JudikaturBVwG

W221 2307222-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 2025

Spruch

W221 2307222-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gesetzlich vertreten durch den Vater XXXX dieser vertreten durch die BBU, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2025, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Am 24.10.2024 stellten die Eltern als gesetzliche Vertreter für den in Österreich nachgeborenen, minderjährigen Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, mit der Angabe, dass der Beschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe habe.

Am 18.12.2024 wurde der Vater als gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich einvernommen. Zu den Fluchtgründe befragt gab er an, dass der Beschwerdeführer sich auf die Fluchtgründe der Mutter beziehe.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2025 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte bis zum 18.04.2026 gemäß § 8 Abs. 5 iVm Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Somalia, stellte die Identität des Beschwerdeführers fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die gesetzlichen Vertreter für den Beschwerdeführer keine gesonderten Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen vorgebracht haben. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer einer künftigen Verfolgungshandlung ausgesetzt wäre. Des Weiteren sei es bereits der Mutter in ihrem Asylverfahren nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass sie in ihrem Heimatland einer asylrelevanten Gefährdungslage ausgesetzt gewesen sei. Im gegebenen Fall liege jedoch ein Familienverfahren vor. Die Frage einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimat – ohne seine Eltern – stelle sich daher nicht.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurden im Wesentlichen mangelhafte Ermittlungen, mangelhafte Länderfeststellungen, eine mangelhafte Beweiswürdigung und die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides geltend gemacht. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer als Kind in Somalia keine Rechte zustünden und es zu Rekrutierungen, geschlechtsspezifischer Gewalt und Kinderarbeit komme.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 07.02.2025 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Österreich geboren. Er ist Staatsangehöriger von Somalia, gehört dem Clan der Hawiye, Subclan Sheikhal, an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben.

Die Eltern des Beschwerdeführers Eltern (Mutter, Vater) sind traditionell verheiratet und leben als subsidiär Schutzberechtigte zusammen mit dem Beschwerdeführer in Österreich.

Der Beschwerdeführer wäre in Somalia keiner wie auch immer gearteter Gefahr von physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt. Insbesondere besteht für den Beschwerdeführer aufgrund der von seiner Mutter behaupteten Fluchtgründe in deren Asylverfahren (versuchte Zwangsverheiratung im Jahr 2013 durch die Al-Shabaab und Entführung sowie 15-tägige Gefangenschaft durch die Al-Shabaab), aufgrund seiner Eigenschaft als Kind und aufgrund seiner Clanzugehörigkeit keine solche Gefahr.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Aus dem Länderinformationsblatt Somalia der Staatendokumentation, Stand: 08.01.2024 „(Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten

Kindersoldaten: Allen Konfliktparteien wird vorgeworfen, Kinder zu rekrutieren (BS 2022, S. 19). Im Jahr 2021 gab es immer wieder Berichte über den Einsatz von Kindersoldaten durch die Bundesarmee, alliierte Milizen, die Sufi-Miliz Ahlu Sunna Wal Jama’a (ASWJ) und al Shabaab (USDOS 12.4.2022, S. 16). Im ersten Halbjahr 2021 sind 631 Kinder rekrutiert und eingesetzt worden; weitere 348 wurden entführt - oft mit dem Ziel einer Rekrutierung. Für 77 % der Fälle zeichnet al Shabaab verantwortlich (UNSC 6.10.2021). Dahingegen waren im Vergleichszeitraum 2020 insgesamt 535 Kinder rekrutiert worden, mehr als 400 davon durch al Shabaab. Im Jahr 2019 waren noch 1.169 durch al Shabaab rekrutiert worden, 2018 waren es 2.300 (UNSC 28.9.2020, Abs. 137f). Die Regierung versucht der Rekrutierung von Kindern durch die Armee mit Ausbildungs- und Screening-Programmen entgegenzuwirken. Der Umstand, dass es keine Geburtenregistrierung gibt, macht diese Arbeit schwierig (USDOS 12.4.2022, S. 16f).

