JudikaturBVwG

W139 2312378-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
15. Mai 2025

Spruch

W139 2312378-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER über den Antrag der Bietergemeinschaft XXXX , vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH, Schmiedgasse 2, 8010 Graz, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „Rahmenvertrag über die Errichtung von Funkstandorten für den Mobilfunkausbau 5G (PROGMO +)“ der Auftraggeberin ÖBB Infrastruktur AG, Praterstern 3, 1020 Wien, vertreten durch die Weber Harrer Rechtsanwälte GmbH Co KG, Rathausplatz 4, 1010 Wien:

A)

Dem Antrag, „das BVwG möge eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der im Vergabeverfahren „Rahmenvertrag über die Errichtung von Funkstandorten für den Mobilfunkausbau 5G (PROGMO +) (ID122692), Vorhaben Baulos 2 SAE Regionen Mitte, West, Süd 1, Süd 2“ der ÖBB-Infrastruktur AG die Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird“, wird stattgegeben.

Der Auftraggeberin ÖBB-Infrastruktur AG wird für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt, im Vergabeverfahren „Rahmenvertrag über die Errichtung von Funkstandorten für den Mobilfunkausbau 5G (PROGMO +)“ betreffend das Los 2 – SAE Regionen Mitte, West, Süd 1, Süd 2 den Zuschlag zu erteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schriftsatz vom 09.05.2025, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingelangt, stellte die Bietergemeinschaft XXXX , vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH, Schmiedgasse 2, 8010 Graz (in der Folge: Antragstellerin), den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, verbunden mit den Anträgen auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 02.05.2025, auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren, auf Akteneinsicht bzw. Ausnahme von der Akteneinsicht sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Auftraggeberin, die ÖBB Infrastruktur AG, führe ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Bauauftrags betreffend die Errichtung von Funkstandorten für den 5G (PROGMO +) inkl. Kabelbauleistungen, Elektroinstallationsleistungen und LWL-Montagen nach den Sektorenbestimmungen des BVergG 2018 durch. Der Zuschlag werde dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt. Das Programm umfasse ua Grabe-/ Verlegearbeiten für Energie-HF und LWL-Anbindung.

Die Antragstellerin habe rechtzeitig am 20.03.2025 ein zuschlagsfähiges Letztangebot abgegeben. Der Antragstellerin sei als Bestbieterin der Zuschlag zu erteilen. Insbesondere erfülle kein weiteres allenfalls auch vorgereihtes, außer jenes der Antragstellerin, die in der Ausschreibung festgelegten Mindestkriterien.

Der Nachprüfungsantrag richte sich gegen die am 02.05.2025 über die elektronische Vergabeplattform bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung, wonach der Zuschlag (im Los 2) der XXXX , (in der Folge: in Aussicht genommene/präsumtive Zuschlagsempfängerin) erteilt werden soll.

Das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin wäre auf Basis der bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen und dem BVergG 2018 aus mehreren Gründen zwingend auszuscheiden gewesen. Zu einer Angebotsbewertung in Form einer Reihung des Angebotes der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin hätte es gar nicht kommen dürfen. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei nicht zuschlagsfähig, da diese die zwingenden Mindestanforderungen an die Qualifikation der Bieter nicht erfülle. Sie sei nicht technisch leistungsfähig.

In der Ausschreibung werde unter Punkt 2.3 des Teilnahmeantrags unmissverständlich klargestellt, dass alle Angebote über alle Phasen des Vergabeverfahrens hinweg, vom Erstangebot bis hin zum Letztangebot, die aufgezählten Mindestanforderungen erfüllen müssen. Diese Festlegung sei bestandsfest. Die Bindung der für eine Zuschlagserteilung in Frage kommenden Angebote an die Ausschreibung sei für die Gleichbehandlung der Bieter auch im Sektorenbereich entscheidend.

