JudikaturBVwG

W187 2304013-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2025

Spruch

W187 2304013-1/7E W187 2304012-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, und 2.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, jeweils vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, jeweils gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 7.10.2024, zu 1.) XXXX und zu 2.) XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden jeweils als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer, im Folgenden Beschwerdeführer 1 und Beschwerdeführerin 2 sind syrische Staatsangehörige und reisten irregulär in die Europäische Union ein, dabei wurden ihnen in Kroatien ihnen Fingerabdrücke abgenommen. Von dort reisten sie weiter in das österreichische Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer 1 ist der Vater der Beschwerdeführerin 2.

2. Die Beschwerdeführer stellten jeweils am XXXX erstmals im österreichischen Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz.

3. Im Rahmen der Erstbefragung des Beschwerdeführers 1 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab der Beschwerdeführer 1 an, in Syrien herrsche Krieg und es gebe keine Sicherheit.

4. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer 1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch im Zusammenhang mit seinem Verbleiben in Österreich bei seiner Frau Parteiengehör gewährt. Dabei gab der Beschwerdeführer 1 an, man würde seine Familie zerreißen, wenn er und seine Kinder ausreisen müssten. Seine frau sei bereits in Österreich.

5. Aufgrund des tatsächlichen Aufenthalts der frau des Beschwerdeführer 1 und der Mutter der Beschwerdeführerin 2 in Österreich und deren Status als subsidiär Schutzberechtigte, war die Durchführung eines Dublinverfahrens im gegenständlichen Beschwerdeführer Verfahren nicht möglich.

6. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer 1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, er sei 2012 für vier Tage von der FSA inhaftiert worden und gegen Lösegeld wieder freigelassen worden. Seine Familie sei reich gewesen und habe eine Mühle besessen auf deren Produktion mehrere Kriegsparteien Einfluss nehmen wollten.

7. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden vom 7.10.2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge des Beschwerdeführers 1 und der Beschwerdeführerin 2 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 jeweils ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 wurde ihnen jedoch jeweils der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

8. Gegen Spruchpunkt I. ihrer Bescheide richtet sich die jeweilige Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung für die Beschwerdeführer günstigere Bescheide erzielt worden wäre. Nach einer Darstellung des Sachverhaltes führen die gemeinsamen erhobenen Beschwerden im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer 1 drohe die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung durch das syrische Regime.

9. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt.

10. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht für den Beschwerdeführer 1 eine mündliche Verhandlung durch, wobei die Beschwerdeführerin 2 anwesend war. Die Verhandlung hatte folgenden Verlauf:

„…

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: Ich bin geboren am XXXX .

Richter: Bitte geben Sie Geburtsdatum und Geburtsort Ihrer Tochter an.

Beschwerdeführer: Sie ist am XXXX geboren.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer: Ich kann Arabisch, lesen und schreiben. Ein bisschen Englisch und Türkisch.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Ich bin Araber, muslimischer Sunnit und verheiratet. Ich bin zwei Mal verheiratet.

Richter: Wie sind Sie verheiratet, traditionell, staatlich oder beides?

Beschwerdeführer: Ich habe standesamtlich geheiratet.

Richter: Waren Sie schon einmal verheiratet, traditionell, staatlich oder beides?

Beschwerdeführer: Die erste Frau habe ich auch standesamtlich geheiratet und dann haben wir uns islamisch geschieden. Danach habe ich die zweite geheiratet und wir sind noch immer zusammen.

Richter: Haben Sie Kinder? Aus welchen Ehen stammen welche Kinder?

Beschwerdeführer: Ich habe von der ersten Frau drei Kinder und von der zweiten fünf Kinder.

Richter: Wer hat das Sorgerecht für Ihre Kinder, insbesondere für die Beschwerdeführerin?

Beschwerdeführer: Die Obsorge habe ich von der Beschwerdeführerin.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Syrien und der Türkei aufgehalten haben. Bitte nennen Sie auch alle Wechsel zwischen den beiden Staaten.

Beschwerdeführer: Ich war mein ganzes Leben bis 2015 in Syrien und 2015 bin ich in die Türkei eingereist. Im Jahr 2016 bin ich nach Syrien zurückgekehrt und bin dort geblieben. Danach bin ich im Jahr 2017 wieder in die Türkei eingereist. Im Jahr 2023 im November haben wir die Türkei verlassen und sind her gekommen, das war im Jahr 2024.

Richter: Können Sie bitte angeben wo genau Sie sich in Syrien und der Türkei aufgehalten haben?

Beschwerdeführer: Ich bin zwar in XXXX geboren, aber ich habe mein ganzes Leben fast in XXXX gelebt. In der Türkei war ich in XXXX und ich war ein Jahr in XXXX .

Richter: Wie haben Sie in Syrien und der Türkei gewohnt?

Beschwerdeführer: Unser soziale Situation in Syrien war sehr gut, ich habe ein Haus in XXXX und ein Haus am Bauernhof. Unser Bauernhof ist nicht so weit von XXXX es ist ca. 10-20 km entfernt und ich war zwischen XXXX und dem Bauernhof aufhältig. Im Jahr 2015 war ich ca. ein Jahr in der Türkei aufhältig, dort habe ich eine Schule gegründet, die wurde seitens der Türken gesperrt. Im Jahr 2016 bin ich nach Syrien, nämlich an der Grenze in XXXX zurückgekehrt, es war eine sichere Ortschaft, denn es wurde dort nicht bombardiert. Danach gab es Probleme zwischen den Türken und den Russen und dann gab es Bombardierungen. Die Leute die mich beschützt haben, haben wir gesagt, dass sie mich nicht mehr beschützen können. Danach bin ich nach XXXX gegangen und von dort bin ich 2017 in die Türkei gegangenen. Da bin ich nach XXXX zurückgekehrt und habe mich dort stabilisiert.

Richter: Was haben Sie in Syrien und der Türkei gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: In Syrien habe ich maturiert, mein Vater hatte eine Mühle und ich habe dort bei ihm von 1996 bis 2013 als Buchhalter gearbeitet. In der Türkei habe ich wie gesagt, eine Schule gegründet, es hat ca. ein Jahr gedauert und dann wurde sie seitens der Türkei wieder gesperrt und dort habe ich mein ganzes Geld verloren. Als ich das zweite Mal in die Türkei zurückgekehrt bin, habe ich mich dort stabilisiert und habe in Fabriken gearbeitet, wie z.B in Kleidungsfabriken.

Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführer: Ich habe maturieret und zwar im Handelsfachbereich.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: Alle meine Tanten und Onkel mütterlicher- und väterlicherseits befinden sich in Syrien. Ich habe nur noch einen Halbbruder der bei seiner Mutter in XXXX lebt. Ich habe zwei Halbrüder die in Ägypten leben, drei Schwestern in der Türkei und fünf Schwestern in Syrien. Ich habe neun leibliche Geschwister und zwei Halbgeschwister.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Ja, über WhatsApp. Die meisten haben WhatsApp.

Richter: Haben Sie in Syrien und der Türkei oder in anderen Staaten weitere Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen wie zB Freunde und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Nein, nur mit Syrien.

Richter: Wer beherrschte Ihre Heimatregion zum Zeitpunkt Ihrer Ausreise?

Beschwerdeführer: Bashar Al Assad.

Richter: Wer beherrscht Ihre Heimatregion jetzt?

Beschwerdeführer: Ahmad Al Scharaa. Das sogenannte nationale Militär das die Macht von Azaz bis Jarablus hatte, hat sich dem HTS angeschlossen und hat die Macht über meine Ortschaft jetzt.

Richter: Haben sich die Verhältnisse in Ihrer Heimatregion seit dem Ende des Assad-Regimes geändert?

Beschwerdeführer: Es hat sich nicht viel geändert.

Richter: Wie haben sich die Verhältnisse in Ihrer Heimatregion seit dem Ende des Assad-Regimes geändert?

Beschwerdeführer: Meine zwei Brüder die in Ägypten waren, sind nach dem Sturz des syrischen Regimes nach Syrien zurückgekehrt, weil wir dort ja Eigentümer haben, zuerst wollte man ihnen die Mühle nicht übergeben und auch das Grundstück wollte ihnen die HTS nicht zurückgeben. Sie bleiben dort für eine Weile und dann haben sie sich entschieden nach Ägypten zurück zu kehren. An der Grenze zu Syrien und Libanon als sie über den Flughafen Beirut wegfliegen wollten, hat man ihnen dort die Pässe genommen und gesagt, das sie nicht ausreisen reisen dürfen. Dann sind sie nach Syrien zurückgekehrt aber sie wurden nicht verhaftet, aber sie durften nicht ausreisen, sie sind zu unserem Bauernhof zurück gegangen und sind dort geblieben. Sie sind bis jetzt dort geblieben. Meine Brüder trauen sich nicht mal nach XXXX zu gehen, sie sind in unserem Bauernhof geblieben. Es gibt null Sicherheit dort, es gibt viel Verbrechen, Entführungen. Die Hälfte des Volkes die auf der Seite der Revolutionäre ist, bringt die andere Hälfte, die auf der Seite des alten Regimes ist, um und umgekehrt. Wie gesagt, ich wurde selbst 2012 von der FSA entführt und habe dafür 20.000 Dollar Befreiungsgeld bezahlt. Das Jahr danach 2013 wurde mein Bruder entführt und wir haben 15 Millionen syrische Pfund bezahlt. Also ich habe weder für mich noch für meine Kinder Sicherheit im Falle einer Rückkehr dort. Ich wünsche mir natürlich das die Lage in meinem Land besser wird, denn wir haben dort sehr viel Geld und Reichtum, ich habe wie ein Prinz gelebt, aber wie es da zurzeit ausschaut, wird eine Rückkehr unmöglich sein.

