Spruch
W221 2307959-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX XXXX geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die BBU, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.01.2025, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.05.2025 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 30.05.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Befragt zu seinen Fluchtgründen, gab dieser an, er sei von Angehörigen der Hawiye diskriminiert sowie gedemütigt worden und gehöre einem Minderheitenclan an. Jene Männer, die den Vater des Beschwerdeführers umgebracht hätten, würden im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers auch ihn selbst umbringen.
Am 16.12.2024 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich einvernommen. Zu den Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, die Al-Shabaab habe alle Jugendlichen in seinem Herkunftsort rekrutieren wollen, weswegen die Al-Shabaab auch eines Tages zum Elternhaus des Beschwerdeführers gekommen sei. Der Vater des Beschwerdeführers sei von der Al-Shabaab geschlagen worden, weil er gegen die Rekrutierung des Beschwerdeführers und seines Bruders gewesen sei. Unter Gewährung einer Bedenkzeit von zwei Tagen habe die Al-Shabaab das Elternhaus wieder verlassen. Sodann sei die Ausreise des Beschwerdeführers und seines Bruders aus dem Herkunftsort bzw. Somalia organisiert worden.
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.01.2025 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Somalia, stellte die Identität des Beschwerdeführers nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer unglaubwürdig sei.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurden im Wesentlichen mangelhafte Ermittlungen, mangelhafte Länderfeststellungen, die mangelhafte Beweiswürdigung und die falsche rechtliche Beurteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl geltend gemacht.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 20.02.2025 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 09.05.2025 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, zu den aufgetretenen Widersprüchen Stellung zu nehmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt das im Spruch geschriebene Geburtsdatum, ist somalischer Staatsangehöriger, gehört dem Clan der Gabooye/Madhiban an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben.
Der Beschwerdeführer ist in XXXX in der Region Hiiraan geboren. XXXX steht unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS.
Der Beschwerdeführer hat in Somalia fünf Jahre lang die Schule besucht und in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet.
Der Beschwerdeführer weiß, wo sich seine Familienangehörigen befinden und steht nach wie vor mit diesen in Kontakt. Der konkrete aktuelle Aufenthalt der Familienangehörige des Beschwerdeführers kann jedoch nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer reiste im Mai 2022 mit dem Flugzeug aus Somalia in die Türkei aus, reiste über mehrere Länder nach Österreich ein und stellte am 30.05.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Ausreise hat etwa 2.500 US-Dollar gekostet.
Es wurde seitens der Al-Shabaab nicht versucht den Beschwerdeführer zwangszurekrutieren und der Vater des Beschwerdeführers wurde von der Al-Shabaab weder geschlagen noch ermordet.
Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Somalia droht diesem keine Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab und auch generell nicht die Gefahr, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Al-Shabaab bedroht zu werden.
Der Beschwerdeführer hat in Somalia bisher aufgrund seiner Clanzugehörigkeit keine (maßgebliche) Diskriminierung erfahren und der Beschwerdeführer war in Somalia keinen Repressalien durch Angehörige der Hawiye ausgesetzt. Eine (maßgebliche) Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit oder eine Gefahr von Seiten der Angehörigen der Hawiye droht dem Beschwerdeführer auch im Falle der Rückkehr nicht.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Aus dem Länderinformationsblatt Somalia der Staatendokumentation, Stand: 16.01.2025
„Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
[…]
Eine Quelle gibt die Lage mit Stand 28.6.2024 folgendermaßen wieder:
[…]
HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle)
Die Macht der Regierung von HirShabelle reicht in alle Gebiete östlich des Flusses Shabelle und jedenfalls in die Regionalhauptstädte Jowhar und - in gewissem Maße - Belet Weyne. Die Macawiisley haben beeindruckende Erfolge gegen al Shabaab erzielt und die Gruppe weitgehend aus den östlichen Teilen von Hiiraan und Middle Shabelle verdrängt (BMLV 7.8.2024). Die Regierung hat auch weiterhin die Kontrolle über die Gebiete östlich des Shabelle (UNSC 28.10.2024). Dies sind im wesentlich die einzigen nachhaltigen Erfolge der Regierungsoffensive in Zentralsomalia (BMLV 4.7.2024).
Die Verbindung von Jowhar nach Belet Weyne ist grundsätzlich offen. Die Ortschaften entlang der Straße befinden sich jedenfalls nicht unter Kontrolle von al Shabaab. Die Lage entlang dieser Route hat sich nach Rückschlägen für die Regierungstruppen im September 2023 wieder verschlechtert, ist allerdings nicht mit der schlechten Lage von vor der Offensive 2022 vergleichbar. Generell hat sich die Lage in Ost-Hiiraan und in Middle Shabelle verbessert. Hier sind in weiten Gebieten auch Bewegungen zwischen den Orten möglich (BMLV 7.8.2024). Allerdings sickert al Shabaab teilweise über den Shabelle nach Osten ein (Raum Jowhar - Mahaday) (BMLV 4.7.2024) und greift dann Orte an der Route oder den Verkehr selbst an (BMLV 7.8.2024). Zudem werden ATMIS-Stützpunkte entlang der Hauptversorgungsroute nach und nach an die Bundesarmee übergeben oder aufgelöst. Es sind aber gerade auch diese Stützpunkte, welche die Route sicher gemacht haben (BMLV 4.7.2024).
An der Grenze von Hiiraan zu Middle Shabelle kam es im Jänner 2024 im Streit um Land zu Auseinandersetzungen zwischen Clans. Sechs Menschen wurden dabei getötet. Lokalbehörden unternahmen Vermittlungsversuche (MUST 22.1.2024). Auch im April 2024 kamen dort (Bereich Moqokori und Adan Yabaal) bei Kämpfen zwischen Abgaal und Hawadle sechs Menschen ums Leben (SMN 18.4.2024). Generell tut sich die Regierung von HirShabelle schwer dabei, die zunehmenden Clankonflikte unter Kontrolle zu bringen (UNSC 28.10.2024).
