Spruch
W208 2310546-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Rekrut XXXX , gegen den Dienstenthebungsbescheid des Disziplinarvorgesetzten, des Kommandanten des Truppenübungsplatzes XXXX vom 18.03.2025, Zl S91529/1-TÜPL XXXX /Kdo BetrStb/2025(1), zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 40 Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 43 HDG 2014 als unbegründet abgewiesen und die Dienstenthebung bestätigt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Soldat im Präsenzdienst (Rekrut), wurde mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Disziplinarvorgesetzten am 18.03.2025 gemäß § 40 Abs 3 iVm § 43 Z 1 lit b Heeresdisziplinargesetz 2014 (HDG) vom Dienst enthoben. Der Bescheid wurde ihm am 18.03.2025 ausgefolgt.
Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass der BF im Verdacht stehe am 24.02.2025 gegen 22:00 Uhr in der militärischen Unterkunft in der XXXX -Kaserne in XXXX einen namentlich genannten Rekruten,
1) mit den Worten „Hurenkind“, „Scheiß Österreicher, ich werde dich ficken!“, „er solle in den 10. Bezirk kommen, dann käme er nicht mehr hinaus“ beleidigt und bedroht zu haben;
2) vorsätzlich zweimal mit einem Vierkantholz attackiert und dabei am Unterarm, an der linken Hand und an der Stirn verletzt zu haben;
3) vorsätzlich mit einem Feldmesser zweimal angegriffen zu haben und dabei „Es ist mir scheißegal, ich gehe wieder ins Gefängnis, ich steche dich ab!“ gesagt zu haben.
Es sei sowohl ein Disziplinarverfahren eingeleitet als auch eine Strafanzeige erstattet worden.
2. Dagegen brachte der BF mit Schreiben vom 31.03.2025 Beschwerde ein und bestritt mit näheren Ausführungen die ihm vorgeworfenen Handlungen. Die Beschwerde langte zwar erst am 03.04.2025 bei der belangten Behörde ein, der Poststempel am Briefkuvert ist aber unleserlich.
3. Der Disziplinarvorgesetzte legte mit Schriftsatz vom 04.04.2025 (beim BVwG eingelangt am 07.05.2025) die Beschwerde und den Verwaltungsakt vor.
4. Das BVwG beraumte eine Verhandlung für den 09.05.2025 an. Da die Ladung – die an den BF an die im Bescheid angeführte Heimatadresse in XXXX adressiert war – nicht behoben wurde, wurde eine ZMR-Abfrage durchgeführt und kam zu Tage, dass der BF seit 26.03.2025 bis dato an der Adresse der Justizanstalt XXXX (JA) als Nebenwohnsitz gemeldet ist. Einer bei der JA eingeholten Haftauskunft ist zu entnehmen, dass sich der BF seit 16.03.2025, 12:45 bis dato in Untersuchungshaft befindet. Das hat der BF bei der Vorlage seiner Beschwerde, die er schon in der U-Haft abgefasst hat, verschwiegen und war offenbar auch der vorlegenden Behörde nicht bekannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Beschwerdeführer
Der am XXXX geborene BF ist seit 07.01.2025 in XXXX bei der 1. Jägerkompanie/Jägerbataillon XXXX /Militärkommando XXXX zur Ableistung seines Grundwehrdienstes eingerückt.
Er ist vorbestraft wegen §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 2. Fall StGB (Schwerer Raub) und hat deswegen als junger Erwachsener am 18.12.2023 vom LGS WIEN eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten bedingt, Probezeit 3 Jahre, erhalten. Wobei er von 21.11.2023 bis 18.12.2023 in Haft war und danach Bewährungshilfe erhielt.
Seit 16.03.2025 befindet er sich in U-Haft.
