JudikaturBVwG

W133 2276888-2 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2025

Spruch

W133 2276888-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a GRUBER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 21.09.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.03.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich am 30.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 31.10.2022 fand seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er aus XXXX stamme, der Volksgruppe der Araber angehöre und sunnitischer Muslim sei. Er habe zehn Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Landwirt gearbeitet. Neben seinem Vater würden noch seine Ehefrau, seine Kinder, sowie seine Geschwister in Syrien leben. Zwei weitere Brüder würden noch in Österreich und in den Niederlanden leben.

Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er in Syrien als Reservist gesucht werde. Er habe den Reservedienst immer wieder aufgeschoben, aber er wolle nicht kämpfen und sich nicht am Krieg beteiligen. Bei der Rückkehr befürchte er die Todesstrafe oder dass er in den Krieg ziehen müsse.

Am 18.08.2023 brachte der Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als „belangte Behörde“ bezeichnet) ein.

Mit Erkenntnis vom 12.02.2024, GZ: L515 2276888-1/10E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde des Beschwerdeführers betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 30.10.2022 ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

Am 21.02.2024 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen im Wesentlichen an, dass er gesund und nicht in medizinischer Behandlung sei. Er gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei sunnitischer Muslim. Er sei in XXXX geboren und habe dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Er habe fünf Jahre die Grundschule besucht. Danach habe er auf einem gepachteten Grundstück Gemüse angebaut, er habe auch Kühe und Schafe gehalten. Er sei verheiratet und habe mit seiner Ehefrau fünf Kinder. Der Beschwerdeführer habe wöchentlichen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer syrische Dokumente vor.

Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er wegen der Militärpflicht geflohen sei. Er sei Reservist und habe ein Schreiben bekommen. Er habe zwar einen Aufschub seines Reservedienstes für ein Jahr bekommen, allerdings gebe es Kontrollen. Der zweite Fluchtgrund sei, dass er in der Provinz XXXX ständig Leichen gesehen habe. Die Menschen seien wegen Kleinigkeiten, wie z.B. einer Streitigkeit wegen eines Motors oder eines Handys, sofort umgebracht worden. Man wisse genau, dass der IS diese Leute umbringe. Das Leben dort sei nicht mehr möglich. Es habe auch Rekrutierungsversuche vonseiten der FSA gegeben, die vierte Spezialeinheit habe ihn mehrmals aufgesucht, diese gehöre zum syrischen Regime, viele junge Leute seien freiwillig hingegangen.

Mit Eingabe vom 25.03.2024 (datiert mit 25.03.2023) erhob der Beschwerdeführer gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.02.2024, GZ: L515 2276888-1/10E, durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht eine ordentliche (im Schriftsatz als „außerordentliche“ bezeichnete) Revision.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 21.09.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr (Spruchpunkt III.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer keine konkrete und aktuelle Gefahr der Verfolgung durch das syrische Regime oder einer anderen syrischen Kriegspartei überzeugend und nachvollziehbar glaubhaft machen habe können. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr im Zuge des Reservedienstes ausgesetzt wäre. Es werde ihm aufgrund der Reservedienstverweigerung auch keine oppositionelle politische Meinung unterstellt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er in Syrien einer aktuellen Verfolgung ausgesetzt sei.

Es würden jedoch Gründe für die Annahme bestehen, dass im Fall einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung aufgrund der derzeitigen Lage in Syrien für den Beschwerdeführer eine nicht ausreichende Lebenssicherheit bestehe. Daher sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.

Mit E-Mail vom 22.10.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides durch seine bevollmächtigte Vertretung (im gegenständlichen Verfahren die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH)) fristgerecht Beschwerde. Darin wurde im Begleitschreiben im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer mehrere Kriterien erfülle, die ihn für das syrische Regime als Oppositionellen qualifizieren würden. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seines wehrdienstpflichtigen Alters, der Herkunft aus einem vom syrischen Regime kontrollierten Gebiet und seiner bisher erfolgten und auch zukünftigen Weigerung der Ableistung seines verpflichtenden Wehrdienstes mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime oder unverhältnismäßiger Inhaftierung bzw. Folter wegen Wehrdienstverweigerung ausgesetzt. Bei tatsächlich erfolgter Einberufung müsse der Beschwerdeführer außerdem an Kriegsverbrechen teilnehmen. Aufgrund der bisher eingetretenen, als auch der zukünftigen, Wehrdienstverweigerung würde dem Beschwerdeführer eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Darüber hinaus hätte festgestellt werden müssen, dass dem Beschwerdeführer schon aufgrund seiner Asylantragstellung im Ausland eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde. Der Beschwerdeführer würde daher auch aus diesem Grund vom syrischen Regime asylrelevant verfolgt werden. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, indem sie mangelhafte Länderfeststellungen getroffen und die beigezogenen Länderberichte nicht ausreichend gewürdigt habe. Auch die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides sei aus näher dargestellten Gründen mangelhaft.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem Beschwerdeführer daher internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 28.10.2024 das Beschwerdeverfahren zur Entscheidung vor, wo dieses am 29.10.2024 einlangte.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.12.2024, GZ: Ro 2024/01/0007-10, wurde die Revision betreffend die Abweisung der Säumnisbeschwerde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.03.2025 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung zu seinen persönlichen Umständen, seinen Fluchtgründen und der Situation im Falle einer Rückkehr befragt wurde. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil, die Verhandlungsschrift wurde ihr übermittelt.

Mit Schreiben vom 14.05.2025 informierte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer und die belangte Behörde, dass es weitere aktuelle Länderberichte seiner Entscheidung zugrunde legen werde und räumte den Verfahrensparteien ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG iVm § 17 VwGVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Verfahrensparteien darauf hin, dass es beabsichtige seine Entscheidung auf der Grundlage der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung zu erlassen, soweit eine eingelangte Stellungnahme nicht Anderes erfordere.

Die Parteien des Verfahrens brachten in der ihnen gewährten Frist keine Stellungnahmen ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen und das im Spruch genannte Geburtsdatum. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und muslimischen Glaubens sunnitischer Ausrichtung. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, das Dorf XXXX (auch XXXX auch XXXX ) im Gouvernement Dara’a, befindet sich unter Kontrolle der neuen syrischen Regierung.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat fünf Kinder. Der Beschwerdeführer hat sechs Brüder und fünf Schwestern. Seine Eltern sind bereits verstorben. Seine Familie wohnt ihn seinem Geburtsort in Syrien.

Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise in seinem Geburtsort. Er besuchte fünf Jahre lang die Grundschule. Danach bewirtschaftete der Beschwerdeführer mit seiner Familie ein gepachtetes Grundstück, wo sie Gemüse anbauten, sowie Kühe und Schafe hielten.

Der Beschwerdeführer verließ Syrien zuletzt am 28.08.2022 illegal in Richtung Türkei. Danach reiste er weiter und hielt sich unter anderem in Griechenland, Nordmazedonien, Albanien, Serbien und Ungarn auf und reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich ein und stellte am 30.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.1. Nach monatelanger Vorbereitung starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der dschihadistischen Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS), welche vormals als Al-Nusra-Front bekannt war, die Operation „Abschreckung der Aggression“ und brachten am 08.12.2024 die syrische Hauptstadt Damaskus unter ihre Kontrolle und beendeten damit die Herrschaft des syrischen Assad-Regimes. Der ehemalige syrische Machthaber Baschar al-Assad verließ daraufhin das Land und flüchtete nach Russland.

Die ehemalige Syrische Arabische Armee wurde am 08.12.2024 per Befehl von al-Assad aufgelöst. Der Beschwerdeführer läuft daher nicht Gefahr von physischer und/oder psychischer Gewalt vonseiten des ehemaligen Assad-Regimes bedroht oder zwangsrekrutiert zu werden.

Der Beschwerdeführer leistete seinen Wehrdienst bei der ehemaligen Syrischen Arabischen Armee von 26.05.2007 bis 01.05.2009 als einfacher Soldat (Fahrer) ab. Er nahm niemals an Kampfhandlungen oder Menschenrechtsverletzungen in Syrien teil. Er läuft nicht Gefahr von oppositionellen Gruppierungen als Anhänger des ehemaligen Assad-Regimes angesehen zu werden, da sich der Beschwerdeführer niemals politisch äußerte oder sonst in irgendeiner Art politisch agierte und die Ableistung seines Wehrdienstes bereits über 16 Jahre (somit noch vor Beginn des Bürgerkrieges) zurückliegt.

1.2. Die neue syrische Regierung – angeführt von der offiziell aufgelösten islamistischen Gruppe HTS, wobei fast die Hälfte der in der Regierung Ernannten in keiner Verbindung zur ehemaligen HTS steht – wendet keine institutionalisierten Rekrutierungsverfahren an. Der neue syrische Präsident Ahmad ash-Shara’ – früher als HTS-Anführer unter dem Namen Mohammed al-Joulani bekannt –versprach, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte. Dem Beschwerdeführer droht daher auch keine Zwangsrekrutierung vonseiten der neuen syrischen Regierung. Zudem hat sich der Beschwerdeführer weder in Syrien noch in Österreich jemals politisch betätigt und etwa an Demonstrationen gegen die nunmehr aufgelöste HTS teilgenommen. Er äußerte sich niemals politisch und geriet aufgrund dessen auch niemals in das Visier der ehemaligen HTS bzw. der neuen syrischen Regierung.

1.3. Der Beschwerdeführer läuft auch nicht Gefahr von der „FSA“ oder der sogenannten „Al-Moatazbelah Brigade“ zwangsrekrutiert zu werden.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde nicht von israelischen Truppen aus dem syrischen Golan vertrieben und droht ihm daher weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität.

1.5. Der Beschwerdeführer wird ebenso wenig vom IS individuell und konkret bedroht.

1.6. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien wegen seiner illegalen Ausreise oder der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich keine Lebensgefahr und auch kein Eingriff in seine körperliche Integrität.

1.7. Auch sonst ist der Beschwerdeführer persönlich und konkret nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:

- BFA, Länderinformationen der Staatendokumentation, Syrien aus dem COI-CMS, Version 12, vom 08.05.2025 (LIB);

- BFA, Kurzinformation der Staatendokumentation zu Syrien Sicherheitslage Dezember 2024: HTS nimmt Städte in Nordsyrien ein, vom 03.12.2024 (BFA 1);

- BFA, Kurzinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, vom 10.12.2024 (BFA 2);

- UNHCR, Position on returns to the Syrian Arab Republic, vom Dezember 2024 (UNHCR 1)*;

- UNHCR, Syrian Arab Republic, Syria governorates of return overview, vom 31.12.2024 (UNHCR 2)*;

- ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Informationen zu Zwangsrekrutierungen von Frauen im Kurdengebiet Al-Malikiyah durch kurdische Streitkräfte, Einsatzgebiete [a-12554], vom 10.01.2025 (ACCORD 1);

- UNHCR, Regional Flash Updates #8 bis inkl #29, Syria Situation Crisis, vom 10.01.2025 bis 30.05.2025;

- UNHCR, Flash Regional Survey on Syrian Refugees’ Perceptions and Intentions on Return to Syria, vom Februar 2025 (UNHCR 8)*;

- ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG), Zwangsrekrutierungen [a-12592-v2], vom 21.03.2025 (ACCORD 2);

- EUAA, Syria: Country Focus, vom März 2025 (EUAA)*.

* Die Länderberichte von UNHCR wurden mithilfe der E-Translation der Europäischen Kommission vom Englischen ins Deutsche übersetzt.

Politische Lage – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 08.12.2024)

Nach dem Sturz der Regierung von Baschar al-Assad am 8. Dezember 2024 wurde eine Übergangsregierung eingesetzt. Der ehemalige Premierminister Mohammed al-Jalali übergab die Macht formell an Mohammed al-Bashir, den neu ernannten Übergangspremierminister, um die Fortführung der staatlichen Funktionen, wie Al-Jalali erklärte, einschließlich der Zahlung der Gehälter im öffentlichen Dienst, sicherzustellen. Al-Sharaa erklärte, die Organisation nationaler Wahlen könne aufgrund des notwendigen Wiederaufbaus der Wahlinfrastruktur bis zu fünf Jahre dauern. Er bekräftigte ferner, dass Syrien als „Republik mit einem Parlament und einer Exekutive“ strukturiert sein werde. Am 29. Dezember skizzierte Ahmad al-Sharaa einen mehrjährigen Fahrplan, der die Ausarbeitung einer neuen Verfassung innerhalb von drei Jahren und anschließende Wahlen sowie Pläne für eine Nationale Dialogkonferenz zur Förderung von Versöhnung und Inklusivität vorsieht. Als Teil des Übergangsprozesses betonte Al-Sharaa die Bedeutung der Wahrung der nationalen Einheit und lehnte den Föderalismus ab. Erste Verhandlungen fanden mit den SDF und dem Kurdischen Nationalrat (KNC) statt, um kurdische Fraktionen in den politischen Prozess einzubeziehen. Die ursprünglich für Anfang Januar geplante Nationale Dialogkonferenz wurde jedoch später verschoben, um ein breiter angelegtes Vorbereitungskomitee einzurichten, das alle Teile der syrischen Gesellschaft repräsentierte. Sie fand schließlich am 25. Februar 2025 statt, nachdem vorbereitende Workshops auf lokaler Ebene eingeleitet worden waren. Sie tagte mit rund 600 Teilnehmern in Damaskus. In ihrer Abschlusserklärung betonte sie die territoriale Integrität Syriens, verurteilte die israelischen Einfälle und forderte einen Rückzug. Sie sah außerdem die Verabschiedung einer vorläufigen Verfassungserklärung, die Bildung eines vorläufigen Legislativrates und die Ausarbeitung eines Entwurfs für eine dauerhafte Verfassung mit Schwerpunkt auf Menschenrechten und Freiheit vor. In der Abschlusserklärung wurde ferner die Bedeutung der Teilhabe von Frauen, der friedlichen Koexistenz und der Einrichtung kontinuierlicher nationaler Dialogmechanismen erwähnt. Die Konferenz wurde jedoch wegen ihrer übereilten Organisation und mangelnden Repräsentativität kritisiert. Ende Januar erklärte die Übergangsregierung die syrische Verfassung von 2012 für ungültig und löste das Parlament, das Militär und die Sicherheitsbehörden der ehemaligen Regierung auf. Al-Sharaa erklärte, er werde einen Übergangsgesetzgebungsrat einrichten, der die Regierung bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung unterstützen soll (EUAA).

