Spruch
W217 2307574-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 30.10.2024, OB: XXXX , betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (in der Folge Beschwerdeführer) ist seit 15.09.2021 Inhaber eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses. Der Grad der Behinderung wurde mit 50% festgestellt. Laut Gutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie und Arzt für Allgemeinmedizin, vom 19.11.2021 liegt folgende Funktionseinschränkung beim Beschwerdeführer vor:
2. Am 28.12.2023 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumsservice, in der Folge belangte Behörde genannt) einlangend beantragte der Beschwerdeführer unter Beilage eines Konvolutes an medizinischen Befunden die Neufestsetzung des Grades der Behinderung.
Von DDr.in XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, wurde in ihrem Gutachten vom 29.09.2024 basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.07.2024 ein Gesamtgrad der Behinderung von 40% ermittelt:
Leiden 1 werde durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliege. Es sei eine Besserung von Leiden 1 des Vorgutachtens objektivierbar, hinzukämen weitere Leiden.
3. Mit Schreiben vom 14.08.2024 monierte der Beschwerdeführer, die Sachverständige habe ihn nicht ausreichend untersucht. Er habe starke Schmerzen bei der Untersuchung gehabt und leide seither auch wieder unter vermehrten Schmerzen. Von der PVA habe er bereits einen Bescheid über eine Invaliditätspension seit 1.2.2024.
4. Die belangte Behörde teilte nach Rücksprache mit der Sachverständigen sodann mit Schreiben vom 24.09.2024 dem Beschwerdeführer mit:
„Ihr Beschwerdeschreiben wurde dem ärztlichen Dienst des Sozialministeriumservice vorgelegt. Dieser hat ihr Anliegen genau geprüft.
Mit der medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX (Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin) wurde aufgrund der von Ihnen angeführten Kritikpunkte Rücksprache gehalten und es wurde auch eine schriftliche Stellungnahme eingeholt. Dr. XXXX führt in ihrer Stellungnahme aus, dass das Gespräch im Rahmen der Begutachtung sowie die klinische Untersuchung ausführlich und korrekt in standardisierter Weise durchgeführt werden konnte. Sie bedauert jedoch, dass Sie die Untersuchungssituation derart unangenehm erlebt haben.
Wir würden Ihnen gerne vorschlagen, das Ergebnis abzuwarten und gegebenenfalls, sollten Sie mit dem Ergebnis nicht einverstanden sein, einen Einspruch gegen das Gutachten einzubringen, damit wir Ihnen die Möglichkeit einräumen können, von einem anderen Facharzt begutachtet zu werden. Sollten Ihnen in der Zwischenzeit neue Befunde vorliegen, diese bitte unbedingt zu übermitteln.“
5. Mit Schreiben vom 30.09.2024 wurde dem Beschwerdeführer das Gutachten vom 29.09.2024 zur Kenntnis und allfälliger Stellungnahme übermittelt. Dieses blieb jedoch vom Beschwerdeführer unbeeinsprucht.