1.2. Zum Sachverhalt
Nach dem vorläufig feststehenden Sachverhalt war der BF am Abend des 24.02.2025 in seiner militärischen Unterkunft in der Kaserne in einen Streit mit seinem Kameraden Rekrut XXXX (A) verwickelt. Der Streit entzündet sich, weil der Zimmerkamerad des A, Rekr XXXX (G) im Objekt 01, Zimmer 110 öfter betrunken gewesen und laut geschnarcht haben soll, weswegen in der A aus dem Zimmer ausquartieren wollte. Der BF, der A und vier weitere Rekruten XXXX (AI), XXXX (H), XXXX (MI) und XXXX (T) waren im Zimmer und unterhielten sich, als es zu einem Streit zwischen dem BF und dem A kam. Wobei die Aussagen, worum es dabei ging, auseinandergehen. Der BF und der AI behaupten, dass der A von G wollte, dass dieser das Zimmer räumt. Der A behauptet der I und der BF hätten das Feldmesser bzw ein Klappmesser (dazu liegen unterschiedliche Angaben des A vor) des G holen wollen, was er aber nicht gehabt und die beiden des Zimmers verwiesen habe. Später gab der A an, er habe das Klappmesser dem BF herausgegeben, und habe dieser ihm danach gesagt, „er solle in den 10. Bezirk kommen, dann käme er nicht mehr hinaus“. Der A gab an, er habe das Messer regelmäßig versteckt, da der G, wenn er ihn der Kaserne schlafe, immer stark betrunken gewesen sei.
Der Streit verlagerte sich vor das Zimmer und sagte der Zeuge T, dass der BF einen Stock (ein Vierkantholz) aus dem Chargenzimmer geholt und damit den A unter Beschimpfungen („Scheiß Österreicher, ich werde dich ficken!“) attackiert und zweimal getroffen habe. Der A habe die Angriffe so gut es ging abgeblockt.
Der A gab an, er sei vom aggressiven BF am Gang mit „einem Gegenstand“ attackiert worden und habe die Angriffe abgewehrt, wobei er sich an der linken Hand und am Unterarm sowie an der Stirn verletzt habe. Während der Zeuge MI aussagte, der BF habe den A in den „Schwitzkasten“ genommen. Der Zeuge AI gab an, der A und der BF hätten sich „geschubst“, später der BF habe den A in den „Schwitzkasten“ genommen und mit der Hand geschlagen.
Später gab der Zeuge A an, er sei vom BF mit einem Vierkantholz, dass dieser wie eine Schwert über den Kopf gehalten und ihm auf die Stirn geschlagen habe, angegriffen worden. Er habe diesen Schlag nicht abwehren können. Den zweiten Schlag habe er mit dem linken Unterarm abgewehrt, dabei seien die Verletzungen entstanden.
Die Verletzungen des A sind mit Lichtbildern dokumentiert, die der Zeuge T am Tag danach gemacht hat. Im Bericht der Militärpolizei (MP) ist angeführt, dass der A nicht beim Arzt gewesen ist. Auf den Lichtbildern ist eine oberflächliche rechteckige Schürfwunde an der Stirn im Bereich des Haaransatzes, eine Abschürfung am Knöchel des kleinen Fingers der linken Hand sowie eine längliche tiefere und längere Abschürfung entlang des linken Unterarms zu sehen.
Der A sagte weiter aus (und wurde das durch den T, nach Suggestivfrage des MP-Organes, das ihm die Aussage des A vollinhaltlich vorgehalten hat [?!], bestätigt), dass er und der BF durch den AI, den MI und den T getrennt worden seien als der BF ihn in den Schwitzkasten genommen habe. Dabei habe der BF noch „Hurenkind“ gesagt. Der BF sei dann weggegangen und sei er ihm nachgegangen und habe beobachtet, wie dieser das Vierkantholz zurück gebracht habe. Er sei ihm bis zu dessen Zimmer im 1. Stock nachgegangen und dort sei dieser nachdem er kurz in seinem Zimmer verschwunden sei und er ihm nachgeschrien habe, mit einem Feldmesser wieder auf den Gang vor der WC-Anlage herausgekommen. Er habe das Messer mit der Spitze zu ihm gehalten und ihm gesagt, dass er ihn umbringen werde, weil er schon einmal im Gefängnis gewesen sei. Der T sei die ganze Zeit hinterm ihm (dem A) gestanden. Der BF habe ihn unter Beleidigungen mit der Hand in die WC-Anlage gestoßen. Als er wieder aus der WC-Anlage herausgekommen sei, habe der BF versucht zweimal im Bereich des Bauches auf ihn einzustechen. Er sei aber nicht verletzt worden, weil der T ihn nach hinten gezogen habe. Wobei er diese zweimalige Attacke nicht selbst wahrgenommen, sondern ihm das der T später erzählt habe.