Regierungsbildung

Nach der Machtübernahme in Damaskus setzte die HTS eine Übergangsregierung ein, die sich hauptsächlich aus Beamten der ehemaligen syrischen Heilsregierung (SSG) in Idlib zusammensetzte. Al-Sharaa bezeichnete dies als vorübergehende Maßnahme zur Wahrung der Stabilität und Wiederherstellung der Grundversorgung. Zunächst übernahmen Minister der SSG nationale Ministerposten, während einige Beamte und Staatsbedienstete der ehemaligen Regierung in ihren Positionen blieben, um die Kontinuität zu gewährleisten. Am 10. Dezember 2024 wurde Mohammed Al-Bashir, ein Ingenieur aus dem Gouvernement Idlib und ehemaliger Vorsitzender der SSG im Nordwesten Syriens, die zusammen mit der HTS gebildet wurde, zum Interimspremierminister ernannt. Seine Amtszeit und die der Übergangsregierung sollten am 1. März 2025 enden, doch Ende Januar 2025 gab es noch keinen Termin für Wahlen in Syrien. Inzwischen etablierte sich Ahmad Al-Sharaa, Vorsitzender der HTS, als De-facto-Führer Syriens. Am 29. Januar 2025 wurde Al-Sharaa für die Übergangszeit zum Präsidenten ernannt. Am 21. Dezember ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Shibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide waren bekannte Verbündete Al-Sharaas. Weitere Ernennungen umfassten Mohamed Abdel Rahman zum Innenminister, Mohammed Yaqoub Al-Omar zum Informationsminister, Mohamed Taha Al-Ahmad zum Minister für Landwirtschaft und Bewässerung, Nazir Mohammed Al-Qadri zum Bildungsminister und Shadi Mohammed Al-Waisi zum Justizminister. Alle drei hatten zuvor Positionen in der Heilsregierung innegehabt. Darüber hinaus übernahmen Fadi Al-Qassem, Mohamed Abdel Rahman Muslim, Hossam Hussein und Basil Abdul Aziz ihre jeweiligen Ämter als Entwicklungsminister, Minister für lokale Verwaltung und Dienstleistungen, Minister für Stiftungen und Wirtschaftsminister. Anas Khattab (auch bekannt unter seinem Kampfnamen Abu Ahmad Hudood), ein ehemaliger Anführer der Nusra-Front, wurde zum Chef des Allgemeinen Geheimdienstes ernannt. Die Ernennung von Maher Al-Sharaa zum Gesundheitsminister löste Kontroversen aus, da er der Bruder von Al-Sharaa ist. Zur neuen Regierung gehörte auch eine Frau, Aisha Al-Debs, als Direktorin des Büros für Frauenangelegenheiten. Im Januar nahm die Übergangsregierung ihre erste größere Kabinettsumbildung vor und ersetzte Mohammad Abdul Rahman durch Ali Kidda als Innenminister. Kidda war Berichten zufolge ein enger Vertrauter von Al-Sharaa. Laut BBC News gab es keinen transparenten Mechanismus für die Auswahl von Ministern, und es blieb unklar, ob diese Ernennungen im Rahmen einer Konsultation oder allein durch Al-Sharaa erfolgten. Diese Ungewissheit schürte Diskussionen über eine mögliche Erweiterung der Regierung um ausländische Oppositionsmitglieder und inländische Experten. Die HTS, die in der neuen Regierung erheblichen Einfluss hat, verfügt einem Bericht des Atlantic Council zufolge nicht über ausreichende technokratische Fachkenntnisse, um eine so komplexe Nation wie Syrien zu verwalten (EUAA, LIB).

Militärreformen

Vor ihrem Einmarsch in Damaskus am 8. Dezember versprach die HTS, den institutionellen Rahmen Syriens aufrechtzuerhalten, und verkündete später eine Generalamnestie für syrische Armeesoldaten. Die Übergangsregierung leitete daraufhin einen Siedlungsprozess ein, der die Wiedereingliederung zahlreicher ehemaliger Regierungs- und Militärangehöriger, darunter hochrangiger Beamter, erleichterte. Einige von ihnen waren in schwere Kriegsverbrechen verwickelt, wie beispielsweise Fadi Saqr. Neben den freiwilligen Siedlungsverfahren spürte die Militäroperationsverwaltung (MOA), die Kommandozentrale der neuen, von der HTS geführten Übergangsregierung, Personen auf, die sich der Siedlung entzogen. Im Rahmen dieser Kampagnen wurden ehemalige Offiziere verhaftet, während andere freigelassen wurden, nachdem festgestellt wurde, dass sie nicht an Übergriffen beteiligt waren. Laut Etana gab es Bedenken hinsichtlich des fehlenden Prozesses, da Berichte auf Hinrichtungen von Milizionären niedriger Ebene hindeuten, die die Behörden als isolierte Akte gemeinschaftlicher Rache darstellen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR), eine in Großbritannien ansässige Überwachungsorganisation, berichtete Mitte Januar, dass innerhalb weniger Tage 8.000 Personen in den MOA-Zentren in Sallamiyah, Hama, Versöhnungsabkommen schlossen. Die Zahl der Offiziere und Angehörigen der Streitkräfte der vorherigen Regierung in Gefängnissen wie Adra, Hama und Harim stieg auf über 9.000, darunter 2.000, die aus dem Irak zurückgekehrt waren. Die meisten wurden festgenommen, nachdem sie bei Razzien oder Kontrollpunkten gefasst worden waren. Die Übergangsregierung schaffte außerdem die Wehrpflicht ab, außer in Situationen wie nationalen Notständen. Laut Samir Saleh, Mitglied des Militärkommandos im Umland von Damaskus, wird die syrische Armee eine Armee von Freiwilligen sein, an der sich die Bevölkerung beteiligen soll, um die Landesgrenzen zu sichern. Ehemalige Überläufer, wie Offiziere der Freien Syrischen Armee (FSA), erhalten je nach ihrer Expertise einen Sonderstatus innerhalb der Struktur des Verteidigungsministeriums. Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 neuen Militärkommandeuren veröffentlicht, darunter HTS-Mitglieder, desertierte Offiziere der syrischen Armee und mindestens sechs Nicht-Syrer; die sieben höchsten Positionen sollen mit HTS-Mitgliedern besetzt sein. Schließlich verpflichtete sich die Übergangsregierung, alle Rebellenfraktionen in das Verteidigungsministerium zu integrieren. Zwischen Januar und Februar 2025 bemühten sich die Übergangsministerien für Verteidigung und Inneres, alle bewaffneten Fraktionen zu einer einzigen Militär- und Polizeitruppe zu vereinen. Das Verteidigungsministerium berichtete, über 70 Fraktionen in sechs Regionen hätten sich zur Integration bereit erklärt, und es wurde ein Oberster Ausschuss eingerichtet, der die militärischen Mittel wie Personal, Stützpunkte und Waffen regeln soll. Am 29. Januar verkündete die Übergangsregierung offiziell die Auflösung aller Oppositionsparteien und Militärgruppen, wobei unklar blieb, inwieweit dies auch für die SDF galt. Die SDF widersetzten sich zunächst der Integration, insbesondere nachdem ihr Vorschlag, als halbautonome Einheit beizutreten, vom Verteidigungsministerium abgelehnt worden war, das ihnen Verzögerungstaktiken vorwarf. Anfang März wurde jedoch bekannt gegeben, dass die SDF eine Vereinbarung zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung unterzeichnet hatten. Bis Mitte Februar hatte die Übergangsregierung rund 100 bewaffnete Fraktionen, darunter die von den USA unterstützte Syrische Freie Armee, erfolgreich in ein neues syrisches Militär und Verteidigungsministerium integriert. Einige Fraktionen, wie die von Ahmad al-Awda in Südsyrien und verschiedene drusische Militärgruppen, leisteten jedoch weiterhin Widerstand. Die bewaffneten Fraktionen des Gouvernements Sweida blieben vollständig intakt; im Januar entstanden zwei neue Militärverbände (EUAA).

Reformen im öffentlichen Sektor

In der Anfangsphase des Übergangs beabsichtigte die neue Regierung, wichtige staatliche Institutionen zu erhalten und zu reaktivieren, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten. Infolgedessen blieben viele wichtige staatliche Institutionen funktionsfähig. Im Berichtszeitraum leitete die neue Regierung einige institutionelle Reformen ein. Nach der Machtübernahme stellte die Übergangsregierung zuvor wegen ihrer Beteiligung an der syrischen Revolution entlassene öffentliche Angestellte wieder ein und entließ gleichzeitig im Rahmen einer Umstrukturierungsmaßnahme Hunderte von Angestellten einer einzigen Direktion mit dem erklärten Ziel, Institutionen zu verkleinern und ineffizientes Personal abzubauen. Während die Übergangsregierung wirtschaftliche Gründe für die Entlassungen angibt, werfen einige ehemalige Angestellte der neuen Regierung konfessionelle und politische Gründe vor. Katar kündigte an, die von der Übergangsregierung zugesagte 400-prozentige Lohnerhöhung im öffentlichen Sektor mitzufinanzieren. Die ausländische Finanzierung war zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch nicht bestätigt. Um die von der Baath-Partei ernannten Mitglieder der Anwaltskammer zu entfernen, ersetzte die Übergangsregierung den Rat der Zentralen Anwaltskammer Syriens durch Mitglieder der Freien Anwaltskammer aus Idlib. Khitam Haddad, seit 2023 stellvertretende Justizministerin, behielt ihr Amt und kündigte Anfang Januar an, dass Straf- und Zivilverfahren unter der Übergangsregierung wiederaufgenommen würden, während des vorherigen Regimes begangene Verbrechen jedoch noch nicht behandelt würden. Einige Anwälte kritisierten den nicht gewählten Anwaltsrat der Übergangsregierung als autoritär, während die Rechtsstrukturen aus der Assad-Ära, einschließlich des Terrorismusgesetzes, intakt blieben. Weitere Schritte der neuen Regierung umfassten die Übertragung der Kontrolle über Grenzübergänge zur Türkei – wie Bab Al-Salama, Al-Rai und Jarablus – an die Übergangsregierung sowie die Integration von Bildungseinrichtungen wie der Universität Aleppo in das Ministerium für Hochschulbildung und wissenschaftliche Forschung in Damaskus. Schließlich wurden die NGOs vom Ministerium für Soziales und Arbeit dazu verpflichtet, sich erneut registrieren zu lassen. Dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNPF) zufolge hat dies die Wiederherstellung zahlreicher Gesundheits- und Schutzeinrichtungen behindert und ihre Fähigkeit, weiterhin medizinische und soziale Dienste bereitzustellen, eingeschränkt (EUAA).

Wirtschaftliche Reformen und Sanktionen

Die Übergangsverwaltung begann mit der Einleitung wirtschaftlicher Reformen, wobei HTS seine Absicht ankündigte, ein System der freien Marktwirtschaft umzusetzen. Institutionelle Reformen umfassten die Entlassungen von Staatsangestellten zur Verkleinerung staatlicher Institutionen, mit Plänen, ein Drittel aller Mitarbeiter im öffentlichen Sektor - einschließlich sogenannter "Gespenstermitarbeiter" - zu entlassen und zu einer Marktwirtschaft überzugehen. Maysaa Sabrine wurde zur Gouverneurin der Zentralbank ernannt, und der Übergangsfinanzminister Mohammed Abazeed stellte Pläne zur Umstrukturierung der Regierungsministerien für verbesserte Effizienz und Verantwortlichkeit vor, obwohl spezifische Modernisierungsmaßnahmen unklar blieben. Abazeed schlug auch eine Überarbeitung des Steuersystems vor. Um potenziellen Engpässen bei Gütern entgegenzuwirken, öffnete die Regierung den Grenzübergang Nasib zu Jordanien, eine wichtige Handelsroute, und wies die staatliche Syrische Petroleumgesellschaft an, den Betrieb wiederaufzunehmen. In der Zwischenzeit signalisierte die Türkei ihre Bereitschaft, in Syriens Wirtschaft zu investieren. Anfang Januar erließ die Vereinigten Staaten eine sechsmonatige Ausnahme von den Sanktionen, die bis zum 7. Juli wirksam ist, um humanitäre Hilfe nach dem Abgang Assads zu erleichtern. Die Ausnahme erlaubte spezifische Transaktionen mit Regierungsinstitutionen auf allen Ebenen, einschließlich Krankenhäusern, Schulen und Versorgungsunternehmen sowie Einrichtungen, die mit HTS in ganz Syrien verbunden sind. Während die Sanktionen selbst in Kraft blieben, erlaubte die Ausnahme Aktivitäten in Bezug auf den Verkauf, die Lieferung und die Lagerung von Energie, einschließlich Erdöl und Elektrizität, und ermöglichte persönliche Überweisungen sowie bestimmte energienahe Transaktionen zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung. Am 24. Februar beschloss der Rat der EU, verschiedene restriktive Maßnahmen, einschließlich solcher, die die Energie- und Transportsektoren betreffen, aufzuheben. Außerdem wurden vier Banken und die Syrische Arabische Fluggesellschaft von der Liste der vom Vermögenseinfrieren betroffenen Unternehmen ausgeschlossen und der Syrischen Zentralbank der Zugang zu finanziellen Ressourcen erlaubt. Darüber hinaus wurden Ausnahmen gemacht, um Bankbeziehungen zwischen syrischen Banken und Finanzinstitutionen innerhalb der Mitgliedstaaten zuzulassen. Die bestehende humanitäre Ausnahme wurde unbegrenzt verlängert, und eine neue Ausnahme wurde für den persönlichen Gebrauch hinsichtlich des Exportverbots für Luxusgüter nach Syrien eingeführt (EUAA).