6. Mit Bescheid vom 30.10.2024 wurde der Grad der Behinderung mit 40% neu festgesetzt.
7. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch den KOBV, fristgerecht Beschwerde ein und brachte unter Beilage neuer Befunde vor, aufgrund der degenerativen Veränderungen seiner Wirbelsäule bei Z.n. Fusion bei L5/S1 sei aufgrund des Gutachtens vom 19.11.2021 der Grad der Behinderung mit 50 v.H. festgesetzt worden. In dieser Gesundheitsschädigung sei keine Besserung eingetreten, welche eine nunmehrige Herabsetzung dieser Beschwerden auf 40 v.H. rechtfertigen würde. Eine Besserung des unter der lfd.Nr.1 angeführten Leidens sei nicht eingetreten. Es hätte für diese Gesundheitsschädigung weiterhin ein Grad der Behinderung von 50 v.H. angenommen werden müssen. Zusätzlich leide er an Schädigungen im linken Kniegelenk, welche ihn in der Funktion einschränken würden und hätte diese Diagnose ebenfalls richtsatzgemäß eingestuft werden müssen. Ferner sei nicht berücksichtigt, dass bei ihm eine bronchiale Hyperreagibilität vorliege. Aufgrund der Lendenwirbelsäulenschädigung in Verbindung mit den Hüftgelenks- und Knieschädigungen leide er an massiven Schmerzzuständen, welche bei der Gesamtbeurteilung des Grades der Behinderung nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Eine negative wechselseitige Leidensbeeinflussung liege vor. Weiters unberücksichtigt geblieben sei, dass bei ihm ein Diabetes mellitus bestehe, der eine medikamentöse Behandlung erforderlich mache. Darüber hinaus bestehe bei ihm eine Augenschädigung, die ebenfalls richtsatzgemäß einzustufen sei. Da die Untersuchung durch die Sachverständige DDr.in XXXX , deren Gutachten ausschlaggebend für die Herabsetzung des Grades der Behinderung gewesen sei, in der Untersuchungssituation konfliktbehaftet gewesen sei, sei angeregt worden, einen anderen Sachverständigen mit der Gutachtenserstellung zu befassen, wie dies die belangte Behörde in ihrem Schreiben vom 24.09.2024 in Aussicht gestellt habe.
8. Die belangte Behörde holte sodann weitere Gutachten ein:
8.1. Von Dr.in XXXX , Fachärztin für Innere Medizin, wurde nach Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.12.2024 in ihrem Gutachten vom selben Tag Folgendes festgehalten:
Gesamtgrad der Behinderung 10 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das führende Leiden 1 wird von den Leiden 2 und 3 nicht weiter erhöht, da diese von geringer funktioneller Relevanz sind.
X Dauerzustand.
8.2 Von DDr.in XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, wurde im Aktengutachten vom 30.12.2024 festgehalten:
„(…)
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Augenleiden: kein behinderungsrelevantes Leiden anhand der vorliegenden Verordnung für Sehbehelf dokumentiert
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Hinzukommen von Leiden 3
L3 vom VGA wird im Internistischen GA mitberücksichtigt.
keine Änderung der weiteren Leiden, das vertretene Fach betreffend
Besserung der Beweglichkeit im Vergleich zu VGA vom 16.11.2021, daher Neueinstufung von Leiden 1
(…)“
8.3. In ihrer Gesamtbeurteilung vom 30.12.2024, in welcher die beiden unter 8.1 und 8.2. genannten Gutachten einen wesentlichen Bestandteil bilden, hält Frau DDr.in XXXX fest:
„Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Augenleiden: kein behinderungsrelevantes Leiden anhand der vorliegenden Verordnung für Sehbehelf dokumentiert
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
erstmalige Berücksichtigung der Leiden 3, 5 und 6
keine Änderung der weiteren Leiden
Besserung der Beweglichkeit im Vergleich zu VGA vom 16.11.2021, daher Neueinstufung von Leiden 1
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
keine Änderung zu VGA
(…)
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Es sind belastungsabhängige Probleme der Wirbelsäule im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung geringgradig einschränken. Die Gesamtmobilität ist ausreichend, um kurze Wegstrecken von 300- 400m zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut. Der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel inklusive Festhalten während der Fahrt, Stand- und Gangsicherheit unter den üblichen Transportbedingungen ist nicht erheblich beeinträchtigt. Es liegen keine Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor, kardiopulmonal kompensierter Zustand liegt vor. Das behinderungsbedingte Erfordernis des hierorts verwendeten Rollators ist nach den vorliegenden Befunden aus internistischer und orthopädischer Sicht nicht objektivierbar. Insgesamt ist daher, unter Berücksichtigung der objektivierbaren Funktionsdefizite, eine erhebliche Erschwernis der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten? Nein
(…)“
9. Im Rahmen des hierzu gewährten Parteiengehörs brachte der Beschwerdeführer unter Beilage eines urologischen Befundberichtes vom 12.12.2024 vor, der Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sei zu niedrig angesetzt. Die unter der lfd. Nr. 1 angeführte Gesundheitsschädigung habe sich keinesfalls gebessert. Zwischen den beim Beschwerdeführer vorliegenden Erkrankungen liege zudem eine wechselseitige negative Leidensbeeinflussung vor. Es wurde sodann beantragt, auszusprechen, dass beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung von zumindest 50 v.H. weiterhin gegeben ist.