Generell wird festgestellt, dass immer dann, wenn aktive Kampfhandlungen zunehmen, in der Vergangenheit ein damit verbundener Anstieg bei der Rekrutierung von Kindern zu verzeichnen war (UNSC 6.10.2021). Gerade in umkämpften Gebieten ist wiederholt eine besonders hohe Zahl an Rekrutierungen zu verzeichnen (AA 28.6.2022, S. 17).

Kindersoldaten - al Shabaab: Al Shabaab ist weniger an die Rekrutierung Erwachsener als an der Rekrutierung von 8-12-jährigen Kindern interessiert. Diese sind leichter zu indoktrinieren und formbarer (Sahan 6.5.2022). Al Shabaab rekrutiert und entführt auch weiterhin Kinder (UNSC 10.10.2022, Abs. 127; vgl. ÖB 11.2022, S. 6; HRW 13.1.2022). Alleine im Zeitraum Jänner bis März 2022 sind 177 derartige Fälle bekannt (UNSC 10.10.2022, Abs. 127). Die Gruppe entführt systematisch Kinder von Minderheitengruppen (BS 2022, S. 19). Al Shabaab führt u. a. Razzien gegen Schulen, Madrassen und Moscheen durch (USDOS 12.4.2022, S. 17). Es gibt Berichte über Gruppenentführungen aus Madrassen heraus. So sind etwa bei zwei Vorfällen in Bay und Hiiraan im ersten Halbjahr 2021 insgesamt 35 Buben entführt und zwangsrekrutiert worden (UNSC 6.10.2021). Außerdem indoktriniert und rekrutiert al Shabaab Kinder gezielt in Schulen (USDOS 12.4.2022, S. 17; vgl. UNSC 6.10.2021; ÖB 11.2022, S. 6). Al Shabaab betreibt eigene Schulen mit eigenem Curriculum. Die besten Schüler werden einer höheren Bildung zugeführt, während der große Rest in Ausbildungslager der Gruppe gebracht wird (VOA 16.11.2022).

Manchmal werden Clanälteste bedroht und erpresst, damit Kinder an die Gruppe abgegeben werden (USDOS 12.4.2022, S. 17). Es wird mitunter auch Gewalt angewendet, um von Gemeinden und Ältesten junge Rekruten zu erpressen (BS 2022, S. 19). In den Gebieten unter ihrer Kontrolle verlangt al Shabaab von Familien, dass sie einen oder zwei ihrer Buben in ihre Ausbildungslager schicken. Familien, die sich weigern, müssen mit Bußgeldern rechnen; manchmal werden sie auch mit Strafverfolgung oder Schlimmerem bedroht. Manche Familien schicken ihre Buben weg, damit sie einer Rekrutierung entgehen (Sahan 6.5.2022). Knapp die Hälfte der Kinder wird mittels Gewalt und Entführung rekrutiert, die andere durch Überzeugung der Eltern, Ältesten oder der Kinder selbst (AA 28.6.2022, S. 17). Die Methoden unterscheiden sich jedenfalls. So wurde beispielsweise ein Fall dokumentiert, wo im Gebiet um Xudur (Bakool) al Shabaab in manchen Dörfern die „freiwillige“ Übergabe von Kindern zwischen 12 und 15 Jahren forderte, während in anderen Dörfern Kinder zwangsweise rekrutiert wurden. Zudem sind Clans unterschiedlich stark betroffen. So berichten etwa die Hadame [Rahanweyn], dass immer wieder Kinder von al Shabaab zwangsrekrutiert worden sind - z.B. im Feber 2021 (UNSC 6.10.2021).

Insgesamt bleibt die freiwillige oder Zwangsrekrutierung von Kindern aber unüblich und hauptsächlich auf jene Gebiete beschränkt, wo al Shabaab am stärksten ist (Sahan 6.5.2022). Nach Angaben einer Quelle entführt al Shabaab aber systematisch Kinder von Minderheitengruppen.