Ende November 2024 wurden bei erneuten Kämpfen entlang der instabilen Grenze zwischen Hiiraan und Middle Shabelle sechs Menschen getötet und zehn weitere verletzt. Die Kämpfe um Ressourcen zwischen Abgaal und Hawadle ereigneten sich im Gebiet von Ceel Dheere. Trotz Versöhnungsbemühungen - darunter ein Treffen von Clanältesten und politischen Führern beider Clans in Mogadischu - ist die Situation weiter eskaliert. Bereits zuvor war es in den Gebieten von Ceel Baraf und Jalalaqsi zu Kampfhandlungen gekommen (HO 30.11.2024). Anfang Dezember konnte ein fragiler Waffenstillstand ausgehandelt werden, der von der Bundesarmee durchgesetzt werden soll (HO 3.12.2024b).
Hiiraan: Belet Weyne, Buulo Barde und Jalalaqsi befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS (PGN 28.6.2024). Die beiden erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Auch der Bereich entlang der somalisch-äthiopischen Grenze ist als sicher anzusehen (BMLV 7.8.2024). Gemäß Regierungsangaben haben die Hawadle in Hiiraan alle Teile ihres Clangebiets von al Shabaab zurückerobert (Economist 3.11.2022). Im Westen der Region konnten die - maßgeblich aus Hawiye / Hawadle bestehenden - Macawiisley hingegen nicht operieren, da dies das Territorium der Hawiye / Galja'el ist (AQ21 11.2023). Nur noch das südwestliche Hiiraan befindet sich unter Kontrolle von al Shabaab (PGN 28.6.2024). Die Präsenz von Kämpfern der al Shabaab im westlichen Hiiraan ist 2024 allerdings gewachsen (BMLV 7.8.2024).
In Belet Weyne ist die Sicherheitslage unverändert vergleichsweise stabil, es kommt nur sporadisch zu Gewalt oder Attacken der al Shabaab. In der Stadt befinden sich das Regionalkommando der Bundesarmee sowie Stützpunkte dschibutischer ATMIS-Truppen und der äthiopischen Armee. Zusätzlich gibt es einzelne Polizisten und Teile einer Formed Police Unit von ATMIS. Zudem gibt es eine relativ starke Bezirksverwaltung und lokal rekrutierte Polizeikräfte. Clankonflikte werden nicht in der Stadt, sondern mehrheitlich außerhalb ausgetragen. Die in Belet Weyne vorhandene Präsenz der al Shabaab scheint kaum relevant (BMLV 7.8.2024).
Im März 2024 wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Kräften von HirShabelle und Milizen der Region Hiiraan in und im Umfeld der Stadt sechs Menschen - darunter Zivilisten - getötet (HO 14.3.2024; vgl. UNSC 3.6.2024). Der Gewaltausbruch wird als Fortsetzung der Absetzung des Gouverneurs von Hiiraan, Ali Jeyte Osman, im Juni 2023 durch den Präsidenten des Bundesstaates gewertet (HO 14.3.2024). Älteste der Hawadle haben einen Waffenstillstand vermittelt, eine Clankonferenz wurde einberufen (UNSC 3.6.2024). Allerdings ist es auch im Oktober 2024 zu Auseinandersetzungen zwischen Hawadle-Milizen und Kräften von HirShabelle gekommen (Sahan/SWT 30.10.2024).
[…]
Al Shabaab
[…]
Gebiete: Al Shabaab kontrolliert auch weiterhin den größeren Teil Süd-/Zentralsomalias (BMLV 7.8.2024; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023) und verfügt über ein starkes Hinterland (AQ21 11.2023). Die Gruppe bleibt auf dem Land in herausragender Position bzw. hat sie dort eine feste Basis. Zudem schränkt sie in vielen Fällen regionale sowie Kräfte des Bundes auf städtischen Raum ein, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, sich zwischen den Städten frei zu bewegen. Nachdem al Shabaab in den vergangenen zehn Jahren weiter Gebiete und Städte verlustig ging, hat sich die Gruppe angepasst. Ohne Städte physisch kontrollieren zu müssen, übt al Shabaab durch eine Mischung aus Zwang und administrativer Effektivität auf Gebiete unter Kontrolle staatlicher Kräfte Einfluss und Macht aus (BMLV 7.8.2024).
Die Hochburgen von al Shabaab finden sich in den Bundesstaaten Jubaland, SWS, HirShabelle und Galmudug (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023b). Die Gruppe kontrolliert Gebiete in den Regionen Lower Juba und Gedo (Jubaland); Bakool, Bay und Lower Shabelle (SWS); Hiiraan und - in sehr geringem Maße - Middle Shabelle (HirShabelle); Galgaduud und - in sehr geringem Maße - Mudug (Galmudug). Die Region Middle Juba wird zur Gänze von al Shabaab kontrolliert (PGN 28.6.2024; vgl. BMLV 7.8.2024).
[…]
Wehrdienst und Rekrutierungen
[…]
Al Shabaab - (Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten
[…]
Wo al Shabaab rekrutiert: Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia (ÖB Nairobi 10.2024). Rekrutiert wird vorwiegend in Gebieten unter Kontrolle der Gruppe, im südlichen Kernland, in Bay und Bakool (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; BMLV 7.8.2024). Dort fällt al Shabaab dies einfacher, die Menschen haben kaum Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Etwa 40 % der Fußsoldaten von al Shabaab stammen aus diesen beiden Regionen (Marchal 2018, S. 107). Auch bei den Hawiye / Galja'el und Hawiye / Duduble hat die Gruppe bei der Rekrutierung große Erfolge (AQ21 11.2023). Viele Kämpfer stammen auch von den Rahanweyn. Generell finden sich bei al Shabaab Angehörige aller Clans (MBZ 6.2023). Auch viele Menschen aus von der Regierung kontrollierten Gebieten melden sich freiwillig zu al Shabaab (BMLV 7.8.2024).