10. Daraufhin führt Frau DDr.in XXXX in ihrer Stellungnahme vom 10.02.2025 aus:
„Antwort(en):
AW erklärt sich mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden.
Am 16.01.2025 wird, vertreten durch den KOBV, vorgebracht, dass der Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. zu niedrig angesetzt sei.
Der Beschwerdeführer habe aufgrund seiner Wirbelsäulenschädigung starke Schmerzen und Bewegungseinschränkungen und benötige regelmäßig Infusionstherapien sowie Schmerzmedikation. Die Beine würden immer wieder auslassen. Zudem habe der Beschwerdeführer Schädigungen im linken Kniegelenk und dadurch starke Schmerzen. Im Juli 2025 sei aufgrund der Kniegelenksschädigungen eine Knieoperation vorgesehen. Er habe immer wieder Atemprobleme aufgrund Bronchialproblemen. Er benötige jeden Tag zwei Inhalationssprays. Er habe einen kontinuierlichen Harnverlust und benötige immer Windelhosen, welche ihm die ÖGK alle drei Monate bewillige. Der Beschwerdeführer habe Schmerzen bei den Nieren, Zysten wurden festgestellt, am 28. Jänner 2025 eine genaue CT Untersuchung hinsichtlich der Nierenproblematik.
Zwischen den beim Beschwerdeführer vorliegenden Erkrankungen liege zudem eine wechselseitige negative Leidensbeeinflussung vor.
Befunde:
Urologischer Befundbericht 12.12.2024 (Reizblase, Inkontinenz 40 ml Restharn nach Miktion, ansonsten Blase oB, Prostatakonkremente)
VO Sehbehelfe 3.12.2024
CT NASENNEBENHÖHLEN 05.11.2024 (Lamellare Schleimhautschwellungen im Sinus frontalis links und in den Ethmoidalzellen links mehr als rechts und rostral mehr als posterior. Keine Sekretspiegel.)
Stellungnahme:
Maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der EVO sind objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde.
Die bei der Begutachtung festgestellten Defizite vor allem im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates, insbesondere der Wirbelsäule und des linken Kniegelenks, wurden in der Beurteilung hinsichtlich Einstufung nach der EVO in vollem Umfang berücksichtigt.
Höhergradige Funktionseinschränkungen konnten nicht festgestellt werden, siehe Status einschließlich Gangbild, keine erhebliche Einschränkung der Gesamtmobilität. Befunde mit anhand eines Status nachgewiesener Verschlimmerung liegen nicht vor. Insbesondere konnte kein motorisches Defizit nachgewiesen werden.
Ein behinderungsrelevantes urologisches Leiden ist durch den nachgereichten Befund nicht belegt.
Schleimhautschwellungen stehen in Einklang mit dokumentierter bronchialer Hyperreagibilität, ein behinderungsrelevantes Leiden ist nicht ausreichend befundbelegt.
Befunde, die neue Tatsachen, noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden oder eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, wurden nicht vorgelegt.
Die vorgebrachten Argumente und nachgereichten Befunde beinhalten keine neuen Erkenntnisse, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass keine Änderung vorzunehmen ist.“
11. Am 14.02.2025 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Entscheidung mit dem Hinweis ein, eine Beschwerdevorentscheidung sei innerhalb der Frist nicht möglich.
