JudikaturBVwG

W129 2311385-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2025

Spruch

W129 2311385-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin XXXX , Erziehungsberechtigte des Zweitbeschwerdeführers XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark vom 31.03.2025, Zl. 601221/325-2025, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Eingabe vom 24.06.2024 wurde die Teilnahme des schulpflichtigen Kindes XXXX (im Folgenden: BF2), vertreten durch die erziehungsberechtigte Mutter (im Folgenden: BF1), am häuslichen Unterricht (3. Schulstufe) für das Schuljahr 2024/25 angezeigt.

2. Mit Schreiben vom 09.07.2024 nahm die Bildungsdirektion für Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde) die Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht zur Kenntnis.

Das Schreiben enthält einen Hinweis auf die Notwendigkeit eines Reflexionsgespräches bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien sowie den Passus (Hervorhebung auch im Original): „ (…) Die Vereinbarung eines Termins und die Teilnahme am Reflexionsgespräch liegt in der Alleinverantwortung der Erziehungsberechtigten. (…)“

3. Mit Mail vom 28.03.2025 informierte die zuständige Schulleiterin die belangte Behörde, dass sich BF1 nicht bei der Schule gemeldet habe und trotz mehrerer Versuche telefonisch nicht erreichbar gewesen sei. Erst am 24.03.2025 habe sie sich gemeldet und gemeint, sie habe nicht gewusst, dass sie sich wegen eines Termins bei der Schule melden müsste. Am 28.03.2025 sei das Reflexionsgespräch durchgeführt worden, wobei die Schulleiterin BF1 in Kenntnis gesetzt habe, dass das Gespräch außerhalb der Frist verlaufe.

4. Mit Bescheid vom 31.03.2025 wurde seitens der belangten Behörde ausgesprochen, dass der häusliche Unterricht für BF2 mit sofortiger Wirkung untersagt werde und dass dieser eine öffentliche Schule bzw. eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Privatschule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen habe. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass das Reflexionsgespräch nicht durchgeführt worden sei.

5. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde vom 31.03.2025 erhob BF1 rechtzeitig Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, dass sie mit dem Begriff „Reflexionsgespräch“ nicht vertraut gewesen sei. Sie habe erwartet, dass sich die Schule mit Tipps und Tricks für Lernmethoden bei ihr melde, anstatt „eine Reihe von irrelevanten Fragen“ zu stellen. Der Termin liege scheinbar ausschließlich im Interesse der Institution und nicht im Interesse des Kindes oder der unterrichtenden Person. Es wäre von großem Nutzen, wenn man den Eltern klare Informationen und detaillierte Leitlinien zur Verfügung stelle.

6. Mit Schreiben vom 16.04.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor. Am 22.04.2025 erfolgte die Zuteilung an die zuständige Gerichtsabteilung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Eingabe vom 24.06.2024 wurde die Teilnahme des schulpflichtigen Kindes XXXX (im Folgenden: BF2), vertreten durch die erziehungsberechtigte Mutter (im Folgenden: BF1), am häuslichen Unterricht (3. Schulstufe) für das Schuljahr 2024/25 angezeigt.

1.2. Mit Schreiben vom 09.07.2024 nahm die Bildungsdirektion für Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde) die Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht zur Kenntnis.

Das Schreiben enthält einen Hinweis auf die Notwendigkeit eines Reflexionsgespräches bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien sowie den Passus (Hervorhebung auch im Original): „ (…) Die Vereinbarung eines Termins und die Teilnahme am Reflexionsgespräch liegt in der Alleinverantwortung der Erziehungsberechtigten. (…)“

1.3. Die Semesterferien endeten im Bundesland Steiermark am 23.02.2025. Mehrere Kontaktaufnahmen mit BF1 scheiterten; umgekehrt nahm BF1 erst am 24.03.2025 Kontakt zur Schule auf. Das Reflexionsgespräch fand am 28.03.2025 statt.

1.4. Als Grund für die verspätete Kontaktaufnahme wurde die Unkenntnis über die Bedeutung des Reflexionsgespräches vorgebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten sowie der Beschwerde und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl I Nr. 121/2024:

A. Personenkreis, Beginn und Dauer

Personenkreis

§ 1. (1) Für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, besteht allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

(2) Unter Kindern im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Minderjährige zu verstehen, die nach Maßgabe dieses Abschnittes schulpflichtig oder zum Besuch einer allgemeinbildenden Pflichtschule berechtigt sind.

[…]

B. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch den Besuch von öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen

Öffentliche und mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen

§ 4. Unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen sind öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.

Schulbesuch in den einzelnen Schuljahren

§ 5. (1) Die allgemeine Schulpflicht ist durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen (einschließlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten) zu erfüllen.

(2) Schüler, die dem Pflichtsprengel einer Mittelschule angehören und den schulrechtlichen Aufnahmsbedingungen für diese Mittelschule genügen, können die allgemeine Schulpflicht im 5. bis 8. Schuljahr nicht durch den Besuch einer Volksschule erfüllen.

[…]

Schulbesuch und Fernbleiben vom Unterricht

§ 9. (1) Die in eine im § 5 genannte Schule aufgenommenen Schüler haben den Unterricht während der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen, auch am Unterricht in den unverbindlichen Lehrgegenständen, für die sie zu Beginn des Schuljahres angemeldet wurden, regelmäßig teilzunehmen und sich an den verpflichtend vorgeschriebenen sonstigen Schulveranstaltungen zu beteiligen.