Der T bestätigte (wiederum nach Suggestivfrage) die Aussagen des A und ergänzte der BF habe geschrien: „Es ist mir scheißegal, ich gehe wieder ins Gefängnis, ich steche dich ab!“ Er sei seitlich von A gestanden und habe ihn auf die Seite gezogen. Nach dem zweiten Stich habe er um Hilfe gerufen, es sei aber niemand gekommen, woraufhin er zum Wachkommandanten gelaufen und beim Zurückkommen schon den Offizier vom Tag (OvT) gesehen habe, der alle habe antreten lassen.
Der OvT gab in einer Sachverhaltsdarstellung an, er sei vom Wachkommandanten gegen 20:35 Uhr gebeten worden ins Objekt 001 zu gehen, weil dort ein Grundwehrdiener randalieren würde. Beim Eintreffen habe er Schreie gehört und sich in den 1. Stock begeben, wo er den BF und die Rekruten A, H, AI und MI angetroffen habe. Sie hätte angegeben, dass es eine Auseinandersetzung zwischen dem A und dem BF gegeben habe und habe er bei A Abschürfungen an der Stirn, am Handrücken und Unterarm wahrgenommen. Den Grund der Auseinandersetzung habe ihm keiner nennen können. Er habe alle in ihre Zimmer geschickt und bei späteren Nachschauen sei es ruhig gewesen.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem im Akt befindlichen Strafregisterauszug, der Haftauskunft, dem ZMR-Auszug und dem Bescheid.
Die Feststellungen zur Sache ergeben sich aus den Aussagen der genannten Zeugen und des BF. Wobei auffällig ist, dass die Aussagen des T und des A den BF massiv belasten aber in Details widersprüchlich sind (Streitursache). Der BF räumte zwar einen Streit mit dem A ein bestritt aber sowohl die Beschimpfungen als auch die Angriffe mit dem „Vierkantholz“ als auch die Messerattacke. Die Verletzungen des A sind aber mit Lichtbildern dokumentiert und durchaus geeignet durch die geschilderte Abwehrhandlung entstanden zu sein, wenn gleich hier teilweise widersprüchliche Angaben des A vorliegen (was die Art der Schläge und die Abwehr betrifft). Das Vierkantholz wurde von der MP auf Grund der Aussagen des A und des T als Wimpelhalter „vermutlich“ identifiziert und fotografiert (Lichtbildmappe). Ob sich darauf tatsächlich Spuren des BF finden (Fingerabdrücke, DNA) bzw welche Ermittlungen die Kriminalpolizei nach der Strafanzeige getätigt hat, steht nicht fest.
Fest steht, dass diese in der Folge zur U-Haft des BF geführt haben.
Zusammengefasst waren die bestreitenden und verharmlosenden Angaben des BF in der Beschwerde nicht geeignet, den begründeten Verdacht der Begehung konkreter Pflichtverletzungen und gerichtliche strafbarer Handlungen zu entkräften, da diesen die Aussagen der unter Wahrheitspflicht einvernommen Zeugen A und T, sowie die Verletzungen des A gegenüberstehen und die Mehrheit der Zeugen – entgegen der Aussage des BF, der angab sich nur verteidigt zu haben und den A von hinten in den Griff genommen zu haben – bestätigt haben, dass der A vom BF zumindest in den Schwitzkasten genommen wurde (neben A und T auch von AI und MI).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren
Die Beschwerde wurde gemäß § 43 iVm § 65 Abs 1 HDG innerhalb der Frist von zwei Wochen beim BVwG eingebracht. Der Poststempel ist unleserlich, sodass nicht bewiesen werden kann, dass der BF seine Beschwerde erst nach Fristablauf zur Post gegeben hat. Er muss diese Beschwerde auch bereits im Gefängnis verfasst haben, was sich aus dem Datum ergibt. Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde sind nicht hervorgekommen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß einer Entscheidung des VwGH vom 13.12.2018, Ra 2018/09/0156 ist dem Disziplinarbeschuldigten vor dem Hintergrund des Art 6 EMRK „ … auch im Suspendierungsverfahren grundsätzlich ein Recht darauf zuzuerkennen, dass seine Angelegenheit in einer mündlichen Verhandlung vor dem in der Sache entscheidenden Gericht erörtert wird.“ Diese Rsp ist auf Dienstenthebung zwar übertragbar, im vorliegenden Fall wurde aber bereits die U-Haft verhängt, sodass eine mdl Erörterung in einer Verhandlung auch keine andere Entscheidung des BVwG bewirken würde.