Politischer Übergang gemäß UN-Resolution 2254

Ahmad Al-Sharaa kritisierte internationale Organisationen, insbesondere die Vereinten Nationen, für ihre vermeintliche Ineffektivität bei der Bewältigung der humanitären Krisen in Syrien. Er betonte das Versagen der UN, in den letzten 14 Jahren die Freilassung von Gefangenen zu erreichen und die Rückkehr von Flüchtlingen zu erleichtern. Al-Sharaa betonte die Notwendigkeit nationaler Lösungen und forderte eine Aktualisierung der UN-Resolution 2254, die ursprünglich im Dezember 2015 verabschiedet wurde, um den politischen Übergang in Syrien zu lenken. Ihr Rahmen sei seit dem Sturz Bashar Al-Assads nicht mehr vollständig auf die Situation anwendbar. In einem Interview mit Al Arabiya bekräftigte Al-Sharaa seine Kritik an den UN und plädierte für einen alternativen Übergangsprozess. Er schlug vor, die Wahlen um bis zu vier Jahre zu verschieben, um die Entwicklung eines überarbeiteten politischen Rahmens zu ermöglichen. Bei einem Treffen mit UN-Sondergesandtem Geir Pedersen lehnte er das starre Festhalten an seiner Ansicht nach überholten Resolutionen ab und skizzierte seine Vision eines Übergangsprozesses, der die aktuellen Realitäten Syriens widerspiegelt. Trotz seiner Kritik bekräftigte Al-Sharaa, dass Syrien bereit sei, die Stationierung von UN-Truppen innerhalb der von den Vereinten Nationen eingerichteten Pufferzone entlang der israelischen Grenze zu akzeptieren. Am 6. Februar verlängerte die Übergangsregierung die UN-Ermächtigung, humanitäre Hilfe über den Grenzübergang Bab al-Hawa zu liefern, um weitere sechs Monate bis zum 7. August (EUAA).

Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes seit 08.12.2024

Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei. Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln. Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren. Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Syriens variiert. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen. Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden. Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt. Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (LIB).

In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle – 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet. Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen. Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha (Shabiha sind die irregulären, bewaffneten pro-Assad-Gruppierungen) befindet (LIB).

Die Internationale Koalition hat zwölf Sicherheitsoperationen gegen Zellen des Islamischen Staates (IS) durchgeführt, einige mit Beteiligung der SDF in verschiedenen Gebieten Syriens, wo diese Operationen zur Tötung von 14 Mitgliedern des IS führten, darunter zwei Anführer, sowie die Verhaftung von neun Personen, die beschuldigt werden, dem IS anzugehören und mit ihm zu kooperieren, darunter ein Ölinvestor. Die von den USA geführten internationalen Koalitionstruppen haben in Zusammenarbeit mit den SDF ein intensives militärisches Training mit schweren Waffen auf der Basis des Ölfeldes al-'Omar im Osten der Provinz Deir ez-Zour im Osten Syriens durchgeführt. Die Übungen sind Teil einer Reihe von Militärmanövern, die die Koalitionstruppen auf ihren Militärstützpunkten in den Provinzen Deir ez-Zour und al-Hasaka im Nordosten des Landes durchführen, um die Kampfbereitschaft und die operative Koordination mit den lokalen Partnern zu verbessern (LIB).

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, sieht den Schlüssel, um die Voraussetzungen für ausreichende Lebensbedingungen und eine stabile Sicherheitslage zu schaffen, in der Elektrizität. Ohne diese gäbe es nicht nur extreme Unsicherheit. Die Lebensbedingungen, wie Kochen, Heizen, Transport usw. sind an Strom gekoppelt. Auch der Betrieb von Krankenhäusern und Schulen bedingt eine funktionierende Energieversorgung. Dauere der Zustand an, in dem nachts ganze Gegenden in völliger Dunkelheit lägen, sei ein "collapse of law and order" praktisch unvermeidlich. Die radikalen militanten Gruppierungen würden nur darauf warten, das Vakuum zu füllen (LIB).

Südsyrien

Nach dem Sturz der Assad-Regierung und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt die Sicherheitslage im Süden Syriens fragil und unvorhersehbar. Die neuen Machthaber versuchen, die Kontrolle über das Land zu festigen, stehen aber vor internen Machtkämpfen, Widerstand lokaler Milizen und anhaltenden ausländischen Interventionen. Israel griff Syrien bereits vor dem Sturz al-Assads an und gibt an, damit den Zustrom von Waffen und Geld aus Iran an die militante Hizbollah-Gruppe im Libanon eindämmen zu wollen. Seit 8.12.2024 hat Israel Gebiete nahe der gemeinsamen Grenze besetzt und militärische Einrichtungen angegriffen. Seit dem 8.12.2024 hat Israel seine Militäroperationen in Syrien intensiviert, die Pufferzone besetzt und die Kontrolle über den Berg Hermon vervollständigt sowie seine Operationen in Quneitra und Rif Dimashq ausgeweitet. Die israelische Armee gab bekannt, dass Bewaffnete am 31.1.2025 das Feuer auf ihre Streitkräfte in der Gegend von Quneitra auf der syrischen Seite des besetzten Golan eröffnet haben, zum ersten Mal seit ihrem Einmarsch in Syrien und ihrer Besetzung der Pufferzone nach dem Sturz des Regimes von Bashar al-Assad. Seit 25.2.2025 fliegt Israel Luftangriffe im Süden Syriens, die Aussagen des israelischen Verteidigungsministers Katz zufolge Teil einer „neuen Politik“ seien, die darauf abziele, einen „entmilitarisierten Süden Syriens“ zu gewährleisten. Er fügte hinzu, dass jeder Versuch syrischer Streitkräfte oder militanter Gruppierungen, in dem von Israel als „Sicherheitszone“ bezeichneten Gebiet in der Region Fuß zu fassen, „mit Feuer beantwortet“ werde. Diese Politik wurde am 23.2.2025 vom israelischen Premierminister Netanjahu in einer Rede angekündigt, in der er die „vollständige Entmilitarisierung“ des südlichen Syrien forderte. Israel werde keine syrischen Streitkräfte in Quneitra, Dara'a und Suweida dulden. Quneitra, das an den von Israel besetzten Golanhöhen grenzt, hat sich zu einem besonders sensiblen Sicherheitsgebiet entwickelt. Die islamistischen Machthaber versuchen, ihre Position entlang der Grenze zu Israel zu festigen, was wiederholt zu israelischen Luft- und Raketenangriffen auf ihre Stellungen geführt hat. Gleichzeitig sind pro-iranische Gruppen und schiitische Milizen aktiv, die gegen den neuen islamistischen Machtblock kämpfen. Die Präsenz internationaler Akteure macht Quneitra zu einem Brennpunkt mit anhaltenden Scharmützeln zwischen verschiedenen Fraktionen. Am 2.2.2025 bestätigten die Behörden, dass sich die israelischen Verteidigungskräfte (Israel Defense Forces - IDF) aus den Gebäuden der Provinzverwaltung und des Gerichts in der Friedensstadt, Provinz Quneitra, zurückgezogen hatten und dabei massive Zerstörungen an der Infrastruktur und an zivilen Dokumenten hinterlassen hatten. Dara'a, die einstige Wiege des syrischen Aufstands, bleibt eine der instabilsten Regionen im Süden. Trotz der Machtübernahme islamistischer Gruppen gibt es anhaltenden Widerstand durch lokale Milizen und ehemalige regierungsnahe Kräfte, die mit der neuen Führung nicht kooperieren. Attentate, Entführungen und gezielte Angriffe auf Funktionäre der neuen Machthaber sind häufig. Zudem kommt es regelmäßig zu israelischen Luftangriffen auf mutmaßliche pro-iranische Milizen, die sich aus früheren Assad-treuen Gruppen rekrutieren. Am 5.1.2025 kam es in der Stadt as-Sanamayn im ländlichen Dara'a zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen mehreren Parteien, die zu einem Ausnahmezustand führten. Es wurden die Streitkräfte der Übergangsregierung mobilisiert. Nach dem Eingreifen der Streitkräfte wurde vereinbart, die Zusammenstöße zwischen allen Parteien sofort zu beenden, alle Regierungsgebäude zu übernehmen und öffentliche Einrichtungen zu schützen sowie die schweren und mittleren Waffen der lokalen Gruppen abzuziehen. Die mehrheitlich von Drusen bewohnte Provinz Suweida nimmt weiterhin eine Sonderrolle ein. Während des Bürgerkriegs hatte die Region eine gewisse Autonomie bewahrt und sich weitgehend aus den Kämpfen herausgehalten. Nach der Machtübernahme islamistischer Gruppen bleibt die Region misstrauisch gegenüber der neuen Herrschaft und ist nur lose in die neue Ordnung integriert. In den letzten Monaten gab es Zusammenstöße zwischen drusischen Milizen und islamistischen Einheiten, die ihre Autorität durchsetzen wollen. Auch in Suweida sind Entführungen und lokale Machtkämpfe weiterhin ein Problem. In den südsyrischen Provinzen Dara'a und Quneitra kam es am Anfang Februar zu israelischen Luftangriffen. Der israelische Armeesprecher gab bekannt, dass Kampfflugzeuge einen Angriff auf ein Waffendepot in der Gegend von Deir 'Ali im Süden Syriens durchgeführt haben und behauptete, das Depot gehöre der Islamischen Widerstandsbewegung (Hamas). Der Angriff erfolgt inmitten der eskalierenden Spannungen an der Grenze zwischen Syrien und Israel, da die israelischen Streitkräfte ihren Einmarsch in die Provinz Quneitra weiter ausweiten (LIB).

Die Waffenruhe zwischen Israel und der libanesischen Hizbollah-Miliz wurde bis zum 18.2.2025 verlängert. Diese Entwicklung beeinflusst besonders die Sicherheitslage im Süden Syriens, insbesondere in Grenzgebieten zum Libanon. Die Lage an der libanesisch-syrischen Grenze ist seit dem Sturz des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad am 8.12.2024 von sporadischen Zusammenstößen und bürokratischen Hürden geprägt. In den ersten Wochen nach al-Assads Sturz kämpften bewaffnete syrische Kämpfer an mehreren Stellen der durchlässigen Grenze zwischen den beiden Ländern mit der libanesischen Armee. Am 21.2.2025 gab das israelische Militär bekannt, dass es Grenzübergänge zwischen Syrien und dem Libanon bombardiert hat, die angeblich von der Hizbollah genutzt werden. Der israelische Beschuss richtete sich gegen die illegalen Grenzübergänge zwischen Syrien und dem Libanon in Wadi Khaled und im westlichen Umland von Homs und führte zu einer Reihe von Verletzten. Zehn Tage zuvor hatte das israelische Militär nach eigenen Angaben einen Luftangriff auf einen Tunnel an der syrisch-libanesischen Grenze geflogen, der angeblich von der von Iran unterstützten Hizbollah für den Waffenschmuggel genutzt wurde. Ein libanesischer Militärexperte sagt, dass die Grenzgebiete praktisch in den Händen der Hizbollah sind. In der Vergangenheit gab es eine Art Synergie zwischen der Hizbollah und den Stämmen beim Aufbau einer Parallelwirtschaft, die auf dem Schmuggel von Captagon basierte. Diese Synergie besteht auch heute noch. Die syrische Übergangsregierung startete Anfang Februar 2025 eine umfangreiche Kampagne an der syrisch-libanesischen Grenze, bei der sie nach eigenen Angaben gegen Waffen- und Drogenschmuggel vorgehen. Schiitische Clans lieferten sich dabei schwere Gefechte mit den syrischen Streitkräften und kündigten schließlich ihren Rückzug aus Syrien in den Libanon an. Die libanesische Armee gab bekannt, dass der Einsatz von Militäreinheiten an der nördlichen und östlichen Grenze angeordnet wurde, um auf die von syrischem Gebiet ausgehenden Feuerquellen zu reagieren. Erklärungen der neuen Regierung in Damaskus deuten darauf hin, dass sie die Sicherheitskampagnen entlang der Grenze fortsetzen wird, um gegen Schmugglerbanden vorzugehen (LIB).

Sicherheitsbehörden – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 08.12.2024)

Für die Großoffensive "Abschreckung der Aggression", die am 17.11.2024 startete und zum Sturz des Präsidenten al-Assad führte, hatten sich die Rebellen monatelang vorbereitet. Im Laufe des vergangenen Jahres entwickelten die Kämpfer eine neue Methode, die sich auf die Verwendung von Drohnen stützte. Für die Ausbildung soll die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) sogar eine eigene Drohnenakademie betrieben haben. Zum ersten Mal in der Geschichte des Syrienkonflikts war die bewaffnete Opposition nun in der Lage, den Luftraum zu kontrollieren (LIB).

Der Interimsregierung unter der Führung der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) fehlt es an ausreichendem Personal, um das ganze Land zu verwalten und die Posten zu bemannen. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppierungen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die Kräfte, die Syriens neuem Machthaber zur Verfügung stehen, sind unzureichend. Die 30.000 Mann starke HTS ist nun über das ganze Land verteilt. In Damaskus ist in den wichtigsten Bereichen nur Militärpersonal der HTS zu sehen, das ein Gefühl der Sicherheit vermittelt und versucht, den Verkehr zu regeln – allerdings mit begrenztem Erfolg. Dies ist nicht nur eine Folge der begrenzten Kapazitäten der HTS, die nun an ihre Grenzen stoßen, da sie ein ganzes Land und nicht nur einen Teil einer Provinz verwalten müssen. Es ist auch ein Symptom für den abrupten Zusammenbruch der traditionellen Sicherheitsstrukturen. In den meisten Städten wurden in den ersten Tagen nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes Polizeistationen und Gerichte geschlossen, und Diebstähle – sowohl von Autos als auch von Häusern – nahmen aufgrund des Mangels an neu ausgebildeten Polizisten zu. In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei regeln Teenager den Verkehr. HTS hat sich auf ihre eigenen Einheiten und die ihrer engen Verbündeten verlassen, um die vier von Minderheiten dominierten Gouvernements zu sichern. Zu diesen gehören vor allem die Einheiten der Allgemeinen Sicherheit (auch: General Security) des Innenministeriums der ehemaligen syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG). Diese Kräfte sind im Wesentlichen schwer bewaffnete Polizisten, die eingesprungen sind, um Unterstützung zu leisten, während neue lokale Polizeikräfte noch aufgebaut werden. Die Abteilung für militärische Operationen hat auch Einheiten im ganzen Land eingesetzt, um die überlastete Allgemeine Sicherheit zu unterstützen und weitere Sicherheitslücken zu schließen. In diesem Vakuum stellen die örtlichen Gemeinden ihre eigenen Bürgerwehren zusammen (LIB).