[…]

Minderheiten und Clans

In ganz Somalia sehen sich Menschen, die keinem der großen Clans angehören, in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021, S. 56) und für ökonomische sowie politische Partizipation (UNHCR 22.12.2021, S. 56; vgl. BS 2022, S. 23). Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt – trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2022, S. 23). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021, S. 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UNOCHA 14.3.2022).

[…]

Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 12.4.2022, S. 41; vgl. AA 28.6.2022, S. 14; FH 2022a, F4). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 28.6.2022, S. 14). Zudem sind die Systeme gegenseitiger Unterstützung bei ihnen weniger gut ausgebaut, und sie verfügen über geringere Ressourcen (Sahan 24.10.2022) und erhalten weniger Remissen (Sahan 24.10.2022; vgl. SPC 9.2.2022). Die mächtigen Gruppen erhalten den Löwenanteil an Jobs, Ressourcen, Verträgen, Remissen und humanitärer Hilfe. Schwache Gruppen erhalten wenig bis gar nichts. Bei der Hungersnot 1991 waren die meisten Hungertoten entweder Digil-Mirifle oder Bantu. Dies gilt auch für die Hungersnot im Jahr 2011. Ein Grund dafür ist, dass humanitäre Hilfe von mächtigeren Clans vereinnahmt wird (Sahan 24.10.2022). Dementsprechend stehen Haushalte, die einer Minderheit angehören, einem höheren Maß an Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung gegenüber. Meist sind Minderheitenangehörige von informeller Arbeit abhängig, und die allgemeinen ökonomischen Probleme haben u.a. die Nachfrage nach Tagelöhnern zurückgehen lassen. Dadurch sind auch die Einkommen dramatisch gesunken (UNOCHA 14.3.2022).

[…]

Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans - oft unter Duldung lokaler Behörden (USDOS 12.4.2022, S. 41). In Mogadischu können sich Angehörige aller Clans frei bewegen und auch niederlassen. Allerdings besagt der eigene Clanhintergrund, in welchem Teil der Stadt es für eine Person am sichersten ist (FIS 7.8.2020, S. 39).

[…]

Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, S. 5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, „noble“ Clanfamilien sind meist Nomaden:

[…]

• Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.

[…]

Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017, S. 25). In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (FIS 7.8.2020, S. 38ff). Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen „nobler“ Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017, S. 5). Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, S. 9). Zudem gewinnt die Mitgliedschaft in einer islamischen Organisation immer mehr an Bedeutung. Dadurch kann eine „falsche“ Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden (BS 2022, S. 25).

[…]

Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit, Clanlose

[…]

Ashraf und Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status. Beide Clans werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil-Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014, S. 46f/103).

[…]

Relevante Bevölkerungsgruppen

[…]

Mädchen/Frauen – Weibliche Genitalverstümmelung und Beschneidung (FGM/C)

[…]

Verbreitung: FGM ist in Somalia auch weiterhin weit verbreitet (USDOS 12.4.2022, S. 37; vgl. AA 28.6.2022, S. 18) und bleibt die Norm (LI 14.9.2022, S. 16). Lange Zeit wurde die Zahl betroffener Frauen mit 98 % angegeben. Diese Zahl ist laut somalischem Gesundheitsministerium bis 2015 auf 95 % und bis 2018 auf 90 % gefallen (FIS 5.10.2018, S. 29). UN News berichtet von „mehr als 90 %“ (UNN 4.2.2022). Gemäß einer Studie aus dem Jahr 2017 sind rund 13 % der 15-17- jährigen Mädchen nicht beschnitten (STC 9.2017). In der Altersgruppe von 15-49 Jahren liegt die Prävalenz hingegen bei 98 %, jene der Infibulation bei 77 %, wie eine andere Studie besagt (BMC Yussuf 2020, S. 1f). Laut einer anderen Quelle sind 88 % der 5-9-jährigen Mädchen bereits beschnitten oder verstümmelt (CARE 4.2.2022).