[…]
Zwangsrekrutierung: Direkter Zwang wird bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet (BMLV 7.8.2024; vgl. AQ21 11.2023; Ingiriis 2020), jedenfalls nur eingeschränkt, in Ausnahmefällen bzw. unter spezifischen Umständen (Marchal 2018, S. 92; vgl. BMLV 7.8.2024; MBZ 6.2023). Al Shabaab agiert sehr situativ. So kommt Zwang etwa zur Anwendung, wenn die Gruppe in einem Gebiet nach einem verlustreichen Gefecht schnell die Reihen auffüllen muss (ACCORD 31.5.2021). Die meisten Menschen treten der Gruppe freiwillig bei (MBZ 6.2023). Laut Angaben von Quellen der FFM Somalia 2023 kann man allerdings auf dem Gebiet der al Shabaab eine Rekrutierungsanfrage nicht einfach verneinen. Auch wenn al Shabaab Rekruten als Freiwillige präsentiert, haben diese i.d.R. keine wirkliche Option (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Zudem erklärt eine Quelle der FFM Somalia 2023, dass al Shabaab die Forderung nach Rekruten auch als Bestrafung einsetzt, etwa gegen Gemeinden, die zuvor mit der Regierung zusammengearbeitet haben. In anderen Gebieten, wo die Gruppe versucht, Clans auf die eigene Seite zu ziehen, hat sie hingegen damit aufgehört, Kinder wegzunehmen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).
Jedenfalls kommen Zwangsrekrutierungen vor - nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Bei zwei Studien aus den Jahren 2016 und 2017 haben 10-11 % der befragten ehemaligen Angehörigen von al Shabaab angegeben, von der Gruppe zwangsrekrutiert worden oder ihr aus Angst vor Repressalien beigetreten zu sein (MBZ 6.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass 13 % der Angehörigen der Gruppe Zwangsrekrutierte sind (ÖB Nairobi 10.2024). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen oft um eine Mischung aus Druck oder Drohungen und Anreizen oder Versprechungen (FIS 7.8.2020a, S. 18; vgl. MBZ 6.2023), eine Unterscheidung zwischen "freiwillig" und "erzwungen" ist nicht immer möglich (MBZ 6.2023).
Wo Zwangsrekrutierungen vorkommen: Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab (BMLV 7.8.2024; vgl. AQ21 11.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023; Researcher/STDOK/SEM 4.2023; FIS 7.8.2020, S. 17f). Überhaupt werden dort nur wenige Leute rekrutiert, und diese nicht über die Clans (AQ21 11.2023). Dort hat al Shabaab die Besteuerung im Fokus und nicht das Rekrutieren (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) und hätte auch keine Kapazitäten dafür (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Dies gilt laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 auch für andere städtische Gebiete wie etwa Kismayo oder Baidoa (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z. B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM bzw. ATMIS oder die Regierung äußern (EASO 1.9.2021, S. 21).
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Minderheiten und Clans
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Diskriminierung im Clanwesen: Diskriminierung steht in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke besitzen (AA 23.8.2024). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2024). Selbst relativ starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (Sahan/SWT 30.9.2022). Gleichzeitig mag auf einer Ebene innerhalb eines Clans oberflächlich betrachtet Einheit herrschen, doch wenn man näher heranzoomt, treten Konflikte zwischen den unteren Clanebenen zutage (NLM/Barnett 7.8.2023).
Ohnehin marginalisierte Gruppen werden diskriminiert und stoßen auf Schwierigkeiten, ihr Recht auf Teilhabe an wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Prozessen wahrzunehmen (UNSOM 5.8.2023; vgl. BS 2024). Die Marginalisierung führt zu einer ungerechten und diskriminierenden Verteilung der Ressourcen (UNSOM 5.8.2023) - etwa beim Zugang zu humanitärer Hilfe (AA 23.8.2024). Menschen, die keinem der großen Clans angehören, sehen sich in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021b, S. 56); und auch von Politik und Wirtschaft werden sie mitunter ausgeschlossen. Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2024). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021b, S. 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UN OCHA 14.3.2022).
[…]
Bevölkerungsstruktur
[…]
Minderheiten: Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017).
[…]
Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation
Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung (SEM 31.5.2017). Sie sind somalischen Ursprungs, wurden aber von den traditionellen Clan-Lineages ausgeschlossen (UNHCR 22.12.2021a). Im Gegensatz zu den „noblen“ Clans wird ihnen nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können (SEM 31.5.2017). Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet (UNHCR 22.12.2021a, S. 57; vgl. SEM 31.5.2017) - etwa Jäger, Lederverarbeiter, Schuster, Friseure, Töpferinnen, traditionelle Heiler oder Hebammen (MBZ 6.2023). Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017; vgl. AQSOM 4 6.2024). Ein anderer Sammelbegriff ist Midgan (UNHCR 22.12.2021a).
Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (Landinfo 21.5.2019b). Ein Experte erklärt, dass Gabooye zwar nicht angegriffen werden, diese aber davor Angst haben. Minderheiten werden demnach nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit angegriffen, es sei denn, dass sie bei einem Vorhaben im Weg stehen (AQSOM 4 6.2024).
