Spruch
W276 2306015-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Gert WALLISCH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am XXXX 2024 stellte der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsbürger und Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam, einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX 2024 gab er an, er stamme aus XXXX . Weiters führte er aus, dass er aus der syrischen Armee desertiert sei und daher im Falle der Rückkehr um sein Leben fürchte.
3. Am XXXX 2024 wurde der Beschwerdeführer von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde), in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe den verpflichtenden syrischen Militärdienst vom XXXX 2010 bis zum XXXX 2012 abgeleistet. Er sei als Koch beschäftigt und nicht an der Waffe ausgebildet worden. Weil der Bürgerkrieg jedoch begonnen habe, habe er nicht abrüsten dürfen und sei am XXXX 2012 desertiert. Er habe sich unter dem Vorwand, etwas zu Essen zu kaufen, aus dem Lager entfernt und sei zu einer nahegelegenen Stationierung der Freien Syrischen Armee (in Folge: FSA) gegangen um sich dort festnehmen zu lassen. Folglich sei er dort etwa drei Monate lang festgehalten und geschlagen worden, bis seine Ehefrau ihn durch Zahlung eines Geldbetrags von ca. 3.700 US-Dollar freikaufen konnte. Danach sei er ausgereist, da er sowohl seitens der syrischen Armee, als auch der FSA Vergeltungsaktionen fürchtete. Nach seiner Ausreise in die Türkei im Jahr 2013 sei er etwa sechs Mal für Besuchszwecke nach Syrien zurückgekehrt. Seine Familie könne bei seinem Vater in Syrien leben, ohne Probleme mit der Regierung zu haben.
4. Mit dem im Spruch bezeichneten, angefochtenen Bescheid vom XXXX 2024 dem Beschwerdeführer zugestellt am XXXX 2024, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
5. Am XXXX 2025 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. des Bescheids fristgerecht Beschwerde. Er brachte auf das Wesentlichste zusammengefasst vor, dass die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, XXXX , von Kurden und FSA kontrolliert werde. Im Falle der Rückkehr drohe ihm die Zwangsrekrutierung durch diese. Weiters sei der Beschwerdeführer aufgrund seiner Integration in Österreich und den hier angenommenen Verhaltensweisen bzw. Werten in Syrien gefährdet, seitens der Haiʾat Tahrir asch-Scham (in Folge: HTS) wegen Apostasie verfolgt zu werden.
6. Mit Schreiben vom XXXX 2025, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2025, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den dazugehörigen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
7. Mit Schreiben vom XXXX 2025 gab die belangte Behörde bekannt, dass eine Teilnahme eines informierten Vertreters an der anberaumten mündlichen Beschwerdeverhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Zudem wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt und um Übersendung des Verhandlungsprotokolls ersucht.
8. Am XXXX 2025 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache eine mündliche Verhandlung durch. Die Verhandlungsschrift wurde der belangten Behörde am selben Tag übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt die im Kopf des Erkenntnisses genannten Personalien. Er ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und vier Kinder.
Der Beschwerdeführer wurde im Gouvernement Aleppo in der Stadt XXXX geboren und wuchs dort auf. Er lebte dort auch, als er den Entschluss fasste, aus Syrien auszureisen.
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, steht unter der Kontrolle der Syrian National Army (in Folge: SNA), einer von der Türkei unterstützten, bewaffneten Miliz.
Der Beschwerdeführer besuchte in Syrien neun Jahre lang die Schule. Er brach die Schule ab, und arbeitete zeitweise in Damaskus und im Libanon. In der Türkei war er in einer Plastikfabrik tätig.
Der Beschwerdeführer leistete den verpflichtenden syrischen Wehrdienst vom XXXX 2010 bis zum XXXX 2012 ab. Er war in XXXX stationiert und erfuhr dabei eine 27-tägige Grundausbildung.
Der Beschwerdeführer reiste erstmals im Jahr 2023 aus Syrien aus und lebte daraufhin längere Zeit in der Türkei. Von dort aus kehrte er sechsmal aus Besuchszwecken nach Syrien zurück, bevor er im Jahr 2022 den Weg nach Europa unternahm.
Die Ehefrau des Beschwerdeführers lebt mit den vier gemeinsamen Kindern beim Vater des Beschwerdeführers in dessen Heimatstadt XXXX , Aleppo. Weiters leben dort noch fünf Schwestern und drei Brüder des Beschwerdeführers. Die Mutter des Beschwerdeführers verstarb im Jahr 2023.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich subsidiär schutzberechtigt.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Für männliche syrische Staatsbürger war im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes in der syrisch arabischen Armee (SAA) des syrischen Assad-Regimes gesetzlich verpflichtend. Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das erkennende Bundesverwaltungsgericht steht fest, dass die SAA im Verlauf des Falls des Assad-Regimes aufgelöst wurde. Seitens der neuen Regierung Syriens, der von der Gruppierung HTS geführten Rebellenallianz, wurde für alle wehrpflichtigen Syrer eine Generalamnestie verkündet. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch das gestürzte syrische Regime aufgrund seiner Desertion und einer allenfalls unterstellten oppositionellen Gesinnung oder sonstigen Gründen ist somit ausgeschlossen.
