W207 2311103-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzende über die Beschwerde von XXXX geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 16.12.2024, OB: 78035265500025, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des festgestellten Grades der Behinderung in Höhe von 50 (fünfzig) von Hundert (v.H.) vor.
Der Behindertenpass ist befristet bis 31.03.2026 auszustellen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein in Österreich asylberechtigter Staatsangehöriger des Iran, stellte am 23.10.2024 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
Nach Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Unfallchirurgie sowie Arztes für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung vom 26.11.2024, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.11.2024, in dem das Vorliegen der Funktionseinschränkungen „Depressive Störung; Oberer Rahmensatz dieser Position, da nach mehrfachen stationärer Behandlung medikamentös stabilisiert, ohne psychotische Symptome“, bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 40 v.H. nach der Positionsnummer 03.06.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, sowie „Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat; Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden vor allem im Bereich der Schulter- und Kniegelenke mit geringgradigen funktionellen Einschränkungen“, bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 02.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, und ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt wurde, sowie auf Grundlage einer ergänzenden ärztlichen Stellungnahme dieses Sachverständigen vom 16.12.2024, wurde dieser Antrag des Beschwerdeführers vom 23.10.2024 auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.12.2024 abgewiesen, da der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 40% die Voraussetzungen nicht erfülle. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei, wonach der Grad der Behinderung 40% betrage. Auf Grund der im Zuge des Parteiengehörs erhobenen Einwände sei eine abermalige Überprüfung durch den ärztlichen Sachverständigen durchgeführt und festgestellt worden, dass es zu keiner Änderung der Sachlage gekommen sei.
Gegen diesen Bescheid vom 16.12.2024 erhob der Beschwerdeführer mit mit 11.12.2024 datiertem, aber am 14.01.2025 bei der belangten Behörde eingebrachten Schreiben unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen fristgerecht die gegenständliche Beschwerde.
Im Rahmen eines beabsichtigten Beschwerdevorentscheidungsverfahrens holte die belangte Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin –beruhend auf einer persönlichen Untersuchung am 28.03.2025 - vom 07.04.2025 ein.
In diesem Sachverständigengutachten vom 07.04.2025 wurde – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – Folgendes ausgeführt:
„[….] Anamnese:
Vorgutachten 25.11.2024
depressive Störung, 40%, oberer Rahmensatz, da nach mehrfachen stationärer Behandlung medikamentös stabilisiert, ohne psychotische Symptome.
Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat, 20%
Gesamt GdB 40%
Beschwerdevorentscheidung
Der AW kommt alleine, unter Benützung eines Rollators zur Untersuchung. Er wirkt belastet und weinerlich, bringt 2 neue Befunde mit. Zu erheben sind multiple Aufnahme auf Psychiatrien, letztmalig 14.12.-27.12.2024, über die Notaufnahme nach Suizidversuch (Querschnitt am Handgelenk links).
Aus dem Brief ist folgendes zu entnehmen:
war bis inklusive 14.10.2024 auf Station 28 aufgenommen und hat bislang keine unserer Empfehlungen zur ambulant weiterführenden Behandlung umsetzen können. Er berichtet von 3 Selbstmordversuchen, 1x vor die U-Bahn werfen, 1x mit Medikamenten und 1x
Aufschneiden am Handgelenk. Er hätte 6 Krankenhausaufenthalte hinter sich. Auf meine Frage, warum er nicht in ambulant-psychiatrischer Betreuung sei kann er mir keine Antwort geben, er sei jedoch in regelmäßig ambulanter orthopädischer Betreuung und würde Spritzen bekommen
Derzeitige Beschwerden:
siehe oben
keine fachärztlich psychiatrische Betreuung
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikation: bekommt er über Hausarzt, laut Entlassungsbrief:
- Venlafaxin 150 mg
- Mirtazapin 30 mg
- Quetialan ret. 200 mg 0-0-1/2
- Rosuvastatin 0-0-1
- Amlodipin 1-0-0
- Dominal bei Bedarf
Sozialanamnese:
AMS, derzeit im Krankenstand
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
mitgebracht:
Klinik X, Psychiatrie, Aufnahme vom 14.-27.12.2024
über die Notfallaufnahme wo ein Zustand nach Suizidversuch (Querschnitt am Handgelenk links) erstversorgt wurde.