12. Das BVwG übermittelte dem Beschwerdeführer sodann die Stellungnahme vom 10.02.2025. Darauf wandte dieser ein, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, weshalb für die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule lediglich ein Grad der Behinderung von nur mehr 40 v.H. herangezogen werde, es liege nach wie vor ein Zustand nach Fusion L5/S1 mit einem motorischen Defizit an der linken unteren Extremität vor. Dies unverändert zum Vorverfahren, in welchem für diese Gesundheitsschädigung ein Grad der Behinderung von 50 v.H. herangezogen wurde. Zusätzlich bestehe bei ihm nunmehr eine Hüft-TEP links und eine Hüftgelenksarthrose, welche mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. sowie einer Abnützungserscheinung am linken Knie, welche mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. eingestuft wurde. Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner Bewegungseinschränkung infolge der Wirbelsäulenschädigungen in Verbindung mit seiner Kniegelenksschädigung an erheblichen Schmerzen leide und auch bereits immer wieder zu Sturz gekommen sei, hätte das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sein müssen, dass infolge der Funktionseinschränkungen am Bewegungs- und Stützapparat eine wechselseitige negative Leidensbeeinflussung zwischen den Schädigungen der Wirbelsäule, den Hüftgelenken sowie den Kniegelenken gegeben ist und sei somit jedenfalls aufgrund der orthopädischen Diagnosen insgesamt von einem Grad der Behinderung von 50 v.H. auszugehen. Darüber hinaus leide er auch an Funktionseinschränkungen in der Halswirbelsäule mit Bewegungsblockade bei C5 bis C7 in Ante- und Retroflexion. Weiters sei nicht nachvollziehbar, dass die Sachverständige in ihrem Gutachten feststellt, dass ein behinderungsrelevantes urologisches Leiden durch die nachgereichten Befunde nicht belegt sei, obwohl mit der Vorlage des urologischen Befundes vom 12.12.2024 belegt sei, dass bei ihm eine Harninkontinenz vorliege.
13. Das BVwG ersuchte sodann Dr. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie, um Erstellung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens.
13.1. Dieser führt in seinem Gutachten vom 19.04.2025 basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.04.2025 aus:
„(…)
Vorgelegte, neue orthopädisch/unfallchirurgisch relevante Befunde:
Röntgen XXXX 2/2025: HTEP links ohne Lockerung, beginnende Coxarthrose rechts. Mässige Osteochondrosen gesamte WS, Z.n. PLIF L5/S1.
Sonst: Harninkontinenz mit geringem Restharn.
Aktuell: Bericht Klinik XXXX 6.3.2025: chron ischäm. Herzkrankheit, Hypertonie, Hyperlipidämie. lnstabile Angina pectoris mit 2 Gefäßerkrankung, Setzen eines Coronarstents nach Angiographie.
Relevante Anamnese: Versteifung L5/S1, HTEP Links; mässige Abnützung rechte Hüfte und linkes Knie; neu: Z.n. Coronarstent 1x.
Jetzige Beschwerden: „Das linke Knie schmerzt aktuell, im XXXX haben sie gesagt, es soll eine KTEP gemacht werden. Im Mai bin ich auf der XXXX , wegen der Halswirbelsäule.
Ich trage eine Windel bei Inkontinenz (wird gezeigt).
Medikation: Liste KH XXXX 3/2025:
Famotidin, Novalgin, Tramal, Nebilan, Amlodipin, Arosuva und Ezetimib, TASS, Efient, Ramipiril.
Sozialanamnese: in Inval.pension
Allgemeiner Status: 172 cm grosser und 82 kg schwerer Mann in gutem Allgemein- und Ernährungszustand.
Thorax symmetrisch.
Relevanter Status:
Wirbelsäule im Lot. HWS in R45-0-45, F 10-0-10, KJA 1 cm, Reklination 14 cm. Normale Brustkyphose, BWS-drehung und FKBA und Seitneigung wegen angeblicher Schmerzen nicht geprüft.
Obere Extremitäten:
Schultern in S 40-0-160, F 150-0-45, R 60-0-65, Ellbögen 0-0-125, Handgelenke 50-0-50 zu links 45-0-45, Faustschluß beidseits möglich.
Nacken- und Kreuzgriff durchführbar.
Untere Extremitäten:
Hüftgelenke in S 0-0-105, F 30-0-20, R 25-0-10, Kniegelenke in S 0-0-125 zu links 0-5-115.