Allerdings sind Angehörige berufsständischer Kasten Belästigung und Ausbeutung ausgesetzt (Sahan/SWT 1.12.2023). Sie werden als Bürger zweiter Klasse erachtet (BS 2024; vgl. AQSOM 4 6.2024). Zu ihrer Diskriminierung trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (Wissenschaftl. Mitarbeiter GIGA 3.7.2018; vgl. SEM 31.5.2017). Es kommt zu Beschimpfungen, Ausschluss von bestimmten Berufen, Einschränkungen beim Landbesitz sowie zu Diskriminierung im Bildungs- und Gesundheitssystem (AQSOM 4 6.2024). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z. B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017).
Aufgrund der oft schlechten Ausbildung treffen Gabooye außerhalb ihrer traditionellen Berufe am Arbeitsmarkt auf Schwierigkeiten (MBZ 6.2023). Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (SEM 31.5.2017).
[..]
Relevante Bevölkerungsgruppen
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Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab und anderer terroristischer Gruppen
Folgende Personengruppen sind bezüglich eines gezielten Attentats bzw. Vorgehens durch al Shabaab einem erhöhten Risiko ausgesetzt:
Angehörige der AMISOM bzw. ATMIS (BS 2024; vgl. USDOS 30.6.2024; ÖB Nairobi 10.2024) sowie deren lokale Angestellte (BMLV 7.8.2024);
nationale und regionale Behördenvertreter und -Mitarbeiter (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. BS 2024; MBZ 6.2023); die öffentlichen Institutionen Somalias werden von al Shabaab als unislamisch erachtet (MBZ 6.2023);
Angehörige der nationalen Sicherheitskräfte (BS 2024; vgl. MBZ 6.2023; USDOS 30.6.2024) im sowie abseits des Dienstes (MBZ 6.2023);
Politiker von Bund und Bundesstaaten (MBZ 6.2023; vgl. Williams/ACSS 27.3.2023; BS 2024); al Shabaab greift z. B. gezielt Örtlichkeiten an, wo sich Regierungsvertreter treffen. Laut einer Quelle haben hochrangige Politiker eine höhere Priorität (MBZ 6.2023);
mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten (USDOS 22.4.2024) und ehemalige oder pensionierte Staatsvertreter - z. B. vormalige Bezirksvorsteher (TSD 20.9.2023; vgl. Sahan/SWT 6.3.2024);
Angestellte von NGOs und internationalen Organisationen (USDOS 22.4.2024); Mitarbeiter werden mitunter beschuldigt, das Christentum verbreiten zu wollen (USDOS 30.6.2024).
Wirtschaftstreibende (Sahan/SWT 7.9.2022), insbesondere dann, wenn sie sich weigern, Schutzgeld ("Steuer") an al Shabaab abzuführen, aber auch, wenn sie die Regierung unterstützen oder einem Clan angehören, der in die Militäroffensive involviert ist (MBZ 6.2023). Ins Visier geraten mitunter auch jene, welche auf Anordnung der NISA an den eigenen Gebäuden Überwachungskameras der Sicherheitsbehörden installiert haben (HIPS 7.5.2024);
Älteste und Gemeindeführer (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. USDOS 22.4.2024; MBZ 6.2023); gemäß somalischen Regierungsangaben aus dem Jahr 2022 hat al Shabaab innerhalb von zehn Jahren 324 Älteste ermordet. Einige der Opfer waren in Wahlprozesse involviert (KM 31.8.2022). Älteste, die nicht oder nicht ausreichend mit der Gruppe kooperieren, werden mitunter eingeschüchtert, entführt oder ermordet (MBZ 6.2023). In jüngerer Vergangenheit hat al Shabaab v. a. solche Ältesten ermordet, die ihre Clans zur Beteiligung an der Offensive gegen die Gruppe aufgerufen bzw. deren Teilnahme öffentlich unterstützt haben (BMLV 9.2.2023; vgl. UNSC 15.6.2023; Sonna 12.4.2023; INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Dies betrifft insbesondere Älteste der Hawadle (BMLV 7.8.2024; vgl. HO 21.3.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; IO-D/STDOK/SEM 4.2023), aber z. B. auch Älteste in der Region Gedo (Sahan/SWT 17.11.2023) und der Saleban (MBZ 6.2023), Abgaal in Middle Shabelle und vereinzelt Älteste in Mudug (BMLV 7.8.2024);
Unterstützer der Macawiisley, z. B. zivile Informanten; ganze Gemeinden sind von Rachemaßnahmen bedroht (Sahan/Petrovski 3.5.2024);
Wahldelegierte (UNSC 15.6.2023; vgl. Williams/ACSS 27.3.2023; MBZ 6.2023) und deren Angehörige (USDOS 22.4.2024; vgl. UNSC 10.10.2022); in der Vergangenheit hat al Shabaab alle, die an Wahlen teilnehmen, als Apostaten bezeichnet und sie zu potenziellen Zielen für Anschläge erklärt (Sahan/SWT 9.6.2023; vgl. MBZ 6.2023). Von Anfang 2021 bis Juli 2023 gab es mehr als 50 diesbezügliche Vorfälle, 71 % davon in Mogadischu (ACLED 28.7.2023). Doch auch etwa in Bay und Bakool wurden Delegierte getötet (Sahan/SWT 21.8.2023);
Angehörige diplomatischer Missionen (USDOS 22.4.2024);
prominente und Menschenrechts- und Friedensaktivisten bzw. Organisationen der Zivilgesellschaft (USDOS 22.4.2024; vgl. MBZ 6.2023);
religiöse Führer (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. MBZ 6.2023); laut einer Quelle hat es aber in der jüngeren Vergangenheit keine Attentate auf religiöse Führer gegeben (MBZ 6.2023).
