt, hätte das Bundesamt dieses zuletzt eingeholte Gutachten nicht als alleiniges Beweismittel für den psychischen Zustand und die Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers heranziehen dürfen, da zahlreiche weitere, seit dem ersten Asylverfahren hervorgekommene medizinische Unterlagen vorlagen, die diesem Gutachten widersprachen. Damit hat sich das Bundesamt jedoch nicht auseinandergesetzt, sondern hat seiner Entscheidung nur das eigens eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten zugrunde gelegt. Dieses Gutachten war nicht nur widersprüchlich zu den bereits aktenkundigen medizinischen Unterlagen, es war auch, wie ebenfalls beweiswürdigend ausgeführt wurde, nicht logisch nachvollziehbar und in sich nicht schlüssig, da der Gutachter selbst einräumte, dass die Sprachstörung des Beschwerdeführers die Anamneseerheblich deutlich beeinträchtigte und wesentliche Aspekte, wie allenfalls verordnete Psychopharmaka, nicht erhoben wurden. Darüber hinaus hat das Bundesamt die Vertretungsbeistandschaft, die für den Beschwerdeführer in der Schweiz eingerichtet wurde und das anhängige Prüfverfahren einer Erwachsenenvertretung in Österreich gänzlich unberücksichtigt gelassen.

Das Ausmaß der Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit und der psychischen Erkrankungen des Beschwerdeführers wurde daher nicht hinreichend festgestellt, weshalb die Behörde von keinem eindeutigen und somit auch von keinem gleichgebliebenen Sachverhalt ausgehen durfte.

Die seit Abschluss des ersten Asylverfahrens zum psychischen Zustand und zur geistigen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers hervorgekommenen Befunde und Gutachten sowie Gerichtsvorgänge betreffen Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Erlassung des Vorbescheides noch nicht bekannt waren und als neu hervorgekommene Tatsachen („nova producta“) zu qualifizieren sind. Selbst wenn eine psychiatrische Diagnose bereits bekannt war, sind die aktuell vorliegenden Ermittlungsergebnisse wesentlich umfangreicher und führten schlussendlich auch zur Feststellung, dass der Beschwerdeführer psychisch krank ist und derzeit noch Unklarheit über das Ausmaß seiner Erkrankung besteht. Bereits diese Tatsachen sind geeignet, in mehrfacher Hinsicht eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Einerseits haben die dargelegten Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers, wie seine Schwerhörigkeit und die Schwierigkeiten, sich zu äußern in Kombination mit psychischen Erkrankungen mit hoher Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf sein Aussageverhalten, sodass die neu hervorgekommenen Tatsachen mittelbar über die unzureichende Einvernahme und die nicht erfolgte Berücksichtigung der Artikulationsprobleme Auswirkungen auf (nicht) geltend gemachte Asylgründe und Rückkehrhindernisse haben können. Das Protokoll zur Erstbefragung zum Folgeantrag enthält keinen Hinweis, dass auf die Schwerhörigkeit und die Artikulationsprobleme des Beschwerdeführers Bedacht genommen worden wäre.

Andererseits konnte nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat bereits erwerbstätig war, ebenso wenig ist sein familiäres Umfeld ausreichend festgestellt. Eine erhebliche Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, z.B. durch eine Intelligenzminderung oder eine psychiatrische Erkrankung sind im Fall seiner Rückkehr insofern zu berücksichtigen, als existentielle Notlagen damit einhergehen können und unter dem Aspekt des Refoulementverbots gemäß Art. 3 EMRK zu prüfen sind.

Die Prüfbefugnis beschränkt sich ausnahmslos auf die Frage, ob sich – verfahrensgegenständlich – die Sachlage seit Erlassung des Vorbescheides geändert hat und diese Änderungen geeignet sind, eine inhaltlich anderslautende Entscheidung herbeizuführen. Dies ist angesichts der zahlreichen neu hervorgekommenen medizinischen Unterlagen eindeutig zu bejahen. Anzumerken ist, dass die Feststellungen des Bundesamtes, es hätten sich keine Sachverhaltsänderungen ergeben, schon aufgrund der bis zur Überstellung des Beschwerdeführers nach Österreich hervorgekommenen neuen Ermittlungsergebnisse zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht haltbar gewesen wäre, da bereits diese Ermittlungsergebnisse geeignet waren, eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen. Beschwerdegegenstand ist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Die, als Voraussetzung für die Entscheidung in der Sache notwendigen ergänzenden inhaltlichen Feststellungen zum Vorliegen von psychischen Erkrankungen und der geistigen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens, weshalb auch die Fehler, die bei der Schlüssigkeit des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens festzustellen waren, nicht durch das Bundesverwaltungsgericht selbst durch die Einholung ergänzender oder neuer gutachterlicher Äußerungen zu beseitigen sind (grundsätzlich nämlich schon: VwGH, 11.11.2024, Ra 2022/12/0176).

Der, für die Entscheidung über den Folgeantrag auf internationalen Schutz relevante Sachverhalt hat sich in einem entscheidenden Punkt mit möglichen Auswirkungen auf den Ausgang des Verfahrens, dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, geändert, sodass die Behörde zu Unrecht von einer unveränderten Sachlage ausgegangen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.5. Mit der Behebung der Spruchpunkte I. und II. des verfahrensgegenständlichen Bescheides ist die Rechtsgrundlage für die übrigen Spruchpunkte III.-VII. weggefallen.

3.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist.

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ergibt sich bereits aus den vorgelegten Verwaltungsakten zum Erstantrag und zum Folgeantrag auf internationalen Schutz. Die, für diese Entscheidung relevanten Umstände zum psychischen Zustand des Beschwerdeführers, aus denen sich eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes ergibt, sind den Akten zweifelsfrei zu entnehmen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung.

Rückverweise