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur
Die maßgeblichen Bestimmungen des Heeressdisziplinargesetzes 2014 (HDG) lauten (Auszug):
„Dienstenthebung
Voraussetzungen, Zuständigkeit und Dauer
§ 40. (1) Der Disziplinarvorgesetzte hat die vorläufige Dienstenthebung eines Soldaten, der dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört, zu verfügen, sofern
1. über diesen Soldaten die Untersuchungshaft verhängt wurde oder
2. das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes, insbesondere die Aufrechterhaltung der Disziplin und Ordnung, wegen der Art einer diesem Soldaten zur Last gelegten Pflichtverletzung durch seine Belassung im Dienst gefährdet würden.
(2) Eine vorläufige Dienstenthebung ist an Stelle des Disziplinarvorgesetzten zu verfügen von
1. a) den Vorgesetzten des Disziplinarvorgesetzten oder
b) den mit der Vornahme einer Inspizierung betrauten Offizieren,
sofern der Disziplinarvorgesetzte an der Verfügung verhindert ist, oder
2. dem zum Zeitpunkt des Eintrittes der Voraussetzungen nach Abs. 1 dem Soldaten vorgesetzten Kommandanten nach § 13 Abs. 1 Z 1 und 2, sofern der Soldat zu diesem Zeitpunkt der Befehlsgewalt seines Disziplinarvorgesetzten nicht unterstellt ist.
(3) Jede vorläufige Dienstenthebung ist von dem Organ, das diese Maßnahme verfügt hat, unverzüglich der Bundesdisziplinarbehörde mitzuteilen. Fallen die für die vorläufige Dienstenthebung maßgebenden Umstände vor dieser Mitteilung weg, so hat dieses Organ die vorläufige Dienstenthebung unverzüglich aufzuheben. Die Bundesdisziplinarbehörde hat mit Beschluss die Dienstenthebung zu verfügen oder nicht zu verfügen. Die vorläufige Dienstenthebung endet jedenfalls mit dem Tag, an dem dieser Beschluss dem Betroffenen zugestellt wird.
(4) Ist bei der Bundesdisziplinarbehörde oder beim Bundesverwaltungsgericht bereits ein Verfahren anhängig, so ist gegen den Beschuldigten wegen der diesem Verfahren zugrunde liegenden Pflichtverletzung eine vorläufige Dienstenthebung nicht zulässig. In diesem Fall hat bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 jedenfalls die Bundesdisziplinarbehörde unmittelbar die Dienstenthebung zu verfügen.
(5) Vom Dienst, wenn auch nur vorläufig, enthobene Soldaten sind verpflichtet, sich auf Anordnung ihres Disziplinarvorgesetzten zu bestimmten Zeiten bei der von diesem Organ bezeichneten militärischen Dienststelle zu melden.
(6) Die Dienstenthebung endet spätestens mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens. Fallen die für die Dienstenthebung maßgebenden Umstände vorher weg, so ist die Dienstenthebung von der Bundesdisziplinarbehörde unverzüglich aufzuheben.
Bezugskürzung
§ 41. (1) Jede durch Beschluss der Bundesdisziplinarbehörde verfügte Dienstenthebung hat die Kürzung der jeweiligen Dienstbezüge auf zwei Drittel für die Dauer der Enthebung zur Folge. Die Bundesdisziplinarbehörde kann diese Kürzung
1. auf Antrag des Enthobenen oder des Disziplinaranwaltes oder
2. von Amts wegen
vermindern oder aufheben, soweit dies unbedingt erforderlich ist zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Enthobenen und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist.