Journalisten (BS 2024; vgl. MBZ 6.2023) und Mitarbeiter von Medien (USDOS 22.4.2024);
Humanitäre Kräfte (BS 2024; vgl. MBZ 6.2023);
Telekommunikationsarbeiter (USDOS 22.4.2024);
mutmaßliche Kollaborateure und Spione - siehe auch weiter unten (HRW 11.1.2024; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; BS 2024; USDOS 22.4.2024);
Deserteure (MBZ 6.2023); siehe dazu Wehrdienst und Rekrutierungen / Al Shabaab - Deserteure und ehemalige Kämpfer
als glaubensabtrünnig Bezeichnete (Apostaten) (BS 2024) oder Blasphemiker (USDOS 30.6.2024) bzw. Personen, die nicht der Glaubensauslegung von al Shabaab folgen (z. B. Sufis) (BMLV 7.8.2024); siehe dazu Religionsfreiheit
(vermeintliche) Angehörige oder Sympathisanten des sogenannten Islamischen Staates in Somalia (ISS) (AA 23.8.2024; vgl. HO 26.3.2023); den ISS hat al Shabaab als Seuche bezeichnet, welche ausgerottet werden müsse (JF 14.1.2020);
Personen, die einer Schutzgelderpressung ("Steuern") nicht nachkommen; siehe dazu Recht und "Steuer"-Wesen bei al Shabaab
Personen all dieser Kategorien werden insbesondere dann zum Ziel, wenn sie kein Schutzgeld bzw. "Steuern" an al Shabaab abführen. Gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass zahlreiche Angriffe und Morde auf o. g. Personengruppen politisch motiviert oder einfache Verbrechen sind, die nicht auf das Konto von al Shabaab gehen (BMLV 7.8.2024).
Spionage und Kollaboration: In von al Shabaab kontrollierten Gebieten gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden (AA 23.8.2024). Al Shabaab tötet - meist nach unfairen Verfahren - Personen, denen Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung oder ausländischen Kräften vorgeworfen wird (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 30.6.2024). Beispiele für Hinrichtungen: Im Jänner 2024 werden in Jilib sieben Männer wegen angeblicher Spionage für die Bundesregierung, die Regierung von Jubaland, die USA und Kenia öffentlich exekutiert (Halqabsi 15.1.2024). Im Juni 2023 werden in Kunyo Barrow, Lower Shabelle, fünf Männer wegen angeblicher Spionage für die Bundesregierung und ausländische Nachrichtendienste öffentlich durch Erschießen exekutiert (SMN 16.6.2023).
Die Schwelle dessen, was al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt (STDOK 8.2017, S. 40f). So wurden etwa im Feber 2021 in Mogadischu drei Frauen erschossen, die im Verteidigungsministerium als Reinigungskräfte gearbeitet hatten (Sahan/KM o.D.) - nach Angaben einer Quelle wird ihr Beruf aber nicht der einzige Grund für die Exekution gewesen sein, die Frauen haben vermutlich die Zusammenarbeit mit al Shabaab verweigert (BMLV 7.8.2024).
Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden (STDOK 8.2017, S. 40ff). So wurden etwa Anfang Juli 2021 fünf Zivilisten im Gebiet Jowhar von al Shabaab entführt, weil sie Soldaten der Armee mit Erfrischungen bewirtet bzw. mit ihnen gehandelt hatten. Mehrere Häuser und Fahrzeuge wurden angezündet (ATMIS/Caasimada 2.7.2021). Generell sind jedenfalls das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt. Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen: a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (STDOK 8.2017, S. 40ff).
Auf der anderen Seite kollaborieren viele Menschen mit al Shabaab. Verwaltungsstrukturen und Sicherheitskräfte sind unterwandert. Eine derartige Kollaboration kann aus finanziellen oder ideologischen Gründen erfolgen, oft aber auch aus Angst. Es scheint wenig ratsam, ein "Angebot" von al Shabaab abzulehnen (BMLV 7.8.2024).
Grundsätzliche Ziele: Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Vertreter des Staates, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, auf Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie direkt Soldaten von Armee und ATMIS. Grundsätzlich richten sich die Angriffe der al Shabaab in nahezu allen Fällen gegen Personen des somalischen Staates (darunter die Sicherheitskräfte), Institutionen der internationalen Gemeinschaft (darunter ausländische Truppen) und gegen Gebäude, die von erst- und zweitgenannten Zielen frequentiert werden (BMLV 9.2.2023). Hotels werden i.d.R. angegriffen, um die Entrichtung von Steuern und Abgaben einzumahnen. Möglicherweise anwesende Staatsvertreter gelten hierbei als „Draufgabe“. Ausnahmen dazu können vorkommen, etwa, wenn ein Anschlag einer bestimmten Feier in einem Hotel gilt oder wenn sich dort gleichzeitig drei Minister befinden würden. Anschläge auf Cafés und Restaurants fallen entweder ebenfalls in die Kategorie „Mahnung“ oder sollen Schlagzeilen machen - etwa wenn ein Anschlag auf Fußballzuschauer verübt wird, um daran zu erinnern, dass Fußball aus Sicht von al Shabaab „un-islamisch“ ist (BMLV 7.8.2024).
[…]
Üblicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, könnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangehörige zu bedrohen oder zu ermorden. Manchmal kann es zur Erpressung von Angehörigen kommen (BMLV 7.8.2024).“
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, die bereits im angefochtenen Bescheid getroffen wurden, stützen sich auf die zitierten Quellen und wurden von den Parteien nicht substanziell bestritten. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
2.2. Zu den Feststellungen zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers und seiner Clan- sowie Religionszugehörigkeit gründen sich auf seine diesbezüglichen übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben im Verfahren. Die Feststellung zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen entsprechenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Er führte dabei glaubhaft aus, dass er im gesamten Verfahren den XXXX als sein Geburtsdatum angeführt hat und sich schlichtweg nicht erklären kann, wieso zunächst der 14.02.2007 als sein Geburtsdatum protokolliert wurde.