Ash-Shara' versprach, dass die bewaffneten Gruppierungen und Milizen entwaffnet würden, und kündigte an, dass die bewaffneten Gruppierungen aufgelöst und die Kämpfer ausgebildet werden, um in die Reihen des Verteidigungsministeriums einzutreten. Sie werden dem Gesetz unterworfen sein. Seit Jänner 2025 haben die Interimsministerien für Verteidigung und Inneres zügig daran gearbeitet, alle bewaffneten Gruppen unter einer einzigen, mit dem Staat verbundenen Armee und Polizei zu vereinen. Die Regierung hat klargestellt, dass alle militärischen Fraktionen aufgelöst und in staatliche Institutionen integriert werden. Der Prozess der Bildung einer neuen Armee für Syrien wird auf der Vereinigung mehrerer bewaffneter Gruppierungen beruhen, die über das ganze Land verteilt sind. Einige dieser Gruppierungen waren in Nord- und Westsyrien aktiv, während andere ihren Einfluss auf Südsyrien konzentriert haben, wie die Achte Brigade unter der Führung des ehemaligen Oppositionskommandeurs Ahmad al-'Awda oder andere Formationen, die in der drusischen Mehrheitsprovinz Suweida eingesetzt werden. Diese Formationen, die sich in der nächsten Phase zu einer einzigen Armee vereinigen sollen, sind jedoch über ihre Visionen und Ziele sowie darüber, woher sie Unterstützung erhalten, zerstritten. Die HTS verhandelte mit Einheiten der aufgelösten Syrischen Arabischen Armee (SAA) über die Zusammenlegung und Integration in eine neue syrische Armee. Die zwei größten drusischen Fraktionen aus der südlichen syrischen Provinz Suweida haben daraufhin ihre Bereitschaft erklärt, sich der neuen syrischen Armee anzuschließen. Die neu vereinte Truppe wird dem Verteidigungsministerium unterstellt sein und darauf abzielen, die militärische Führung zu zentralisieren und die Ordnung wiederherzustellen. Das Abkommen umfasst nicht alle Fraktionen. Gruppierungen, die in südlichen Regionen wie Dar'aa, Quneitra und Suweida operieren, sowie in at-Tanf stationierte, von den USA ausgebildete Truppen bleiben außerhalb des Geltungsbereichs. Auch die kurdisch dominierten SDF fallen nicht unter das Abkommen. Pläne für eine umfassendere Integration sollen nach dem Ende der Amtszeit der Übergangsregierung im März umgesetzt werden. Dem syrischen Verteidigungsminister zufolge waren die bewaffneten Gruppen bereit, sich der neuen Militärstruktur anzuschließen. Das syrische Verteidigungsministerium berichtete, dass die neue syrische Regierung mit Vertretern von mehr als 60 bewaffneten Gruppierungen zusammengetroffen sei, die sich bereit erklärt hätten, sich in das neue Verteidigungsministerium zu integrieren. Es wurde ein Ausschuss eingerichtet, um eine einheitliche Datenbank der Streitkräfte zu erstellen, die Informationen über die Humanressourcen (Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten und akademisches Personal) und über militärische Vermögenswerte (Hauptquartiere, Technologie und Waffen) enthalten soll. Die Bewegung der syrischen Oppositionsfraktionen gegen Assad war schon immer zersplittert, und es gibt eine lange Geschichte von gescheiterten Vereinigungsprojekten, sowohl im Norden als auch im Süden des Landes. Nach dem Sturz von al-Assad hat sich die Lage geändert, aber die Probleme sind nicht völlig verschwunden. Der Übergangsregierung ist es gelungen, von bewaffneten Gruppen im ganzen Land (mit Ausnahme von Suweida) vorsichtige Zugeständnisse zu erwirken. Die Bildung einer Süddivision deutet darauf hin, dass sie an einer vorübergehenden Lösung gegenüber dem geschäftsführenden Verteidigungsministerium interessiert ist: Bisher scheinen nicht zu HTS gehörende bewaffnete Gruppen bereit zu sein, mit dem Ministerium zusammenzuarbeiten, ohne jedoch ihre Organisationsstrukturen und geografischen Einflusszonen aufzugeben oder sich entwaffnen zu lassen. Tatsächlich werden die Brigaden der Süddivision die Spaltungen, die den Süden seit Jahren prägen – zwischen dem östlichen und westlichen Dara'a, zwischen Dara'a und Suweida und zwischen konkurrierenden Gruppierungen untereinander – aufrechterhalten. Obwohl ash-Shara' Fortschritte bei der Bildung eines Verteidigungsministeriums nach al-Assad unter der Kontrolle der von HTS geführten Behörden in Damaskus signalisiert hat, gibt es über Erklärungen gegenüber den Medien und Diplomatenbesuchen hinaus kaum Anzeichen für praktische Fortschritte. Da es keinen transparenten Plan für die Bildung eines neuen Verteidigungsministeriums gibt, haben ehemalige Oppositionsfraktionen ihre Waffen nicht abgegeben. Übergangspräsident ash-Shara' und Verteidigungsminister Abu Qasra haben sich noch nicht mit den Einzelheiten befasst, wie diese Armee von innen aussehen wird und ob das neue syrische Verteidigungsministerium in der Lage ist, eine vollständige Harmonie zwischen den Fraktionen und Kämpfern zu erreichen (LIB).

Am 29.1.2025 wurde die Auflösung bewaffneter Gruppierungen in Syrien bekannt gegeben, darunter auch die HTS. Einem Journalisten von Sky News zufolge sind viele Gruppierungen, die HTS unterstützten, bereits Teil der Allgemeinen Sicherheit (General Security Force) geworden und tragen alle einheitliche schwarze Uniformen und Kampfanzüge. Die General Security war die wichtigste Polizeitruppe der HTS im Nordwesten Syriens und ist nun zur Gendarmerie der Übergangsregierung in ganz Syrien geworden, um das Sicherheitsvakuum nach dem Sturz des Regimes zu füllen. Bereits am 28.1.2025 wurde berichtet, dass sich die der al-Qaida nahestehende Gruppierung Hurras ad-Din aufgelöst hatte. 2018 geriet die Gruppierung mit der HTS in Konflikt, nachdem sich Letztere von der al-Qaida losgesagt und ihren Namen geändert hatte. Die verschiedenen Gruppierungen in Südsyrien, darunter die von Russland unterstützte 8. Brigade in Dara'a und drusische Milizen in Suweida, haben bestimmte Bedingungen für den Beitritt zu einer nationalen Armee festgelegt. Dazu gehören die Einrichtung einer wirklich repräsentativen Regierung, eine neue Verfassung und ein nicht konfessionsgebundenes Militär. Diese Forderungen unterstreichen das tief sitzende Misstrauen gegenüber einer zentralisierten Autorität und den Wunsch nach lokaler Autonomie, was die Aufgabe der Armeevereinigung weiter erschwert. Bisher ist es gelungen, die von der Türkei unterstützten Gruppierungen in den nördlichen Teilen Syriens aufzulösen. Militärangehörige, darunter hochrangige Offiziere, sagten, dass einige Oppositionsfraktionen weiterhin in den Formationen operieren, die sie vor dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad im Dezember genutzt haben, während gleichzeitig eine schrittweise Übergabe an Brigaden unter der Führung von Damaskus stattfindet, um eine neue Armee aufzubauen (LIB).

Für das Innenministerium wird ein Kader vorbereitet, der eine spezielle Ausbildung erhalten soll, um seine Aufgaben im Rahmen eines Plans zur Gewährleistung einer sicheren Gesellschaft zu übernehmen. Mehr als 200.000 Menschen haben sich für einen neuen Polizeidienst angemeldet, der derzeit aufgebaut wird, sagte der Kursleiter an der Polizeiakademie in Damaskus. Polizisten, die vor Assads Sturz zu den Rebellen übergelaufen sind, können sich für die neue Truppe bewerben. Diejenigen, die dies nicht getan haben, wurden aufgefordert, einen "Versöhnungsprozess" zu durchlaufen, einschließlich der Unterzeichnung eines Dokuments, in dem sie den Regimewechsel akzeptieren, und der Abgabe ihrer Waffe. Es ist noch nicht klar, ob sie sich der neuen Truppe anschließen dürfen. Das Innenministerium änderte die Bedingungen für die Aufnahme von Mitgliedern des Sicherheits- und Polizeidienstes. Darunter sind eine Altersgrenze von 30 Jahren anstelle von zuvor 26 Jahren und Lockerungen bei den Anforderungen an die körperliche Gesundheit und Fitness. Die Ausbildung dauert 21 Tage. Unter dem Assad-Regime betrug die Ausbildungszeit neun Monate. Reuters hingegen berichtet von zehn Tagen Unterricht in Waffenhandhabung und islamischen Recht. Wenn sich die Sicherheitslage verbessert, soll die Ausbildung auf neun Monate verlängert werden, wobei ein von den Rebellen in Idlib eingeführtes System verwendet wird. Die allgemeine Landschaft des neuen Sicherheitsapparats weist deutliche Veränderungen auf, vor allem in Bezug auf die islamistische Färbung, die mit einigen Details einhergeht, wie die lauten Takbir-Rufe ["Allahu Akbar"-Rufe Anm.] bei den Abschlussfeiern, nachdem die Freiwilligen die Scharia- und Militärtrainingskurse absolviert haben, und die Abschlussreden der Veranstaltung, die sich auf die islamischen Lehren und die Notwendigkeit konzentrieren, „im Einklang mit Gottes Gesetz“ zu handeln. Reuters zitiert Quellen, wonach die islamische Lehre dazu dienen soll, der neuen syrischen Polizei Moral zu vermitteln. Mitglieder der HTS-Polizeieinheit in Idlib sind nach Damaskus gereist, um Polizeibeamte zu rekrutieren. Die HTS-Polizei hat den Bewerbern eine Reihe von Fragen zu ihrem Glauben gestellt und die Ausbildung der neuen Rekruten konzentriert sich auf das Scharia-Recht (LIB).

Am 16.4.2025 kündigte das Innenministerium an, dass es einen Beamten ernennen werde, der sowohl die Kräfte der Allgemeinen Sicherheit als auch die Polizeikommandos in jeder Provinz beaufsichtigen solle, um so die Kontrolle über beide Kräfte zu zentralisieren (LIB).

Langfristig werden Syriens Bemühungen zur Reform seines Militärs mit enormen Herausforderungen beim Wiederaufbau seines Waffenarsenals und seiner Infrastruktur konfrontiert sein, insbesondere nach der weitreichenden Zerstörung durch israelische Luftangriffe im Dezember 2024. Diese Angriffe galten über 100 Luftverteidigungsbatterien, Radarsystemen und Geheimdienstbasen, wodurch ein Großteil des syrischen Arsenals unbrauchbar wurde. Berichten zufolge führte Israel in acht Tagen über 600 Angriffe durch und zerstörte dabei etwa 80 % der strategischen Waffen Syriens. Der Wiederaufbau des syrischen Militärs – insbesondere der Luftwaffe und der Luftverteidigungsnetze, einschließlich Abfangjäger-Vorräte, Ersatzteile und Ausbildung der Besatzungen – wird Jahre dauern und Milliarden Dollar kosten, und das zu einer Zeit, in der die staatlichen Kassen fast leer sind (LIB).

Die bewaffnete Landschaft Syriens besteht aus einem komplexen Geflecht von über 60 Fraktionen, von denen jede ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Loyalitäten und ihre eigene Agenda hat. Mehr als die Hälfte sind der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) angeschlossen. Andere Fraktionen agieren unabhängig oder innerhalb kleinerer Allianzen, mit Ideologien, die von säkular bis islamistisch reichen, und Finanzierungsquellen, die verschiedene regionale und internationale Akteure umfassen. Dieses Flickwerk an Macht stellt ein erhebliches Hindernis für die Schaffung einer einheitlichen nationalen Armee dar. Obwohl die Kämpfer nominell unter der Schirmherrschaft der neuen syrischen Regierung stehen, gibt es nach wie vor Milizen, von denen einige in Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren und relativ undiszipliniert sind. Die Kernkräfte der Gruppierung, die die neue Regierung anführt, HTS, sind bekanntermaßen weitaus disziplinierter als andere Akteure, was auf jahrelanger Beobachtung ihrer Aktivitäten in der Provinz Idlib und während des Sturzes von al-Assad beruht. Dennoch waren auch einige HTS-Kräfte an den Massakern im März 2025 in der syrischen Küstenregion beteiligt. Darüber hinaus trägt die neue Regierung weiterhin die Verantwortung für alle Tötungen, die von Gruppen unter ihrem formellen Kommando, einschließlich der SNA, begangen wurden. Ihre Unfähigkeit, diese Verbrechen zu verhindern, verdeutlicht, dass sie über Gebiete und Fraktionen außerhalb ihrer traditionellen Basis nach wie vor nur begrenzt befehligen und kontrollieren kann. Nachdem Berichte über Massaker aufgetaucht waren, gab das Innenministerium eine doppelte Erklärung ab, in der es die Zivilbevölkerung aufforderte, sich nicht einzumischen und die Reaktion der Regierung zu überlassen, und allen regierungsfreundlichen Kräften befahl, sich an die Verfahren zu halten, die während der Offensive zum Sturz des Assad-Regimes angewendet wurden, nämlich keine Zivilisten ins Visier zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch bereits zahlreiche Morde verübt worden, und die Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den notwendigen Prozess der Rechenschaftspflicht, der auf solche Vorfälle folgen muss, um weitere Vergeltungsmaßnahmen und Gräueltaten zu verhindern. In den Reihen der neuen syrischen Armee finden sich auch islamistische Kämpfer aus anderen arabischen Staaten, Zentralasien und dem Kaukasus. Es gibt große Probleme bei der Integration der Gruppierungen, die bereits unter dem Verteidigungsministerium zusammengelegt wurden. Zu nennen ist hier der Top-Down-Ansatz, bei dem die Priorität auf Loyalität statt auf Leistung gelegt wird. Es gelingt nicht die ideologischen und klassenbasierten Unterschiede zwischen – und innerhalb – der Gruppierungen, die jetzt unter dem Kommando ash-Shara's stehen, abzumildern (LIB).

