JudikaturBVwG

L532 2312913-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2025

Spruch

L532 2312913-1/5Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Georg WILD-NAHODIL über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4 in 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2025, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheide Folge gegeben und Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Feststellungen:

1. Der Beschwerdeführer (i.d.F. „BF“), ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte nach unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 11.03.2025 (im Stande der am 10.03.2025 ausgesprochenen Anhaltung) einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag zum Fluchtgrund befragt, legte er zusammengefasst dar, er sei im Alter von 15 Jahren von einer kriminellen Organisation entführt und zur Begehung von Straftaten gezwungen worden. Er habe bis 2006 zahlreiche Delikte begangen, sei im Anschluss festgenommen worden und habe unter polizeilicher Folter alles zugegeben. Im Zeitraum 2006 bis 2017 habe er eine Haftstrafe verbüßt, dem Vorbringen, er sei von der Polizei gefoltert worden, habe das türkische Gericht keine Bedeutung beigemessen. Nachdem er aufgrund seiner Vorstrafen aus dem Militärdienst entlassen worden sei, sei er nach Mersin gegangen, wo er von seinen Verfolgern aufgespürt worden sei. Vor seiner Ausreise habe er sich in Antalya aufgehalten.

2. Im Rahmen der behördlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (i.d.F. „Bundesamt“ oder „bB“) äußerte sich der BF am 28.05.2025 näher zu von Privaten ausgehenden Verfolgungshandlungen. Er brachte vor, er habe mit der Polizei zusammengearbeitet, weshalb er von einer Organisation, die sich dem Handel mit Rauschgift verschrieben habe, verfolgt worden sei. Die Polizei habe ihn im Stich gelassen. Im Rückkehrfall befürchte er eine empfindliche Haftstrafe oder sein Ableben, da er gegen die o.g. Organisation ausgesagt habe. Auch hätten im Jahr 2024 unmittelbar vor der Ausreise von Seiten dieser Organisation physische Übergriffe gegen seine Person stattgefunden.

3. Mit dem bekämpften Bescheid vom 28.04.2025 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die Türkei gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs 1a FPG nicht gewährt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen den Bescheid wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (i.d.F. „Bundesamt“ bzw. „bB“) im Hinblick auf die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen aus, der BF habe keinen asylrelevanten Ausreisegrund vorgebracht.

4. Gegen den dem BF am 29.04.2025 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (i.d.F. „BVwG“).

In dieser wird angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zusammengefasst legt der Beschwerdeschriftsatz hiezu dar, der BF habe den Asylantrag ehestmöglich, nämlich am seiner Einreise folgenden Tag, gestellt, der Verzögerung lägen sprachliche Defizite zugrunde.

5. Die Beschwerdevorlage langte am 19.05.2025 in Wien ein. Am selben Tag wurde der Akt der Gerichtsabteilung L508 zugewiesen, welche unverzüglich eine Unzuständigkeitsanzeige erhob. In weiterer Folge wurde der Akt am 20.05.2025 der Gerichtsabteilung L532 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

3.1. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es – im Sinne einer Grobprüfung – von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben des BF als „vertretbare Behauptungen“ zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

3.2. Indem die bB in Spruchpunkt VII. des bekämpften Bescheides einer Beschwerde gem. § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt hat, stellte sie in ihrer rechtlichen Würdigung des Vorbringens darauf ab, dass der BF „Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat“.

3.3. Den Aussagen des BF in seiner Erstbefragung sowie im Rahmen der behördlichen Einvernahme ist demgegenüber zu entnehmen, dass er sein Schutzbegehren primär auf eine Verfolgung unter Privaten stützt und behauptet, der türkische Staat erweise sich als schutzunwillig bzw. schutzunfähig.

Dass er Verfolgungsgründe gar nicht vorgebracht habe, lässt sich den entsprechenden Niederschriften sohin nicht entnehmen bzw. steht diese Einschätzung im Widerspruch zum Inhalt der Niederschriften.

Wie sich bereits aus der klaren Textierung der Z 4 des § 18 Abs 1 BFA-VG sowie nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 6 Z 1 AsylG 1997 hervorgeht, kommt es bei § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG nicht auf eine eventuell fehlende Glaubhaftigkeit bzw. die Eintrittsgefahr der behaupteten Verfolgung an, sondern auf den Umstand, ob Verfolgungsgründe überhaupt vorgetragen wurden (vgl. VwGH vom 21.11.2002, 2001/20/0005; VwGH vom 22.10.2003, 2002/20/0151; VwGH vom 01.04.2004, 2002/20/0347).

Aus der bescheidbegründenden Ausführung des Bundesamtes, der BF habe „keine asylrelevanten Gründe geltend gemacht“ (AS 281), ist daher für den Rechtsstandpunkt der Behörde im Lichte des oben Gesagten nichts zu gewinnen.

3.4. Die Anwendung des § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG erweist sich sohin im Ergebnis als nicht rechtskonform, da die bB irrtümlich die (potentielle) Asylrelevanz des Vorbringens zum Prüfmaßstab erhob, anstatt ausschließlich auf das bloße Vorbringen eines – wie auch immer gearteten – Verfolgungsszenarios abzustellen, und war folglich spruchgemäß – dem Rechtsstandpunkt des BF Rechnung tragend - zu entscheiden.

3.5. Ausdrücklich festgehalten wird, dass das gegenständliche Teilerkenntnis keinesfalls als Präjudiz im Hinblick auf die Entscheidung in der Hauptsache zu verstehen ist.

3.6. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, da der für die Erlassung des gegenständlichen Teilerkenntnisses maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung von internationalem Schutz ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgeht. Darüber hinaus liegt bei Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage wie im gegenständlichen Fall eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

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