In Punkt 2.3 des Teilnahmeantrags seien technische Spezifikationen als (unverhandelbare und unveränderbare) Mindesterfordernisse aller Angebote festgelegt. Der Unterpunkt „Technische Spezifikationen“ sehe konkret vor, dass insbesondere die bestehenden von der Auftraggeberin ausgegebenen Regelwerke und die Handbücher der ÖBB im Zusammenhang mit dem Projekt „PROGMOplus“ eine wesentliche Grundlage für die zu vergebenden Arbeiten darstellen würden. Das Errichtungshandbuch „PROGMOplus“ Version 1.1 vom 27.06.2024 sei ein solches Handbuch und bilde damit einen integrierten Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen. Das Errichtungshandbuch sei auch im LV der Ausschreibung unter LV-Pos. 00A131 und 00B112 ausdrücklich als Teil der „Ausschreibungsunterlagen“ definiert. Der Inhalt des Errichtungshandbuchs bestehe im Wesentlichen aus technischen Anforderungen für die Errichtung der diversen technischen Komponenten des gesamten Projekts PROGMOplus, welche für einen reibungslosen Ablauf des Gesamtprojekts (auch mit Blick auf das Vorliegen von zwei verschiedenen Baulosen) zwingend notwendig seien. In Kapitel 7 des Handbuchs würden sich die für den ausgeschriebenen Leistungsumfang relevanten Errichtungsgrundlagen zur kritischen Thematik der Lichtwellenleiter-Anbindung oder auch Glasfaserkabel-Anbindung (in weiterer Folge kurz LWL-Anbindung) finden. Bei diesen Arbeiten handle es sich aufgrund der mit diesen verbundenen Schwierigkeiten und der Tragweite von potentiellen Störungen um äußerst sensible Tätigkeiten, die besondere Sach- und Fachkunde der Bieter als „Ausrüster“ erfordern. Diesem Umstand trage auch die Auftraggeberin im Handbuch gleich durch mehrere einzuhaltende Kriterien Rechnung. Dies betreffe hier insbesondere die sehr komplexen Arbeiten der Obergruppe 12 des Vergabe-Leistungsverzeichnisses mit dem Titel LWL-Montagen. In Pkt. 7 des Handbuches („Errichtungsgrundlagen zur LWL-Anbindung“) und in der Branche auch allgemein bekannt sei, dass für die Erbringung dieser LWL-Arbeiten für die ÖBB laut deren Handbüchern eine sehr aufwändige und strenge Zertifizierung erforderlich sei. Erst nach erfolgreicher Qualifikation, die aus zahlreichen technischen Kriterien und Anforderungen an das ausführende Unternehmen bestehe, werde ein interessierter Bieter als „Ausrüster“ im ÖBB-Prüfsystem gelistet und komme dieser überhaupt als Anbieter einer LWL-Montage für die ÖBB in Frage.

Auf diesen Umstand und auf die Unabdingbarkeit dieser Präqualifikation habe die Auftraggeberin im ausschreibungsgegenständlichen Errichtungshandbuch unmissverständlich wie folgt hingewiesen:

Die in der Ausschreibung festgelegten Mindestkriterien seien verbindlich und würden dazu dienen, sicherzustellen, dass gerade im äußerst sensiblen Bereich der LWL-Anbindungen nur geeignete und qualifizierte Bieter berücksichtigt werden. Diese Qualifizierung werde (branchenbekannt) von den ÖBB ganz bewusst durch die im Ausschreibungs-Handbuch festgelegte Zertifizierung sichergestellt. Die Zuschlagserteilung an einen Bieter, der die Mindestkriterien nicht erfülle, verstoße gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung aller Bieter und der Transparenz des Vergabeverfahrens.