Richter: Können Sie sich nach dem Ende des Assad-Regimes vorstellen, in Ihre Heimatregion zurückzukehren?

Beschwerdeführer: Nachdem sowas mit meinen Brüdern geschehen ist, nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei politisch betätigt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Waren Sie oder ein Familienmitglied in Syrien oder der Türkei Mitglied einer politischen Partei?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei religiös betätigt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei an Demonstrationen beteiligt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Sind Sie in Syrien oder der Türkei vorbestraft?

Beschwerdeführer: In der Türkei nicht, aber in Syrien gibt es welche vom alten Regime. Vorstrafen nicht. Wir wurden gesucht vom alten Regime.

Richter: Waren Sie in Syrien oder der Türkei in Haft?

Beschwerdeführer: Nein in der Türkei nicht und in Syrien wie gesagt, wurde ich seitens der FSA entführt.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme mit Behörden?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Bestehen gegen Sie in Syrien oder der Türkei Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief oder Ähnliches?

Beschwerdeführer: In der Türkei nicht, in Syrien weiß ich nicht ob es welche gibt, es gab eine Fahndungsmaßnahme für uns in der Zeit des alten Regimes. Unser ganzes Problem lag an der Mühle, das Regime hat uns vorgeworfen, dass wir für die Revolutionäre arbeiten und die Revolutionären haben uns vorgeworfen, dass wir für die Ungläubigen arbeiten. Im Jahr 2012 gab es ein Getreideproblem, die Revolutionären haben die Getreidelieferung für die Mühle verhindert, die Al Nusra Front hat zwei Mühlen in Besitz genommen. Die Bürger haben dann gegen die FSA demonstriert, Bashar hat dann den Befehl gegeben, dass wir nicht mahlen sollen, aber mein Vater hat es trotzdem gemacht. Das Regime hat dann daraufhin die Mühle bombardiert und zwei von unseren Verwandten sind dabei gestorben und viele dabei verletzt worden. Die Al Nusra Front hatte Interesse daran, dass wir damit mit dem Mahlen aufhören würden, sie wollten das selbst machen, damit sie das Vertrauen der Bürger gewinnen und uns hat die AL Nusra Front vorgeworfen, dass wir für die Ungläubigen mahlen.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wegen Ihrer Religion?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wegen Ihrer Volkszugehörigkeit?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wie Blutfehden, Sippenhaftung, Racheakten oder Ähnliches mit Privatpersonen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie in Syrien oder der Türkei an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilgenommen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien wegen des Kontakts zu Islamisten Probleme?

Beschwerdeführer: Nein, 2011 wollte das syrische Regime von meinem Vater, der wohlhabend war, dass er Leute rekrutiert. Und von der anderen Seite Al Nusra Front, dass er dies auch tut, deswegen wurden wir von beiden Seiten angefeindet.

Richter: Haben Sie in Syrien ein Militärbuch bekommen?

Beschwerdeführer: Ja, ich habe auch den Militärdienst abgeleistet.

Richter: Wurden Sie in Syrien zum Militär einberufen?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Wer hat Sie zum Militärdienst einberufen?

Beschwerdeführer: Seitens der Rekrutierungsstellen des syrischen Regimes.

Richter: Haben Sie in Syrien Ihren Militärdienst abgeleistet?

Beschwerdeführer: Ich habe ungefähr zweieinhalb Jahre den Militärdienst abgeleistet. Ich wurde im Jahr 1995 entlassen.

Richter: Wie wurden Sie beim Militär eingesetzt?

Beschwerdeführer: Ich war Chauffeur bei einem Offizier.

Richter: Haben Sie beim Militär eine besondere Ausbildung erhalten?

Beschwerdeführer: Nein, weil mein Vater so wohlhabend war, habe ich den Militärdienst nicht so richtig abgeleistet, ich war die meiste Zeit zuhause, ich habe nicht einmal die Grundausbildung gemacht. Wenn man in Syrien Geld hat, hat man die Lösung für alles, außer für das Sterben.

Richter: Für wen haben Sie den Militärdienst abgeleistet?

Beschwerdeführer: Für das syrische Regime.

Richter: Wurden Sie in Syrien zum Reservedienst einberufen?

Beschwerdeführer: Nein. Zur Revolutionszeit als sie Leute für den Reservedienst einberufen haben, war ich über dem gewünschten Alter.

Richter: Wurden Sie in Syrien jemals von einer anderen Gruppe als dem syrischen Regime zum Militärdienst einberufen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Warum haben Sie und Ihre Familie im Jahr 2024 die türkische Staatsbürgerschaft zurückgelegt?

Beschwerdeführer: Als wir die türkische Staatsbürgerschaft bekamen, dachten wir das unsere Situation und unser Leben dort besser sein wird, aber im Gegenteil ist es genauso schlecht geblieben ist, sodass wir im Endeffekt als syrische Bürger geblieben sind. Auch meine Tochter wurde als türkische Staatsbürgerin nicht an der Universität angenommen. Wir wurden sehr rassistisch behandelt, es gab einen Vorfall in Izmir mit meinem Cousin väterlicherseits, der auch XXXX heißt. Mein Cousin hat die Miete nämlich für drei Monate nicht bezahlt und er wurde deswegen angezeigt und danach wurde er umgebracht bzw. erschossen.

Richter: Wird Ihnen in Syrien eine oppositionelle Gesinnung unterstellt?

Beschwerdeführer: Ja, es gibt eine große Möglichkeit, dass es mir unterstellt wird. Also wie bereits gesagt, Es ist wegen der Mühle, während die Revolutionären uns vorgeworfen haben, dass wir für die Ungläubigen mahlen würden und dass was jetzt mit meinen Brüdern passiert ist, dass sie nicht ausreisen dürfen, ist beunruhigend.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Derzeit lerne ich Deutsch, ich habe einen A1 Kurs abgeschlossen und in einem Monat werde ich ein neuen Kurs besuchen.

Richter: Wie ist das Leben der Beschwerdeführerin, was macht sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Derzeit geht sie zur Schule, wenn Sie wollen, können Sie sie auch fragen. Sie geht in eine Mittelschule, aber sie weiß nicht wie die Schule heißt.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführer: Derzeit habe ich neue Freunde vom Deutschkurs gewonnen.

Richter: Haben Sie auch österreichische Freunde?

Beschwerdeführer: Ich wünsche es mir, aber ist eine schwierige Sache, es ist schwer einen österreichischen Freund zu bekommen. Es wäre sehr nützlich.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Österreich oder anderswo Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Es gibt Probleme mit der Miete meiner Wohnung, sonst nichts.

Richter: Haben Sie sich in Österreich oder anderswo an Demonstrationen beteiligt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Besuchen Sie in Österreich eine Moschee?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Beten Sie regelmäßig?

Beschwerdeführer: Ich bete nur zuhause.

Richter: Fasten Sie?

Beschwerdeführer: Ja, natürlich.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Ende 2012 kam das syrische Regime in meine Ortschaft rein, diese wurde dann zu einer Frontlinie. Wir wurden dann vom syrischen Regime gesucht, meine Familie ist dann in die Türkei gegangen und ich bin mit meiner Kernfamilie zu einer anderen Ortschaft namens XXXX gegangen. In XXXX bin ich dann nur zuhause geblieben, nach meiner Entführung war ich auch vorsichtiger und bekam auch Angst und ich habe mich weder der FSA noch dem syrischen Regime angenähert. Zu dieser Zeit kam der IS in XXXX rein, dann bin ich von dieser Ortschaft nach XXXX gegangen und zu Beginn 2015 bin ich in die Türkei eingereist. Das zweite Mal kam die Al Nusra Front in die Ortschaft wo ich war rein und es wurde dort bombardiert. Die Leute die mich beschützt haben, haben mir mitgeteilt, dass die das nicht mehr tun können und es gab auch Probleme, deshalb bin ich wieder ausgereist.

Richter: Hat Ihre Gattin einen eigenen Fluchtgrund?

Beschwerdeführer: Ihr Fluchtgrund ist der Familienname, weil sie meine Frau ist. Sie wurde einmal verhaftet als sie mit meiner Tochter, die heute da ist, schwanger war. Das syrische Regime ist zu mir nachhause gekommen und hat nach mir gesucht. Mit der Ausrede das sie nach einem Terroristen suchen, sie haben mich nicht gefunden und haben meine Frau mitgenommen und nach drei Tagen, haben sie sie wieder freigelassen. In Syrien ist das üblich das man sowas macht, dass wen man die Person sucht und nicht findet, die andere Person mitnimmt.

Richter: Haben Ihre Kinder, insbesondere die Beschwerdeführerin eigene Fluchtgründe?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Können Ihre Kinder, insbesondere die Beschwerdeführerin zu den Fluchtgründen etwas aussagen?

Beschwerdeführer: Also nein, sie haben dieselben Gründen wie ich, es genügt, wenn sie nach Syrien zurückkehren würden und wegen meines Namens entführt werden würden. Sie haben Syrien als sehr klein verlassen.

Richter: Warum haben Sie die Türkei 2023 verlassen?

Beschwerdeführer: Das Leben war unmöglich in der Türkei, wegen dem Rassismus und der Ausbildung der Kinder, nach Syrien konnten wir nicht zurückkehren, weil es dort für uns keine Sicherheit gab, deshalb haben wir die Türkei verlassen. In der Türkei ist das umbringen syrischer Bürger ein Hobby geworden, auch wegen einer Zigarette wird ein syrischer Bürger dort umgebracht.