(2) Tritt in den Umständen, die für eine Verminderung oder Aufhebung der Bezugskürzung maßgebend waren, während der Dienstenthebung eine wesentliche Änderung ein, so hat die Bundesdisziplinarbehörde über diese Verminderung oder Aufhebung neu zu entscheiden
1. auf Antrag des Enthobenen oder des Disziplinaranwaltes oder
2. von Amts wegen.
(3) Wird eine Bezugskürzung auf Antrag des Enthobenen vermindert oder aufgehoben, so wird diese Verfügung mit dem Tag der Antragstellung wirksam.
(4) Die durch eine Bezugskürzung einbehaltenen Beträge sind dem Enthobenen nachzuzahlen, wenn er
1. strafgerichtlich nicht verurteilt wird und
2. mit keiner strengeren Disziplinarstrafe als einer Geldbuße bestraft wird.
Dies gilt auch, wenn kein Disziplinarverfahren anhängig war. In allen anderen Fällen sind diese Beträge verfallen.
Verfahren
§ 42. (1) Auf das Verfahren über die vorläufige Dienstenthebung sind die Bestimmungen über das abgekürzte Verfahren im Kommandantenverfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass
1. dieses Verfahren auch ohne Vorliegen der hiefür normierten Voraussetzungen zulässig ist und
2. im Falle des § 40 Abs. 1 Z 2 die Gefährdung des Ansehens des Amtes oder wesentlicher Interessen des Dienstes zu begründen ist.
(2) Auf das Verfahren über die Dienstenthebung und über die Verminderung oder Aufhebung der Bezugskürzung sind die Bestimmungen über das Senatsverfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass
1. ein Einleitungsbeschluss nicht erforderlich ist und
2. eine mündliche Verhandlung nur durchzuführen ist, wenn dies im Interesse der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens gelegen ist.
(3) Der Senatsvorsitzende kann die Beratung und Beschlussfassung über die Verminderung oder Aufhebung der Bezugskürzung durch Einholung der Zustimmung der anderen Senatsmitglieder im Umlaufweg ersetzen. Für Entscheidungen im Umlaufweg sind Einstimmigkeit sowie das Vorliegen eines begründeten Beschlussantrages des Senatsvorsitzenden erforderlich. Die Zustimmung kann mündlich oder telefonisch oder in jeder anderen technisch möglichen Weise erteilt werden. Eine nicht schriftlich erteilte Zustimmung ist in einem Aktenvermerk festzuhalten.
(4) Beschwerden gegen die Entscheidung über
1. eine vorläufige Dienstenthebung oder
2. eine Dienstenthebung oder
3. eine Verminderung oder Aufhebung der Bezugskürzung
haben keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch für Vorlageanträge in Beschwerdevorverfahren gegen solche Bescheide. Über Beschwerden hat das Bundesverwaltungsgericht ehestmöglich, längstens jedoch binnen sechs Wochen ab deren Vorlage bei diesem Gericht zu entscheiden.
(5) In den Fällen des Abs. 4 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und des Interesses der Partei mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Ändern sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung maßgebend waren, wesentlich, so ist auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.
Dienstenthebung von Soldaten im Präsenzdienst
§ 43. Auf Soldaten, die Präsenzdienst leisten, sind die §§ 40 bis 42 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen anzuwenden:
1. Wahrzunehmen sind die Aufgaben
a) des Disziplinarvorgesetzten vom Einheitskommandanten und
b) der Bundesdisziplinarbehörde vom Disziplinarvorgesetzten.
Ist der Soldat zum Zeitpunkt des Eintrittes der Voraussetzungen für die vorläufige Dienstenthebung nach § 40 Abs. 1 der Befehlsgewalt seines Einheitskommandanten nicht unterstellt, so tritt an die Stelle dieses Organs der dem Soldaten zu diesem Zeitpunkt vorgesetzte Kommandant nach § 12.