Habe im Vorfeld Alkohol konsumiert (2 Bier) und seine antidepressive Therapie Venlafaxin in erhöhter Dosis eingenommen. ...habe bislang keine unserer Empfehlungen zur ambulant weiterführenden Behandlung umsetzen können. Als Auslöser für den Suizidversuch benennt Herr P Konflikt mit der Familie
Maßnahmen: dringliche Empfehlung zur ambulanten Psychotherapie in der Muttersprache über H, Fortführung der antidepressiven Medikation bei krisenhafter Zuspitzung, Vorstellung in unserer Notfallambulanz ... erweiterten die Medikation um Mirtazapin. Im gedolmetschten Einzelkontakt bemühten wir uns um die Erarbeitung eines gemeinsamen Krankheitsmodells und versuchen entsprechende Vermeidungsverhalten zu reduzieren. Im therapeutischen Zugang konnte sich Herr P nur bedingt öffnen, unsere Empfehlung eine über H bereits begonnene Psychotherapie wieder aufzunehmen konnte der Patient erst mit Nachdruck folgen. Empfehlungen Vermeidungsstrategien zu reduzieren (Konflikt mit Ehefrau, Kontaktaufnahme mit Schuldenberater) konnte der Patient nicht umsetzen
Befundbericht Dr. F, Allgemeinmedizin, 9.1.2025
Diagnosen: psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, schädlicher Gebrauch, rezidivierende depressive Störung - derzeit schwere Episode, arterielle essentielle Hypertonie, Schilddrüsenfehlfunktion, Gonarthrosis bds., Dyslipidämie
Derzeit folgende Medikamente: Venlafaxis 150 mg, Mirtazepin 30 mg, Quetiapin 200 mg, Amlodipin/Valsertan/HTC, Rosuvastatin 10 mg, Dominal 80 mg
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Ernährungszustand:
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
NB: dem AW fällt es sichtlich schwer, meinen Aufforderungen Folge zu leisten, teilweise sicherlich auch aufgrund der Sprachbarriere
HN: stgl. unauffällig
OE: Angabe von multilokulären Schmerzen, eine Kraftprüfung ist deshalb nicht suffizient möglich, MER unterlebhaft, VdA geringes Absinken ohne Pronieren, Feinmotorik nicht prüfbar
UE: generell Schmerzangabe, Kraft- sowie Tonusprüfung ist nicht möglich, MER an den Knien kann aufgrund Schmerzangabe nicht durchgeführt werden, ASR schwach
Gesamtmobilität – Gangbild:
Stand und Gang: Transfer selbst möglich, Gehen auf den Rollator gestützt etwas verbreitert und verlangsamt, jedoch ausreichend schnell möglich
Status Psychicus:
(Sprachbarriere), AW wach, orientiert, Duktus nachvollziehbar, jedoch von Klage erfüllt, wirkt verzweifelt, bricht in Tränen aus, keine eindeutig produktive Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung, Stimmung ausgeprägt depressiv, im positiven Skalenbereich nicht erreichbar, Realitätssinn ausreichend erhalten, Auffassung, Konzentration reduziert
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 im GdB nicht angehoben, da kein maßgeblich ungünstiges Zusammenwirken besteht
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
keine
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Leiden 1 wird aufgrund vorliegender Befunde bzw. der Untersuchung ho. um 1 Stufe höher eingeschätzt
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Anhebung des Gesamt GdB um 1 Stufe auf 50%
X Nachuntersuchung 03/2026 - Besserung Leiden 1 unter durchgehender ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischer Betreuung, wie z.B. bei H., PSD 22 möglich, Kontrolle in 1 Jahr unter Vorlage eines ambulanten Behandlungsnachweises
[…..]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
keine, ein behinderungsbedingt überwiegender Bedarf eines Rollators ist aus den ho. vorliegenden Unterlagen und der Untersuchung nicht ausreichend begründbar. Kurze Wegstrecken (300-400m) können selbständig zurückgelegt werden, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht maßgeblich beeinträchtigt, die Orientierung und Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum ist ausreichend vorhanden. Eine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kann nicht ausreichend begründet werden.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein.
[….]“
In diesem medizinischen Sachverständigengutachten vom 07.04.2025 wurde eine Nachuntersuchung im März 2026 für erforderlich erachtet, weil eine Besserung des Leidens 1 unter durchgehender ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischer Betreuung möglich ist.
Da die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung fristgerecht nicht mehr möglich gewesen sei, brach die belangte Behörde in der Folge das Beschwerdevorentscheidungsverfahren ab und legte am 16.04.2025 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
Mit Parteiengehörsschreiben vom 23.04.2025 informierte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer und die belangte Behörde, sohin die Parteien des Verfahrens, über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zum ärztlichen Sachverständigengutachten vom 07.04.2025, das gemeinsam mit diesem Schreiben übermittelt wurde, eine Stellungnahme abzugeben. Die Parteien des Verfahrens wurden in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, sollten sie eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen, das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden. Die Parteien des Verfahrens wurden weiters darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung – in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten vom 07.04.2025 - auf der Grundlage der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, wonach beim Beschwerdeführer aktuell ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. vorliege und damit grundsätzlich auch die Voraussetzungen für die Ausstellung eines bis März 2026 befristeten Behindertenpasses gegeben seien, erlassen werde, soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordere.