Die Selbstverteidigungspflicht der kurdisch dominierten SDF der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens besteht weiterhin. Sowohl kurdische als auch arabische Männer ab Vollendung des 18. Lebensjahres gelten als wehrpflichtig und müssen den Selbstverteidigungsdienst bis zum vierzigsten Lebensjahr vollendet haben. Diese Selbstverteidigungspflicht gilt jedoch nur für jene Männer die nach dem Jahr 1998 geboren wurden. Der Beschwerdeführer ist im Jahr XXXX , also vor dem Jahr 1998 geboren und somit nicht für die Selbstverteidigungspflicht wehrpflichtig. Darüber hinaus, ist die SDF in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers nicht präsent, es besteht folglich auch keine Rekrutierungsmöglichkeit. Der Beschwerdeführer hat keine politisch oppositionelle Gesinnung gegenüber der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens inne. Anhaltspunkte, dass dem Beschwerdeführer seitens der Selbstverwaltung eine solche unterstellt würde, sind im Laufe des Verfahrens nicht hervorgekommen. Eine auf der Selbstverteidigungspflicht beruhende Verfolgungsgefahr ist somit ausgeschlossen.
Wie auch schon vor dem Sturz des syrischen Regimes erlegt die SNA den Einwohnern ihrer Gebiete keine Wehrpflicht auf.
Der Beschwerdeführer wurde aufgrund seiner damaligen Zugehörigkeit zur Armee des syrischen Regimes von Truppen der SNA (damals FSA) in XXXX im Jahr 2012 festgehalten und geschlagen. Der Beschwerdeführer ist nicht mehr Teil der Armee des syrischen Regimes. Diese besteht nicht mehr. In XXXX gab es seitdem mehrere Machtwechsel. Im Sommer 2014 eroberte der Islamische Staat (in Folge: IS) die Stadt. Im September 2017 befreiten die kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (in Folge: SDF) der Demokratischen Selbstverwaltung Nord und Ost- Syriens XXXX und übernahmen die Kontrolle. Im Jänner 2020 waren die SDF aufgrund von türkischen Offensiven gezwungen Stationierungen von Truppen der syrischen Armee in XXXX zu akzeptieren um die Position zu stärken. Letztlich eroberte die SNA XXXX im Dezember 2024 im Rahmen der Operation „Dawn of Freedom“. Es ist nicht davon auszugehen, dass die den Beschwerdeführer im Jahr 2012 festhaltenden Personen dort nach wie vor verweilen bzw. in Positionen wären, die sie befähigen, den Beschwerdeführer zu verfolgen. Da der Beschwerdeführer kein Mitglied der Armee des syrischen Regimes mehr ist, hat die SNA keinen Grund, ihn weiter zu verfolgen. Eine Verfolgung durch die SNA erscheint unwahrscheinlich.
Die HTS ist nicht die die Herkunftsregion kontrollierende Gruppierung. Es besteht daher kein Risiko, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner während seiner Zeit in Österreich erworbenen Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen seitens der HTS Apostasie unterstellt und er daher verfolgt würde. Auch die SNA würde ihn aufgrund einer solchen Lebenseinstellung nicht verfolgen. Zudem blieb das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer angeblichen Apostasie und einer damit verbundenen Gefahr, verfolgt zu werden, sehr allgemein und wurde von diesem bei der vom erkennenden Gericht durchgeführten Verhandlung mit keinem Wort erwähnt.
Der Beschwerdeführer ist im Falle der Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht der Gefahr einer unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt.
1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Syrien vom 08.05.2025, Version 12:
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Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung 2025-05-08
Aktualitätshinweis
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Für ältere, aber nicht notgedrungen veraltete, Informationen, sei auf die Version 11 der Länderinformationen verwiesen [abrufbar über https://www.ecoi.net/ oder über das Koordinationsboard des BFA]. Eine umfassende Überarbeitung dieses Kapitels, unter Berücksichtigung aktueller Quellen und Informationen, wird zeitnah mittels (Teil-)Aktualisierung erfolgen.
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Politische Lage – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [Details zur Offensive bzw. zur Hay'at Tahrir ash-Sham finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (8.12.2024) Anm.] Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).
Die Karte zeigt die Aufteilung Syriens unter den bewaffneten Gruppierungen Ende Februar 2025:
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Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT 12.12.2024).
Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).
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Wehr- und Reservedienst – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.2.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08
Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon 17.3.2025).
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vgl. MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht.
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Das sogenannte Verteidigungsbüro des Exekutivrats der „Demokratischen Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien“ hat die für die Wehrpflicht erforderlichen Geburtsjahrgänge festgelegt, während die Verhaftungskampagnen gegen junge Menschen für die Einberufung in die Reihen der SDF weitergehen. Die Erklärung wurde vom Verteidigungsbüro der Autonomen Verwaltung an alle Verteidigungsbüros in der Region verteilt. Darin steht, dass wer zwischen dem 1.1.1998 und dem 31.12.2005 für den Dienst der Selbstverteidigung wehrpflichtig ist (Shaam 10.1.2024).
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Wehr- und Reservedienst in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF – Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Letzte Änderung 2025-05-08
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Laut Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigung gelten Männer mit Vollendung des 18. Lebensjahres als wehrpflichtig und müssen den Selbstverteidigungsdienst bis zum vierzigsten Lebensjahr vollendet haben (Artikel 13). Wehrpflichtig ist jeder männliche Bewohner der Region Nord- und Ostsyrien, der das gesetzliche Alter für die Ausübung des Selbstverteidigungsdienstes erreicht hat, bzw. jeder, der seit mehr als drei Jahren dauerhaft in Nord- und Ostsyrien ansässig ist und die syrische Staatsangehörigkeit besitzt (Artikel 1) (AANES-GC 22.2.2024).