(2) Ein Fernbleiben von der Schule ist während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig.

(3) Als Rechtfertigungsgründe für die Verhinderung gelten insbesondere: 1. Erkrankung des Schülers, 2. mit der Gefahr der Übertragung verbundene Erkrankungen von Hausangehörigen des Schülers, 3. Erkrankung der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie der Hilfe des Schülers bedürfen, 4. außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers, in der Familie oder im Hauswesen des Schülers, 5. Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist. […] (4) – (6) […]

[…]

C. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht

Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

§ 11. (1) […]

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.

(2a) […]

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion anzuzeigen. […]

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich zwischen dem 1. Juni und dem Ende des Unterrichtsjahres durch eine Prüfung an einer in § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, wenn die Schülerinnen und Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Bei Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2 hat ein Reflexionsgespräch über den Leistungsstand bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien stattzufinden, wobei ein Rechtfertigungsgrund gemäß § 9 Abs. 3 diese Frist hemmt. Das Reflexionsgespräch ist 1. mit Kindern oder Jugendlichen, die am häuslichen Unterricht auf der Vorschulstufe oder der 1. bis 8. Schulstufe teilnehmen, an jener Schule, die bei Untersagung des häuslichen Unterrichts zu besuchen wäre, oder, wenn gemäß Abs. 3 Z 2 lit. d der Lehrplan einer allgemeinbildenden höheren Schule angegeben wurde, an einer Schule dieser Schulart, und 2. […]

durchzuführen. […]

(5) […]

(6) Die Bildungsdirektion hat die Teilnahme an einem solchen Unterricht zu untersagen und anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat, wenn […] 3. das Reflexionsgespräch gemäß Abs. 4 nicht durchgeführt wurde, oder […]

[…]

Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Schulpflicht und Strafbestimmungen

§ 24. (1) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten sind verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch den Schüler bzw. in den Fällen der §§ 11, 13 und 22 Abs. 4 für die Ablegung der dort vorgesehenen Prüfungen zu sorgen. Minderjährige Schulpflichtige treten, sofern sie das 14. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich dieser Pflichten neben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten. Sofern es sich um volljährige Berufsschulpflichtige handelt, treffen sie diese Pflichten selbst.

[…]

3.2. In der Sache:

BF1 brachte vor, dass sie mit dem Begriff „Reflexionsgespräch“ nicht vertraut gewesen sei. Sie habe erwartet, dass sich die Schule mit Tipps und Tricks für Lernmethoden bei ihr melde, anstatt „eine Reihe von irrelevanten Fragen“ zu stellen. Der Termin liege scheinbar ausschließlich im Interesse der Institution und nicht im Interesse des Kindes oder der unterrichtenden Person. Es wäre von großem Nutzen, wenn man den Eltern klare Informationen und detaillierte Leitlinien zur Verfügung stelle.

Wie festgestellt hat die belangte Behörde BF1 mit Schreiben vom 09.07.2024 mitgeteilt, dass die Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht zur Kenntnis genommen werde, und sie im selben Schreiben auf die Notwendigkeit eines Reflexionsgespräches bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien sowie auf die – wörtlich – „Alleinverantwortung“ der BF1 zur Vereinbarung eines Termins hingewiesen. Das Wort „Alleinverantwortung“ wurde dabei fett gedruckt und unterstrichen. Somit war die Beschwerdeführerin ausreichend informiert.

Unrichtig ist auch die Annahme der BF1, dass das Reflexionsgespräch „ausschließlich im Interesse der Institution“ liege bzw. dort „eine Reihe von irrelevanten Fragen“ gestellt werde, da die rechtzeitige Kenntnisnahme des aktuellen Leistungsstandes eines Schülers (hier: des BF2) auch im Interesse des Schülers und der unterrichtenden Person (hier: BF1) erfolgt und etwaigen Schwächen und Defiziten im Verlauf des restlichen Schuljahres bis zur Externistenprüfung noch entgegengewirkt werden kann.

Auch aus der gesetzlichen Verpflichtung der Eltern bzw. sonstigen Erziehungsberechtigten, für die Erfüllung der Schulpflicht zu sorgen (§ 24 Abs 1 SchPflG), ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Verpflichtung abzuleiten, für eine ordnungsgemäße Durchführung eines Reflexionsgespräches Sorge zu tragen.

Da im Ergebnis bis zum Ablauf der zweiwöchigen Frist gemäß § 11 Abs 4 zweiter Satz Schulpflichtgesetz iVm § 2 Abs 2 Z 1 lit b Schulzeitgesetz kein Reflexionsgespräch stattgefunden hat und auch eine Fristhemmung nicht eingetreten ist, hat die belangte Behörde zurecht den häuslichen Unterricht betreffend BF2 gemäß § 11 Abs 4 iVm Abs 6 Z 3 Schulpflichtgesetz untersagt und angeordnet, dass dieser im Schuljahr 2024/25 mit sofortiger Wirkung eine öffentliche Schule bzw. eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatte Privatschule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen hat.

Die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerden war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier einschlägigen Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes und des Schulunterrichtsgesetzes erweisen sich als klar und eindeutig (zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes siehe etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053; 28.02.2018, Ra 2017/04/0120).

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Rückverweise