Richter: Sind Sie in Syrien oder an einem anderen Ort jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführer: In Syrien wurde ich seitens des alten Regimes gesucht und seitens der FSA entführt. Das kann noch ein zweites oder drittes Mal passieren, dass ich entführt werde.

Richter: Wodurch sind Sie aktuell in Syrien bedroht?

Beschwerdeführer: Ich weiß ehrlich gesagt nicht, weswegen aber das was mit meinen Brüdern geschehen ist, beunruhigt mich, es kann sein, dass ich im Falle einer Rückkehr entführt werde oder unsere Eigentume weggenommen werden.

Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Beschwerdeführer: Illegal.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführer: Wir haben dem Schlepper das Geld über ein Büro überwiesen. Das Geld war für uns kein Problem, ich habe außerdem im Jahr 2021, als meine Mutter starb, ein Teil vom Erbe bekommen, sie hat über 10.000 Dollar überlassen, ich habe etwas dazu gelegt und wir sind ausgereist.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: Ich fand die Entscheidung der Asylbehörde unfair und mit dem subsidiären Schutz kann man jederzeit abgeschoben werden, also die Gerüchte derzeit, dass die Syrer zurückkehren machen mich psychisch fertig, ich kann mich auch nicht aufs Lernen konzentrieren.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Syrien zurückkehren müssten?

Beschwerdeführer: Das gleiche was meinen Geschwistern passiert ist, was danach passiert, weiß man nicht. Ich möchte noch ergänzen, dass im Jahr 2011 die Al Nusra Front uns eher unter Druck gesetzt hat als angegriffen hat. Mein Vater hat damals die Führer der Stämme versammelt, um eine Einigung zu finden. Die Al Nusra Front hat deshalb angenommen, dass er für das syrische Regime arbeitet.

Der Beschwerdeführer bringt nichts mehr vor.

Richter: Haben Sie den Dolmetscher gut verstanden?

Beschwerdeführer: Ja.

…“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen

1. Feststellungen

1.1 Zu den Personen und Lebensumständen der Beschwerdeführer

1.1.1 Die Beschwerdeführer sind syrische Staatsangehörige. Der Beschwerdeführer 1 ist der Vater der Beschwerdeführerin 2. Die Beschwerdeführer sind sunnitische Moslems und Araber. Der Beschwerdeführer 1 ist verheiratet.

1.1.2 Der Beschwerdeführer 1 wurde am XXXX , geboren und die Beschwerdeführerin 2 wurde am XXXX , geboren. Bis zu ihrer Ausreise Anfang 2015 in die Türkei lebten Beide immer in XXXX und dessen Umland. Anfang 2016 zog die Familie der Beschwerdeführer wieder zurück nach Syrien und hielt sich für circa ein Jahr in XXXX auf. 2017 verließ die Familie Syrien erneut und lebte bis Oktober 2023 in der Türkei. In dieser Zeit besuchten sie ein Mal zehn Tage lang eine andere Tochter des Beschwerdeführer 1 in XXXX . XXXX samt Umland steht aktuell unter der Kontrolle der HTS bzw. der syrischen Übergangsregierung.

1.1.3 Die Beschwerdeführer sind unbescholten.

1.2 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer

1.2.1 Die Herrschaft Baschar al-Assads ist Anfang Dezember 2024 im Zuge einer monatelang vorbereiteten Offensive unter Führung der oppositionellen „Hay’at Tahrir ash-Sham“(HTS) binnen weniger Tage zusammengebrochen; Baschar al-Assad ist mit seiner Familie nach Russland geflohen. Die syrische Armee wurde von der HTS nach der Machtübernahme aufgelöst, die Soldaten entlassen (vgl hierzu die Feststellungen in Punkt 1.3.7). Eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers durch das gestürzte syrische Regime aufgrund einer unterstellten oppositionellen Gesinnung oder aus anderen Gründen ist nicht maßgeblich wahrscheinlich, sie ist faktisch ausgeschlossen.

1.2.2 Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Syrien aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurden oder eine Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien zu befürchten hätten. Den Beschwerdeführern droht im Fall ihrer Rückkehr auch keine Übergriffe durch Privatpersonen, staatliche Stellen oder sonstige Akteure wegen ihrer Ausreise ins Ausland bzw ihrer Asylantragstellung in Österreich. Den Beschwerdeführern droht bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine asylrelevante Verfolgung aus den von ihnen geltend gemachten oder aus anderen Gründen.

1.3 Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer

1.3.1 Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024:

4.2 Nordwest-Syrien

Letzte Änderung 2024-03-08 11:28

Während das Assad-Regime etwa 60 Prozent des Landes kontrolliert, was einer Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen entspricht, gibt es derzeit [im Nordwesten Syriens] zwei Gebiete, die sich noch außerhalb der Kontrolle des Regimes befinden: Nord-Aleppo und andere Gebiete an der Grenze zur Türkei, die von der von Ankara unterstützten Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army, SNA) kontrolliert werden, und das Gebiet von Idlib, das von der militanten islamistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrolliert wird. Zusammen kontrollieren sie 10 Prozent des Landes mit einer Bevölkerung von etwa 4,4 Millionen Menschen, wobei die Daten zur Bevölkerungsanzahl je nach zitierter Institution etwas variieren (ISPI 27.6.2023).

Das Gebiet unter Kontrolle von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)

In der nordwestlichen Provinz Idlib und den angrenzenden Teilen der Provinzen Nord-Hama und West-Aleppo befindet sich die letzte Hochburg der Opposition in Syrien (BBC 2.5.2023). Das Gebiet wird von dem ehemaligen al-Qaida-Ableger Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: übersetzt soviel wie: Komitee zur Befreiung der Levante] beherrscht, der nach Ansicht von Analysten einen Wandel durchläuft, um seine Herrschaft in der Provinz zu festigen (Alaraby 5.6.2023). Das Gebiet beherbergt aber auch andere etablierte Rebellengruppen, die von der Türkei unterstützt werden (BBC 2.5.2023). HTS hat die stillschweigende Unterstützung der Türkei, die die Gruppe als Quelle der Stabilität in der Provinz und als mäßigenden Einfluss auf die radikaleren, transnationalen dschihadistischen Gruppen in der Region betrachtet. Durch eine Kombination aus militärischen Konfrontationen, Razzien und Festnahmen hat die HTS alle ihre früheren Rivalen wie Hurras ad-Din und Ahrar ash-Sham effektiv neutralisiert. Durch diese Machtkonsolidierung unterscheidet sich das heutige Idlib deutlich von der Situation vor fünf Jahren, als dort eine große Anzahl an dschihadistischen Gruppen um die Macht konkurrierte. HTS hat derzeit keine nennenswerten Rivalen. Die Gruppe hat Institutionen aufgebaut und andere Gruppen davon abgehalten, Angriffe im Nordwesten zu verüben. Diese Tendenz hat sich nach Ansicht von Experten seit dem verheerenden Erdbeben vom 6.2.2023, das Syrien und die Türkei erschütterte, noch beschleunigt (Alaraby 5.6.2023).

Aufgrund des militärischen Vorrückens der Regime-Kräfte und nach Deportationen von Rebellen aus zuvor vom Regime zurückeroberten Gebieten, ist Idlib in Nordwestsyrien seit Jahren Rückzugsgebiet vieler moderater, aber auch radikaler, teils terroristischer Gruppen der bewaffneten Opposition geworden (AA 29.11.2021). Zehntausende radikal-militanter Kämpfer, insb. der HTS, sind in Idlib präsent. Unter diesen befinden sich auch zahlreiche Foreign Fighters (Uiguren, Tschetschenen, Usbeken) (ÖB Damaskus 12.2022). Unter dem Kommando der HTS stehen zwischen 7.000 und 12.000 Kämpfer, darunter ca. 1.000 sogenannte Foreign Terrorist Fighters (UNSC 25.7.2023). Viele IS-Kämpfer übersiedelten nach dem Fall von Raqqa 2017 nach Idlib – großteils Ausländer, die für den Dschihad nach Syrien gekommen waren und sich nun anderen islamistischen Gruppen wie der Nusra-Front [Jabhat al-Nusra], heute als HTS bekannt, angeschlossen haben. Meistens geschah das über persönliche Kontakte, aber ihre Lage ist nicht abgesichert. Ausreichend Geld und die richtigen Kontaktleute ermöglichen derartige Transfers über die Frontlinie (Zenith 11.2.2022). Der IS sieht den Nordwesten als potenzielles Einfallstor in die Türkei und als sicheren Rückzugsort, wo seine Anhänger sich unter die Bevölkerung mischen (UNSC 25.7.2023). Laut einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2023 sind neben HTS und Hurras ad-Din unter anderem auch die zentralasiatischen Gruppierungen Khatiba at-Tawhid wal-Jihad (KTJ) – im März 2022 in Liwa Abu Ubayda umbenannt – und das Eastern Turkistan Islamic Movement (ETIM) – auch bekannt als Turkistan Islamic Party (TIP) – in Nordwestsyrien präsent (UNSC 13.2.2023).