Die Präqualifikation und Listung im ÖBB-Prüfsystem stelle eine unveränderbare Mindestanforderung dar. Diese Mindestanforderung der Zertifizierung, wie sie im Ausschreibungs-Handbuch der ÖBB verlangt werde, sei im Teilnahmeantrag zwar nicht explizit unter 12.4 der allgemeinen Teilnehmerunterlage als zu erbringender schriftlicher Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit gefordert, jedoch ergebe sich deren Charakter als Teil der zwingend erforderlichen technischen Leistungsfähigkeit völlig unmissverständlich aus den Vergabeunterlagen. Die Präqualifikation, auf welche das Handbuch Bezug nehme, setze konkrete Maßstäbe an die technische Leistungsfähigkeit, indem sie diese im Rahmen eines umfangreichen Prüfsystems abfrage. Bereits der Teilnahmeantrag spreche in „ANLAGE 5 – Ausschreibungsunterlage“ unter Verweis auf das Vergabe-Handbuch expressis verbis von „Leistungsspezifischen Mindestanforderungen“, die von den Erstangeboten erfüllt werden müssen.

Nach dem Kenntnisstand der Antragstellerin sei die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin jedoch entgegen der eindeutigen Anforderung des Handbuches der Ausschreibung nicht im ÖBB-Prüfsystem gelistet und verfüge sohin nicht über die Präqualifikation, die notwendig sei, die kritischen Tätigkeiten an den LWL-Anbindungen bei gegenständlichem Projekt auszuführen. Dies könne durch Einsichtnahme in das entsprechende ÖBB-Prüfsystem nachgewiesen werden. Die Antragstellerin könne mangels genauerer Kenntnis des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin selbstverständlich nicht beurteilen, ob von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zur Ausführung der LWL-Anbindungen eine laut Ausschreibungs-Handbuch zertifizierte bzw. präqualifizierte Subunternehmerin als „notwendige“ Subunternehmerin zur Erfüllung der Mindestanforderungen an die technische Leistungsfähigkeit von Beginn an angegeben worden sei. Es könne daher nur vermutet werden, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin erfülle daher diese Voraussetzung an die technische Leistungsfähigkeit nicht, weswegen die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig sei.

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erklärte die Antragstellerin ihr Vorbringen zum Sachverhalt sowie ihre rechtlichen Ausführungen und Bescheinigungsmittel ausdrücklich auch zum Vorbringen im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Interessenabwägung habe zugunsten der Antragstellerin auszufallen, besondere öffentliche Interessen oder Interessen der Auftraggeberin, welche gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung spreche würden, liegen nicht vor. Bei der begehrten Untersagung der Zuschlagserteilung handle es sich jedenfalls um die einzige und gleichzeitig gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme. Die beantragte einstweilige Verfügung sei zwingend erforderlich, da die Auftraggeberin durch die drohende Zuschlagserteilung unumkehrbare Tatsachen schaffe, die von der Antragstellerin mit den Mitteln des BVergG nicht mehr beseitigt werden können. Im gegenständlichen Fall hätte die Auftraggeberin nämlich die Möglichkeit, der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nach Ablauf der Stillhaltefrist den Zuschlag zu erteilen. Deshalb würde die Antragstellerin ihre Chance auf Erhalt des Zuschlags in einem vergaberechtskonformen Verfahren und damit auf Beteiligung an einem fairen und lauteren Wettbewerb endgültig verlieren.

2. Am 14.05.2025 erteilte die ÖBB Infrastruktur AG, Praterstern 3, 10120 Wien, vertreten durch die Weber Harrer Rechtsanwälte GmbH Co KG, Rathausplatz 4, 1010 Wien (in der Folge: Auftraggeberin), allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Im Übrigen sprach sich die Auftraggeberin nicht gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen sowie der Bezug nehmenden Beilagen wird vorerst im Rahmen des Provisorialverfahrens folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:

Die Auftraggeberin, die ÖBB Infrastruktur AG, Praterstern 3, 1020 Wien, schrieb im September 2024 unter der Bezeichnung „Rahmenvertrag über die Errichtung von Funkstandorten für den Mobilfunkausbau 5G (PROGMO +)“ einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestbieterprinzip in zwei Losen aus (Bekanntmachung im Supplement S zum Amtsblatt der EU, ABl./S 170/2024 unter der Bekanntmachungsnummer 524961-2024 sowie auf der Vergabeplattform ProVia; CPV-Codes Haupteinstufung 45232340 Bau von Basisstationen für den Mobilfunk; zusätzlich: 45311000 Installation von Elektroanlagen; 45232000 Bauarbeiten und zugehörige Arbeiten für Rohrleitungen und Kabelnetze). Gegenstand des Vergabeverfahrens ist die Errichtung von Funkstandorten für den 5G Mobilfunkausbau (PROGMO+) inkl. Kabelbauleistungen, Elektroinstallationsleistungen und LWL-Montagen.

Die Ausschreibung blieb unangefochten.

Sowohl die Antragstellerin als auch die In Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin legten fristgerecht Letztangebote.

Am 02.05.2025 wurde die Antragstellerin über die elektronische Vergabeplattform ProVia darüber in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag betreffend Los 2 – SAE Regionen Mitte, West, Süd 1, Süd 2 zugunsten der XXXX , erteilen zu wollen. Das Angebot der Antragstellerin wurde nicht ausgeschieden.

Mit Schriftsatz vom 10.05.2025, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag, brachte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden mit einem Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung vom 02.05.2025 betreffend Los 2 ein. Die Antragstellerin entrichtete die Pauschalgebühr in entsprechender Höhe.

Es wurde weder der Zuschlag erteilt noch wurde eine Widerrufsentscheidung bekanntgegeben oder der Widerruf erklärt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und zur Zulässigkeit des Antrages

Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist ÖBB Infrastruktur AG. Diese ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018. Da sie die Sektorentätigkeit der Bereitstellung eines Netzes zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Eisenbahn gemäß § 172 Abs 1 BVergG 2018 ausübt, handelt es sich um eine öffentliche Sektorenauftraggeberin gemäß § 167 BVergG 2018. (ua BVwG 24.11.2021, W187 2246496-2/41E, mwN). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 5 BVergG 2018 iVm § 177 BVergG 2018 um einen Bauauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 185 Abs 1 Z 3 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und damit zur Erlassung einstweiliger Verfügungen und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.

Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 350 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen (EuGH 11.05.2017, C-131/16, Archus und Gama, Rn 59; BVwG 16.12.2020, W187 2236898-2/29E; siehe auch BVwG 15.02.2021, W187 2237702-2/26E).

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe bezahlt. Der Nachprüfungsantrag richtet sich zweifelsfrei gegen die Zuschlagsentscheidung (betreffend Los 2) vom 02.05.2025. Dabei handelt es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit a sublit dd BVergG 2018.

2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages

Gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

Die Antragstellerin behauptet die Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Auftraggeberin, den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren betreffend Los 2 der XXXX , erteilen zu wollen. Diese Behauptung erscheint zumindest nicht denkunmöglich. Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren schon angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht abzusprechen (siehe etwa VwGH 04.11.2013, AW 2013/04/0045). Diese wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein.

Da bei (zumindest teilweisem) Zutreffen der Behauptung der Antragstellerin die Zuschlagserteilung an die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängern rechtswidrig sein könnte und der Antragstellerin bei Fortführung des Vergabeverfahrens die Vereitelung einer Zuschlagschance mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht, ist es erforderlich, das Vergabeverfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand zu halten, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ins Leere laufen lässt und der die grundsätzliche Möglichkeit der Auftragserteilung an die Antragstellerin im Rahmen eines vergaberechtskonformen Verfahrens wahrt (siehe zum Zweck einer einstweiligen Verfügung auch EBRV 69 BlgNr XXVI. GP 203).

Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin ua auf den Entgang des gegenständlichen Auftrags, des Deckungsbeitrags und des angemessenen Gewinns, die frustrierten Kosten der Verfahrensbeteiligung und der rechtsfreundlichen Vertretung sowie auf den Verlust eines bedeutsamen Referenzprojektes verweist. Am Vorliegen dieses drohenden Schadens besteht dem Grunde nach kein Zweifel. Die entsprechende Behauptung erscheint grundsätzlich plausibel. Ins Einzelne gehende (genaueste) Darlegungen sind nicht geboten (siehe VwGH 22.06.2011, 2009/04/0128; VwGH 24.02.2006, 2004/04/0127). Beim Verlust eines Referenzprojektes handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden (Vermögens)Nachteil (VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVA 21.02.2007, N/0012-BVA/07/2007-13; BVA 09.06.2010, N/0008-BVA/02/2010-7 uva).

Im Rahmen der Interessenabwägung ist darüber hinaus auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich des Vorrangs des primären – durch Nichtigerklärung rechtswidriger Auftraggeberentscheidungen zu gewährleistenden – Rechtsschutzes (EuGH 28.10.1999, Rs C-81/98, Alcatel Austria AG ua; EuGH 18.06.2002, Rs C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik Planungs-Gesellschaft mbH) sowie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs Bedacht zu nehmen, wonach in der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter ein öffentliches Interesse liegt (VfGH 25.10.2002, B1369/01; siehe insb. bereits BVA 25.01.2002, N-128/01-45 uvm).

Die Auftraggeberin sprach sich nicht gegen die begehrte Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus und bezeichnete keine Interessen, die gegen ihre Erlassung sprechen würden. Auch die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin führte keine Interessen ins Treffen, die der begehrten Erlassung der einstweiligen Verfügung entgegenstehen würden. Im Übrigen sind dem Bundesverwaltungsgericht besondere öffentliche Interessen, Interessen der Auftraggeberin, der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin oder sonstiger Bieter an der unmittelbaren Fortführung des Vergabeverfahrens nicht bekannt.

Unter Zugrundelegung obiger Überlegungen ist somit ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 nicht anzunehmen, sondern vielmehr das Interesse der Antragstellerin an der Prüfung der angefochtenen Entscheidung de Auftraggeberin als überwiegend anzusehen, weswegen die im Spruch ersichtliche Sicherungsmaßnahme, die Untersagung der Zuschlagserteilung, als gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme iSd § 351 Abs 3 BVergG 2018 auszusprechen war, als damit die Schaffung von unumkehrbaren Tatsachen zum Nachteil der Wettbewerbsposition der Antragstellerin im gegenständlichen Vergabeverfahren vermieden wird.

Zur Dauer der Provisorialmaßnahme ist auszuführen, dass nach nunmehr ständiger Rechtsprechung eine einstweilige Verfügung mit der Dauer des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 als hinreichend befristet zu bewerten ist (ua BVwG 10.01.2014, W187 2000170-1/11; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVwG 23.10.2014, W114 2013254-1/6E; BVA 10.02.2011, N/0011-BVA/10/2011-9, BVA 10.05.2011, N/0035-BVA/08/2011-12 mwN; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054). Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, und zwar der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin und die präsumtive Zuschlagsempfängerin sind durch eine derartige Bestimmung der Dauer nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung jederzeit deren Aufhebung beantragt werden kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 04.05.2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 06.11.2002, 2002/04/0138; 30.06.2004, 2004/04/0028; 01.02.2005, 2005/04/0004; 29.06.2005, 2005/04/0024; 24.02.2006, 2004/04/0127; 01.03.2007, 2005/04/0239; 27.06.2007, 2005/04/0254; 29.02.2008, 2008/04/0019; 14.01.2009, 2008/04/0143; 14.04.2011, 2008/04/0065; 22.06.2011, 2009/04/0128; 29.09.2011, 2011/04/0153; 10.12.2007, AW 2007/04/0054) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ist die Rechtslage klar und eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (siehe VwGH 12.11.2020, Ra 2020/16/0159). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Rückverweise