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Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08
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Der Übergang von dem Regime unter Bashar al-Assad zur Interimsregierung unter der Führung der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) soll relativ reibungslos verlaufen sein. Berichte über Vergeltungsmaßnahmen, Rachemorde und religiös motivierte Gewalttaten waren minimal. Plünderungen und Zerstörungen konnten schnell unter Kontrolle gebracht werden, die aufständischen Kämpfer wurden diszipliniert (AP 15.12.2024b). Es gab keine größeren Massaker oder Rachekampagnen (DW 12.12.2024).
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Die syrische Übergangsregierung unter ash-Shara' hat zugesagt, dass die Verantwortlichen für Gewalttaten gegen Syrer durch das gestürzte Assad-Regime zur Rechenschaft gezogen werden. Der Weg dorthin ist jedoch schwierig, da die Zahl der Opfer nicht genau bekannt ist und die Täter noch nicht identifiziert werden konnten (BBC 13.12.2024). Die HTS möchte die an staatlicher Folter beteiligten Ex-Offiziere auflisten und sie als Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen. Dafür setzte sie sogar eine Belohnung aus, für Informationen über ranghohe Offiziere von Armee und Sicherheitsbehörden, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren (FAZ 10.12.2024). [Details zur Aufarbeitung von Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen etc. unter dem Assad-Regime finden sich im Kapitel Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).]
Die von der Türkei unterstützten Gruppierungen plünderten nach der Eroberung von Manbij das Eigentum von kurdischen Bürgern und führten identitätsbezogene Tötungen durch. Sie führten Racheaktionen durch, brannten Häuser nieder und demütigten Kurden (SOHR 9.12.2024; vgl. ISW 16.12.2024).
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Religionsfreiheit (Stand August 2024)
Letzte Änderung 2025-04-24
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Gebiete unter der Kontrolle der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)
Kurdische Medien berichteten 2022, dass die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) das Eigentum von Christen beschlagnahmte, Kirchen schloss und es Christen verwehrte, ihren religiösen Riten nachzugehen (NPA 5.3.2022). Später gab die HTS bekannt, dass sie die erste christliche Liturgie seit über einem Jahrzehnt in Idlib toleriere, und versprach, das von Christen und Drusen beschlagnahmte Eigentum neu zu verteilen. Sie setzte jedoch weiterhin ihre Auslegung des sunnitischen Islam sowohl bei muslimischen als auch bei nicht muslimischen Bewohnern von Idlib durch, beispielsweise indem sie ihre Interpretation der Scharia in Schulen durchsetzte. Weiterhin werden Personen, die ihrer religiösen Doktrin kritisch gegenüberstehen verhaftet und eingesperrt (USCIRF 1.5.2024)
Gebiete unter der Kontrolle der von der Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA)
Menschenrechtsaktivisten berichten, dass türkische Luft- und Drohnenangriffe, sowie Beschießungen gezielt auf Gemeinden mit religiösen Minderheiten niedergingen. Gruppierungen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) zerstörten Moscheen, jesidische Schreine, religiöse Monumente und Friedhöfe in Afrin und zwangen Jesiden zur Konversion zum Islam (USCIRF 1.5.2024). Menschenrechtsorganisationen und Medienberichten zufolge waren Jesiden und Kurden in Nordsyrien Menschenrechtsverletzungen durch die SNA ausgesetzt. Auch Angehörige anderer religiöser Minderheiten waren betroffen (USDOS 30.6.2024).
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Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (COI) berichtete, dass Gruppierungen der SNA routinemäßig einen Teil der Olivenernte der Bauern beschlagnahmten und sie damit ihrer Haupteinnahmequelle beraubten (UNGA 9.2.2024). Nach der Machtübernahme in Manbij sollen die von der Türkei unterstützten SNA privates Eigentum, wie Fahrzeuge und Gebäude beschlagnahmt haben, sowie öffentliche Infrastruktur, wie Teile des Stromnetzes (ISW 16.12.2024). Laut Amnesty International verhinderten die SNA, dass Hilfslieferungen Personen, im Gouvernement Aleppo, die vom Erdbeben 2023 betroffen waren, erreichen konnten, indem sie beispielsweise in die Luft schossen, um die Menschenmenge vor den Lieferwagen mit Hilfspaketen zu zerstreuen, und leiteten die Hilfslieferungen an Angehörige der bewaffneten Gruppierungen um (AI 24.4.2024).
Meinungs-, Presse- und Versammlungs- und Organisationsfreiheit (Stand August 2024)
Letzte Änderung 2025-04-24
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Gebiete unter der Kontrolle der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)
Die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) verhaftete Journalisten, Aktivisten und jeden, der sie kritisierte ohne Zugang zu einem Rechtsanwalt oder zu Familienangehörigen (AI 24.4.2024). Medienberichten zufolge erfoltgen diese Verhaftungen von Aktivisten und Zivilisten, darunter Frauen, die die HTS kritisiert hatten, unter dem Vorwurf der Spionage für ausländische Parteien (NPA 7.7.2023). Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (COI) berichtete ebenfalls von Festnahmen durch die Sicherheitskräfte der HTS von Aktivisten, Journalisten und privaten Bürgern, die sich kritisch gegenüber ihrer Herrschaft oder religiösen Doktrin äußerten u. a. auf Social Media (UNGA 14.8.2023). HTS berief sich Berichten zufolge auf Verstöße gegen ihr „Mediengesetz“ – ein Text, der nicht öffentlich zugänglich war – um kritische Berichterstattung zum Schweigen zu bringen und Journalisten einzuschüchtern (USDOS 22.4.2024).