[…]

Kinder

[…]

Die Regierung setzt Kinderrechte nur selten durch (Sahan 22.7.2022). Die Übergangsverfassung definiert Kinder als Personen, die jünger als 18 Jahre alt sind (USDOS 12.4.2022, S. 46). Traditionell werden Kinder allerdings ab einem Alter von 15 Jahren als volljährig erachtet (LIFOS 16.4.2019, S. 10/12). Nach anderen Angaben sehen viele Somali - und auch somalische Behörden - die Pubertät als relevantes Kriterium, um ein Kind als erwachsen zu erachten. Dem Geburtsdatum kommt im somalischen Kontext demnach nur eine geringe praktische und kulturelle Bedeutung zu (NLMBZ 1.12.2021, S. 41).

Im April 2022 waren knapp 1,4 Millionen Kinder in ganz Somalia von akuter Unterernährung betroffen, davon 330.000 von schwerer Unterernährung (UNOCHA 20.4.2022, S. 2). Somalia hat weltweit die höchste Kindersterblichkeitsrate (AI 18.8.2021, S. 5). Eines von sieben Kindern stirbt vor dem fünften Geburtstag, schuld daran sind u. a. Unterernährung, Pneumonie, Masern und Durchfallerkrankungen (LIFOS 3.7.2019, S. 11); nach anderen Angaben sind es sogar 117Todesfälle bei 1.000 Lebendgeburten. Die grundlegenden Impfungen erfolgen bei Kindern in nomadischen Gebieten bei nur 1 %, bei der restlichen ländlichen Bevölkerung bei 14 % und in Städten bei 19 % (WB 6.2021, S. 30).

Gewalt: Es kommt weiterhin zu schweren Verbrechen gegen Kinder, darunter Rekrutierungen, Verwendung von Kindersoldaten (v.a. durch al Shabaab), Tötungen und Verstümmelungen sowie geschlechtsspezifischer Gewalt (UNSC 10.10.2022, Abs. 126). Somalia findet sich unter den Ländern mit der größten Zahl an Verbrechen an Kindern weltweit (SPC 9.2.2022). Alle am Konflikt in Somalia beteiligten Parteien haben schwere Vergehen gegen Kinder begangen – darunter Tötung, Verstümmelung, Rekrutierung und Kampfeinsatz (HRW 13.1.2022). Im Zeitraum 6.11.2021-31.1.2022 wurden 767 Fälle von schweren Menschenrechtsverletzungen an Kindern dokumentiert, 635 Kinder waren betroffen (467 Buben, 168 Mädchen). Für ca. 67 % der Vergehen war al Shabaab verantwortlich. Die registrierten Fälle umfassen 289 Kinder, die rekrutiert und eingesetzt wurden; 182 Kinder, die getötet oder verstümmelt wurden; 220 Kinder, die entführt wurden; und 68 Kinder, die einer Vergewaltigung oder einer anderen Form sexueller Gewalt ausgesetzt waren (UNSC 8.2.2022, Abs. 59). Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl an schweren Verbrechen an Kindern weit höher liegt, als die der gemeldeten und verifizierten Fälle (SPC 9.2.2022).

Missbrauch und Vergewaltigung von Kindern sind ernste Probleme. Es gibt keine bekannten Anstrengungen der Bundesregierung oder von Regionalregierungen, dagegen vorzugehen (USDOS 12.4.2022, S. 42). Es kommt immer wieder zur Verhaftung und Inhaftierung von Kindern, denen Verbindungen zu bewaffneten Gruppen nachgesagt werden, durch Bundes- und Lokalkräfte (HRW 13.1.2022). Im Zeitraum Jänner bis März 2022 wurden 194 Fälle von Kindesentführungen dokumentiert. In 192 dieser Fälle wird al Shabaab als Täter genannt (UNSC 10.10.2022, Abs. 127). Kinder, die aus armen (meist ländlichen) Gegenden zu besser situierten Verwandten in die Städte geschickt werden, können manchmal auch Opfer von Menschenhandel werden (Sahan 22.7.2022).

Eine physische Bestrafung von Kindern wird weitgehend akzeptiert und ist weder im eigenen Heim, noch z.B. in der Schule oder in Haft verboten (UNOHCHR 25.11.2022).