Im Jahr 2012 stufte Washington Jabhat an-Nusra [Anm.: nach Umorganisationen und Umbenennungen nun HTS] als Terrororganisation ein (Alaraby 8.5.2023). Auch die Vereinten Nationen führen HTS als terroristische Vereinigung (AA 2.2.2024). Die Organisation versuchte, dieser Einstufung zu entgehen, indem sie 2016 ihre Loslösung von al-Qaida ankündigte und ihren Namen mehrmals änderte, aber ihre Bemühungen waren nicht erfolgreich und die US-Regierung führt sie weiterhin als „terroristische Vereinigung“ (Alaraby 8.5.2023; vgl. CTC Sentinel 2.2023). HTS geht gegen den IS und al-Qaida vor (COAR 28.2.2022; vgl. CTC Sentinel 2.2023) und reguliert nun die Anwesenheit ausländischer Dschihadisten mittels Ausgabe von Identitätsausweisen für die Einwohner von Idlib, ohne welche z.B. das Passieren von HTS-Checkpoints verunmöglicht wird. Die HTS versucht so, dem Verdacht entgegenzutreten, dass sie das Verstecken von IS-Führern in ihren Gebieten unterstützt, und signalisiert so ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bei der Terrorismusbekämpfung (COAR 28.2.2022). Im Mai 2023 startete die HTS in den Provinzen Idlib und Aleppo beispielsweise eine Verhaftungskampagne gegen Hizb ut-Tahrir (HuT) als Teil der langfristigen Strategie, andere islamistische Gruppen in den von ihr kontrollierten Gebieten zu unterwerfen und die Streichung der HTS von internationalen Terroristenlisten zu erwirken (ACLED 8.6.2023; vgl. Alaraby 8.5.2023). Das Vorgehen gegen radikalere, konkurrierende Gruppierungen und die Versuche der Führung, der HTS ein gemäßigteres Image zu verpassen, führten allerdings zu Spaltungstendenzen innerhalb der verschiedenen HTS-Fraktionen (AM 22.12.2021). Im Dezember 2023 wurden diese Spaltungstendenzen evident. Nach einer Verhaftungswelle, die sich über ein Jahr hinzog, floh eine Führungspersönlichkeit in die Türkei, um eine eigene rivalisierende Gruppierung zu gründen. Die HTS reagierte mit einer Militäroperation in Afrin (Etana 12.2023). HTS verfolgt eine Expansionsstrategie und führt eine Offensive gegen regierungsnahe Milizen im raum Aleppo durch (UNSC 25.7.2023).

Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes unter HTS- oder SNA-Dominanz

Letzte Änderung 2024-03-08 19:52

In Gebieten außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes ist die Lage von Justiz und Verwaltung von Region zu Region und je nach den örtlichen Herrschaftsverhältnissen unterschiedlich (AA 2.2.2024). In von oppositionellen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden unterschiedlich konstituierte Gerichte und Haftanstalten aufgebaut, mit starken Unterschieden bei der Organisationsstruktur und bei der Beachtung juristischer Normen. Manche Gruppen folgen dem (syrischen) Strafgesetzbuch, andere folgen dem Entwurf eines Strafgesetzbuches auf Grundlage der Scharia, der von der Arabischen Liga aus dem Jahr 1996 stammt, während wiederum andere eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und Scharia anwenden. Erfahrung, Expertise und Qualifikation der Richter in diesen Gebieten sind oft sehr unterschiedlich und häufig sind diese dem Einfluss der dominanten bewaffneten Gruppierungen unterworfen (USDOS 11.3.2020). Auch die Härte des angewandten islamischen Rechts unterscheidet sich, sodass keine allgemeinen Aussagen getroffen werden können (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Doch werden insbesondere jene religiösen Gerichte, welche in (vormals) vom Islamischen Staat (IS) und von Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: HTS wird von den Vereinigten Staaten aufgrund ihrer Verbindungen zu Al Qa’ida als ausländische Terrororganisation eingestuft (CRS 8.11.2022)] kontrollierten Gebieten Recht sprechen, als nicht mit internationalen Standards im Einklang stehend charakterisiert (ÖB Damaskus 1.10.2021). Die Gerichte extremistischer Gruppen verhängen in ihren religiösen Gerichten harte Strafen wegen in ihrer Wahrnehmung religiösen Verfehlungen (FH 9.3.2023). Urteile von Scharia-Räten der Opposition resultieren manchmal in öffentlichen Hinrichtungen, ohne dass Angeklagte Berufung einlegen oder Besuch von ihren Familien erhalten können (USDOS 20.3.2023).

Das Gebiet unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten syrischen Oppositionsgruppen wird von der „Syrischen Interimsregierung“ (Syrian Interim Government – SIG) verwaltet. Das Justizsystem ist hauptsächlich mit erfahrenem Personal als Richter, Staatsanwälte und Anwälte besetzt, aber die Justiz gilt als direkt und indirekt unter Einfluss der türkischen Streitkräfte und ihrer lokalen syrischen Verbündeten stehend. Implizit werden Korruption und Schikanen durch diese von der Justiz toleriert. Gleichzeitig wird gegen jegliche Opposition zur SIG oder der türkischen Präsenz strikt vorgegangen. Neben einem zivilen Justizsystem gibt es auch eine Militärjustiz, welche für militärische Strafverfahren und für das Militärpersonal zuständig ist (NMFA 5.2022).

In Idlib übernehmen quasi-staatliche Strukturen der sogenannten „Errettungs-Regierung“ der HTS Verwaltungsaufgaben (AA 2.2.2024) und verfügen auch über eine Justizbehörde. Die Gruppe unterhält auch geheime Gefängnisse. Die HTSunterwirft ihre Gefangenen geheimen Verfahren, den sogenannten „Scharia-Sitzungen“. In diesen werden die Entscheidungen von den Scharia- und Sicherheitsbeamten (Geistliche in Führungspositionen der HTS, die befugt sind, Fatwas [Rechtsgutachten] und Urteile zu erlassen) getroffen. Die Gefangenen können keinen Anwalt zu ihrer Verteidigung hinzuziehen und sehen ihre Familien während ihrer Haft nicht (NMFA 6.2021). Die COI(die von der UNO eingesetzte Independent International Commission ofInquiryon the SyrianArabRepublic) stellt in ihrem Bericht vom Februar 2022 fest, dass durch HTSund andere bewaffnete Gruppierungen eingesetzte, rechtlich nicht legitimierte Gerichte Urteile bis hin zur Todesstrafe aussprechen. Dies sei als Mord einzustufen und stelle insofern ein Kriegsverbrechen dar (AA 2.2.2024).

Für ganz Syrien gilt, dass nicht gewährleistet ist, dass justizielle und administrative Dienstleistungen allen Bewohnern und Bewohnerinnen in gleichem Umfang und ohne Diskriminierung zugutekommen (AA 2.2.2024). Willkürliche Verhaftungen, summarische Gerichtsverfahren und extralegale Strafen finden durch alle Kriegsparteien statt (FH 9.3.2023).

Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)

Letzte Änderung 2024-03-13 15:02

Manche Quellen berichten, dass die Rekrutierung durch regierungsfreundliche Milizen im Allgemeinen auf freiwilliger Basis geschieht. Personen schließen sich häufig auch aus finanziellen Gründen den National Defense Forces (NDF) oder anderen regierungstreuen Gruppierungen an (FIS 14.12.2018). Andere Quellen berichten von der Zwangsrekrutierung von Kindern im Alter von sechs Jahren durch Milizen, die für die Regierung kämpfen, wie die Hizbollah und die NDF (auch als „shabiha“ bekannt) (USDOS 29.7.2022). In vielen Fällen sind bewaffnete regierungstreue Gruppen lokal organisiert, wobei Werte der Gemeinschaft wie Ehre und Verteidigung der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung haben. Dieser soziale Druck basiert häufig auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft (FIS 14.12.2018). Oft werden die Kämpfer mit dem Versprechen, dass sie in der Nähe ihrer lokalen Gemeinde ihren Einsatz verrichten können und nicht in Gebieten mit direkten Kampfhandlungen und damit die Wehrpflicht umgehen könnten, angeworben. In der Realität werden diese Milizen aber trotzdem an die Front geschickt, wenn die SAA Verstärkung braucht bzw. müssen die Männer oft nach erfolgtem Einsatz in einer Miliz trotzdem noch ihrer offiziellen Wehrpflicht nachkommen (EUAA 10.2023). In manchen Fällen aber führte der Einsatz bei einer Miliz tatsächlich dazu, der offiziellen Wehrpflicht zu entgehen, bzw. profitierten einige Kämpfer in regierungsnahen Milizen von den letzten Amnestien, sodass sie nach ihrem Einsatz in der Miliz nur mehr die sechsmonatige Grundausbildung absolvieren mussten um ihrer offiziellen Wehrpflicht nachzugehen, berichtet eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums (NMFA 8.2023). Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023).

In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf als die SNA (DIS 12.2022). Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer „regulären Armee“ zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten „HTS-Wehrpflicht“ in ldlib liebäugelte, damit dem „Staatsvolk“ von ldlib eine „staatliche“ Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte (BMLV 12.10.2022). Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (SNHR 20.11.2023).

Bewegungsfreiheit

Bewegungsfreiheit innerhalb Syriens

Letzte Änderung 2024-03-13 16:23

Die Verfassung sieht Bewegungsfreiheit vor, ’außer eine gerichtliche Entscheidung oder die Umsetzung von Gesetzen’ schränken diese ein. Das Regime, HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) und andere bewaffnete Gruppen sehen Restriktionen bei der Bewegungsfreiheit in ihren jeweiligen Gebieten vor und setzen dazu zur Überwachung Checkpoints ein (USDOS 20.3.2023).

Regierungsangriffe auf die Provinz Idlib und Teile Südsyriens schränkten die Bewegungsfreiheit ein und führten zu Todesfällen, Hunger und schwerer Mangelernährung, während die Angst vor der Vergeltung der Regierung zur Massenflucht von ZivilistInnen und dem Zusammenbruch u. a. der humanitären Hilfe führte. Im Februar 2022 ergab eine UN-Umfrage, dass 51 Prozent der geprüften Gemeinschaften von Bewegungseinschränkungen betroffen waren (USDOS 20.3.2023). Checkpoints werden sowohl von Regimesicherheitskräften sowie lokalen und ausländischen Milizen unterhalten (USDOS 20.3.2023). In den Städten und auf den Hauptverbindungsstraßen Syriens gibt es eine Vielzahl militärischer Kontrollposten der syrischen Sicherheitsbehörden und bewaffneter Milizen, die umfassende und häufig ungeregelte Kontrollen durchführen. Dabei kann es auch zu Forderungen nach Geldzahlungen oder willkürlichen Festnahmen kommen. Insbesondere Frauen sind in diesen Kontrollen einem erhöhten Risiko von Übergriffen ausgesetzt (AA 8.12.2023). Auch können Passierende gewaltsam für den Militärdienst eingezogen werden (NFMA 5.2022).