[…]
Gebiete unter der Kontrolle der Syrian National Army (SNA)
Eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums berichtete, dass Personen, die die Türkei kritisierten in den Gebieten der Syrischen Übergangsregierung (Syrian Interim Government - SIG) verhaftet wurden (MBZ 8.2023).
Die Nichtregierungsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) berichtete, dass in den Gebieten der SIG Bürger und Journalisten es nicht wagten, ihre Meinung frei zu äußern aus Angst vor den bewaffneten Gruppierungen. Journalisten konnten die SIG nicht kritisieren, obwohl diese gegen Menschenrechte verstieß und die Demokratie missachtete. Die bewaffneten Gruppierungen konnten in den von ihnen kontrollierten Gebieten jeden ohne Rechenschaftspflicht verhaften oder verschwinden lassen (STJ 1.11.2023). Einige bewaffnete Oppositionsgruppen gezögerten nicht, mit der Verfolgung von Journalisten und Medienaktivisten zu drohen, die ihren Aktionen kritisch gegenüberstanden (FES 1.4.2024). Medienberichten zufolge kam es bei Demonstrationen gegen die Korruption in Nord-Aleppo zu Verhaftungen von Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, die in Gefängnisse verbracht wurden, sowie zu Angriffen auf Protestierende und zur Zerstörung von Equipment von Journalisten, die vor Ort waren, um die Proteste zu dokumentieren (NPA 18.12.2023).
[…]
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Syrien vom 27.03.2024, Version 11:
9.6 Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)
Letzte Änderung 2024-03-13
[…]
Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023). In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten.
[…]
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, sowie den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden, Beilage ./1 bis ./10: Konvolut Auszüge ZMR, GVS, Strafregister, Schengener Informationssystem (Beilage ./1); COI CMS Länderinformationen Syrien Version 12 – Stand 08 05 2025 (Beilage ./2); COI_CMS_Länderinformationen Syrien, Kurzinformation Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024 (Datum der Veröffentlichung: 2024-12-10) (Beilage ./3); EUAA Country Guidance Syrien, April 2024 (Beilage ./4); EUAA Country Focus Syrien März 2025 (Beilage ./5); UNHCR Position on returns to the syrian arab Republic, Dezember 2024 (Beilage ./6); ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien vom 21.03.2025: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen [a-12592-v2] (Beilage ./7); ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien vom 24.02.2025: Änderungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht in der Demokratischen Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) aufgrund der Kämpfe zwischen den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) und der Syrischen Nationalarmee (SNA); Änderung der Strafen; Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht im kurdisch kontrollierten Teil von Deir-ez Zor, auch gegenüber Arabern; Intensivierung von Rekrutierungsbemühungen; Mobilisierung von Selbstverteidigungs-Einheiten und Heranziehen von Wehrpflichtigen zu Kampfeinsätzen; Aktueller Meinungsstand zur Verweigerung der Selbstverteidigungspflicht durch Araber [a-12555-2] (Beilage ./8); https://www.deutschlandfunk.de/rebellen-verkuenden-amnestie-fuer-soldaten-114.html; 14.12.2024 (Beilage ./9); https://www.dw.com/de/syrien-hts-rebellen-sollen-teil-staatlicher-armee-werden/a-71077838; 17.12.2024 (Beilage ./10).
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen des erkennenden Bundesverwaltungsgerichts zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Syrien, seiner Schulausbildung bzw. Berufserfahrung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben im Verlauf des Verfahrens. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Ausreisezeitpunkte des Beschwerdeführers aus seinem Herkunftsstaat und aus der Türkei ergeben sich aus den diesbezüglich gleichbleibenden Angaben im Laufe des Verfahrens. (vgl. z.B. VHS, S. 6). Zu den Besuchen in Syrien machte auch schon die belangte Behörde entsprechende Feststellungen (vgl. Bescheid, S. 15). Diese wurden nicht in Beschwerde gezogen.
Die Gebietskontrolle durch die SNA in XXXX ergibt sich durch Einsicht in die historischen Landkarten zur Gebietskontrolle in Syrien des Cartercenters (https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html). Diese geben als kontrollierende Fraktion seit Dezember 2024 Operation „Dawn of Freedom“ an. Wie aus dem Country Focus der EUAA vom März 2025 hervorgeht, handelt es sich bei dieser Operation um eine Offensive der SNA, die kurz nachdem die HTS und die mit ihm verbündete SNA große territoriale Vorstöße gemacht hatten, verkündet wurde. Ihr Ziel war es, weitere Gebiete in Aleppo einzunehmen (vgl. EUAA Country Focus, März 2025, S. 46).
Dass sich diese Eroberungen bis XXXX erstrecken, geht u.a. auch aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 12 vom 08.05.2025 heraus. Dieses spricht, auch wenn es die Operation „Dawn of Freedom“ selbst nicht thematisiert, durchaus von der Machtübernahme der SNA in XXXX (vgl. z.B. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 173). Ebenso zeigt es auf einer Landkarte die Gebietskontrolle in Syrien nach dem Fall des syrischen Regimes. Auch an dieser Stelle ist die Stadt XXXX als unter Kontrolle der SNA eingezeichnet (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 12).