Sprunggelenke 10-0-40 zu links 5-0-35.
Gangbild/Mobilität:
Gang in Strassenschuhen erschwert gezeigt, erscheint im Rollstuhl.
BEURTEILUNG
Ad1) 1) degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 02.01.02 40% oberer Rahmensatz, da Zustand nach Versteifung L5/S1 und geringes motorisches Defizit linkes Bein Wahl der Position, da sonst moderate radiologische Veränderungen der Wirbelsäule 2) Hüftendoprothese links, Hüftabnützung rechts, 02.02.02 30% Knieabnützung links unterer Rahmensatz, da gut erhaltene Beweglichkeit und ungelockerte Hüftendoprothese
Ad2) Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50%, weil das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird.
Ad3) Das Wirbelsäulenleiden ist m.E. mit 40% korrekt eingestuft, es bestehen nur geringe radiologische Veränderungen und eine monosegmentale Versteifung L5/S1; ein relevantes sensomot. Defizit ist nicht erhebbar. Ich gehe mit Dris. XXXX d'accord, was die Wirbelsäule betrifft, das motorische Defizit ist gering, die radiologischen WS-veränderungen sind gering.
Allerdings hat sich zwischenzeitlich das linke Knie verschlechtert, deshalb habe ich es zusammen mit der Hüftendoprothese links und der mässigen Hüftabnützung rechts nunmehr unter Leiden 2 subsummiert — 30%.
Ad4) Sämtliche vorliegenden recenten orthopädischen Befunde sind Diagnosenauflistungen und radiologische Berichte ohne klinisch korrelierende Untersuchungen.
Ich habe aber das Knie MRT zusammen mit den vermehrten Beschwerden und der doch schlechteren Beweglichkeit anders als im VGA gewürdigt (vormals Leiden 2 und 3).
Somit ist meine andere Einschätzung v.a. klinisch begründet, befundobjektiviert ist das ganz streng genommen nicht, allerdings wird hier eingeschätzt und nicht berechnet; es gibt da sicher eine gutachtliche „Unschärfe" der Bewertung, besonders in der Bewertung von Schmerzen.
Ad5) Ich würde diese Einschätzung ab 11/2024 ansetzen, zumal der Knie MRT - Befund aus 10/2024 stammt.
Ad6) Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.
NB: Die Harninkontinenz mit dem geringen Restharn wird üblicherweise mit 10% zu bewerten sein, sicher ohne Erhöhung des orthopädischen Leidens; der neue Bericht des Coronarstents mit 30%; m.E. aber ohne wechselwirksame Erhöhung, aber das ist nicht gegenständlich. Der Bericht ist 3 Tage nach dem Neuerungsstichtag datiert.“
13.2. Gegen dieses Gutachten wurden weder vom Beschwerdeführer noch von der belangten Behörde im Rahmen des hierzu eingeräumten Parteiengehörs Bedenken vorgebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren, ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz in Österreich.
1.2. Der Beschwerdeführer ist seit 15.09.2021 Inhaber eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses. Der Grad der Behinderung wurde mit 50% festgestellt. Dies basierte auf dem Gutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 19.11.2021, wonach folgende Funktionseinschränkung beim Beschwerdeführer vorliegt:
- Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Fusion L5/S1 (Pos.Nr.02.01.03)
Unterer Rahmensatz dieser Position, da mittelgradige Funktionsbehinderung, geringes motorisches Defizit an der linken unteren Extremität, Gangbildstörung und Gangleistungsminderung
1.3. Am 28.12.2023 beantragte der Beschwerdeführer die Neufestsetzung des Grades der Behinderung.
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 30.10.2024 wurde der Grad der Behinderung mit 40% neu festgesetzt.
1.4. Beim Beschwerdeführer liegen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als 6 Monate andauern werden, vor:
1.4. Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt weiterhin 50 v.H., da das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird.
2. Beweiswürdigung:
Zu II.1.1) Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglichen Eintrag im Zentralen Melderegister.