Kinderarbeit: Tatsächlich gibt es kein Mindestalter hinsichtlich einer Anstellung. Das Gesetz verbietet und kriminalisiert nicht einmal die schlimmsten Formen von Kinderarbeit. Ein Gesetz, welches das Mindestalter für die meisten Tätigkeiten auf 15 Jahre festlegt, schreibt gleichzeitig ein unterschiedliches Alter für unterschiedliche Tätigkeiten vor. Dieses Gesetz wird allerdings nicht umgesetzt. Kinderarbeit ist weit verbreitet. Es ist nicht unüblich, dass Jugendliche schon in jungen Jahren als Hirten, in der Landwirtschaft oder im Haushalt arbeiten. Kinder werden außerdem zum Zerkleinern von Steinen, als Verkäufer oder Träger eingesetzt (USDOS 12.4.2022, S. 47). Kinderarbeit wird nicht als unmoralisch oder illegal erachtet, und daher ist sie in Somalia relativ normal. Die meisten Kinder beginnen bereits in jungen Jahren zu arbeiten, manche von ihnen können Arbeit und Schule kombinieren (Sahan 22.7.2022). Im ländlichen Somalia ist von Kinderarbeit - meist Feldarbeit oder nomadische Hilfstätigkeit - auszugehen. In urbanen Zentren werden Kinder als Dienstboten und für einfache Erledigungen eingesetzt. Für Puntland und Somaliland gilt dies nur eingeschränkt (AA 28.6.2022, S. 17). Die körperliche Züchtigung von Kindern ist gesetzlich nicht verboten, allgemein üblich und wird gesellschaftlich akzeptiert (FIS 5.10.2018, S. 33).“

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, die bereits im angefochtenen Bescheid getroffen wurden, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums (inklusive des am 16.01.2025 veröffentlichten LIB) für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Es ist dem Beschwerdeführer auch nicht gelungen, den Länderberichten mit gegenteiligen Berichten entgegenzutreten; insbesondere bezieht sich die Beschwerde auch noch auf das im Bescheid zitierte Länderinformationsblatt.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinem Fluchtvorbringen:

Die Feststellung zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsicht in seine im Akt befindliche Geburtsurkunde. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Clan- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Dokument der Antragstellung auf internationalen Schutz sowie auch aus den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Davon abgesehen hat auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entsprechende Feststellungen getroffen und sind diese im Verfahren unangefochten geblieben.

Die Feststellungen dazu, dass die Eltern des Beschwerdeführers traditionell verheiratet sind und als subsidiär Schutzberechtigte mit dem Beschwerdeführer in Österreich leben, ergeben sich aus den entsprechenden Angaben des Vaters des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie auch durch die Einsicht in die jeweiligen Bescheide über die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte.

Hinsichtlich der vorgebrachten Fluchtgründe des Beschwerdeführers ist einleitend auszuführen, dass beide Elternteile des Beschwerdeführers bereits im Rahmen der schriftlichen Antragstellung auf internationalen Schutz für den Beschwerdeführer angaben, der Beschwerdeführer habe keine eigenen Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten. Dieser schriftliche Antrag (AS 7) hätte auch die das Feld „Das Kind hat eigene Gründe […] und ich beantrage weitere Ermittlungen“ enthalten, welches von den beiden Eltern als Antragsteller nicht angekreuzt wurde.

Als der Vater des Beschwerdeführers sodann vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dazu befragt wurde, ob der Beschwerdeführer in Somalia einer gezielten Verfolgung ausgesetzt wäre bzw. ob für den Beschwerdeführer nunmehr eigene Fluchtgründe bestehen würden, gab er ebenso an, es würden alleine die Fluchtgründe der Mutter des Beschwerdeführers gelten.