Auf der Syria-Livemap (https://syria.liveuamap.com/) ist XXXX als unter der Kontrolle von Rebellengruppen wie der HTS eingezeichnet. Diese Darstellung der Gebietskontrolle steht nicht im Einklang mit aktuellen und einschlägigen Länderinformationen.
Das erkennende Gericht folgt bezüglich seiner Feststellung zur Gebietskontrolle primär den Darstellungen in den umfassenden und aktuellen Berichten der EUAA und der Staatendokumentation.
Hinsichtlich der Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes des syrischen Regimes machte schon die belangte Behörde entsprechende Feststellungen im angefochtenen Bescheid (vgl. Bescheid, S. 15). Diese Tatsache wurde in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen und im weiteren Verlauf des Verfahrens traten keine Umstände hervor, die das Bundesverwaltungsgericht an der Ableistung des Wehrdienstes des Beschwerdeführers zweifeln lassen würden. Der Beschwerdeführer bestätigt die Ableistung des Wehrdienstes auch in der mündlichen Verhandlung erneut (vgl. VHS, S. 9f).
Die Feststellungen zu den Familienmitgliedern des Beschwerdeführers und deren aktuellen Aufenthaltsorten ergeben sich aus den stringenten, im Verlauf des Verfahrens gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers (vgl. z.B. VHS, S. 7f).
Der aufrechte Status des subsidiär Schutzberechtigten des Beschwerdeführers ergibt sich aus den vorgelegten Verfahrensakten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens (vgl. Bescheid, S. 1).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde im Angefochtenen Bescheid (vgl. Bescheid, S. 15) sowie den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (vgl. VHS, S. 5) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Die Auflösung der syrischen Armee ergibt sich aus dem Umstand, dass sie, einschlägigen Berichten zufolge, vom ehemaligen Präsidenten Syriens, al Assad noch vor seiner Flucht am 08.12.2024 per Befehl aufgelöst wurde (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 139). Nach diesem Umsturz gab es eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen, die von der Rebellenallianz verkündet wurde (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 140). Da das Regime also nicht mehr existiert und seine Wehrpflicht von der neuen Regierung nicht fortgeführt wird, folgt logisch, dass es keine Bedrohung des Beschwerdeführers durch die Verfolgung seitens des Regimes wegen der vorgebrachten Desertion bzw. einer deshalb unterstellten oppositionellen Gesinnung geben kann. Nach dem Fall des Regimes wäre eine derartige Verfolgung nicht nur noch unwahrscheinlicher, sondern effektiv unmöglich.
Laut Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigung der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens gelten Männer mit Vollendung des 18. Lebensjahres als wehrpflichtig und müssen den Selbstverteidigungsdienst bis zum vierzigsten Lebensjahr vollendet haben. Wehrpflichtig ist dabei grundsätzlich jeder männliche Bewohner der Region Nord- und Ostsyrien, der das gesetzliche Alter für die Ausübung des Selbstverteidigungsdienstes erreicht hat, bzw. jeder, der seit mehr als drei Jahren dauerhaft in Nord- und Ostsyrien ansässig ist und die syrische Staatsangehörigkeit besitzt (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 145). Zugleich gibt es allerdings eine Erklärung des Verteidigungsbüros der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens nach dem ausschließlich Männer, die zwischen 01.01.1998 und 31.12.2005 geboren wurden, wehrpflichtig sind (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 146). Der Beschwerdeführer wurde am XXXX geboren und fällt daher nicht in diese Gruppe. Er ist zu alt.
Dazu kommt, dass die SDF in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers nicht mehr präsent ist (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 12). Es besteht daher auch gar keine Zugriffsmöglichkeit der SDF auf den Beschwerdeführer. Folglich ist der Beschwerdeführer in seiner Herkunftsregion nicht wehrpflichtig und könnte, selbst wenn er dies wäre, nicht zur Selbstverteidigungspflicht herangezogen werden.
Im Verlauf des Verfahrens äußerte sich der Beschwerdeführer nicht zu seiner politischen Haltung gegenüber der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens. Weder in seinen schriftlichen noch in seinen mündlichen Angaben finden sich Hinweise auf eine entsprechende politische Gesinnung oder ein klar erkennbares ablehnendes oder unterstützendes Verhalten gegenüber dieser Verwaltungsstruktur. Auch darüber hinaus ergaben sich im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte, die das erkennende Bundesverwaltungsgericht zu der Annahme veranlassen könnten, der Beschwerdeführer vertrete eine bestimmte politische Einstellung in Bezug auf die genannte Selbstverwaltung.