Folter und unmenschliche Behandlung, Haftbedingungen, willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen, etc. – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes seit 08.12.2024

Vor dem Sturz des Assad-Regimes am 8.12.2024 berichteten die UN über Folter und Hinrichtungen von Gefangenen, die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) im Nordwesten festgehalten werden. Sie und einige Fraktionen der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) im Norden wenden in ihren Haftanstalten dieselben brutalen Foltermethoden an wie die Regierung (LIB).

Im Jänner 2025 führte die Übergangsregierung Sicherheitskampagnen durch, wie Razzien und Festnahmen. Im Fokus standen dabei die Gouvernements Latakia, Homs und Damaskus. Gerichtet waren diese Kampagnen gegen Personen, denen Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen unter dem Assad-Regime vorgeworfen werden, insbesondere gegen ehemalige Militärangehörige und Regierungsangestellte. Ob diese Kampagnen auf gerichtlichen Anordnungen basierten, ist unklar. Das Syrian Network for Human Rights dokumentierte im Jänner 2025 229 Fälle von willkürlichen Verhaftungen, darunter drei Kinder und acht Frauen. Die Übergangsregierung war für 129 Verhaftungen verantwortlich, wobei 36 wieder entlassen wurden. Im Allgemeinen richten sich die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen Männer, von denen angenommen wird, dass sie Verbrechen begangen haben (unabhängig davon, ob dies bewiesen ist oder nicht), und nicht gegen Alawiten, denen Soldaten begegnen. Die HTS weigert sich, einem transparenten Rechtsverfahren zu folgen, bei dem diese Opfer eindeutig identifiziert und vor Gericht gestellt werden. Hawar News, einer kurdischen Zeitung zufolge, haben vier Personen in einer Haftanstalt in Damaskus durch Folter ihr Leben verloren, nachdem sie bei Razzien in Homs festgenommen worden waren. Ende Jänner verstarb ein Mann, der wegen Unterstützung des Assad-Regimes verhaftet worden war, in Haft. Die syrischen Behörden kündigten an, eine Untersuchung wegen Misshandlung durch Sicherheitskräfte einzuleiten. Die Verantwortlichen wurden verhaftet und der Militärjustiz übergeben (LIB).

Alle bewaffneten oppositionellen Gruppierungen und Gruppierungen der SNA führten willkürliche Festnahmen durch. Zu den Opfern gehörten Personen, die aus den von den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) kontrollierten Gebieten kommen, darunter auch Frauen. Die Festnahmen fanden ohne gerichtliche Anordnung oder Beteiligung der Polizei statt. Den Festgenommenen wurden keine klaren Angaben zu den gegen sie vorgebrachten Vorwürfen gemacht. Die SNA bzw. andere bewaffnete Gruppierungen waren für 41 willkürliche Verhaftungen verantwortlich, darunter sechs Frauen. Zwölf Personen wurden wieder freigelassen (LIB).

Wehr- und Reservedienst – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 08.12.2024)

Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen. Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war. Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen. Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten. Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern. Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (LIB).

Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit. HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll. Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll. Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an. In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen. Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt. Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar. Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte "Versöhnungszentren" eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben. Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein "Versöhnungszentrum", wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren. In diesen "Versöhnungszentren" erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk "desertiert". Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde. Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur. Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den "Versöhnungszentren" in verschiedenen Städten aufgetaucht sind. Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen "Versöhnungsprozessen" entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen (LIB).

Der Übergangspräsident Ahmed ash-Shara' hat die Vision einer neuen „Nationalen Armee“ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeblich die Führung übernehmen soll. Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln. Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren. Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein. Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission (LIB).

Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte. Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (LIB).

Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Syria TV, ein syrischer Fernsehsender mit Sitz in Istanbul, der im Besitz eines katarischen Mediennetzwerks ist und sich in Opposition zur Assad-Regierung positioniert hatte, berichtet in einem arabischsprachigen Artikel vom Februar 2025, dass sich der Rekrutierungsprozess für die neuen syrischen Militär- und Sicherheitsinstitutionen, wie die Polizei sowie Kriminal- und Geheimdienste, von Gouvernement zu Gouvernement unterscheide. Am 10. Jänner 2025 habe das Innenministerium der Übergangsregierung verkündet, dass Anmeldungen zum Eintritt in die Polizeiakademie begonnen hätten. Die Kurse, die einen Eintritt in die Reihen der Polizei und Dienste der öffentlichen Sicherheit ermöglichen sollen, hätten in fast allen Gouvernements, insbesondere in Damaskus, Rif Dimaschq, Homs, Tartus, Idlib, Sweida und Deir ez-Zor begonnen. Dem Artikel zufolge sei Idlib in dieser Hinsicht am aktivsten, gefolgt von Deir ez-Zor und Teilen von Rif Dimaschq, während der Rekrutierungsprozess in den Küstenregionen sowie in Homs eher verhalten verlaufe. Laut EUAA würden vor allem in Provinzen, die früher unter der Kontrolle Assads standen, neue Rekrutierungszentren eröffnet werden. Bewerberhätten zwischen 20 und 30 Jahre alt zu sein, einen Sekundarschulabschluss oder einen entsprechenden Abschluss vorzuweisen, die vorgeschriebenen Kurse absolviert zu haben, unbescholten sowie gesund und von guter Statur zu sein. Sie hätten zudem körperlich fit zu sein und müssten mindestens 168 cm groß sein (LIB, ACCORD 2, EUAA).

Durch die aktiven Rekrutierungen soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden. Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben. Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei. Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen. Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.3.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara'a in Südsyrien eröffnet. Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet. Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung (LIB).

Einem für den Artikel interviewten 27-jährigen Mann zufolge stelle der freiwillige Beitritt zum Polizei- oder Geheimdienstapparat für ihn eine gute Beschäftigungsmöglichkeit dar. Das Gehalt betrage mindestens 200 US-Dollar, während ein Arbeiter in Idlib täglich nicht mehr als umgerechnet drei US-Dollar verdiene. Der Mann aus Süd-Idlib habe auf Facebook eine Rekrutierungsanzeige gesehen und sich daraufhin beeilt, sich zu bewerben. Er habe erklärt, dass für die Bewerbung ein Formular mit persönlichen Daten auszufüllen sei. Das Formular gebe an, dass Bewerber nicht älter als 30 Jahre sein dürften. Man dürfe im Formular angeben, ob man in die Reihen des Geheimdienstes oder der Polizei, darunter die Kriminalpolizei, die Verkehrspolizei und die Moralpolizei, aufgenommen werden wolle. Die Moralpolizei sei eine Abteilung, die in Idlib vor dem Sturz der Assad-Regierung hätte gegründet werden sollen, aber trotz der Verabschiedung eines Gesetzes mit dem Titel „Öffentliche Moral“, auf Eis gelegt worden sei (ACCORD 2).

In einem Artikel vom 19. Februar 2025 berichtet The National von einem Funktionär der HTS, der im Damaszener Außenbezirk Ost-Ghuta junge Männer rekrutieren solle. Die HTS benötige dem Artikel zufolge so viele Männer wie möglich, insbesondere für entlegenere Gegenden. An einemöffentlichen Platz im Vorort Ain Tarma habe der Funktionär ein kommunales Gebäude betreten und einen Zuständigen dort gefragt, ob er Personen kenne, die geeignet seien, der HTS beizutreten. Er habe eine Telefonnummer hinterlegt und sei zu einer ehemaligen Regierungskaserne weitergegangen, die sich auf dem Gebiet befinde, wo neue HTS-Rekruten ein dreiwöchiges Training absolvieren sollen. Dem Funktionär zufolge hätten sich seit dem Fall der Assad-Regierung tausende der HTS angeschlossen. Hunderte weitere würden bald in den Kasernen in Ost-Ghuta erwartet (ACCORD 2).

Laut einem Artikel der Foundation for Defense of Democracies (FDD) von Jänner 2025 behaupte die syrische Übergangsregierung zwar, sich für religiöse Toleranz einzusetzen. Gleichzeitig werde die von der Regierung bevorzugte sunnitisch-islamische Glaubensströmung der Rekrutierung und der Ausbildung neuer Sicherheitskräfte zugrunde gelegt. Berichten zufolge würden neue Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung durchlaufen. In einem Artikel von Jänner 2025 berichtet Reuters von der Rekrutierung von Polizisten durch die Übergangsregierung. Polizisten, die aus der ehemals HTS-regierten Enklave in Idlib nach Damaskus gebracht worden seien, würden Bewerber nach ihrem Glauben befragen. Die Ausbildung von Polizisten dauere zehn Tage und der Fokus liege Ausbildnern und Absolventen zufolge auf dem Umgang mit Waffen und der Vermittlung von islamischem Recht. Dem Leiter der Polizei in Aleppo zufolge sei geplant, die Ausbildung auf neun Monate auszuweiten, wenn sich die Sicherheitslage gebessert habe. Ihm zufolge würden den Polizeirekruten die Prinzipien der islamischen Rechtsprechung, die Biographie des Propheten Mohammed und Verhaltensregeln gelehrt. Die Bewerbungsformulare würden Reuters zufolge einen Abschnitt „Glaube, Orientierung und Standpunkte“ enthalten, in welchem Bewerber nach ihrer „Bezugsautorität“ („referential authority“) befragt würden. Drei anonymen HTS-Beamten zufolge diene die Frage dazu, Bewerber zu identifizieren, die einer genaueren Prüfung unterzogen werden müssen, insbesondere Alawiten, die derselben Glaubensströmung wie die Assad-Familie angehören würden und möglicherweise Verbindungen zur Assad-Regierung gehabt hätten (ACCORD 2).

Dem von Reuters befragten Wissenschaftler Aron Lund zufolge fänden viele Syrer die religiöse Komponente bei der Rekrutierung von Polizisten bedenklich. Das betreffe nicht nur Minderheiten wie Christen, Alawiten und Druzen, sondern auch urbane, säkulare sunnitische Muslime. Das Innenministerium der Übergangsregierung, welches für Polizeiangelegenheiten zuständig sei, habe Reuters Fragen zum religiösen Fokus bei der Rekrutierung und Ausbildung von Polizisten nicht beantwortet. Mehreren von Reuters interviewten führenden Polizeioffizieren zufolge diene dieser nicht dazu, der Allgemeinbevölkerung religiöse Inhalte aufzuzwingen, sondern dazu, Rekruten ethisches Verhalten zu vermitteln. Sieben Polizeioffiziere, die Polizeistationen verwalten oder im Rekrutierungsprozess involviert seien, hätten ausgesagt, dass die Polizei mehr Mitarbeiter benötige und Bewerbungen von Personen jeder Glaubensrichtung willkommen seien (ACCORD 2).

Einem Polizei-Ausbildner an einer Polizeiakademie in Damaskus zufolge hätten sich über 200.000 Personen gemeldet, die Teil des neuen Polizeidienstes werden wollen. Alle fünf von Reuters interviewten hochrangingen Offiziere seien davon ausgegangen, dass sich die Personalausstattung vor dem Hintergrund der Ausweitung von Rekrutierung und Training im Jahr 2025 verbessern werde. Die Anmeldung von Polizisten, die vor dem Sturz der Assad-Regierung zu den Rebellen übergelaufen seien, werde laut von Reuters befragten führenden Polizeioffizieren begrüßt. Diejenigen, die nicht übergelaufen seien, hätten einen „Aussöhnungsprozess“ zu durchlaufen. Im Zuge dessen hätten sie ein Dokument zu unterzeichnen, worin sie den Regierungswechsel anerkennen würden, und sie hätten ihre Waffe abzugeben. Es sei noch unklar, ob sie dem neuen Polizeidienst beitreten dürften (ACCORD 2).

In einem Artikel von Ende Februar 2025 berichtet Syria TV von Gerüchten, denen zufolge die Übergangsregierung in den Gouvernements Tartus und Latakia Männer zum Militärdienst rekrutiert und zwangsverpflichtet hätte. Auf Facebook-Seiten, die der Quelle zufolge von Medienfachleuten betrieben würden, die der Assad-Regierung naheständen, sei berichtet worden, dass Sicherheitskräfte in den Städten Dschableh, Baniyas und Qardaha Checkpoints aufgestellt und Personen mit Statusregelungsausweisen („Bidaqat Taswiya“) festgenommen hätten. Offizielle Quellen des Gouvernements Tartus hätten den Verantwortlichen der Rekrutierungsabteilung der Stadt Baniyas zitiert, der diese Gerüchte vehement abgestritten habe. Er habe darauf hingewiesen, dass der Militärdienst nunmehr auf Freiwilligkeit aufbaue und dazu aufgerufen, offizielle Quellen für Informationen zu konsultieren (ACCORD 2).

Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit (LIB).

Rückkehr – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 08.12.2024)

Mit dem Sturz al-Assads kehrten Tausende Syrer aus dem Libanon und der Türkei nach Syrien zurück. Für viele war das Assad-Regime das Haupthindernis für die Rückkehr in ihre Heimat. Die Aufnahmeländer haben diese Begeisterung genutzt, um weitere Rückkehrer zu ermutigen. Zehn Tage nach dem Sturz des syrischen Regimes am 8.12.2024 erklärte die Europäische Union (EU), sie schätze, dass zwischen Januar und Juni 2025 etwa eine Million syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückkehren würden. Das wurde durch die Direktorin des Büros des UNHCR für den Nahen Osten und Nordafrika bestätigt. Ahmad ash-Shara', der Befehlshaber der Militäroperationen in Syrien, der später zum Übergangspräsidenten des Landes wurde, betonte bei einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Geir Pedersen, dass eine seiner ersten Prioritäten darin bestehe, zerstörte Häuser wiederaufzubauen und die Vertriebenen in das letzte Zelt zurückzubringen, während er gleichzeitig sehr wichtige wirtschaftliche Entscheidungen treffe (LIB).