Wenn in der Beschwerde nunmehr moniert wird, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe es unterlassen, auch die Mutter des Beschwerdeführers zu seinen Rückkehrbefürchtungen einzuvernehmen und damit das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet, so wird übersehen, dass sich aus dem Gesetz eine Verpflichtung für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dahingehend, beide Elternteile eines nachgeborenen Minderjährigen einzuvernehmen, nicht ergibt. In Anbetracht dessen, dass eben beide Elternteile im Zuge der Antragstellung auf internationalen Schutz für den Beschwerdeführer angeführt haben, es würden hinsichtlich des Beschwerdeführers keine eigenen Fluchtgründe bestehen und sodann auch der Vater vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erneut angab, der Beschwerdeführer habe keine eigenen Fluchtgründe, bestanden für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch überhaupt keine Anhaltspunkte für eine wahrzunehmende weitere Ermittlungspflicht hinsichtlich der Fluchtgründe des Beschwerdeführers und kann dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl damit keineswegs vorgeworfen werden, dass es die Mutter des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers nicht eigens einvernommen hat. Abgesehen davon, dass in der Beschwerde überaus vage und knapp geschrieben wird, die Mutter des Beschwerdeführers hätte bei ihrer eigenen Einvernahme durch das BFA vorgebracht, der Beschwerdeführer wäre im Falle der Rückkehr nach Somalia von der somalischen Gesellschaft ausgegrenzt, wurde jedoch auch kein substanziiertes Vorbringen dazu erstattet, was konkret die Mutter des Beschwerdeführers vorbracht hätte.

Das BFA hat damit vor dem Hintergrund des eindeutigen Antrages und der Einvernahme des Vaters ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt und kam im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar zum Schluss, dass dem Beschwerdeführer in Somalia keine asylrelevante Verfolgung droht. Die dabei herangezogenen tragenden Erwägungen des BFA, dass keine eigenen Fluchtgründe vorliegen und der Fluchtgrund der Mutter als nicht glaubhaft erachtet wurde, werden vom Bundesverwaltungsgericht geteilt.

Die Mutter des Beschwerdeführers stellte am 28.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten mit Bescheid vom 31.05.2016 als unbegründet abgewiesen wurde. Auch das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen diesen negativen Teil des Bescheides erhobene Beschwerde mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 29.08.2016, W206 2129284-1, als unbegründet ab und wurden damit die von der Mutter des Beschwerdeführers vorgebachten Fluchtgründe – eine im Jahr 2013 versuchte Zwangsverheiratung durch die Al-Shabaab sowie Entführung und 15-tägige Gefangenschaft durch die Al-Shabaab – als unglaubhaft befunden. Dem Vorbringen in der Beschwerde, die Mutter des Beschwerdeführers sei aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Somalia geflohen, kann damit nicht gefolgt werden und kann aufgrund dessen, dass die behaupteten Fluchtgründen der Mutter – wie gerade dargelegt – als unglaubhaft befunden wurden, für den Beschwerdeführer eine bestehende Gefahr im Falle einer Rückkehr nach Somalia aufgrund der behaupteten Fluchtgründe der Mutter nicht erkannt werden.

Soweit in der Beschwerde unter Hinweis auf die vom BFA zitierten Länderberichte, die von Amts wegen in den Erwägungen eingeflossen sind, noch neue Vorbringen erstattet werden, erweisen sich diese ebenfalls als unsubstanziiert:

Was die in der Beschwerde vorgebrachte Befürchtung betrifft, der Beschwerdeführer würde im Falle einer Rückkehr nach Somalia von Kinderarbeit betroffen sein, so wird keinesfalls verkannt, dass sich aus den zitierten Länderberichten zunächst ergibt, dass Kinderarbeit in Somalia weit verbreitet ist, als normal betrachtet wird und ein Gesetz, mit dem das Mindestalter für die meisten Tätigkeiten auf 15 Jahre festgelegt wird, nicht eingehalten wird, doch muss tragend berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt noch nicht einmal ein Jahr alt ist und daher für den Fall einer Rückkehr nach Somalia aufgrund seines äußerst jungen Alters aktuell ausgeschlossen werden kann, dass er von Kinderarbeit und damit einhergehenden negativen Konsequenzen betroffen sein würde.