Zu II.1.2.) und II.1.3.) Die Feststellung hinsichtlich des ausgestellten Behindertenpasses sowie zum Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung basieren auf dem diesbezüglich schlüssigen Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdaktes.
Zu II.1.4) Die Feststellungen zur Höhe des Gesamtgrades der Behinderung sowie der Art und dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen auf der von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Gesamtbeurteilung der Sachverständigen DDr.in XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 30.12.2024, in welcher die beiden Gutachten von Dr.in XXXX , Fachärztin für Innere Medizin, vom 20.12.2024, sowie von DDr.in XXXX vom 30.12.2024 einen wesentlichen Bestandteil bilden in Zusammenschau mit dem im Beschwerdeverfahren vom BVwG eingeholten Gutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie, vom 19.04.2025.
In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und im Einklang mit der medizinischen Wissenschaft und den Denkgesetzen eingegangen, wobei die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde und Beweismittel im Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme umfassend Berücksichtigung gefunden haben. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit dieser Gutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt
Schlüssig erläutert Frau DDr.in XXXX bereits in ihrem Gutachten vom 29.09.2024, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, dass sich das Leiden 1 aus dem Vorgutachten verbessert hat. Diese Besserung ist objektivierbar und ergibt sich nachvollziehbar aus einem Vergleich der beiden Untersuchungsbefunde. So wurde im Klinischen Status vom 16.11.2021 von Dr. XXXX unter „Wirbelsäule“ festgehalten: „Über der Lendenwirbelsäule ca. 10 cm lange blase Narbe. Lumbal Hartspann, es wird Druckschmerz angegeben. Klopfschmerz wird nicht geprüft. Gering Hartspann zervikal. Beweglichkeit: Halswirbelsäule: allseits 1/3 eingeschränkt. Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: Vorwärtsbeugen wird nicht ausgeführt, Seitwärtsneigen und Rotation je 1/3 eingeschränkt.“ Frau DDr.in XXXX hielt hierzu hingegen aufgrund ihrer Begutachtung am 03.07.2024 fest: „Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Mäßig Hartspann. Klopfschmerz über der LWS. Narbe LWS median 10 cm. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: 30 cm, F und R je 20° Lasegue bds. negativ. Gesamtmobilität – Gangbild: Kommt im Rollstuhl, das Gangbild ist hinkfrei und unauffällig. Stehen ohne Belastung links, beim Gehen zur Liege keine Belastung, hüpfendes Fortbewegen. ….“). Diese Einschätzung wird auch von Dr. XXXX in seinem Gutachten vom 19.04.2025 bestätigt (vgl.: „Das Wirbelsäulenleiden ist m.E. mit 40% korrekt eingestuft, es bestehen nur geringe radiologische Veränderungen und eine monosegmentale Versteifung L5/S1; ein relevantes sensomot. Defizit ist nicht erhebbar. Ich gehe mit Dris. XXXX d'accord, was die Wirbelsäule betrifft, das motorische Defizit ist gering, die radiologischen WS-veränderungen sind gering“).
Die Feststellung, dass auch weiterhin der Gesamtgrad der Behinderung 50% beträgt, resultiert auf dem vom BVwG eingeholten Gutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie, vom 19.04.2025. Darin weist er schlüssig und nachvollziehbar darauf hin, dass sich zwischenzeitlich das linke Knie beim Beschwerdeführer verschlechtert hat – wie sich aus dem MRT-Befund vom 15.10.2024 des linken Kniegelenkes - ergibt, weshalb er dieses Leiden zusammen mit der Hüftendoprothese links und der mäßigen Hüftabnützung rechts nunmehr unter Leiden 2 subsummiert und dieses unter der Pos.Nr. 02.02.02 mit dem unteren Rahmensatz (30%) eingestuft hat, aufgrund der gut erhaltenen Beweglichkeit und der ungelockerten Hüftendoprothese.