Überlandstraßen und Autobahnen sind zeitweise gesperrt. Reisen im Land ist durch Kampfhandlungen vielerorts weiterhin sehr gefährlich. Es gibt in Syrien eine Reihe von Militärsperrgebieten, die allerdings nicht immer eindeutig gekennzeichnet sind. Darunter fallen auch die zahlreichen Checkpoints der syrischen Armee und Sicherheitsdienste im Land. Für solche Bezirke gilt ein absolutes Verbot, sie zu betreten. Der Begriff der militärischen Einrichtung wird von den syrischen Sicherheitsdiensten umfassend ausgelegt und kann neben klar erkennbaren Kasernen, Polizeistationen und Militärcheckpoints auch schwerer zu identifizierende Infrastruktur wie z. B. Wohnhäuser hochrangiger Personen, Brücken, Rundfunkeinrichtungen oder andere staatliche Gebäude umfassen (AA 8.12.2023). Zudem wurden Kontrollpunkte eingerichtet, um diejenigen, die außerhalb der von der Regierung kontrollierten Gebiete leben, am Zugang zu ihren Grundstücken oder Eigentumsdokumenten zu hindern. Es gibt auch Berichte über die Beschlagnahmung von Eigentumsdokumenten und anderen Ausweispapieren an Kontrollpunkten, einschließlich Heiratsurkunden. Dies birgt für Frauen ein besonders hohes Risiko, den Zugang zu ihrem Eigentum zu verlieren, falls das Eigentum auf den Namen des Ehemannes eingetragen ist (AA 2.2.2024). Die Regimesicherheitskräfte erpressen Leute an den Checkpoints (USDOS 20.3.2023) für eine sichere Passage durch ihre Kontrollpunkte. So werden z. B. an den Checkpoints an der Straße von der jordanisch-syrischen Grenze nach Dara’a üblicherweise Bestechungsgelder eingehoben (HRW 20.10.2021).

Die Kontrollpunkte grenzen die Stadtteile voneinander ab. Sie befinden sich auch an den Zugängen zu Städten und größeren Autobahnen wie etwa Richtung Libanon, Flughafen Damaskus, und an der M5-Autobahn, welche von der jordanischen Grenze durch Dara’a, Damaskus, Homs, Hama und Aleppo bis zur Grenze mit der Türkei reicht. Zurückeroberte Gebiete weisen eine besonders hohe Dichte an Checkpoints auf (HRW 20.10.2021). Die Vierte Division, angeführt von Maher al-Assad, dem Bruder von Bashar al-Assad, übernahm die Kontrolle über alle Transportrouten Richtung Libanon und Jordanien sowie alle Hauptverkehrswege in West- und Süd-Syrien. Eine große Rekrutierungskampagne für die Besatzungen der Kontrollpunkte ist im Gang. Die Checkpoints sichern die Drogentransitrouten [Anm.: Siehe Informationen zu Ceptagon in den jeweiligen Kapiteln] und sind dabei ein Monopol auf Bestechungsgelder für Reisen durch das Land zu schaffen (FP 1.2.2023).

Passierende müssen an den vielen Checkpoints des Regimes ihren Personalausweis und bei Herkunft aus einem wiedereroberten Gebiet auch ihre sogenannte ’Versöhnungskarte’ vorweisen. Die Telefone müssen zur Überprüfung der Telefonate übergeben werden. Es mag zwar eine zentrale Datenbank für gesuchte Personen geben, aber die Nachrichtendienste führen auch ihre eigenen Suchlisten. Seit 2011 gibt es Computer an den Checkpoints und bei Aufscheinen (in der Liste) wird die betreffende Person verhaftet (HRW 20.10.2021). Personen können beim Passieren von Checkpoints genaueren Kontrollen unterliegen, u. a. wenn sie z. B. aus früher oppositionell-kontrollierten Gebieten stammen oder auch wenn sie Verbindungen zu Personen in Oppositionsgebieten wie Nordsyrien oder zu bekannten oppositionellen Familien haben. Männer im wehrfähigen Alter werden auch hinsichtlich des Status ihres Wehrdienstes gesondert überprüft. Auch eine Namensähnlichkeit mit einer gesuchten Person kann zu Problemen an Kontrollpunkten führen (DIS/DRC 2.2019). Die Behandlung von Personen an einem Checkpoint kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem, wer ihn kontrolliert. Auch die Laune und die Präferenzen des Kommandanten können eine Rolle spielen (DIS 9.2019).

Die Regimesicherheitskräfte halten in einigen Fällen ZivilistenInnen von der Flucht aus belagerten Städten ab (USDOS 20.3.2023). Im Fall von Dara’a al-Balad im Jahr 2021 verletzte laut UN Commission of Inquiry for Syria die Belagerungstaktik der Pro-Regimekräfte die Bewegungsfreiheit und könnte auf eine Kollektivbestrafung hinauslaufen (USDOS 20.3.2023).

Ausländischen DiplomatInnen – einschließlich von der UNO und dem OPCW Investigation and Identification Team (IIT) (OPCW – Organization for the Prohibition of Chemical Weapons) – wurde von der syrischen Regierung der Besuch vieler Landesteile untersagt, und sie erhielten selten die Erlaubnis, außerhalb von Damaskus zu reisen (USDOS 20.3.2023).

Anm.: Zum dahinschwindenden öffentlichen Verkehrssystem und seinen gestiegenen Fahrpreisen siehe Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft.

1.3.2 Auszug aus der Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN, 10.12.2024:

Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht

1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا – Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende.

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية – Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).

Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).

2. Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).

Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).

Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).

• Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

• National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).

• Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).

• Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).

• Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).

• Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).

• Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).

• Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).

3. Aktuelle Lageentwicklung

Sicherheitslage:

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

Sozio-Ökonomische Lage:

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).

1.3.3 Auszug aus EUAA, Country Guidance:

3.4 Anti-government armed groups

The Syrian National Army (SNA) is an umbrella organisation of a loose formation of militias backed by Türkiye and several Gulf states.

In 2019, the SNA incorporated the National Liberation Front (NLF), also a Turkish-backed alliance of opposition-armed groups using the brand of the Free Syrian Army (FSA) into its ranks [Actors, 4.3, p. 56, 5.1, p. 58].

The SNA controls two areas adjoining the Turkish border: the first covers the northern countryside of Aleppo from Afrin to Jarablus, and the second one spans from Tall Abyad to Ras al-Ayn in the north of Raqqa and Hasaka governorates [Security 2023, 1.4.2, p. 26].

The SNA forces play an essential role in day-to-day matters in the areas under their control, ‘impacting everything from the security situation to real estate sales, business dealings, the work of NGOs, and local governance institutions’. The SNA is reportedly comprised of more than 40 factions with several sources reporting the group’s internal conflicts and rivalries as a major issue [Security 2023, 1.4.2, p. 26-27].

According to recent sources, abuses by the SNA against civilians continued, including extrajudicial killings, enforced disappearances, torture, including rape, and pillage. Looting, theft, occupation and expropriation of predominately Kurdish properties by SNA were also reported [Security 2023, 1.4.2, p. 28; Targeting 2022, 10.2, p. 92].

Hayat Tahrir al-Sham or Organisation for the Liberation of the Levant (HTS) is a coalition of Islamist Sunni anti-government armed groups which continues to be listed as a terrorist organisation by the EU, the UN and many states [Security 2023, 1.4.4, p. 30, Security 2021, 1.4.4, p. 25]. HTS is comprised of several armed factions, including Jabhat Fatah al-Sham (also known as Jabhat al-Nusrah and previously as the Al-Nusrah Front). It maintains its power through the Syrian Salvation Government, which has been as the group’s ‘political arm’. [Security 2022, 2.1.2, p. 69; Actors, 4.1.1, p. 50]

HTS exercised military and security control within its territory in Idlib governorate, parts of Aleppo’s western countryside and Latakia’s countryside as well as the Al-Ghab Plain located northwest of Hama and is considered as the dominant actor and military superior armed group in the area. In October 2022, HTS fighters took control of the city of Afrin and surrounding areas before a Turkish-brokered truce led to their withdrawal. HTS personnel, however, reportedly remained in the Afrin area, but avoided being publicly visible [Security 2023, 1.4.4, pp. 30-31, 2.1.2, p. 69, 2.2.3, p. 83].

HTS forces have been involved in extrajudicial killings, arbitrary arrests and unlawful detention of civilians [Security 2022, 1.4.4, p. 35, 1.4.5, p. 27, 2.1.2, p. 67]. Enforced disappearances, confiscation of property, harassment and intimidation against women were also reported [Targeting 2022, 8.2, p. 82, 11, p. 96, 13.4.2, pp. 118-119]. In recent times, the group attempted to publicly distance itself from al-Qaeda and portray it as a legitimate civilian authority. Despite its legitimisation efforts, HTS continued to commit serious human rights violations [Security 2023, 1.4.4, p. 31].

A number of other anti-GoS armed groups are also present in the Idlib area.