Es wird auch nicht übersehen, dass – wie ebenso in der Beschwerde vorgebracht – Somalia eines der Länder mit der größten Zahl an Verbrechen gegen Kindern ist und zu diesen weiterhin stattfindenden Verbrechen Rekrutierungen, Verwendung als Kindersoldaten, Tötungen, Entführungen und Verstümmelungen sowie geschlechtsspezifischer Gewalt zählen. Wie bereits auch im Zusammenhang mit der in Somalia vorherrschenden Praxis der Kinderarbeit, muss jedoch auch hierbei berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer nicht einmal ein Jahr alt ist und damit auch eine Rekrutierung und die Verwendung als Kindersoldat – durch wen auch immer – aufgrund des Alters des Beschwerdeführers in den nächsten Jahren nicht maßgeblich wahrscheinlich ist. Exemplarisch erhellt sich aus den zitierten Länderberichten etwa auch, dass die Al-Shabaab Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren rekrutiert, sodass auch vor dem Hintergrund dieser Länderinformation klar ersichtlich ist, dass den Beschwerdeführer aufgrund seines Alters im Entscheidungszeitpunkt eine Rekrutierung oder Verwendung als Kindesoldat im Falle der Rückkehr nach Somalia in den nächsten Jahren nicht treffen wird. Abseits der in Somalia üblichen und beinahe flächendeckenden Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung – die den Beschwerdeführer aufgrund seines Geschlechts nicht trifft – kann im Lichte der zitierten Länderberichte nicht erkannt werden, dass sämtliche Kinder in Somalia von (sonstigen) Verstümmelungen, geschlechtsspezifischer Gewalt, Entführungen und Tötungen betroffen wären. Aus diesen ergibt sich nämlich, dass – auch wenn die tatsächlichen Zahlen weit höher als die gemeldeten sind – 182 Kinder getötet oder verstümmelt wurden, 220 Kinder entführt wurden und 68 Kinder von einer Vergewaltigung oder anderer Formen geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen waren. Eine sämtliche Kinder in Somalia treffende Gefahr für die genannten Formen der Gewalt kann daher vor dem Hintergrund der herangezogenen Länderberichte nicht erkannt werden.

Dem nicht weiter substantiierten Vorbringen, der Beschwerdeführer würde daneben (als Kind) auch von Armut und Elend betroffen sein, kann letztlich bereits deswegen keine Relevanz für das Asylverfahren zugemessen werden, da dem Beschwerdeführer mit dem im Spruch genannten Bescheid bereits der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, der eine Verletzung von Art. 3 EMRK aufgrund schlechter Lebensbedingungen abdeckt.

Letztlich kann auch eine gesellschaftliche Diskriminierung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Clanzugehörigkeit zu den Hawiye bzw. Sheikhal nicht erkannt werden. Wie sich aus den zitierten Länderberichten ergibt, handelt es sich bei dem Clan der Hawiye um einen noblen Mehrheitsclan, der von keiner gesellschaftlicher Diskriminierung betroffen ist und wird der religiöse Clan der Sheikhal, der etwa eng mit dem Clan der Hawiye assoziiert wird, traditionell respektiert und geschützt. Dem Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer wäre im Fall der einer Rückkehr nach Somalia massiver Diskriminierung und gesellschaftlicher Ausgrenzung ausgesetzt, kann vor dem Hintergrund der Länderberichte damit keineswegs gefolgt werden und ist damit gesamtheitlich die Feststellung zu treffen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Clanzugehörigkeit zu den Hawiye bzw. den Sheikhal im Fall einer Rückkehr die Gefahr einer in die Asylsphäre reichende gesellschaftliche Diskriminierung nicht trifft.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (vgl. VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, ist es dem Beschwerdeführer insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Somalia kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aktuell in Somalia eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründen droht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann die Verhandlung ungeachtet eines Parteiantrages entfallen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall wurde der wesentliche Sachverhalt vom BFA vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und weist noch immer die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf. Das BFA hat die die maßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und das BVwG teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung. In der Beschwerde wurden diese Erwägungen bloß unsubstanziiert bestritten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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