In diesem MRT-Befund des linken Kniegelenkes vom 15.10.2024 ist unter „Ergebnis“ festgehalten: „1. Diffus degenerative Binnenschäden am lateralen Meniskushinterhorn (Grad II mukoide Degenerationen), geringer ausgeprägt medialseitig. Suspekter zarter radiärer Einriss am lateralen Vorderhorn (Grad III Läsion). 2. Das VKB etwas verbreitert chronisch gezerrt, ansonsten intakt das HKB intakt. Kapselödem und Reizzustand an den Kollateralbändern vor allem um die femorale Insertionszonen. 3. Ossär inzipient degenerative Manifestationen, geringe oberflächliche Knorpelrarefizierungen in der Druckaufnahmezone (bis 30 %). Geringgradiger diffuser Reizerguss und Reizzustand und ödematöse Einlagerungen und Verquellungen am Hoffa-Fettkörper.“ Ebenso hält Dr. XXXX im Untersuchungsbefund vom 14.04.2025 hinsichtlich der Beweglichkeit der Kniegelenke fest: „Kniegelenke in S 0-0-125 zu links 0-5-115“.
Mag auch Dr. XXXX erläutern, dass der neue Bericht des Coronarstents mit 30% einzustufen wäre, so ist darauf hinzuweisen, dass der Patientenbrief vom 06.03.2025 stammt und sohin erst 3 Wochen nach dem Neuerungsstichtag (14.02.2025) datiert. Dieser konnte vom Bundesverwaltungsgericht somit nicht berücksichtigt werden, da eine Berücksichtigung dieses nachgereichten medizinischen Beweismittels dem Neuerungsverbot in § 46 BBG entgegenstehen würde. Seit Einführung der Neuerungsbeschränkung mit 01.07.2015, BGBl. Nr. 57/2015, welche konkret in § 46 BBG geregelt ist, wurde vom Gesetzgeber ein Beschwerdevorbringungsregulativ geschaffen. Ziel und Zweck der Novelle des Behindertenrechtes ist u.a. die grundsätzliche Beschleunigung des erstinstanzlichen Verfahrens. So hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14.12.2021, G 225/2021-19, erkannt, dass das in § 46 dritter Satz BBG normierte Neuerungsverbot als ein einheitlicher Tatbestand zu sehen ist und dementsprechend nicht in ein eigenes Verbot, neue Tatsachen geltend zu machen, und ein davon gesondertes Verbot, neue Beweismittel vorzubringen, zerfällt. Der Verfassungsgerichtshof ging dabei vor dem Hintergrund der Gesetzesmaterialien (AB 564 BlgNR 25. GP, 2) – in Übereinstimmung mit der Bundesregierung – davon aus, dass das Verbot, neue Tatsachen oder Beweismittel vorzubringen, ab der Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gilt. Aufgrund des Neuerungsverbotes können somit ab dem 14.02.2025 beim Bundesverwaltungsgericht einlangende Befunde und Beweismittel nicht berücksichtigt werden.
Es bleibt dem Beschwerdeführer jedoch unbenommen, jederzeit einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung zu stellen, falls er aus dem Patientenbrief vom 06.03.2025 einen höheren Gesamtgrad der Behinderung abzuleiten vermeint.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Zur Entscheidung in der Sache
Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz (BBG) ist gemäß dessen § 1 Abs. 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktion zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen ist, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung:
§ 2 Abs. 1 Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit diese durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war.
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung die von der belangten Behörde eingeholte medizinische Gesamtbeurteilung der Sachverständigen DDr.in XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 30.12.2024, in welcher die Gutachten von Dr.in XXXX , Fachärztin für Innere Medizin, vom 20.12.2024, sowie von DDr.in XXXX vom 30.12.2024 einen wesentlichen Bestandteil bilden, in Zusammenschau mit dem im Beschwerdeverfahren vom BVwG eingeholten Gutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie, vom 19.04.2025 zu Grunde gelegt .Daraus ergibt sich, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers unverändert 50 v.H. beträgt.
In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinischen Sachverständigen setzten sich mit den vorgelegten Befunden, die in den Gutachten angeführt sind, sowie auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden objektivierten Gesundheitsschädigungen auseinander.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, vgl. dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.