1.3.4 Auszug aus EUAA, Country Focus:

1.2.2. Governance under the Transitional Administration

(c) Military reforms

Prior to their entry into Damascus on December 8, the HTS pledged to maintain Syria’s institutional framework, later declaring a general amnesty for Syrian army soldiers. The transitional government consequently initiated a settlement process (for more information see section 1.3.1), which facilitated the reintegration of large numbers of former government and military personnel, including high-ranking officials, some of whom were involved in significant wartime abuses, such as Fadi Saqr. Next to the voluntary settlement procedures taking place, the Military Operations Administration (MOA), the umbrella command centre of the new HTS-led transitional administration, tracked down individuals evading settlement. As part of these campaigns previous officers were arrested, while others were released after it was established that they had not participated in abuses. According to Etana, concerns arose over a lack of process, as reports suggest executions of low-level militiamen, which authorities are framing as isolated acts of community revenge. The Syrian Observatory for Human Rights (SOHR), a UK-based monitoring organisation, reported in mid-January that 8 000 individuals struck reconciliation deals at the MOA centers in Sallamiyah, Hama within a few days. The number of officers and members of the previous government’s forces in prisons such as Adra, Hama, and Harim increased to over 9 000, including 2 000 who were returned from Iraq. Most were arrested after being caught in raids or checkpoints.

The transitional government further abolished conscription,126 except in situations such asnational emergencies. According to Samir Saleh, member of the military command in Damascus countryside, the Syrian army is going to be an army of volunteers in which the population will be encouraged to participate, with the aim to secure the country’s borders. Previous defectors, such as officers from the Free Syrian Army (FSA) will be given a special status within the structure of the Ministry of Defense, depending on their expertise. On December 29, a list of 49 new military commanders was published, including members of HTS, defected officers from the Syrian army, and at least six non-Syrians, with the seven highest-ranking positions reportedly filled by HTS members.

Finally, the transitional government committed to integrating all rebel factions into the Ministry of Defense. Between January and February 2025, the interim ministries of Defense and Interior undertook efforts to unify all armed factions into a single military and police force. The Ministry of Defence reported that over 70 factions across six regions had agreed to integrate, and a Supreme Committee was established to regulate military assets, including personnel, bases, and weaponry. On 29 January, the interim government formally announced the dissolution of all opposition parties and military groups, though the extent to which this applied to the SDF remained unclear. The SDF initially resisted integration, particularly after its proposal to join as a semi-autonomous entity was rejected by the Defence Ministry, whichaccused it of delaying negotiations, but in early March it was announced that the SDF signed a deal to integrate their armed forces and civilian institutions into the new Syriangovernment. By mid-February, the transitional administration had successfully integrated around 100 armed factions, including the U.S.-backed Syrian Free Army, into a new Syrian military and Ministry of Defense. However, some factions, such as the one of Ahmad al-Awdain southern Syria and various Druze military groups, remained resistant.134 The armed factions of Sweida governorate remained fully intact, with two new military bodies emerging in January.

1.3. Treatment of certain profiles and groups of the population

1.3.1. Persons affiliated with the government of Bashar Al-Assad

Upon its takeover of power, the transitional administration did not pursue a sweeping de- Baathification process akin to Iraq’s post-war policies and the offices of the Baath Party were not systematically targeted. In December, the Baath Party leadership suspended activities. At the end of January, it was announced that the party had been dissolved.

From the outset, the new authorities announced that soldiers who had been recruited under compulsory service were safe, and it was forbidden to assault them. On 9 December, the MOA issued a general amnesty for all military personnel conscripted under compulsory service. The new administration subsequently established so-called ‘reconciliation centres to provide temporary civilian identity cards to former members of the police, military, intelligence services, and pro-Assad militias who surrender their weapons. These reconciliation centres oversee the process by which former regime affiliates surrender their weapons and register their personal information in exchange for temporary identification cards. These cards grant limited legal protection and safe passage, but the process lacks transparency, follows inconsistent criteria, and is influenced by security agencies, with many applicants facing complex bureaucratic hurdles. In late December, the BBC reported significant participation, with hundreds of individuals queuing at a reconciliation centre in Damascus.

In January and February, local media and organisations following the events in Syria reported that the new administration granted amnesty to some high level figures associated with the Assad government, such as Fadi Saqr, previous leader of the National Defence Forces. The MOA was further said to have granted reconciliation to collaborators of Maher Al-Assad, such as businessmen who sponsored his activities, as well as Major General Talal Makhlouf, the Assad government’s Republican Guard. Concurrently, the collapse of Bashar Al-Assad’s government prompted numerous senior officials and associates of the ruling family to flee to Lebanon. However, Lebanese authorities expelled Syrian officers and soldiers who had entered illegally, returning them to Syria, where they were detained by the new administration.

By the end of December, the transitional administration intensified efforts to apprehend individuals associated with the ousted government. Authorities claimed their arrest campaigns target only individuals who committed crimes on behalf of the Assad regime. Campaigns in Deir Ez-Zor, Aleppo, and Tartous focused on confiscating illegal weapons and apprehending suspects involved in illegal activities. Nearly 300 individuals were detained in one week alone across Damascus, Latakia, Tartous, Homs, Hama, and Deir Ez-Zor, including former regime informants, pro-Iranian fighters, and lower-ranking military officers. According to SOHR, some detainees accused of having provided intelligence to the Assad government were reportedly executed immediately after their arrest. On 10 January, SOHR reported that fighters associated with the transitional administration publicly executed Mazen Kneneh, a local official accused of serving as an informant for the ousted president Assad. In February, further extrajudicial killings of former affiliates of militias supportive of Bashar Al-Assad were reported, such as the assassination of four members of the Meido family, who were part of a local militia, which had fought alongside the previous government. According to SOHR, extrajudicial and revenge killings resulted in the deaths of 287 individuals between the start of 2025 and middle of February 2025.

Operations continued throughout January, with members of the general security administration inspecting houses, looking for weapons and individuals who had not reconciled with the transitional administration. Extensive military and security operations across key regions, such as the coastal cities, Homs, Hama, Aleppo, and Damascus involved raids, weapons searches, and the further detention of hundreds of individuals. The operations focused on former military fighters and ex-government personnel and resulted in significant amounts of weapons and ammunition seized. The arrested individuals were transported to Homs Central Prison, Hama Central Prison, and Adra Prison in the Rural Damascus area. Additionally, videos posted online showed detainees, apprehended during these operations, enduring physical and verbal mistreatment, including assaults and humiliating treatment. According to the Syria Justice and Accountability Center, these security operations resulted in various human rights violations, including the reported death of detainees in custody and the 163 Syria Justice and Accountability Centre, Human Rights Violations in Syria, December 2024 – January 2025, 22 January 2025, urlarrest of relatives of wanted individuals, affecting both former Assad government affiliates and unrelated civilians. By mid-January, the SOHR reported that over 9 000 combatants and officers remained detained, amid allegations of torture and restricted communication with families. Information by the Syrian Network for Human Rights (SNHR) match the allegations of torture, as reported by families who had bodies of family members returned after their detention by the General Security Directorate. Concurrently, SOHR reported that 275 detainees from the Central Homs Prison were released following a determination of their innocence in war crimes committed against the Syrian population. In January 2025, the transitional administration freed around 641 individuals, mainly from the governorates of Homs, Hama, and Latakia, who had been held in detention for durations spanning a few days to a month, with the majority being released in small groups from Homs Central Prison.

At the beginning of February, the Ministry of Information imposed a prohibition on conducting interviews with or disseminating statements attributed to individuals affiliated with the former government.

Since the takeover by the transitional administration, remnant pro-Assad groups have conducted small-scale, targeted hit-and-run attacks against its security forces across Syria. These attacks have prompted the authorities to launch operations to capture the culprits which at times resulted in civilian casualties. In early March, coordinated attacks by pro- Assad groups on security forces, particularly in the coastal areas, led to a significant escalation which resulted in large numbers of civilian casualties, mostly from the Alawite community.

Next to the transitional administration’s operations, incidents of suspected revenge acts, including killings, kidnappings, and arson, by unidentified groups have been documented, though their scale remains unclear. At the end of December, three Alawite judges in Masyaf, responsible for property disputes, were killed, an act condemned by the transitional administration. In January, SOHR reported the execution of 15 people, including officers of the former government, by unidentified gunmen in Homs governorate. Furthermore, 53 people were arrested and brought to unknown locations.

1.3.5 Auszug aus UNHCR: POSITION ON RETURNS TO THE SYRIAN ARAB REPUBLIC, Dezember 2024:

While risks related to persecution by the former Government have ceased, other risks may persist or become more pronounced. In light of the rapidly changed dynamics and evolving situation in Syria, UNHCR is not currently in a position to provide detailed guidance to asylum decision-makers on the international protection needs of Syrians. UNHCR will continue to monitor the situation closely, with a view to providing more detailed guidance as soon as circumstances permit. In view of the current uncertainty of the situation in Syria, UNHCR calls on asylum States to suspend the issuance of negative decisions on applications for international protection by Syrian nationals or by stateless persons who were former habitual residents of Syria. The suspension of the issuance of negative decisions should remain in place until such time as the situation in Syria has stabilized and reliable information about the security and human rights situation is available to make a full assessment of the need to grant refugee status to individual applicants.

1.3.6 Auszüge aus den REGIONAL FLASH UPDATE: SYRIA SITUATION CRISIS, UNHCR:

Flash Update #17, 07.03.2025:

As of 6 March 2025, UNHCR estimates that some 301,900 have returned to Syria via neighboring countries since early December 2024. The figures are based on a triangulation of sources from outside and inside Syria and include refugees registered with UNHCR and other Syrians returning from Türkiye, Lebanon, Jordan, Iraq and Egypt, as well those transiting from beyond the Region.