Die Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer in XXXX in der Region Hiiraan geboren ist, beruht auf seinen entsprechenden gleichlautenden und damit glaubhaften Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung. Hinsichtlich der Kontrollsituation in XXXX führte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung aus, dass im Zeitpunkt seiner Ausreise in XXXX die Al-Shabaab präsent gewesen sei, wer dort aber aktuell die Kontrolle ausübt, wisse der Beschwerdeführer nicht. Dass sich XXXX unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS befindet, lässt sich zunächst aus den zitierten Länderberichten ableiten. Diesen ist dahingehend nämlich insbesondere zu entnehmen, dass die Macht der Regierung von Hirshabelle – jener somalische Bundesstaat, in dem sich auch die Herkunftsregion Hiiraan des Beschwerdeführers befindet – in alle Gebiete östlich des Flusses Shabelle reicht und die Regierung auch weiterhin die Kontrolle über die Gebiete östlich des Flusses Shabelle innehat. Wie sich aus der auf Seite 4 dieses Erkenntnisses zitierten Karte ergibt, befindet sich XXXX östlich des Flusses Shabelle und ergibt sich aus dieser Karte sowie der entsprechenden Legende auch, dass die Al-Shabaab in XXXX nicht präsent ist, als XXXX mit einem schwarzen Punkt versehen ist und im weiß markierten, von ATMIS kontrollierten Gebiet liegt. Aus den zitierten Länderinformationen sowie aus der auf Seite 4 zitierten Karte geht damit im Ergebnis hervor, dass sich XXXX unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS befindet.
Die Feststellungen zur Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen entsprechenden gleichlautenden und damit glaubhaften Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung.
Der Beschwerdeführer gab zwar vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung an, er habe seit der Ausreise aus Somalia keinen Kontakt mehr mit seinen Familienangehörigen, doch wird diesem Vorbringen nicht gefolgt. Auch wenn der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung angab, er habe die Telefonnummer seiner Mutter nicht und verfüge seine Mutter auch über kein eigenes Handy, ist es schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer überhaupt keine Telefonnummer seiner Familienangehörigen parat hat oder auch über keine sonstige Kontaktmöglichkeit seiner Familienangehörigen verfügt. In Anbetracht dessen, dass die Ausreise des Beschwerdeführers mithilfe seiner Mutter in Somalia, einer Tante in Europa und zwei Schleppern relativ zügig funktioniert haben soll, scheint die Familie des Beschwerdeführers jedenfalls auch derart vernetzt zu sein, dass ein Informationsaustausch problemlos erfolgen kann, als sonst eine Ausreise, in deren Organisation mehrere Personen involviert gewesen seien, wohl kaum möglich gewesen wäre. Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung auch nicht nachvollziehbar erklären, wieso selbst die Schlepper die Telefonnummer seiner Mutter (allenfalls über Nachbarn) oder Tante gehabt hätten, er selbst sie aber nicht kenne. Auch war der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung selbst unter Versicherung dessen, dass keine privaten Videos oder Chats angeschaut würden, nicht bereit, der erkennenden Richterin Einsicht in die auf seinem Handy verfügbare Kontaktliste zu gewähren, damit sich diese ein eigenes Bild davon verschaffen könnte, ob der Beschwerdeführer weiterhin mit somalischen Telefonnummern in Verbindung steht und wird durch dieses Verhalten der Eindruck erweckt, als wolle der Beschwerdeführer die wahren Gegebenheiten seine Familienangehörigen und den Kontakt zu diesen betreffend verschleiern. Gesamtheitlich ist damit mangels eines glaubhaften Vorbringens bzw. aufgrund des Aussageverhalten des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung die Feststellung zu treffen, dass er nach wie vor in Kontakt mit seinen Familienangehörigen steht und auch darüber in Kenntnis ist, wo sich seine Familienangehörigen befinden. Da der Beschwerdeführer jedoch weder vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch in der mündlichen Verhandlung bekannt gab, wo sich seine Familienangehörigen konkret befinden, kann der aktuelle Aufenthalt seiner Familienangehörigen nicht festgestellt werden.
Die Feststellungen zur Ausreise aus Somalia, deren Kosten und zur Weiterreise nach Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Hinsichtlich der Fluchtgründe führte der Beschwerdeführer aus, er habe Somalia verlassen, da die Al-Shabaab ihn und seinen Bruder – so wie alle Jugendlichen des Ortes – rekrutieren habe wollen und die Al-Shabaab für diese Zwecke zum Elternhaus gekommen sei. Der Vater des Beschwerdeführers habe einer Rekrutierung jedoch nicht zugestimmt und habe eine zweitägige Frist bekommen, um den Beschwerdeführer und seinen Bruder der Al-Shabaab zu übergeben. Vor Ablauf dieser Frist hätten der Beschwerdeführer und sein Bruder den Herkunftsort verlassen. Diese die Al-Shabaab betreffende Fluchtgeschichte konnte der Beschwerdeführer jedoch gesamtheitlich nicht glaubhaft machen. Dabei wird nicht zunächst verkannt, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ausreise aus seinem Herkunftsstaat sowie im Zeitpunkt des (behaupteten) fluchtauslösenden Ereignisses mit seinen damaligen 17 Jahren gerade noch minderjährig war. Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist daher eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich und darf die Dichte dieses Vorbringens nicht mit „normalen Maßstäben“ gemessen werden (vgl. etwa VwGH 29.01.2021, Ra 2020/01/0470). Die damalige Minderjährigkeit des Beschwerdeführers ändert jedoch nichts daran, dass er sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft darlegen konnte:
Besonders auffällig ist, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Erstbefragung lediglich angab, Somalia verlassen zu haben, weil er aufgrund seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert worden sei und fürchte, im Falle einer Rückkehr nach Somalia von „den Männern“, die seinen Vater umgebracht hätten, ebenso umgebracht zu werden. Der Beschwerdeführer erwähnte im Rahmen der Erstbefragung damit die Al-Shabaab oder einen Rekrutierungsversuch durch die Al-Shabaab mit keinem Wort. In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer seine Ausreise im weiteren Verfahren jedoch tragend auf eine versuchte Rekrutierung durch die Al-Shabaab stützte, während er Diskriminierungshandlungen als Ausreisegrund in der Einvernahme vorm BFA sogar dezidiert verneinte (AS 95), änderte der Beschwerdeführer damit sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens ab. Es wird dabei keineswegs übersehen, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die „näheren“ Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 27.06.2012, U 98/12), doch ist für die erkennende Richterin nicht logisch nachvollziehbar, wieso der Beschwerdeführer in den Befragungen unterschiedliche Fluchtgründe angegeben hat und die behaupteten Berührungspunkte mit der Al-Shabaab nicht auch bereits in der Erstbefragung artikulierte, sodass die Glaubwürdigkeit seines Fluchtvorbringens schon aus diesem Grund stark geschmälert ist.