Bis August 2024 waren schätzungsweise 34.000 Flüchtlinge zurückgekehrt, aber nach der Invasion Israels im Libanon im Oktober 2024 flohen weitere 350.000 aus dem Libanon zurück nach Syrien, um dem Konflikt zu entkommen. Mit weiteren 125.000 Rückkehrern seit dem Sturz al-Assads Anfang Dezember erreichte die Gesamtzahl der Rückkehrer im Jahr 2024 fast eine halbe Million. UNHCR schätzt, dass von 8.12.2024 bis 2.1.2025 über 115.000 Syrer nach Syrien zurückgekehrt sind, basierend auf öffentlichen Erklärungen von Aufnahmeländern, Kontakten mit Einwanderungsbehörden in Syrien und dem UNHCR sowie der Grenzüberwachung durch Partner. Insgesamt sind nach Angaben des UNHCR 800.000 vertriebene Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt, darunter 600.000 Binnenvertriebene (Internal Displaced Persons - IDPs) (Stand 31.1.2025). Mit Stand 06.03.2025 schätzt UNHCR, dass seit Anfang Dezember 2024 ca. 301.900 Flüchtlinge über benachbarte Länder nach Syrien zurückgekehrt sind. Die Zahl der Personen, die in das Gouvernement Aleppo zurückkehren, ist am höchsten, wobei die Rückkehrer die verbesserte Sicherheitslage und die Abschaffung des Wehrdienstes als Hauptgründe für ihre Rückkehr nennen. Grundsätzlich verzeichnen die UN einen Anstieg an rückkehrwilligen Syrern, die im Nahen Osten leben. Fast 30 % geben an, in ihre Heimat zurückzuwollen. Als großes Hindernis für die Rückkehr sieht UNHCR-Chef Grandi die Sanktionen. Die syrischen Behörden gaben an, dass innerhalb von zwei Monaten nach der Befreiung Syriens 100.905 Bürger über die Grenzübergänge der Türkei zurückgekehrt sind. Der Grenzübergang Jdaydat Yabous/ Masna' zum Libanon fertigte in zwei Monaten 627.287 Reisende ab, darunter 339.018 syrische Staatsbürger und arabische und ausländische Gäste, und 288.269 Ausreisende. Im gleichen Zeitraum wurden am Grenzübergang Nassib/ al-Jaber zu Jordanien 174.241 Passagiere syrischer Staatsbürger und arabischer und ausländischer Gäste abgefertigt, davon 109.837 bei der Einreise und 64.404 bei der Ausreise. Am Grenzübergang al-Bu Kamal/ al-Qa'im wurden 5.460 syrische Staatsbürger abgefertigt, die im Irak leben und zurückkehren, um sich dauerhaft in Syrien niederzulassen. Bei den Angaben zu Rückkehrern sind die zuständigen Behörden und Forschungszentren nicht in der Lage festzustellen, ob diese Menschen lediglich zurückgekehrt sind, um ihre Familien zu besuchen und zu treffen, oder ob sie freiwillig und dauerhaft zurückgekehrt sind (LIB, UNHCR 13).

CNN zufolge gab es nicht nur einen Strom von Rückkehrern, sondern auch zahlreiche Familien, die – meist aufgrund ihrer Konfession – aus Angst vor der neuen Regierung das Land verlassen wollten (LIB).

UNHCR appelliert weiterhin an alle Staaten, syrische Staatsangehörige und Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, einschließlich Palästinenser, die sich früher in Syrien aufhielten, nicht gewaltsam nach Syrien zurückzuführen (UNHCR 1).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, in die oben genannten Quellen zur Lage im Herkunftsstaat und durch Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.03.2025.

Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinen Familienangehörigen, seinem Familienstand, seinem Aufwachsen in Syrien, seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf die diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben vor der Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen bzw. nachvollziehbar aktualisierten Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen, dass das Dorf XXXX (auch XXXX auch XXXX ) im Gouvernement Dara’a, als Geburts- und Herkunftsort des Beschwerdeführers festzustellen ist, beruhen auf folgenden Erwägungen:

In der polizeilichen Erstbefragung gab der Beschwerdeführer als letzte Wohnsitzadresse in Syrien „ XXXX , Syrien“ an (vgl. AS 23). Befragt zu seinem Wohnort vor seiner Flucht brachte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vor, dass er „in XXXX mit seinen Kindern und seiner Ehefrau in einem Eigentumshaus neben den Häusern seiner Familie“ gelebt habe (vgl. AS 124). In der schriftlichen Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, dass er „bis zu seiner Flucht in XXXX im Gouvernement Daraa“ gelebt habe (vgl. AS 429). Unter Verweis auf diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte er weiters aus, dass er in „seinem ursprünglichen Dorf den weit überwiegenden Teil seines Lebens verbracht und sein Dorf nicht freiwillig, sondern kriegsbedingt bzw. aufgrund der Furcht vor dem verpflichtenden Reservedienst verlassen“ habe und daher dieses Dorf auch als Herkunftsort des Beschwerdeführers anzusehen sei (vgl. AS 455-457).

Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte er diametral zu seinen bisherigen Angaben vor, dass diese nicht vollständig seien, er habe nicht gesagt, dass er aus dem „Dorf XXXX , Bezirk Golan, welches von Israel besetzt [sei]“ komme. Er sei aus dem Golan vertrieben worden und nach „ XXXX gegangen“. Auf Nachfrage der erkennenden Richterin, wann er vertrieben worden sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er in Dara‘a geboren sei und seine Familie „in einem Vertriebenen-Zeltlager im Golan“ lebe (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 6). Obwohl er von der belangten Behörde mehrmals zu seinem Wohnort in Syrien und zu seiner Familie befragt wurde, brachte der Beschwerdeführer als mögliche Erklärung zur Diskrepanz vor, dass er „nicht danach gefragt“ worden sei. Selbst als der Beschwerdeführer explizit in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde nach seinen in Syrien lebenden Verwandten gefragt wurde, brachte der Beschwerdeführer lediglich vor, dass der „Großteil [s]einer Familie, [s]einer Cousins und Cousinen, sowie [s]eine Ehefrau und Kinder“ in der Provinz XXXX leben würden. Auf die weitere Nachfrage, wie es seiner Familie derzeit gehe, antwortete er: „Unter null. Sie bekommen von meinen Brüdern nur einen kleinen Teil an Taschengeld. Es geht ihnen gesundheitlich sehr gut.“ (vgl. AS 125). Dass er oder seine Familie in einem Zeltlager gelebt hätten bzw. weiterhin leben würde, thematisierte der Beschwerdeführer trotz sonstiger ausführlicher Angaben nicht.

Zudem führte er – im Widerspruch zu seinen bisherigen Angaben vor der belangten Behörde – erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, dass seine Familie „im Golan Grundstücke und Häuser“ habe, er selbst sei in XXXX geboren und „habe dort im Zeltlager gelebt“ (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 7). Seine Angabe vor der belangten Behörde, er habe mit seiner Familie in einem Eigentumshaus gelebt, sei „nicht korrekt“. Er sei damals nervös gewesen, sie hätten ihm „solche Fragen nicht gestellt“, er habe einfach „schnellstmöglich die Befragung beenden und einfach weggehen“ wollen (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 8). Auf Vorhalt seiner Aussage vor der belangten Behörde (vgl. AS 124: „Ich lebte mit meinen Kindern und meiner Ehefrau in einem Eigentumshaus neben den Häusern meiner Familie.“) gab der Beschwerdeführer an, dass „Vertriebene keine Eigentumshäuser“ hätten. Er habe damals nicht gesagt, dass „solche Häuser mit [s]einem Namen registriert“ seien, sie als „Vertriebene [würden] kein Eigentumshaus besitzen“ dürfen (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 8). Auf nochmalige Nachfrage, von wann bis wann er genau in Syrien gelebt habe, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er immer „in XXXX im Flüchtlingslager bzw. Vertriebenen-Lager“ gelebt habe. Auch vor der BBU (seiner Rechtsvertretung) habe er schon gesagt, dass er „in Syrien vor der Geburt verfolgt“ worden sei, er „dort keine Rechte habe, weil [er] vertrieben“ worden sei. Dazu befragt konnte die anwesende Rechtsvertretung des Beschwerdeführers jedoch keine Angaben machen und verwies lediglich auf die Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 9, 10).

Als Beweis für seine Aussagen verwies der Beschwerdeführer auf sein Militärbuch und seinen Personalausweis. Im vor der belangten Behörde vorgelegten Personalausweis wird als Geburtsort „ XXXX “, im militärischen Einberufungsbefehl der Wortlaut „wohnhaft in al XXXX “ und im Ehevertrag als Heiratsort „ XXXX “ angeführt (vgl. AS 121, 122). Dem der belangten Behörde vorgelegten Militärbuch ist im Unterpunkt „Militäreinheit/Stationierung“ der Ort „ XXXX “ zu entnehmen (vgl. AS 121). Dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Personalausweis ist auf der Rückseite „Standesamt XXXX , Registrierung: XXXX , Adresse: XXXX “ zu entnehmen (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 7).

In weiterer Folge zeigte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung zwei sich widersprechende Dokumente, die der anwesende Dolmetscher vor Ort übersetzte. Während im Militärbuch als Registrierungsort „Daraa, XXXX “ und als Geburtsort „ XXXX “ angeführt sind (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 10), steht in der vorgelegten Wehrdienstbestätigung, dass der Beschwerdeführer in „ XXXX “ geboren sei (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 11). Zu den divergierenden Angaben befragt korrigierte er, dass er in „ XXXX “ geboren sei, aber „alle [ihre] Eigentumsrechte in XXXX “ seien. Warum seine Familie in XXXX und er in XXXX registriert sei, könne er nicht erklären (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 13). Seine gesamte Familie lebe im „Vertriebenen Zeltlager in XXXX “ (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 16). Sein Vater sei bereits verstorben, er habe jedoch früher in „seiner eigenen Landwirtschaft in XXXX gearbeitet und sei ca. im Jahr 1980 von XXXX aufgrund des Krieges weggegangen, er sei von dort vertrieben“ worden (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 17).

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers aufgrund der wesentlich gesteigerten und divergierenden Angaben erheblich herabgesetzt wurde. Der Beschwerdeführer widersprach sich selbst in der mündlichen Verhandlung, als er erstmals nach 2 ½ Jahren (Antragstellung am 30.10.2022) seine angebliche Abstammung aus dem Golan vorbrachte, mehrmals. Es erscheint äußerst unglaubhaft, ein so wichtiges Detail in den vorherigen drei Möglichkeiten (polizeiliche Erstbefragung, niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde, schriftliche Beschwerde) nicht einmal auch nur ansatzweise zu thematisieren. Die völlige Abkehr des noch in der Beschwerde behaupteten und ausführlich begründeten Herkunftsgebietes des Beschwerdeführers, das Dorf XXXX im Gouvernement Dara’a (vgl. AS 429, 455 ff), erscheint daher völlig unplausibel.

Zu seinem Verweis auf die Angaben im Militärbuch ist festzuhalten, dass es zwar stimmt, dass im Militärbuch auf den Ort XXXX verwiesen wird, allerdings als Ort der Stationierung bzw. der Militäreinheit. Eine Abstammung des Beschwerdeführers aus jenem Ort kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden (vgl. AS 121). Dass der Beschwerdeführer in XXXX registriert sei geht auch nicht aus anderen vorgebrachten Dokumenten hervor. Hinsichtlich der Wehrdienstbestätigung, die „ XXXX “ als Geburtsort vorweist, handelt es sich unter Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers offensichtlich um einen Fehler.

Hinsichtlich des Erklärungsversuches des Beschwerdeführers, er sei in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde hinsichtlich seiner Herkunft nicht befragt worden, darf auf das Protokoll vom 21.02.2024, dem mehrere detaillierte Fragen zu seinem Leben und seiner Familie in Syrien zu entnehmen sind, verwiesen werden (vgl. AS 124: „Wo waren Sie vor Ihrer Flucht wohnhaft? […] Beschreiben Sie Ihre allgemeinen Lebensverhältnisse in Ihrem Herkunftsland. […] Haben Sie noch Verwandte die in Ihrem Herkunftsland leben?“). Hervorzuheben ist, dass der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht ausdrücklich nach seiner Familienhistorie gefragt wurde. Seine nunmehrigen Angaben, dass er einer Flüchtlingsfamilie aus dem Golan entstamme und sein Leben lang in einem Zeltlager gelebt habe, brachte er auf die Frage, ob seine Angaben im bisherigen Verfahren richtig gewesen seien, vor (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 6). Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, er und seine Familie hätten in einem Zeltlager gewohnt, steht im starken Widerspruch zu seiner Aussage vor der belangten Behörde, wo er explizit angab, in einem „Eigentumshaus neben den Häusern [s]einer Familie“ gewohnt zu haben (vgl. AS 124). Zudem wurde der Beschwerdeführer am Ende seiner Einvernahme durch die belangte Behörde gefragt, ob er alles vorbringen und den Dolmetscher verstanden habe, was er bejahte und zusätzlich ausführte, dass er „viele Freunde aus Ägypten habe“ und den Dolmetscher daher „sehr gut verstanden“ habe (vgl. AS 127). Auch in der schriftlichen Beschwerde machte er keine Fehler im Protokoll vom 21.02.2024 geltend. Der Erklärungsversuch des Beschwerdeführers ist daher als reine Schutzbehauptung zu bewerten.

Selbst bei Wahrunterstellung, dass sein Vater tatsächlich im Jahr 1980 aus dem Golan geflohen sei, ändert dies jedoch nichts an dem Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, da er in XXXX geboren wurde, zur Schule ging, heiratete, auf einer gepachteten Landwirtschaft mit seiner Familie und als Tagelöhner für andere Landwirte arbeitete, in einem Eigentumshaus wohnte und seine Kinder großzog. Auch seine gesamte Familie wohnt weiterhin in seinem Geburtsdorf. Aufgrund dessen war als Geburts- und Herkunftsort das Dorf XXXX (auch XXXX auch XXXX ) im Gouvernement Dara’a festzustellen.

Die Feststellung, dass das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, das Dorf XXXX (auch XXXX auch XXXX ) im Gouvernement Dara’a von der neuen syrischen Regierung kontrolliert wird, ergibt sich übereinstimmend aus den vorliegenden Länderberichten (vgl. https://syria.liveuamap.com/, https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html, jeweils abgerufen am 22.05.2025). Wenn der Beschwerdeführer diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorbringt, dass die „Tafas Gruppe“ bzw. die „Al moatazbelah Brigade“ die Kontrolle über sein Herkunftsgebiet innehabe, ist anzumerken, dass die neue syrische Regierung bemüht ist mehrere ehemalige oppositionelle Gruppierungen in den Regierungsapparat einzugliedern und einige Splittergruppierungen aufgrund des Machtwechsels weiterhin in Erscheinung treten. Aus den Länderinformationen geht jedoch hervor, dass die neue syrische Regierung offiziell die Kontrolle in Südsyrien übernahm und ist daher aufgrund des derzeitigen Wissensstandes von einem mehrheitlich von der neuen syrischen Regierung kontrollierten Zustand auszugehen, zumal der Beschwerdeführer keine anderweitigen Länderinformationen in Vorlage brachte.