Neben der Furcht wegen der Verweigerung der Selbstverteidigungspflicht, die wie oben dargelegt gegenständlich nicht einschlägig ist, wird in der Beschwerde im selben Satz auch die Angst vor der Rekrutierung durch die „FSA“ genannt. (vgl. Beschwerde, S. 2). FSA ist in diesen Zusammenhang als eine veraltete Bezeichnung von syrischen Rebellengruppierungen, die mittlerweile in der SNA aufgegangen sind zu verstehen (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 340). Diesbezüglich ist folgendes auszuführen:
Im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11, vom 27.03.2024 wird berichtet, dass die SNA Zivilisten in ihren Gebieten keine Wehrpflicht auferlegt (vgl. Länderinformationsblatt, V. 11, S. 155). Die Version 12 des Länderinformationsblatts vom 08.05.2025 macht zu den Rekrutierungspraktiken der SNA keine Angaben, es ergeben sich allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese nach dem Zerfall des Regimes verändert hätten. Gleiches gilt auch für die EUAA Berichte Country Guidance (April 2024) und Country Focus (März 2025). Die Version 12 des Länderinformationsblattes verweist weiters „für ältere, aber nicht notgedrungen veraltete, Informationen“ auf die Version 11 (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 9). Aus Sicht des erkennenden Bundesverwaltungsgerichts ist somit weiterhin davon auszugehen, dass es seitens der SNA keine derartige Wehrpflicht gibt.
Der Beschwerdeführer selbst bringt in der mündlichen Verhandlung keine Furcht vor einer Zwangsrekrutierung oder einem Wehrdienst seitens der SNA vor. Er betont bloß, dass er Repressionen seitens der SNA-Truppen, die ihn im Jahr 2012 festhielten, die er nach wie vor in XXXX vermutet, fürchtet (vgl. VHS, S. 11).
Hierzu ist anzumerken, dass er, wie er selbst eingesteht, aufgrund seines syrischen Militärausweises von der SNA schikaniert wurde (vgl. VHS, S. 11). Wie festgestellt und schon beweiswürdigend dargelegt, existiert das syrische Regime und auch dessen Armee nicht mehr. Dieser Grund der SNA, den Beschwerdeführer zu verfolgen, fällt damit also unweigerlich weg. Es ist nicht damit zu rechnen, dass ihm im Falle der Rückkehr nach Syrien weiterhin derartige Geschehnisse drohen würden.
Aus Sicht des erkennenden Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass jene Personen, die den Beschwerdeführer im Jahr 2012 festgenommen haben sollen, noch immer in derselben Region bzw. gar in derselben Stadt verweilen oder heute Positionen innehaben, die sie in die Lage versetzen würden, gezielt gegen den Beschwerdeführer vorzugehen.
Der Beschwerdeführer nannte im Laufe des Verfahrens weder konkrete Namen von Personen noch bestimmte Untergruppen der damaligen FSA, vor denen er sich aktuell fürchtet. Stattdessen beschränkt er sich auf die pauschale Behauptung, dass die damaligen Täter heute noch immer an der Macht seien (vgl. VHS, S. 11). Diese Darstellung erachtet das Bundesverwaltungsgericht jedoch als wenig glaubhaft und in Anbetracht der bekannten Entwicklungen in der Region als äußerst unwahrscheinlich.
Wie bereits festgestellt, ist die damalige FSA inzwischen in der SNA aufgegangen. Solche Übergänge führen typischerweise zu einer erheblichen Veränderung der inneren Machtverhältnisse.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die betreffende Stadt seit dem Jahr 2012 mehrfach den kontrollierenden Akteur gewechselt hat. Verschiedene bewaffnete Gruppen haben im Laufe der Jahre die Kontrolle übernommen, was die Wahrscheinlichkeit, dass dieselben Personen weiterhin Einfluss ausüben oder überhaupt noch vor Ort sind, weiter verringert. Wie aus den historischen Landkarten zur Gebietskontrolle des Cartercenters hervorgeht, eroberte der IS im Sommer 2014 die Stadt. Im September 2017 befreiten die kurdisch dominierten SDF der Demokratischen Selbstverwaltung Nord und Ost- Syriens XXXX und übernahmen die Kontrolle. Im Jänner 2020 waren die SDF aufgrund von türkischen Offensiven gezwungen Stationierungen von Truppen der syrischen Armee in XXXX zu akzeptieren um die Position zu stärken. Letztlich eroberte die SNA XXXX im Dezember 2024 im Rahmen der schon weiter oben beschriebenen Operation „Dawn of Freedom“.
Dazu kommt weiters, dass die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers hinsichtlich einer behaupteten Verfolgung durch die SNA im Verlauf des Verfahrens unterschiedliche Gestalten annimmt, wobei sie sich nicht nur in ihrer Darstellung verändert, sondern sich in wesentlichen und zentralen Punkten teilweise sogar widerspricht. Diese Inkonsistenzen betreffen dabei nicht bloß nebensächliche Details, sondern grundlegende Elemente des Vorbringens, was aus Sicht des erkennenden Bundesverwaltungsgerichts erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der geschilderten Erlebnisse aufkommen lässt und die Annahme nahelegt, dass die Darstellung der angeblichen Gefährdungslage nachträglich angepasst oder ausgeschmückt wurde:
Bei der Einvernahme vor der belangten Behörde führte er aus, er habe sich unter dem Vorwand, etwas zu Essen zu kaufen, aus dem Lager entfernt und sei zu einer nahegelegenen Stationierung der Freien Syrischen Armee (in Folge: FSA) gegangen um sich dort festnehmen zu lassen. Folglich sei er dort etwa drei Monate lang festgehalten und geschlagen worden, bis seine Ehefrau ihn durch Zahlung eines Geldbetrags von ca. 3.700 US-Dollar freikaufen konnte (vgl. AS 39ff). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führt der Beschwerdeführer dem widersprechend aus, er sei in Homs von der FSA abgefangen worden. Erst danach sei er nach XXXX gebracht und dort freigelassen worden (vgl. VHS, S. 10). Angesichts derartiger Widersprüche im vorbringen des Beschwerdeführer ist es für das Bundesverwaltungsgericht nicht möglich, bloß aufgrund seiner Aussage im Zusammenhang der Desertionsgeschichte vom Vorhandensein einer ihm in XXXX entgegenstehenden Gruppierung von ehemaligen FSA-Militärs auszugehen.