On 4 March, the spokesperson of the Jordanian government announced that Syrian refugees willing to leave Jordan voluntarily will be exempted from some customs service fees, including those for luggage and furniture.

According to a new large-scale intention survey carried out by UNHCR, REACH and the Camp Coordination and Camp Management Cluster, one million internally displaced people living in camps and sites across north-west Syria intend to return to their areas of origin within one year, 600,000 of them before the end of the summer.

As of 6 March 2025, UNHCR estimates that 301,900 Syrians have crossed back into Syria from

neighboring countries since 8 December 2024.

Furthermore, 885,294 internally displaced persons (IDPs) have returned to their homes since 27 November 2024, based on the most recent data from UNHCR and OCHA, as of 26 February 2025.

With regards to internal displacement, according to a new large-scale intention survey carried out by UNHCR, REACH and the Camp Coordination and Camp Management Cluster, one million internally displaced people living in camps and sites across north-west Syria intend to return to their areas of origin within one year, 600,000 of them before the end of the summer. The survey, conducted across 514 IDP sites, highlights that return intentions are particularly strong in Idleb, with former frontline areas in Idleb and Aleppo being the primary destinations. However, massive challenges remain: IDPs cite a lack of humanitarian aid, jobs, basic services, and the threat of land mines as major obstacles. Nearly all returnees plan to move back to their former homes, but 80% report severe damage or destruction, a figure rising to 95% in frontline districts. UNHCR and partners are working to provide transportation, legal assistance, and essential aid, yet the scale of needs is immense. With Syria’s economy and infrastructure shattered after nearly 14 years of crisis, UNHCR calls on the international community to support early recovery efforts, ensuring returnees have the resources to rebuild their lives. This moment presents a historic opportunity to help end the world’s largest displacement crisis – but urgent international commitment is needed.

As per the political developments in the country, the Legal Committee for Drafting the Constitutional Declaration stated the necessity of drafting a constitutional declaration to manage the transitional period in Syria. This declaration aims to regulate the transitional phase, define the powers of the three authorities, and ensure stability and reconstruction. On the other hand, the UN Secretary General Antonio Guterres met with Syrian President Ahmad al-Sharaa to discuss the political transition in Syria and ongoing challenges. Guterres emphasized the need for an inclusive transition and pledged UN support for Syria's recovery and humanitarian needs.

In terms of UNHCR’s response, the UN Refugee Agency continues to play a pivotal role in supporting displaced populations and returnees across Syria, ensuring access to essential services and protection. At key border crossing points, including Joussieh, Jdaidet Yabous, Nassib, Bab Al Hawa, and Bab Al-Salama, UNHCR maintains a consistent presence to monitor return trends and provide crucial assistance. This includes offering information on available services at the destination, as well as facilitating communication by providing water and Internet access to those approaching the border posts.

In Northeast Syria, UNHCR has been instrumental in facilitating voluntary returns for internally displaced persons (IDPs). Only on March 4, over 403 individuals departed Areesha Camp in Qamishli, making their way back to their areas of origin in Deir ez-Zor, including Tabia, Mayadin, and Qoria. To support these movements, UNHCR is procuring ad-hoc transportation services, ensuring that IDPs can return in a safe and dignified manner.

Through an extensive network of community-based services, UNHCR is reaching IDPs, returnees from Idleb, and Syrian refugee returnees from neighboring countries. Key areas of support include civil documentation (such as identity cards and marriage authentication), distribution of core relief items, hygiene kits, cash assistance, and livelihood opportunities.

UNHCR-supported Community Centers remain at the heart of protection services, with 106 out of 122 operational centers providing critical assistance to returnees, IDPs, and host communities.

These centers offer legal aid, agricultural support, medical assistance, mental health and psychosocial services, gender-based violence prevention, and child protection case management, among other services. Recent initiatives include the rehabilitation of damaged homes in Aleppo, distribution of agricultural grants in Dar’a, provision of dignity kits in Aleppo and Idleb, support for children’s education in As-Sweida, and essential relief distributions in Homs, Ar-Raqqa, and Deir ez-Zor. Additionally, UNHCR is promoting sustainable solutions through livelihood grants for small businesses, distribution of solar devices to newly returned families in Qamishli, and the Cash for Shelter program in Aleppo. These initiatives underscore UNHCR’s ongoing commitment to fostering resilience and recovery for displaced populations across Syria.

1.3.7 Zusammenfassende Feststellung zu den verfahrensrelevanten Umständen des Umsturzes ab 27.11.2024 bzw. 08.12.2024:

1.3.7.1 Die ehemalige syrische Armee wurde zuerst von der Übergangsregierung außer Dienst gestellt und wurde schließlich formell aufgelöst, die Wehrpflicht in der (früheren) syrischen Armee ist gegenstandslos geworden. Seitens der Übergangsregierung bestehen bereits Bestrebungen eine neue syrische Armee zu formieren. So kündigte Syriens neuer Machthaber, Ahmed al-Scharaa, medial an, dass die HTS sowie alle bewaffneten Rebellenfraktionen im Konsens aufgelöst und unter dem Dach des Verteidigungsministeriums zusammengeführt werden. Zudem sollen die Geheimdienste der gestürzten Assad-Regierung aufgelöst werden, welche über Jahrzehnte hinweg maßgeblich an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Die neuen Machthaber haben jedenfalls die Häftlinge aus den berüchtigten Foltergefängnissen entlassen und diese für Angehörige von Inhaftierten, internationale Journalisten und Menschenrechtsorganisationen zugänglich gemacht.

1.3.7.2 Die neue Übergangsregierung unter der Führung von Ahmed al-Scharaa wird zudem von einer Reihe an hochrangigen Treffen ausländischer diplomatischer und politischer Vertreter legitimiert. Am 30.12.2024 besuchte der ukrainische Außenminister Andri Sibiha seinen neuen syrischen Amtskollegen, Asaad Hassan al-Shaibani, in Damaskus und sicherte Syrien Unterstützung zu. Gefolgt vom EU Diplomat, Michael Ohnmacht, reisten zuletzt die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock sowie ihr Amtskollege Jean-Noël Barrot in enger Absprache mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas im Auftrag der EU nach Damaskus, wodurch sich bereits ein politischer Neuanfang zwischen Syrien und Europa abzeichnete.

1.3.7.3 Auch Nachbarstaaten nahmen die Beziehungen zu Syrien wieder auf. Auf Einladung reiste Najib Mikati am 11.1.2025 als erster libanesische Premierminister seit 2010 nach Syrien, um sich mit Ahmed al-Sharaa in Damaskus zu treffen. Am 15.1.2025 besuchte der neue syrische Außenminister Asaad Hassan al-Shaybani gemeinsam mit dem syrischen Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra und Geheimdienstchef Anas Chattab erstmals die Türkei. Dabei fand ein Treffen mit dem türkischen Außenminister sowie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan statt. Die Innenminister Österreichs und Deutschlands konnten sich mit dem zuständigen syrischen Minister Ende April 2025 in Syrien treffen und die weitere Vorgehensweise besprechen

1.3.7.4 Der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus wurde am 7.1.2025 wiederaufgenommen. Seit dem Machtwechsel am 8.12.2024 kehrten zuletzt – schätzungsweise über 500.000 – insbesondere in benachbarte Staaten geflüchtete Syrer in ihre Heimat zurück.

1.3.7.5 Die USA haben die Sanktionen bereits seit längerem ausgesetzt und die Außenminister der Europäische Union haben am 20.5.2025 die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen beschlossen.

1.3.7.6 Kurz nach dem Machtwechsel am 8.12.2024 versammelten sich hunderte Männer und Frauen friedlich miteinander auf den Straßen Damaskus um ihre Meinung für ein vereintes Syrien, Demokratie, Frauenrechte, einer freien, pluralistischen Gesellschaft und einen säkularen Staat kundzutun. Diese Demonstrationen fanden insbesondere unter Anwesenheit patrouillierender HTS-Kämpfer statt, welche keinerlei Repressionsmaßnahmen gegen Demonstrierende setzten, sondern vielmehr um Entspannung bemüht waren.

1.3.7.7 Den Vertretern der HTS-Übergangsregierung ist bisher ein sehr gemäßigtes Auftreten beizumessen, zumal sich diese ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat. Sie spricht sich etwa für Minderheitenschutz aus, bekennt sich zu einer „nationalistisch-religiösen Haltung“ und zum endgültigen Bruch mit Organisationen wie al-Quaida oder dem IS.

2. Beweiswürdigung

2.1 Zu den persönlichen Angeben der Beschwerdeführer

2.1.1 Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführer 1 und der Beschwerdeführerin 2, zu ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und ihrer Muttersprache, der Geburtsdaten und Herkunft sowie der Ehe des Beschwerdeführers 1 gründen sich auf den soweit glaubhaften Angaben der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung sowie im behördlichen Verfahren (vgl zB Verhandlungsschrift des Beschwerdeführers 1 S 3 ff und AS 151 ff des Behördenaktes des Beschwerdeführers 1).

2.1.2 Die Feststellungen betreffend die Gebietskontrolle in XXXX ergeben sich aus den festgestellten Länderinformationen und festgestellten aktuellen Medienberichten sowie aus der Einsicht in die tagesaktuelle Karte https://syria.liveuamap.com/.

2.1.3 Die Unbescholtenheit ergibt sich den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszügen.

2.2 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer

2.2.1 Der Beschwerdeführer 1 brachte vor Sturz des syrischen Regimes im behördlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen vor, dass dem Beschwerdeführer 1 eine Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer reichen Familie, die unabhängig vom aktuellen Machthaber seiner Heimatregion versucht habe ihre Mühle zu betreiben, drohe. Zusätzlich hätten die Söhne des Beschwerdeführer 1 den Wehrdienst verweigert und der gesamten Familie würde daher eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden.

