Spruch
W126 2309661-1/2E W126 2309661-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerden des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Indien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor Klammer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2022, Zahl XXXX , sowie gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 07.02.2025, Zahl XXXX ,
A)
fasst den Beschluss:
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 08.08.2022, Zahl XXXX , wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen;
und erkennt zu Recht:
Der Bescheid vom 07.02.2025, Zahl XXXX , wird ersatzlos behoben und wird die Beschwerde vom 12.03.2025 zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 27.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 28.06.2022 erfolgte eine Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fand nicht statt, da der Beschwerdeführer von der zugewiesenen Unterkunftsadresse unbekannt verzogen war.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2022 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt V.) und als Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).
3. Mit Schreiben vom selben Tag wurde festgehalten, dass der Bescheid vom 08.08.2022 gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt wurde.
4. Am 05.02.2025 stellte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob zugleich Beschwerde gegen den Bescheid vom 08.08.2022.
5. Mit Bescheid vom 07.02.2025, Zahl XXXX , wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.
6. Gegen den am 12.02.2025 rechtswirksam zugestellten Bescheid, mit dem sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht am 12.03.2025 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 27.06.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
1.2. Er verfügte zu keinem Zeitpunkt über eine aufrechte Meldung in Österreich.
1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fertigte am 08.08.2022 den Bescheid aus, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in allen Spruchpunkten abgewiesen wurde.
Am selben Tag wurde der Bescheid vom 08.08.2022 gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 ZustG ohne vorhergehenden Zustellversuch im Akt hinterlegt. Mit Aktenvermerk wurde festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer an der angegebenen Adresse nicht mehr aufhält, eine neuerliche Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden konnte und aufgrund des unbekannten Aufenthalts eine Verständigung gemäß § 23 Abs. 3 ZustG als nicht zweckmäßig erscheint.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde in Zusammenschau mit dem Beschwerdevorbringen. Dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt eine aufrechte Meldung aufgewiesen hat, ergibt sich aus der amtswegigen Einsicht in das Zentrale Melderegister.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Zustellung des Bescheides vom 08.08.2022:
3.1.1. Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, dass ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist dieses gemäß § 23 Abs. 1 ZustG sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.
Gemäß § 23 Abs. 2 ZustG ist die Hinterlegung von der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auf andere Weise zu beurkunden.
Gemäß § 23 Abs. 3 ZustG ist der Empfänger, soweit dies zweckmäßig ist, durch eine an die angegebene inländische Abgabestelle zuzustellende schriftliche Verständigung oder durch mündliche Mitteilung an Personen, von denen der Zusteller annehmen kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Hinterlegung zu unterrichten.
Gemäß § 23 Abs. 4 ZustG gilt hinterlegte Dokument mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 16.01.2024, Ra 2023/19/0385) hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, nach § 8 Abs. 1 ZustG dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Auch die Aufgabe einer Abgabestelle (selbst bei anschließender Obdachlosigkeit) stellt eine solche Änderung dar (vgl. VwGH 11.06.2015, Ra 2014/20/0184, mwN). Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. März 2013, 2011/21/0244, mwN) kommt ein Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustG iVm § 23 ZustG - mangels Verletzung einer Mitteilungspflicht über eine Änderung der Abgabestelle - dann nicht in Betracht, wenn eine Partei (schon von Anfang an) keine Abgabestelle hatte. Dass eine Partei allenfalls ihren nach dem AsylG 2005 bestehenden Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist, ist dabei nicht relevant, weil es für die Zustellung nach § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG nur auf eine Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 8 Abs. 1 ZustG ankommt.
3.1.2. Im gegenständlichen Fall:
Wie festgestellt verfügte der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt über eine aufrechte Meldung im Inland. Die von der belangten Behörde herangezogene Adresse stellte lediglich eine kurzfristige Quartierzuweisung dar und scheint im Zentralen Melderegister (ZMR) nicht auf. Da der Beschwerdeführer entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von Anfang an über keine Abgabestelle verfügte, scheidet ein Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustG iVm § 23 ZustG mangels Verletzung einer Mitteilungspflicht über die Änderung der Abgabestelle aus.
Die Zustellung durch Hinterlegung im Akt ist somit nicht rechtswirksam erfolgt. Im Verfahren haben sich auch keine Anhaltspunkte für die Heilung der Zustellung ergeben.
Die Beschwerde war daher mangels rechtsgültiger Erlassung des zugrundeliegenden Bescheides als unzulässig zurückzuweisen.
3.2. Zur Wiedereinsetzung:
Da – wie ausgeführt – der Bescheid vom 08.08.2022 nicht rechtswirksam zugestellt wurde, kommt mangels Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung nicht in Frage (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 20.10.2010, Zl. 2008/23/0036, mwN). Der Bescheid vom 07.02.2025 war daher aus dem Rechtsbestand zu eliminieren und war die Beschwerde dagegen zurückzuweisen.
3.3. Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Sie hätte im Übrigen auch eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lassen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen und liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erging in Beurteilung der gegenständlich einzelfallbezogen vorgelegenen Verfahrenskonstellation in Anlehnung an die jeweils zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen. Das Gericht konnte sich auf eine klare Rechtslage stützen.