Davon abgesehen war die Fluchtgeschichte auch deshalb nicht glaubhaft, weil der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ein zentrales Element, nämlich die Ermordung seines Vaters, gänzlich unerwähnt ließ, während er vor dem BFA – wenn auch nicht im Zuge der freien Erzählung zu seinen Fluchtgründen – noch vorbrachte, die Al-Shabaab habe seinen Vater umgebracht, weil die auf die Verweigerung der Rekrutierung durch den Vater des Beschwerdeführers gewährte zweitägige Bedenkzeit abgelaufen sei und der Beschwerdeführer und sein Bruder von der Al-Shabaab nicht gefunden worden seien. Als hätte der Beschwerdeführer an die Ermordung seines Vaters erinnert werden müssen, brachte er erst durch die gezielte Nachfrage der erkennenden Richterin in der mündlichen Verhandlung vor, sein Vater sei von der Al-Shabaab umgebracht worden, führte hierbei jedoch auch im Vergleich zu seinem Vorbringen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen anderen Grund dafür an, wieso die Al-Shabaab seinen Vater ermordet habe. Nunmehr gab der Beschwerdeführer als Grund nämlich an, die Al-Shabaab habe mitbekommen, dass sein Vater die Flucht des Beschwerdeführers und seines Bruders nach Mogadischu ermöglicht habe; vom Ablauf der zweitägigen Bedenkzeit oder dem Nichtauffinden des Beschwerdeführers und seines Bruders war hingegen in der mündlichen Verhandlung überhaupt keine Rede mehr. In Anbetracht dessen, dass die Ermordung des eigenen Vaters wohl eine besonders belastende oder einschneidende Erfahrung ist, wäre jedoch zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer die Ermordung seines Vaters durch die Al-Shabaab in der mündlichen Verhandlung von sich aus vorbringt (vor allem, weil er zwei Mal aufgefordert wurde, alles Wesentliche im Detail zu erzählen) und spricht gerade auch dieser Umstand gegen die Glaubwürdigkeit des die Al-Shabaab betreffende Vorbringens.
Auffällig waren auch die Unterschieden der beiden Erzählungen des Beschwerdeführers vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung, nämlich dass der Beschwerdeführer im Vergleich zu seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine weniger intensive und detaillosere Version seiner die Al-Shabaab betreffende Fluchtgeschichte vorbrachte und entstand für die erkennende Richterin deswegen gesamtheitlich der Eindruck als habe der Beschwerdeführer die Zeit zwischen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und der mündlichen Verhandlung dafür genutzt, um seine Fluchtgeschichte mit weiteren Details auszubauen, um so seine Chancen im Asylverfahren zu erhöhen. Der Beschwerdeführer erstattete in der mündlichen Verhandlung nämlich neue Eckpunkte seiner Fluchtgeschichte wie etwa das zu Boden Stürzen seines Vaters, die Reaktion seiner Mutter auf die Gewalthandlungen durch die Al-Shabaab oder die an den Ablauf der zweitägigen Bedenkzeit folgenden gewünschten Handlungen der Al-Shabaab und gestaltete der Beschwerdeführer durch seine Wortwahl die Erzählung der Fluchtgeschichte in der mündlichen Verhandlung wesentlich intensiver, als er nunmehr etwa die „heftigen“ Diskussionen zwischen seinem Vater und der Al-Shabaab oder die „hartnäckige“ Verweigerung der Rekrutierung durch seiner Vater betonte, während er beim BFA gleich einleitend der Geschichte voranstellte, dass Al-Shabaab zu allen Häusern gegangen sei, um die Jugendlichen zur Verstärkung zu rekrutieren, was gerade nicht auf ein besonderes Interesse an dem Beschwerdeführer hindeuten würde.
Mangels eines glaubhaften Vorbringens ist der Beschwerdeführer damit insgesamt gesehen bisher nicht ins Visier der Al-Shabaab geraten und liegen auch sonst keine Anhaltspunkte dafür vor, wieso der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr der Al-Shabaab auffallen oder seitens der Al-Shabaab mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht werden sollte. Insbesondere fällt der Beschwerdeführer – mangels Glaubwürdigkeit des entsprechenden Vorbringens – auch nicht in eine der in den zitierten Länderberichten genannten Risikogruppen und ist diesen insbesondere auch zu entnehmen, dass die Al-Shabaab üblicherweise Personen des somalischen Staates (darunter die Sicherheitskräfte), Institutionen der internationalen Gemeinschaft (darunter ausländische Truppen) und Gebäude, die von erst- und zweitgenannten Zielen frequentiert werden, angreift bzw. zielgerichtet jene Personen, derer sie habhaft werden möchte – zu denen der Beschwerdeführer aber mangels eines glaubhaften Vorbringens nicht fällt – angreift. Auch vor dem Hintergrund der Länderberichte ist daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Somalia von der Al-Shabaab negative Konsequenzen erfahren würde.