2. Bei Soldaten, die den Grundwehrdienst oder im Anschluss an diesen den Aufschubpräsenzdienst leisten, tritt hinsichtlich der Bezugskürzung an die Stelle der Dienstbezüge die Bemessungsgrundlage für die Geldbuße.
3. Dem Disziplinaranwalt kommt kein Antragsrecht hinsichtlich der Verminderung oder Aufhebung einer Bezugskürzung zu.
4. Auf das Verfahren über die Dienstenthebung und über die Verminderung oder Aufhebung der Bezugskürzung sind die Bestimmungen über das ordentliche Verfahren im Kommandantenverfahren anzuwenden.
5. Mit Rechtskraft der Verfügung einer Dienstenthebung gilt der Soldat als vorzeitig aus dem Präsenzdienst entlassen.
Durchführung des ordentlichen Verfahrens
§ 62 (3) Das Verfahren ist durch die Disziplinarkommandanten formlos einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Pflichtverletzung nicht begangen hat oder diese Pflichtverletzung nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, oder
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Pflichtverletzung darstellt oder
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.“
Die maßgeblichen Bestimmungen der Allgemeine Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV), BGBl. Nr. 43/1979 lauten:
„Allgemeine Pflichten des Soldaten
Allgemeines Verhalten
§ 3. (1) Der Soldat hat auf Grund seiner Verantwortung für eine erfolgreiche Landesverteidigung jederzeit bereit zu sein, mit allen seinen Kräften den Dienst zu erfüllen. Er hat alles zu unterlassen, was das Ansehen des Bundesheeres und das Vertrauen der Bevölkerung in die Landesverteidigung beeinträchtigen könnte.
(2) Der Soldat steht auf Grund der ihm übertragenen Aufgabe, sein Vaterland und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen, in einem besonderen Treueverhältnis zur Republik Österreich. Er ist im Rahmen dieses Treueverhältnisses insbesondere zur Verteidigung der Demokratie und der demokratischen Einrichtungen sowie zu Disziplin, Kameradschaft, Gehorsam, Wachsamkeit, Tapferkeit und Verschwiegenheit verpflichtet.
[…]
Kameradschaft
(6) Alle Soldaten haben ihren Kameraden mit Achtung zu begegnen, sie vor unnötiger Gefährdung zu bewahren und ihnen in Not und Gefahr beizustehen.
Äußeres Verhalten
(7) Auch das äußere Verhalten des Soldaten muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die der Dienst als Soldat erfordert. Zu einem solchen Verhalten ist der Soldat gegenüber jedermann verpflichtet, gleichgültig, ob im oder außer Dienst, ob in Uniform oder in Zivil."
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat dazu in seiner Rsp zur Suspendierung im Beamtendienstrechtsgesetz (BDG), deren Grundsätze auf die Dienstenthebung nach dem HDG übertragbar sind, unter anderem festgestellt:
Die Suspendierung, der die Dienstenthebung nach dem HDG inhaltlich entspricht, ist ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist. Sie stellt keine endgültige Lösung dar. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Es genügt demnach, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Dies ist dann der Fall, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Die Berechtigung zur Verfügung der Dienstenthebung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Dienstenthebung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst auf Grund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern (Hinweis E vom 24. April 2006, Zl. 2003/09/0002; VwGH 25.03.2010, 2010/09/0055)
Im Hinblick auf die (im vorliegenden E näher dargestellte) Funktion der Dienstenthebung können an die in der Begründung eines die Dienstenthebung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Das dem Beamten im Dienstenthebungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das im Verdachtsbereich als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, muss nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, das heißt in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Dienstenthebungsbescheides ist aber darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Dienstenthebung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt (Hinweis E vom 24. April 2006, Zl. 2003/09/0002; VwGH 20.11.2008, 2007/09/0154)
Die Verfügung der Suspendierung setzt den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen „ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, z.B. bei denkbarer Verdunklungsgefahr im Dienst oder bei schwerer Belastung des Betriebsklimas. Für eine Suspendierung sind greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung von ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite erforderlich (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 21.04.2015, 2015/09/0004, mit umfangreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur).