Der Zeitpunkt der Ausreise und die Aufenthalte in durchreisten Staaten ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 9). Seine Arbeitsfähigkeit folgt aus seinem Alter, seinem Gesundheitszustand und seiner bisherigen Erwerbstätigkeit in Syrien und Österreich.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

2.1. Zur behaupteten Zwangsrekrutierung und (zumindest) unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung vonseiten der ehemaligen syrischen Regierung unter der Herrschaft von Baschar al-Assad und einer allfälligen Unterstellung als Assad-Regimeanhänger:

Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers in der polizeilichen Erstbefragung (vgl. AS 26), in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (vgl. AS 125 ff), als auch in seiner schriftlichen Beschwerde (vgl. AS 429 ff, insb. AS 433 ff), es bestehe die Gefahr, dass er vom syrischen Regime als Reservist zwangsrekrutiert werde – welche von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vom 21.09.2024 negiert wurde – ist vollständigkeitshalber anzumerken, dass es das zum damaligen Zeitpunkt noch bestandene syrische Regime unter der Herrschaft Baschar al-Assads seit dem Umsturz Anfang Dezember 2024 in dieser Form nicht mehr gibt. Mangels Gebiets- und Herrschaftsgewalt geht vom ehemaligen Assad-Regime keine Bedrohung mehr aus. Dem Beschwerdeführer droht daher auch keine Zwangsrekrutierung vonseiten des ehemaligen Assad-Regimes und erübrigt sich damit ebenso die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein Freikauf vom Wehrdienst möglich wäre, da die ehemalige Syrische Arabische Armee am 08.12.2024 per Befehl von al-Assad aufgelöst wurde.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr läuft von der neuen syrischen Regierung bzw. anderen bewaffneten Gruppierungen als Anhänger des ehemaligen Assad-Regimes eingestuft zu werden:

Der Beschwerdeführer war laut eigenen Aussagen niemals Mitglied einer politischen Partei und hat sich auch niemals in Haft befunden (vgl. AS 124). Weder vor der belangten Behörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte er eine politische verinnerlichte Einstellung oder sonstige politische Tätigkeiten vor. Lediglich in der schriftlichen Beschwerde gab der Beschwerdeführer völlig zusammenhanglos eine „Furcht vor Reflexverfolgung aufgrund der führenden Teilnahme an Demonstrationen von Familienmitgliedern in Syrien“ an (vgl. AS 463, 464). Weder konkretisierte der Beschwerdeführer, gegen wen oder was seine Familienmitglieder angeblich demonstriert hätten, noch erwähnte er allfällige Demonstrationsteilnahmen seiner Familie vor dem Bundesverwaltungsgericht und war dieses Vorbringen daher als kontextlose Übersteigerung zu bewerten.

Lediglich die Ableistung seines verpflichtenden Wehrdienstes bei der nunmehr aufgelösten Syrischen Arabischen Armee im Rang eines einfachen Soldaten (Fahrer) vom 26.05.2007 bis 01.05.2009 könnte als möglicher Konnex zwischen dem Beschwerdeführer und dem ehemaligen Assad-Regime gewertet werden (vgl. Militärbuch, AS 121, 127). Gegen eine mögliche Unterstellung der Unterstützung des ehemaligen Assad-Regimes spricht jedoch, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst bereits vor Ausbruch des Krieges – vor ca. 16 Jahren – ableistete, niemals an Kampfhandlungen und/oder Kriegsverbrechen/Menschenrechtsverletzungen teilnahm, sich dem Reservedienst entzog und – wie bereits ausgeführt – niemals politisch in Erscheinung trat (vgl. AS 127; Niederschrift vom 12.03.2025, S. 17).

Zudem ist den Länderinformationen zu entnehmen, dass Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) eine Generalamnestie gewährt wurde. Die neue syrische Regierung hat sogenannte „Versöhnungszentren“ eingerichtet. Auch hochrangige Personen erhielten vorübergehende Niederlassungskarten und eine hohe Anzahl hat bereits ihre Waffen abgegeben. Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein „Versöhnungszentrum“, wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Danach erhalten sie Zettel, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben und einen Ausweis mit dem Vermerk „desertiert“.

Die sogenannten „Versöhnungszentren“ zielen somit eine Waffenniederlegung der zur Zeit des Umsturzes des Assad-Regimes aktiven wehrdienstpflichtigen Männern und Soldaten, insbesondere von hochrangigen Personen, ab, dies wird insbesondere durch die in den „Versöhnungszentren“ erhaltenen Ausweise mit den Vermerken „desertiert“ bestätigt. Da der Beschwerdeführer jedoch seinen Wehrdienst bereits vor 16 Jahren beendete, ist somit eine Assoziierung des Beschwerdeführers mit dem ehemaligen Assad-Regime nicht maßgeblich wahrscheinlich, insbesondere da die Einberufung in die ehemalige Syrische Arabische Armee für volljährige Männer unter Baschar al-Assad obligatorisch war.

Im Ergebnis besteht daher kein Risiko, dass der Beschwerdeführer von der neuen syrischen Regierung als militärischer oder politischer Gegner qualifiziert wird.

2.2. Zur Gefahr einer Zwangsrekrutierung vonseiten der neuen syrischen Regierung bzw. der ehemaligen HTS:

Den aktuellen Länderinformationen ist zu entnehmen, dass der neue syrische Präsident Ahmed ash-Shara’ die Vision einer neuen „Nationalen Armee“, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht, äußerte. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung. Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission. Die neue Armee soll in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umgewandelt werden, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte. Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben. Die Aufnahmebedingungen für junge Männer im Verteidigungsministerium besagen, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen. Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.03.2025 im Gouvernement Dara'a in Südsyrien und das Innenministerium in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten mehrere Rekrutierungszentren eröffnet. Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung. Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die neue syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit.

Auch die ACCORD Anfragebeantwortung vom 21.03.2025 verweist auf die Freiwilligkeit hinsichtlich der Rekrutierungen vonseiten der neuen syrischen Regierung. Dem aktuellen EUAA Bericht ist hinsichtlich Rekrutierungen lediglich zu entnehmen, dass die neue syrische Regierung Rekrutierungszentren in Provinzen, die früher unter der Kontrolle Assads standen, eröffnete.

Den vorliegenden Länderberichten sind somit, insbesondere unter Berücksichtigung der proklamierten Freiwilligkeit, keine Zwangsrekrutierungen zu entnehmen, zumal der Beschwerdeführer bereits XXXX Jahre alt ist und das veröffentliche Rekrutierungsalter um XXXX Jahre übersteigt. Der Beschwerdeführer wäre damit laut dem derzeitigen Informationsstand für einen freiwilligen Eintritt in die neue syrische Armee bereits zu alt. Selbst unter der – rein hypothetischen – Annahme, dass die neue syrische Regierung von ihrer bisherigen Linie abweichen und tatsächlich beginnen sollte, Männer ab 18 Jahren einzuziehen (wofür aktuell keinerlei Anhaltspunkte vorliegen), ist zu bedenken, dass zum Entscheidungszeitpunkt die neue syrische Regierung rekrutierungsunwilligen Männern keine politische Gesinnung unterstellt und die Ableistung seines Wehrdienstes bereits über 16 Jahre zurückliegt. Abgesehen von der überschrittenen Altersgrenze im Fall des Beschwerdeführers kann generell nicht angenommen werden, dass jeder volljährige männliche syrische Staatsbürger mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, von der neuen syrischen Regierung zwangsrekrutiert zu werden. Weiters ist zu bedenken, dass die (nunmehr offiziell aufgelöste) HTS, die ca. die Hälfte der neuen syrischen Regierungsmitglieder stellt, auch ohne Wehrpflicht/Zwangsrekrutierung(en) über ausreichende Kräfte für die Machtübernahme in weiten Teilen Syriens verfügte.

Hinsichtlich einer möglichen Rekrutierung durch die HTS ist darauf hinzuweisen, dass am 29.01.2025 die Auflösung bewaffneter Gruppierungen in Syrien, darunter auch die HTS, bekannt gegeben wurde und daher dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auch keine Rekrutierung vonseiten der – offiziell nicht mehr existierenden – HTS droht.

2.3. Zur vorgebrachten Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die „FSA“ bzw. die „Al-Moatazbelah Brigade“:

In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde brachte der Beschwerdeführer befragt, ob es Rekrutierungsversuche vonseiten anderer Kriegsparteien gegeben habe, folgendes vor: „Sicher, viele, ich habe sie alle abgelehnt. Es war die FSA, die vierte Spezialeinheit hat mich mehrmals aufgesucht. Sie gehört zum Regime. Viele junge Leute gingen dort freiwillig hin. Es ist einfach eine militärische Einheit des Regimes. Sie sind spezialisiert um Leute zu ermorden.“ (vgl. AS 127).

Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer vor, dass die „Tafas Gruppe“ bzw. die „Al moatazbelah Brigade“ die Kontrolle über sein Herkunftsgebiet ausübe (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 14). Niemand wisse, zu wem diese Brigade gehöre, sie seien „oftmals“ bei ihm gewesen und hätten gewollt, dass er „mit ihnen oder für sie an Kriegshandlungen teilnehmen“, das habe er abgelehnt (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 14, 15). Auf Nachfrage der erkennenden Richterin konkretisierte er, dass „Leute, die zur Al moatazbelah Armee gehört“ hätten, „viele Male“ bei ihm gewesen seien, er erinnere sich jedoch nicht an die genaue Anzahl der Besuche. Auf Vorhalt der erkennenden Richterin, dass er dieses Vorbringen zum ersten Mal erstatte, gab der Beschwerdeführer an, dass er dazu (von der belangten Behörde) nicht befragt worden sei. Sie hätten ihn „oftmals auf der Straße angesprochen und gefragt, ob [er sich] ihnen anschließen“ wolle und er „habe das immer nicht akzeptiert, weil [s]eine Kinder das allerwichtigste“ für ihn seien (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 15). Gegen Ende der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer auf Nachfrage abermals vor, dass ihn „die Leute der Al moatazbelah Brigade nicht in Ruhe lassen“ würden, früher habe es das Regime gegeben, jetzt seien „sie“ hier, „solche Leute [würden] niemanden in Ruhe lassen, der für sie nicht kämpfen“ wolle. Sein Leben sei dort in Gefahr. Seine vier Brüder in Syrien (wovon einer XXXX und einer XXXX geboren sei) würden nicht für diese Brigade kämpfen (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 17). Auf Nachfrage seiner Rechtsvertretung bejahte der Beschwerdeführer, dass die Brigade zur „FSA“ gehört habe (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 18).

Hinsichtlich diverser bewaffneter Gruppierungen ist den Länderinformationen zu entnehmen, dass nicht zur ehemaligen HTS gehörende Gruppen bereit erscheinen mit dem Ministerium zusammenzuarbeiten, ohne jedoch ihre Organisationsstrukturen und geografischen Einflusszonen aufzugeben oder sich entwaffnen zu lassen. Tatsächlich werden die Brigaden der Süddivision die Spaltungen, die den Süden seit Jahren prägen – zwischen dem östlichen und westlichen Dara’a, zwischen Dara’a und Suweida und zwischen konkurrierenden Gruppierungen untereinander – aufrechterhalten. Militärangehörige, darunter hochrangige Offiziere, sagten, dass einige Oppositionsfraktionen weiterhin in den Formationen operieren, die sie vor dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad im Dezember genutzt haben, während gleichzeitig eine schrittweise Übergabe an Brigaden unter der Führung von Damaskus stattfindet, um eine neue Armee aufzubauen.

Betreffend einer „Al-Moatazbelah Brigade“ finden sich in den vorliegenden Länderinformationen keine Anhaltspunkte. Eine amtswegige Internetrecherche ergibt, dass es eine sogenannte „Al-Moataz Billah Brigade“ (auch „Moatez Billah Army“) in Südsyrien gab. Demnach stellte die „Moatez Billah Army“ eine ehemalige FSA-Fraktion dar (vgl. https://www.syriaintransition.com/southerndiscomfort, abgerufen am 22.05.2025). Am 08.09.2021 gab die al-Moataz-Billah-Brigade ihren Austritt aus der Sultan-Suleiman-Schah-Division bekannt, nachdem Muhammad al-Jassim (Abu Amsha), der Anführer der Division, angekündigt hatte, dass sie in der Region mit der HTS zusammenarbeiten würde (vgl. https://npasyria.com/en/65148/, abgerufen am 22.05.2025). Rezente weiterführende Informationen über die Brigade sind nicht auffindbar und brachte der Beschwerdeführer auch keine diesbezüglichen Länderberichte in Vorlage. Dass diese Brigade Rekrutierungen im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers durchführen würde konnte den Länderinformationen und der Internetrecherche nicht entnommen werden.

Die vom Beschwerdeführer weiters vorgebrachte „Freie Syrische Armee (Free Syrian Army - FSA)“ gibt es seit 2017 nicht mehr und wurde als Teil der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) integriert. Die bewaffnete Landschaft Syriens besteht aus einem komplexen Geflecht von über 60 Fraktionen, mehr als die Hälfte, ca. 80.000 Männer, sind der SNA angeschlossen. Die Zersplitterung der Macht stellt ein erhebliches Hindernis für die Schaffung einer einheitlichen nationalen Armee dar. Die SNA steht grundsätzlich in Konkurrenz mit der HTS. Die Kämpfer stehen nominell unter der Schirmherrschaft der neuen syrischen Regierung. Vor dem Umsturz des Assad-Regimes erlegte die SNA Zivilisten in den von ihr kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf und fanden auch keine Zwangsrekrutierungen statt. Die SNA wandte ebenso wenig wie die nunmehr aufgelöste HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren an. Dass sich diese Vorgehensweise seit dem Sturz des Assad-Regimes grundlegend verändert hätte, ist unter Berücksichtigung der aktuellen Länderberichte nicht ersichtlich.