Eine Verfolgung durch ehemalige Elemente der FSA, die unverändert als nunmehr SNA trotz der zahlreichen Eroberungen von XXXX unverändert an Ort und Stelle verharren und bloß auf eine Rückkehr des Beschwerdeführers warten um diesen erneut ins Visier zu nehmen erscheint somit äußert unwahrscheinlich.
Eine gezielte Verfolgung des Beschwerdeführers durch frühere Angehörige der FSA, die mittlerweile in die Strukturen der SNA integriert wurden, erscheint aus Sicht des erkennenden Bundesverwaltungsgerichts somit höchst unwahrscheinlich. Es ist kaum vorstellbar, dass derartige Personen trotz der zahlreichen Eroberungen von XXXX unverändert an Ort und Stelle verharren und bloß auf eine Rückkehr des Beschwerdeführers warten, um diesen erneut ins Visier zu nehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich innerhalb der bewaffneten Gruppierungen in der Region ein erheblicher personeller und organisatorischer Wandel vollzogen hat, sodass eine persönliche Verfolgungsgefahr durch konkret benannte frühere Widersacher nicht ersichtlich ist.
Zuletzt bringt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vor, er sei gefährdet, aufgrund seiner während seiner Zeit in Österreich erworbenen Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen seitens der HTS Apostasie unterstellt zu bekommen und daher verfolgt zu werden (vgl. Beschwerde, S. 2 bzw. S. 9f).
Trotz der insgesamt angespannten Menschenrechtslage in Syrien, insbesondere in den von der HTS kontrollierten Gebieten, gibt es keine Hinweise darauf, dass allein eine (behauptete) westliche Orientierung, geäußert etwa durch Lebensstil, Kleidung, persönliche Einstellungen oder Verhalten, ausreicht, um von der HTS der Apostasie bezichtigt und daher von der Gruppierung verfolgt zu werden.
Die einschlägigen Länderinformationen zur HTS zeigen, dass sich ihre repressiven Maßnahmen in erster Linie gegen Personen richten, die offen Kritik an ihrer religiösen Auslegung (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 177f) oder politischen Herrschaft äußern. Insbesondere bedroht wären wohl Journalist:innen, Aktivist:innen oder Personen, denen Spionage oder Zusammenarbeit mit feindlichen Akteuren vorgeworfen würde. Auch wenn die HTS ihre rigide Auslegung islamischer Normen durchsetzt, betrifft dies vorrangig sichtbare oder organisierte Opposition, nicht aber passiv lebende Personen mit westlich geprägter Lebenseinstellung, sofern sie sich nicht aktiv gegen die Autorität der Gruppierung stellen (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 178ff). Entsprechend erscheint eine pauschale Gefährdung solcher Personen durch den Vorwurf der Apostasie aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht begründbar. Der Beschwerdeführer fällt als sunnitischer Moslem nicht einmal in die Gruppe die potenziell wegen ihrer Religion gefährdet sein könnte (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 177f).
Wie festgestellt und schon weiter oben beweiswürdigend erörtert, hat aber nicht die HTS, sondern die SNA am Herkunftsort des Beschwerdeführers die Gebietskontrolle inne. Folglich geht dieses Vorbringen des Beschwerdeführers ins Leere. Selbst wenn die HTS Probleme mit der westlicheren Lebenseinstellung des Beschwerdeführers hätte, könnte er den Beschwerdeführer an seinem Herkunftsort nicht verfolgen oder bedrohen.
Auch seitens der SNA sind nach den einschlägigen Länderinformationen keine Repressionen aufgrund einer solchen westlicheren Lebenshaltung zu erwarten (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 170ff). Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer Araber und nicht Kurde. Bloß Kurden müssten wohl angesichts der Länderinformationen mit Verfolgungen seitens der SNA rechnen (vgl. Länderinformationsblatt, V. 12, S. 161ff).
Gesamtheitlich betrachtet sind die Fluchtgründe des Beschwerdeführers somit zur Gänze weggefallen oder widerlegt. Im Falle der Rückkehr nach Syrien droht ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine individuelle Verfolgung oder Bedrohung.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Dabei ist insbesondere auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 12, vom 08.05.2025 hinzuweisen. Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehenen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Im vorliegenden Fall besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
§ 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) idgF lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
[…]“
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 19.10.2000, 98/20/0233).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH vom 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
Artikel 9 Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes) idgF lautet:
„Verfolgungshandlungen
(1) Um als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, muss eine Handlung
a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder
b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist. 20.12.2011 Amtsblatt der Europäischen Union L 337/15 DE
(2) Als Verfolgung im Sinne von Absatz 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und
f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Gemäß Artikel 2 Buchstabe d muss eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Gründen und den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen.“
Die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes rechtfertigt für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling. Der VwGH geht von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschn A Z 2 FlKonv angeführten Gründen erfolgt, in denen der Asylwerber damit rechnen müsste, dass er hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (vgl. VwGH vom 11.10.2000, 2000/01/0326).