Aus den Länderinformationen und den Medien ergibt sich, dass die islamistischen Regierungsgegner unter der Führung der HTS im Dezember 2024 im Zuge einer Großoffensive Regierungsgebiete eroberten und die Stadt Damaskus einnahmen, was den Sturz des Assad-Regimes bedeutete; Baschar Al-Assad floh im Dezember 2024 nach Moskau. Die neuen Machthaber der HTS haben die syrische Armee zuerst außer Dienst gestellt und dann in ihrer bisherigen Form aufgelöst. Die Wehrpflicht ist in Syrien faktisch abgeschafft. Dem Vorbringen einer (möglichen) Verfolgung (in Zusammenhang mit seiner Wehrdienstverweigerung) durch die Regierung Assad wurde durch den Zusammenbruch des syrischen Regimes die Grundlage entzogen.

2.2.2 In der mündlichen Verhandlung steigerten der Beschwerdeführer 1 sein ihr Vorbringen dahingehend, dass jetzt auch konkrete Probleme mit der Al Nusra-Front bestanden hätten (vgl Verhandlungsschrift der Beschwerdeführers 1, S 6 ff). Al Nusra habe die Mühle der Familie selbst betreiben wollen und habe der Familie des Beschwerdeführers 1 vorgeworfen, sie würden für Ungläubige mahlen. Sie hätten auch gefordert, dass der Vater des Beschwerdeführers 1 andere Leute für die rekrutiere. Aufgrund seines Nachnamens würden seine Kinder und seine Frau mit ihm in Verbindung gebracht werden und genauso wie er verfolgt werden (vgl Verhandlungsschrift der Beschwerdeführers 1, S 8). Noch in derselben Verhandlung schwächte der Beschwerdeführer 1 seine Aussagen in Bezug auf eine drohende Verfolgung durch die HTS wieder ab und gab an, dass er eigentlich nicht wisse, wofür er verfolgt werden würde, wenn er nach Syrien reisen würde. Er befürchte es würde ihm so ergehen wie seinen Brüdern. Über zwei seiner Brüder die nach Syrien zurückgekehrt seien berichtete der Beschwerdeführer 1, dass ihnen nicht sofort die Ländereien der Familie übergeben worden seien und ihnen dann die Ausreise aus Syrien verweigert worden sei (vgl Verhandlungsschrift der Beschwerdeführers 1, S 6, 12). Darüber hinaus ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer 1 in seiner Befragung vor dem BFA ausdrücklich aussagte, nie einen negativen Kontakt zur Al Nusra-Front gehabt zu haben und sich von Anfang 2016 bis 2017 in XXXX , somit im damaligen Kerngebiet der HTS/Al-Nusra aufgehalten zu haben ohne über asylrelevante Vorfälle gegenüber seiner Familie zu berichten (vgl. Verhandlungsschrift des Beschwerdeführers 1 S 5 und AS 199 des Behördenaktes des Beschwerdeführers 1). In Zusammenschau dieser Aussagen konnte eine drohende Verfolgung der Familie der Beschwerdeführer durch HTS nicht glaubhaft gemacht werden.

Ferner ist hier anzumerken, dass der EUAA Country Focus vom März 2025 zu entnehmen ist, dass die Übergangsregierung keinen umfassenden Entbaathifizierungsprozess nach dem Vorbild der Nachkriegspolitik des Irak verfolgt. Übergriffe auf Soldaten, die im Rahmen der Wehrpflicht rekrutiert worden waren, wurden von Anfang an verboten und es wurde verkündet, dass diese Soldaten sicher seien. Es gab eine Generalamnestie für Militärangehörige. Nach Angaben der Behörden sind nur Personen in Verbindung mit dem Assad-Regime festgenommen worden, die im Namen des Assad-Regimes Verbrechen begangen hatten. Die neue Regierung richtete „Versöhnungszentren“ ein, in denen ehemalige Angehörige der Polizei, des Militärs, der Nachrichtendienste und der Pro-Assad-Milizen, die ihre Waffen abgegeben haben, vorübergehend zivile Ausweise erhalten. Sogar hochrangigen Persönlichkeiten, die mit der Assad-Regierung in Verbindung stehen, wurde Amnestie gewährt (vgl. EUAA Country Focus, März 2025, unter Punkt 1.3.1 „Persons affiliated with the government of Bashar Al-Assad“, S 26 ff)

Menschenrechtsorganisationen sowie die Medien berichten ebenfalls von keiner pauschalen Verfolgung von allen zuvor mit dem Regime in Verbindung gebrachten Personen. Vielmehr ist diesen zu entnehmen, dass die HTS sich um ein gemäßigtes Auftreten und Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft bemühte, auch wenn ihr dies bislang wegen ihrer ursprünglichen Ausrichtung noch nicht gelungen ist, und schon vor dem Machtwechsel keine Zwangsrekrutierungen vornahm. Es finden sich keinerlei Berichte, die seit deren Machtübernahme in Syrien Gegenteiliges berichten würden. Stattdessen berichten die Medien zahlreich von Kontakten, so beispielsweise Besuchen von hochrangigen US-Diplomaten, der deutschen Außenministerin und des französischen Außenministers wie auch zuletzt des österreichischen Innenministers wie auch der deutschen Innenministerin, und nahm auch UNHCR seine Arbeit in Syrien wieder auf. Die USA haben die Sanktionen bereits ausgesetzt und die Europäische Union zumindest teilweise. Zusätzlich finden in den Gremien der Europäischen Union bezüglich der Aufhebung der weiteren Sanktionen der Europäischen Union laufend weitere Gespräche statt. Es finden sich überdies keinerlei Berichte, wonach die Bürgerkriegssituation aufrechterhalten werden würde, wobei die nach wie vor volatile Sicherheitslage und vereinzelte Vorfälle keinesfalls verkannt werden.

Zusätzlich brachte der Beschwerdeführer 1 vor, dass er im Jahre 2012 von der FSA entführt worden sei und für seine Freilassung Lösegeld bezahlt werden musste (vgl. Verhandlungsschrift des Beschwerdeführers 1 S 6). Dazu ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer 1 nach diesem Vorfall noch drei Jahre in Syrien lebte ohne in ein anderes Gebiet zu ziehen und 2016 erneut für ein Jahr nach Syrien kam. In diesen Zeitrahmen kam es laut dem Beschwerdeführer 1 zu keinen Vorfällen mit der FSA mehr. Eine Furcht vor erneute Gefangenschaft oder Verfolgung durch die FSA ist diesem verhalten nicht zu entnehmen. Darüber hinaus ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer 1 bei einer – aufgrund seines Status als subsidiär Schutzberechtigter ohnehin hypothetischen – Rückkehr nach Syrien in ein von der FSA kontrolliertes Gebiet reisen würde. Dies weil, XXXX und das dazugehörige Umland, somit die Heimatregion der Beschwerdeführer, seit Dezember 2024 unter der Kontrolle der HTS bzw. der syrischen Übergangsregierung ist.

Die minderjährige Beschwerdeführerin 1 hat nach Angaben des Vaters, dem Beschwerdeführer 1, keine eigenen Fluchtgründe (vgl Verhandlungsschrift des Beschwerdeführers 1, S 12). In Summe ist es den Beschwerdeführern nicht gelungen eine asylrelevante Verfolgungsgefahr darzulegen.

2.3 Zur Lage im Herkunftsstaat

2.3.1 Die Feststellungen stützen sich auf die zitierten Quellen. Angesichts der Aktualität, Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

2.3.2 Die Quellen konnten daher allesamt dem Verfahren zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Zu Spruchpunkt A) – Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

3.1.1 Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art 9 der Statusrichtlinie [Richtlinie 2011/95/EU] verweist). Gemäß § 3 Abs 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

3.1.2 Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in der konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 22.3.2017, Ra 2016/19/0350, mwN). Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

3.1.3 Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 10.3.1994, 94/19/0056). In diesem Zusammenhang hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darzustellen (EGMR 7.7.1987, 12877/87, Kalema/Frankreich).

3.1.4 Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl VwGH 19.3.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.5.1998, 97/13/0051).

3.1.5 Wie bereits im Rahmen der Feststellungen unter 1.2 und der Beweiswürdigung unter 2.2 dargestellt wurde, wurden für die Beschwerdeführer keine asylrelevanten Fluchtgründe vorgebracht. Es ist den Beschwerdeführern daher nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann daher nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht. Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Die Beschwerdeführer konnten somit nicht glaubhaft machen, dass ihnen aufgrund der Eigenschaft als „Rückkehrer“ automatisch eine Verfolgung droht.

3.1.6 Im Umstand, dass im Heimatland der Beschwerdeführer Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310, und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche haben die Beschwerdeführer aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw dartun können.

3.1.7 Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann daher nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern aktuell in Syrien einer asylrelevanten Verfolgung aus einem in der GFK genannten Gründen droht. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide ist daher gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG 2005 abzuweisen.

3.1.8 Da dem Beschwerdeführer 1 mit Erkenntnis vom heutigen Tag zur Zahl W187 2304013-1/7E rechtskräftig kein Asylstatus zuerkannt wurde, kommt eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 34 Abs 2 iVm § 34 Abs 5 AsylG 2005 hinsichtlich der Beschwerdeführerin 2 nicht in Frage. Diese hat keine eigenen Fluchtgründe.

Die Beschwerden waren daher als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision

3.2.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen, wie sie in den Punkten 2. und 3.1 dieses Erkenntnisses zitiert ist. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – sowie diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (zB VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0149, mwN).

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