Aufgrund dessen kann daher festgehalten werden, dass eine Rekrutierung vonseiten einer derartigen Splittergruppierung wie der „Al-Moatazbelah Brigade“, als auch von der SNA, die hauptsächlich im Norden Syriens agiert, nicht maßgeblich wahrscheinlich ist, zumal die vier Brüder des Beschwerdeführers, wovon sich zwei in einem ähnlichen Alter wie der Beschwerdeführer befinden, weiterhin im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers leben können ohne allfälligen Zwangsrekrutierungen ausgesetzt zu sein. Zudem brachte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass diese Brigade mehrere Male bei ihm gewesen sei und ihn zum Kämpfen aufgefordert habe, eine Rekrutierung unter Zwang lässt sich diesem Vorbringen jedoch keineswegs entnehmen.

2.4. Zur vorgebrachten Bedrohung aufgrund seiner vermeintlichen Stellung als „Golan-Vertriebener“ in Syrien:

Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, brachte der Beschwerdeführer erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass er aus dem Golan vertrieben worden und nach XXXX gegangen sei, seine Familie in einem Zeltlager für Vertriebene lebe und auch er immer nur in einem Zeltlager gelebt habe (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 6).

Weiterführend brachte er in der mündlichen Verhandlung vor, dass er bereits vor seiner Rechtsvertretung gesagt habe, dass er „in Syrien vor der Geburt verfolgt“ worden sei, dass er „dort keine Rechte habe, weil [er] vertrieben [sei]“ (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 9). Auf Nachfrage der erkennenden Richterin, was es für einen Unterschied mache, ob seine Familie aus dem Golan stamme, wenn er sein ganzes Leben lang im Dorf XXXX gelebt habe, brachte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vor, dass der Beschwerdeführer ausgesagt habe, keine Grundrechte und kein Eigentum zu haben und systematischer Diskriminierung ausgesetzt zu sein (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 11). Am Ende der mündlichen Verhandlung wiederholte der Beschwerdeführer noch einmal, dass sie „als Vertriebene vom Golan in Syrien diskriminiert“ werden würden (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 19).

Selbst bei Wahrunterstellung der massiv gesteigerten und daher unglaubhaften Behauptung, sein Vater sei im Jahr 1980 aus dem Golan nach XXXX geflohen und der Beschwerdeführer habe im dortigen Flüchtlings- bzw. Zeltlager gewohnt, konnte der Beschwerdeführer keinen Nachweis für seine Angaben erbringen und erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht, inwiefern der Beschwerdeführer durch die Abstammung seines Vaters aus dem Golan individuell und konkret bedroht sein sollte, wenn er jahrelang – mit Ausnahme der generell volatilen Lage seit dem Ausbruch des Krieges 2011 – problemlos in seinem Herkunftsgebiet leben konnte. Er konnte in seinem Geburtsort in die Schule gehen, arbeiten, heiraten und seine Kinder großziehen. Auch seine gesamte Familie lebt weiterhin in seinem Herkunftsort und stehen seine Aussagen im Widerspruch zu seinen eigenen Angaben, wonach er gemeinsam mit seiner Familie ein landwirtschaftliches Grundstück pachten und Pachtgeld zahlen konnte, über eigenes Vieh verfügte und zusätzlich als Tagelöhner für andere Personen in der Landwirtschaft arbeiten konnte. Aus dem insgesamt unglaubhaften Vorbringen kann somit keine individuell konkrete Bedrohung abgeleitet werden.

2.5. Zu einer allfälligen Bedrohung vonseiten des IS:

Lediglich in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde brachte der Beschwerdeführer vor, dass er nicht nur aufgrund des Reservedienstes, sondern auch aufgrund der Situation in seinem Herkunftsgebiet geflüchtet sei. Er habe „ständig Leichen auf der Straße“ gesehen, die Leute seien wegen Kleinigkeiten umgebracht worden. Man wisse genau, dass der IS die Leute umbringe. Das Leben dort sei nicht mehr möglich, es sei sehr schlimm geworden (vgl. AS 125).

Inwiefern der Beschwerdeführer konkret vonseiten des Islamischen Staats (IS) bedroht sein sollte, konnte er mit seinem pauschal gehaltenen Vorbringen über den Sicherheitszustand seines Herkunftsgebietes nicht darlegen. Der Beschwerdeführer ist durch den ihm bereits rechtskräftig zukommenden Status des subsidiär Schutzberechtigten vor einer ihm allenfalls drohenden Gefährdung durch willkürliche Gewalt im Herkunftsgebiet geschützt. Dass der Beschwerdeführer infolge des Machtwechsels in Syrien neue Fluchtgründe hätte, brachte er nicht vor (vgl. Niederschrift vom 12.03.2025, S. 6). Eine darüberhinausgehende individuelle und konkrete Bedrohung konnte der Beschwerdeführer jedenfalls nicht glaubhaft machen.

2.6. Zu einer allfälligen Bedrohung aufgrund seiner illegalen Ausreise, sowie seiner Asylantragstellung im Ausland:

Der Beschwerdeführer selbst erstattete in seiner Beschwerde hinsichtlich einer allfälligen Bedrohung aufgrund seiner illegalen Ausreise und seiner Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich lediglich ein auf das ehemalige Assad-Regime bezogene Vorbringen (vgl. AS 444). Aufgrund des Umsturzes geht jedoch vom ehemaligen Assad-Regime keine Gefahr mehr aus. Den aktuellen Länderberichten ist auch vonseiten der neuen syrischen Regierung keine Bedrohung aus diesen Gründen zu entnehmen.

Er entspricht auch sonst keinem Risikoprofil das vermehrt oder mit höherer Wahrscheinlichkeit Repressalien seitens der neuen syrischen Regierung bzw. der offiziell aufgelösten HTS ausgesetzt ist. Es ist daher nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass dem Beschwerdeführer allein aufgrund seiner Asylantragstellung in Österreich Sanktionen wegen einer (ihm unterstellten) politischen Gesinnung drohen, da die Antragstellung den syrischen Behörden nicht bekannt ist, zumal es den österreichischen Behörden untersagt ist, diesbezüglich Daten an die syrischen Behörden weiterzuleiten.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien aktuell.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und im Rahmen des Parteiengehörs vom 14.05.2025 wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, zu den herangezogenen Länderinformationen Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer gab zu den ergänzenden Länderberichten zur Lage in Syrien keine Stellungnahme ab.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

§ 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Es muss objektiv nachvollziehbar sein, dass der Beschwerdeführer im Lichte seiner speziellen Situation und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Herkunftsstaat Furcht vor besagter Verfolgung hat. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl 92/01/0560). So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Auch unbestrittenen Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457).

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hiefür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 idgF kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

Die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 17.12.2015, Ra 2015/20/0048).

Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet. Schutz für Angehörige einer verfolgten Gruppe ist unabhängig davon, ob auch andere Gruppen in vergleichbarer Intensität verfolgt werden, zu gewähren (vgl. VfGH 18.09.2015, E 736/2014). Der Verwaltungsgerichtshof hat erkannt, dass die Ermittlung der asylrelevanten Verfolgungsgefahr (insbesondere unter dem Aspekt einer Gruppenverfolgung) nach rein mathematischen Gesichtspunkten nicht möglich ist; eine solche Betrachtung sei schon vom Ansatz her verfehlt. Entscheidend ist vielmehr, ob der Asylwerber sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat. Dies ist der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771 u.a.). Anhand dieses Maßstabes ist auch zu ermitteln, ob eine asylrelevante Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten (etwa ethnischen) Gruppe glaubhaft ist. Dabei spielen Häufigkeit und Intensität der bereits dokumentierten Übergriffe auf Mitglieder dieser Gruppe im Herkunftsstaat eine wesentliche Rolle.

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein, wobei damit nicht nur das Verursachen, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr gemeint ist. So ist dem Herkunftsstaat eine Verfolgung sowohl dann zuzurechnen, wenn sie von dessen Organen direkt gesetzt wird, als auch, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgungshandlung hintan zu halten (vgl. VwGH 06.10.1998, 96/20/0287; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208). Hinsichtlich der Schutzfähigkeit des Herkunftsstaates kommt es darauf an, dass in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256). Abgesehen davon, dass einer derartigen nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH vom 11.06.1997, 95/01/0617; 10.03.1993, 92/01/1090) bzw. wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 30.06.2005, 2002/20/0205; VwGH vom 23.11.2006, 2005/20/0551-6, VwGH-Beschluss vom 29.06.2006, 2002/20/0167-7).

Anträge auf internationalen Schutz sind gemäß § 3 Abs. 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn den Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht (Z 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat (Z 2).

3.1. Wie festgestellt und zuvor beweiswürdigend dargelegt wurde, gibt es den verpflichtenden syrischen Wehrdienst bei der Syrischen Arabischen Armee unter dem ehemaligen Assad-Regime seit Dezember 2024 in der bis dahin geltenden Form nicht mehr. Nach dem Umsturz des syrischen Regimes unter der Führung von Baschar al-Assad erweist sich das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers daher als nicht asylrelevant. Auch UNHCR hat sich in seiner jüngsten Überarbeitung seiner Position zur Situation in Syrien zum aktuellen Konfliktstand geäußert und bei dieser Gelegenheit Verfolgungsgefahren mit Ausgangspunkt beim vormaligen syrischen Regime klar negiert (vgl. UNHCR, Position on returns to the Syrian Arab Republic, vom Dezember 2024: „While risks related to persecution by the former Government have ceased […]“).

Der Beschwerdeführer läuft auch nicht Gefahr von der neuen syrischen Regierung als Assad-Anhänger oder als Gegner der neuen syrischen Regierung angesehen zu werden, da er niemals politisch in Erscheinung getreten ist und auch keine diesbezügliche verinnerlichte politische Gesinnung vorweisen konnte. Auch die Ableistung seines verpflichtenden Wehrdienstes vor Kriegsbeginn löst keine individuell konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers aus.

3.2. Ebenso haben sich auch keine Anhaltspunkte ergeben, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr eine Zwangsrekrutierung oder eine anderweitige Verfolgung vonseiten der neuen syrischen Regierung, welche sein Herkunftsgebiet aktuell kontrolliert, drohen würde.

3.3. Ferner ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, das Vorliegen einer aktuell und konkret drohenden Gefahr der Verfolgung vonseiten der SNA (vom Beschwerdeführer als „FSA“ bezeichnet) oder der sogenannten „Tafas Gruppe“ bzw. der „Al moatazbelah Brigade“ (auch „Al-Moataz Billah Brigade“ auch „Moatez Billah Army“) glaubhaft zu machen. Auf Grundlage der vorliegenden Länderinformationen und einer amtswegigen Internetrecherche konnten keine Zwangsrekrutierungen festgestellt werden und äußerte der Beschwerdeführer selbst lediglich – ohne Zwang geäußerte – „Kampfanfragen“, sowie freiwillige Rekrutierungen von jungen Männern.

Bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien droht ihm daher aus diesen Gründen individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität.

3.4. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung weiters ausführlich dargelegt, konnte der Beschwerdeführer aufgrund seines massiv gesteigerten Vorbringens nicht glaubhaft machen, dass er als „Golan-Vertriebener“ in Syrien angesehen wird.

Auch aus den Länderberichten ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine asylrelevante Verfolgungsgefahr für Personen, deren Eltern aus dem Golan stammen. Selbst bei Wahrunterstellung ist der Beschwerdeführer daher aufgrund der ursprünglichen Herkunft seiner Vorfahren nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen und konkreten Verfolgungsgefahr maßgeblicher Intensität ausgesetzt.

3.5. Der Beschwerdeführer wird ebenso wenig vom Islamischen Staat (IS) asylrelevant verfolgt.

Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind. Dementsprechend konnten der in Syrien herrschende (Bürger-)Kriegszustand, die dortige Versorgungs-, Sicherheits- und Menschenrechtslage – auch unter Berücksichtigung der Ereignisse seit Ende November 2024 – nicht die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zur Folge haben (vgl. VwGH 25.06.2024, Ra 2024/18/0151). Wegen der Versorgungslage in Syrien erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ohnedies mit Bescheid vom 21.09.2024 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (vgl. AS 303 ff).

3.6. Schließlich droht einer politisch nicht exponierten Person wie dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien auch nicht bloß wegen seiner illegalen Ausreise oder der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität.

3.7. Es liegt beim Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund vor.

Die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers erlaubt es auch nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden asylrelevanten Verfolgungsgefahr vorliegen.

3.8. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die jüngst veröffentlichte Position des UNHCR (UNHCR Position on Returns to the Syrian Arab Republic vom Dezember 2024) der vorliegenden Entscheidung nicht entgegensteht:

UNHCR thematisiert die freiwillige Rückkehr („Voluntary Returns“), sowie das Moratorium zwangsweiser Rückführungen („Moratorium on Forced Returns“) und plädiert außerdem dafür, dass vorerst keine negativen Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, erlassen werden. Zutreffend weist UNHCR zunächst darauf hin, dass das Risiko einer Verfolgung durch das ehemalige Assad-Regime, geendet ist. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit den restlichen Länderinformationen, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung stützt. Soweit UNHCR allerdings ausführt, dass andere Risiken fortbestehen oder zunehmen könnten, ist zu betonen, dass grundlegende Informationen zu den nunmehrigen kontrollierenden oppositionellen Gruppierungen bereits den vor dem Sturz des Assad-Regimes bestehenden Länderberichten und sonstigen Entscheidungsgrundlagen zu entnehmen waren. Im Falle des Entstehens neuer Asylgründe infolge der Lageänderung in Syrien ab Ende November/Anfang Dezember 2024 wäre eine entsprechende Glaubhaftmachung beim Beschwerdeführer gelegen, dieser brachte jedoch weder neue Asylgründe vor noch substantiierte er seine bereits vorgebrachten Gründe. Zum für die Beurteilung und Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt ist jedenfalls von keiner asylrelevanten Verfolgung auszugehen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch UNHCR keine konkreten neuen Verfolgungsrisiken ins Treffen führt, sondern sich bloß allgemein auf die in Syrien vorherrschende Unsicherheit und Instabilität bezieht.

3.9. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten oder sonstigen Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.

Die Beschwerde war daher betreffend Spruchpunkt I. und somit – da sie sich ausdrücklich nur gegen diesen richtete (vgl. AS 428) – zur Gänze als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidung folgt der im Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

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