Wie festgestellt, geht vom mittlerweile gestürzten syrischen Regime keine Verfolgung mehr aus. Dies entspricht auch der aktuellen Position des UNHCR, die ausdrücklich festhält, dass Risiken in Bezug auf die Verfolgung durch die frühere Regierung aufgehört haben (vgl. UNHCR-Position vom 16.12.2024). Dem Vorbringen bezüglich einer Verfolgung aufgrund er vorgebrachten Desertion des Beschwerdeführers durch das syrische Regime ist damit die Grundlage entzogen.
Hinsichtlich der oft als „kurdische Wehrpflicht“ bezeichnete Selbstverteidigungspflicht der SDF ist folgendes auszuführen: Die Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien ist ein de facto autonomes Gebiet im Nordosten von Syrien, das jedoch nicht anerkannt ist. Bereits aus diesem Grund, liegt gegenständlich – mangels Militärdienstes eines souveränen Staates – im Hinblick auf die Selbstverteidigungspflicht der Tatbestand einer Verfolgungshandlung gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. e der Statusrichtlinie nicht vor. Wie festgestellt, fällt der Beschwerdeführer nicht in die wehrpflichtige Altersgruppe, da er noch vor 1998 geboren wurde. Weiters hat die Demokratische Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers keine Gebietskontrolle. Sie kann dort also nicht für die Selbstverteidigungspflicht rekrutieren. Allein schon aus diesen Gründen erscheint eine Gefährdung nicht nur sehr unwahrscheinlich, sie ist also praktisch auch unmöglich.
Auch seitens der SNA geht hinsichtlich einer Rekrutierung keine Gefahr aus. Wie festgestellt, erlegt diese der Bevölkerung in ihren Gebieten keine Wehrpflicht auf.
Eine dem Beschwerdeführer drohende, individuelle Verfolgung von überdauernden Elementen der ehemaligen FSA innerhalb der SNA in XXXX konnte dieser nicht glaubhaft machen.
Auch im Hinblick auf den Asylgrund der Zugehörigkeit zu einer „sozialen Gruppe“ wie etwa den „ehemaligen Soldaten des syrischen Regimes“ oder „den Personen die einst von der SFA festgehalten wurden“ ist gegenständlich nichts zu gewinnen.
Zum Vorliegen einer solchen Gruppe (iSd § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG iVm Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie) bedarf es nach der Rechtsprechung der Erfüllung zweier kumulativer Voraussetzungen: Zum einen müssen die Mitglieder der Gruppe „angeborene Merkmale“ oder einen „Hintergrund, der nicht verändert werden kann“, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, „die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten“. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der als sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Eine soziale Gruppe kann nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2019/18/0421).
Aus den festgestellten Länderinformationen lässt sich aber nicht ableiten, dass die Personen, die entweder einst für das die Armee des syrischen Regimes tätig waren oder einst von der SNA festgehalten wurden, von der sie umgebenden Gesellschaft – also wohl insbesondere den Bewohner:innen des von XXXX und der Umgebung dieser Stadt als „andersartig“ betrachtet werden.
Der Beschwerdeführer schaffte es schon allein aufgrund des Umstandes, dass, wie festgestellt, die SNA und nicht die HTS seine Herkunftsregion kotrolliert, nicht glaubhaft zu machen, dass er aufgrund seiner westlicheren Einstellung bzw. Lebensweise gefährdet wäre, einer individuellen Verfolgung ausgesetzt zu sein. Auch seitens der SNA wären aufgrund derartiger Einstellungen keine individuellen Verfolgungshandlungen zu erwarten.
Eine Verfolgungsgefahr bloß aufgrund der Ausreise aus Syrien oder der Antragstellung im Ausland ist vor dem Hintergrund der Länderberichte ebenfalls nicht anzunehmen. Den Länderberichten lässt sich - wie bereits ausgeführt - nicht entnehmen, dass Rückkehrende in Gebieten, die unter Kontrolle der SNA stehen, von diesen verübten systematischen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wären.
Im gegenständlichen Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine „begründete Furcht vor Verfolgung“ im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen eine asylrelevante Verfolgung seitens der SNA oder durch andere Gruppierungen droht.
Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen durch die SNA maßgeblich wahrscheinlich scheinen ließen. Die allgemeine Lage in Syrien ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.
Auch wenn der Beschwerdeführer ein oder mehrere Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien erfüllen würde, würde dies nicht per se zur Annahme einer asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung führen. Vielmehr erfordern die gegenständlichen UNHCR-Richtlinien eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass zu keinem Zeitpunkt eine konkrete auf den Beschwerdeführer bezogene Verfolgung aus einem Konventionsgrund festgestellt werden konnte.
Aus der allgemeinen Lage in Syrien ist im konkreten Bezug des Beschwerdeführers kein Status eines Asylberechtigten abzuleiten. Der Bürgerkriegszustand betrifft nicht speziell den Bf, sondern die gesamte syrische Bevölkerung in gleicher Weise und ist daher nicht asylrelevant. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH vom 14.03.1995, Zl. 94/20/0798 sowie VwGH vom 17.06.1993, Zl. 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. zB VwGH vom 09.05.1996, Zl. 95/20/0161; vom 30.04.1997, Zl. 95/01/0529, sowie vom 08.09.1999, Zl. 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre.
Im gegenständlichen Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine „begründete Furcht vor Verfolgung“ im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.