Dieses Parteiengehörsschreiben wurde der belangten Behörde am 23.04.2025, dem Beschwerdeführer entsprechend der im Akt aufliegenden „Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments“ am 28.04.2025 zugestellt (und in der Folge am 06.05.2025 behoben).
Weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde gaben eine Stellungnahme ab. Das von der belangten Behörde im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 07.04.2025 blieb daher von den Parteien des Verfahrens unbestritten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer brachte am 23.10.2024 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.
Der Beschwerdeführer, ein in Österreich asylberechtigter Staatsangehöriger des Iran, hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden objektivierten Funktionseinschränkungen:
1. rezidivierend depressive Störung - gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, Zustand nach Spitalsaufenthalt 12/2024 im Rahmen Suizidversuch; Leistungsfähigkeit und soziale Kontakte sind schwer aufrecht zu erhalten. Rezidivierend stationäre Aufenthalte, SMV, jedoch ohne psychiatrisch oder psychotherapeutische Behandlung im niedergelassenen Bereich, obwohl dies anamnestisch orthopädisch gelingt
2. Aufbraucherscheinung am Stütz- und Bewegungsapparat; rezidivierende Beschwerden vor allem im Bereich der Schulter und Kniegelenke mit geringgradig funktionellen Einschränkungen
Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 50 v.H.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.04.2025, das vom Beschwerdeführer unbestritten blieb, der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, aus einer im Akt aufliegenden Kopie der Karte für Asylberechtigte gemäß § 51a AsylG 2005 und einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Behördenanfrage aus dem zentralen Melderegister und ist im Übrigen unstrittig.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der von 40 v.H. auf 50 v.H. erhöhte Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.04.2025. Wie diesem Sachverständigengutachten zu entnehmen ist, war auf Grundlage der vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde und der nachfolgenden persönlichen Untersuchung am 28.03.2025 neu vorgelegten medizinischen Unterlagen eine Neubewertung des Leidens 1 in dem Sinne, dass sich dieses als verschlechtert gegenüber dem Vorgutachten vom 16.12.2024 erweist, vorzunehmen.
Wie bereits erwähnt, ist der Beschwerdeführer diesem Sachverständigengutachten vom 07.04.2025 im Rahmen des ihm vom Bundesverwaltungsgericht eingeräumten Parteiengehörs nicht entgegengetreten. Dieses Sachverständigengutachten blieb daher unbestritten. Da es als vollständig und schlüssig anzusehen ist - die diesbezüglich getroffenen Einschätzungen auf Grundlage der Anlage zur Einschätzungsverordnung, basierend auf den vom Beschwerdeführer (auch im Rahmen der Beschwerde) vorgelegten medizinischen Unterlagen und auf den Ergebnissen der persönlichen Untersuchung vom 28.03.2025, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen -, wird es vom Bundesverwaltungsgericht in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 1. (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
…
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen.
…
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“
§ 3 der Einschätzungsverordnung lautet:
„Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn - sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt, - zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.“
Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das von der belangten Behörde im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.04.2025, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 50 v.H. beträgt, der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt. Dieses Sachverständigengutachten ist als vollständig und schlüssig anzusehen, die diesbezüglich getroffenen Einschätzungen auf Grundlage der Anlage zur Einschätzungsverordnung, basierend auf den vom Beschwerdeführer (auch im Rahmen der Beschwerde) vorgelegten medizinischen Unterlagen und auf den Ergebnissen der persönlichen Untersuchung vom 28.03.2025, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Dieses Sachverständigengutachten blieb vom Beschwerdeführer im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs unbestritten.
Ausgehend von diesem Sachverständigengutachten liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, mit einem aktuellen Grad der Behinderung von 50 v.H. daher vor.
Die im Spruch angeführte Befristung gründet sich auf die im ärztlichen Sachverständigengutachten vom 07.04.2025 für erforderlich erachtete Nachuntersuchung im März 2026, weil eine Besserung des Leidens 1 unter durchgehender ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischer Betreuung möglich ist.
Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben, der Grad der Behinderung aktuell mit 50 v.H. festzusetzen und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens vom 07.04.2025, das vom Beschwerdeführer nicht bestritten wurden, geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war, zumal dem Beschwerdebegehren mit diesen Sachverständigengutachten Rechnung getragen wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Rückverweise