Mit einer Suspendierung zur Wahrung des Ansehens des Amtes soll verhindert werden, dass die Bevölkerung eine schlechte Meinung von der Dienststelle erhält, an der der Beamte tätig ist. Dies ist bei der Verletzung jener Dienstpflichten, die bereits im Tatbestand auf die Meinung der Bevölkerung abstellen, der Fall. Die Pflicht zur Wahrung des Vertrauens in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben nach § 9 Abs. 2 Slbg LBG 1987 stellt einen solchen Fall dar und auch der Umstand, dass die Dienstpflichtverletzung geeignet ist, besonderes Aufsehen in der Öffentlichkeit zu erregen (wobei das Verhalten jedoch nicht tatsächlich in der Öffentlichkeit bekannt geworden sein muss; VwGH 06.11.2012, 2012/09/0036).
Eine Suspendierung ist aber dann unzulässig, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Verfügung offenkundig die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen oder lediglich bloße Gerüchte und vage Vermutungen vorliegen. Es müssen vielmehr greifbare Anhaltspunkte für eine Dienstpflichtverletzung in ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite gegeben sein, welche die für eine Suspendierung geforderten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen (VwGH 20.10.2015, 2015/09/0035, mwN).
Verschulden bzw. die Strafbemessung sind - anders als im nachfolgenden Disziplinarverfahren - im Suspendierungsverfahren nicht zu beurteilen (VwGH 30.06.2004, 2001/09/0133).
3.3. Rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhalts
3.3.1. Zur Schwere der Pflichtverletzung
Der Disziplinarvorgesetzte hat in der Begründung des Bescheides im Wesentlichen nachvollziehbar und schlüssig dargestellt, dass der BF nicht nur im Verdacht steht schwere Pflichtverletzungen nach § 3 Abs 1, 2, 6 und 7 begangen zu haben, sondern darüber hinaus auch strafrechtswidrige Handlungen (zu denken ist dabei an Körperverletzung, gefährliche Drohung, Versuch einer zumindest schweren Körperverletzung).
Der Verdacht derartiger Pflichtverletzung ist als gravierend anzusehen und durchaus geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit aber auch des Dienstgebers in die Dienstausübung des BF nachhaltig zu erschüttern.
Im Gegenstand wurde der Tatverdacht durch die niederschriftlichen Angaben der Zeugen hinreichend konkretisiert.
Dem BF ist es im Beschwerdeverfahren – in Kenntnis der Vorwürfe – nicht gelungen durch seine angeführten Argumente die Verdachtsmomente zu entkräften.
Mit der bloßen Bestreitung der Tathandlungen, kann der im Raum stehende Tatverdacht der angeführten Pflichtverletzungen und strafbaren Handlungen nicht aus der Welt geschafft werden.
3.3.2. Gefährdung wesentlicher dienstlicher Interessen
Dass bei einem derartig schweren Verdacht auch der Betriebsfriede und die Sicherheit der anderen Soldaten massiv gefährdet wäre, sollte er weiterhin Dienst versehen, bevor die Vorwürfe aufgeklärt sind, liegt auf der Hand.
Ein Soldat der in einem Streit ein derartiges Verhalten an den Tag legt, schädigt das Ansehen des Amtes und die Interessen des Dienstgebers schwer.
Die Voraussetzungen des § 40 Abs 1 Z 2 HDG liegen vor.
Darüber hinaus ordnet § 40 Abs 1 Z 1 HDG bei Verhängung der U-Haft zwingend die Dienstenthebung an.
Eine Prüfung, ob allfällige Einstellungsgründe nach § 62 Abs 3 HDG vorliegen erübrigt sich vor dem Hintergrund der U-Haft. Diese liegen aber auch nicht vor. Es liegt weder Verjährung (vgl dazu § 3 HDG), noch ein bloßer Bagatellcharakter der zur Last gelegten Taten (§ 2 Abs 5 HDG) vor und gibt es auch keine Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit des BF.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden und gilt der BF mit Rechtskraft dieses Erkenntnisses, die mit der Zustellung an ihn eintritt, gem § 43 Z 5 HDG als vorzeitig aus dem Präsenzdienst entlassen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die dargestellte Rechtsprechung wird verwiesen.