Zur Rekrutierung durch die Al-Shabaab ist den zitierten Länderberichten noch zu entnehmen, dass es in Gebieten, die unter Kontrolle der Al-Shabaab stehen, zu Zwangsrekrutierungen von Kindern sowie Erwachsenen kommen kann, gleichzeitig ist den zitierten Länderberichten aber auch zu entnehmen, dass die meisten Menschen der Gruppe freiwillig beitreten. Dass sämtliche junge Männer systematisch zwangsrekrutiert würden, ist den zitierten Berichten damit nicht zu entnehmen und lässt sich für den Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Somalia auch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit für eine Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab ableiten. Wie bereits weiter oben ausgeführt, befindet sich der Herkunftsort des Beschwerdeführers aktuell nicht unter Kontrolle der Al-Shabaab, sodass bereits aus diesem Grund vor dem Hintergrund der gerade hervorgehobenen Länderberichte eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit für eine Rekrutierung des Beschwerdeführers durch die Al-Shabaab nicht erkannt werden kann. Davon abgesehen ist der Beschwerdeführer – wie gerade weiter oben ausgeführt – bisher nicht ins Visier der Al-Shabaab geraten ist und konnte er damit bis zu seiner Ausreise aus Somalia unbehelligt und ohne von einem (glaubhaften) Rekrutierungsversuch durch die Al-Shabaab in seinem Herkunftsort leben.
Hinsichtlich der Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers zu den Gabooye/Madhiban ist auszuführen, dass er zwar angab, aufgrund seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert worden zu sein, jedoch artikulierte er in keiner Lage des Verfahrens eine konkrete und ihn selbst treffende Bedrohungssituation aufgrund seiner Clanzugehörigkeit. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sprach der Beschwerdeführer nämlich lediglich abstrakt davon Diskriminierungen ausgesetzt gewesen zu sein und gab er hierbei sogar an, er habe in XXXX – unter Inkaufnahme der Diskriminierungen – ein angemessenes und unbeeinflusstes Leben führen können. Bereits aus dem Grund, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angab, er habe trotz seiner Clanzugehörigkeit ein angemessenes und unbeeinflusstes Leben führen können, ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Somalia tatsächlich Diskriminierungen im asylrelevanten Ausmaß erfahren hat. Auch in der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer lediglich vor „wir“ seien aufgrund der Clanzugehörigkeit diskriminiert worden und erwähnte er abgesehen davon nur äußerst knapp und vage, er habe in der Schule aufgrund seiner Clanzugehörigkeit mit anderen nicht sprechen und Scherze machen dürfen sowie habe er mit anderen nicht Fußballspielen können. Der Beschwerdeführer erstattete damit im gesamten Verfahren überhaupt keine weiteren Details oder Erfahrungswerte, die den Schluss darauf zulassen würden, dass er tatsächlich diskriminiert worden wäre und konnte er durch seine lediglich inhaltsleere Behauptung einer Diskriminierung aufgrund seiner Clanzugehörigkeit eine solche nicht glaubhaft dartun, sodass bereits aus diesem Grund keine Anhaltspunkte erkennbar sind, weshalb der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nunmehr plötzlich doch von Diskriminierungen betroffen sein sollte. Es wird nicht verkannt, dass die zitierten Länderinformationen davon berichten, dass Angehörige von berufsständischen Gruppe in Somalia diskriminiert und als Bürger zweiter Klasse erachtet werden. Gezielte Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye werden in den Länderberichten jedoch ausdrücklich ausgeschlossen. Aus den wiedergegebenen Länderberichten geht des Weiteren auch hervor, dass sich die Situation für Angehörige der berufsständischen Gruppen insgesamt verbessert hat, als es mittlerweile für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich ist, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Auch Angehörige berufsständischer Gruppen sind vereinzelt wirtschaftlich erfolgreich und finden sich in Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft. Insgesamt ist damit die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer weder aufgrund seiner Clanzugehörigkeit bisher wesentliche Diskriminierungen erfahren hat noch drohen ihm im Falle einer Rückkehr nach Somalia solche.
Dem Vorbringen in der Beschwerde und – nach Erinnerung durch die Rechtsvertretung – am Ende der mündlichen Verhandlung, eine Schwester des Beschwerdeführers habe mit einem Mann der Hawiye eine Beziehung geführt und habe die Familie dieses Mannes, weil sie gegen die Beziehung gewesen sei, die Familie des Beschwerdeführers im Februar 2020 zu Hause aufgesucht und einige Familienmitglieder (nicht den Beschwerdeführer) geschlagen, kommt keine Asylrelevanz zu, weil dieser Streit bereits im Februar 2020 erfolgt sei, der Beschwerdeführer aber bis Mai 2022 – sohin etwa weitere zwei Jahre – in Somalia gelebt hat und selbst ausführte, dass sein Vater der anderen Familie versprochen habe, dass die Schwester des Beschwerdeführers den Kontakt abbrechen würde und damit die Geschichte zu Ende gewesen sei. Auf konkrete Nachfrage betonte der Beschwerdeführer auch, dass er aufgrund dieser Geschichte in Somalia keine Probleme habe.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (vgl. VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer eine Verfolgung durch die Al-Shabaab nicht glaubhaft machen und kann deswegen sowie mangels Vorliegens konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschwerdeführer nunmehr der Al-Shabaab auffallen würde, nicht erkannt werden. Auch droht dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlicher keine Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab.
Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr nach Somalia auch aufgrund seiner Zugehörigkeit – wie ebenso in der Beweiswürdigung dargelegt – keine asylrelevante Verfolgung.
Dem Beschwerdeführer ist es daher insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Somalia kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aktuell in Somalia eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründen droht.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.