JudikaturBVwG

W189 2199225-3 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2025

Spruch

W189 2199225-3/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen die Spruchpunkte I. – III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2024, Zl. 1122559200-180332601, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.04.2025 zu Recht:

A)

I. In Stattgabe der Beschwerde werden die Spruchpunkt I. und III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

II. Der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 11.03.2024 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX für die Dauer von zwei Jahren ab Rechtskraft dieser Entscheidung eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer (in der Folge: der BF), einem somalischen Staatsangehörigen, wurde nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz am 14.07.2016 mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: das BFA) vom 22.05.2018 gemäß § 8 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zugesprochen und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Dabei stellte das BFA unter anderem fest, dass der BF nach wie vor über Angehörige in Somalia verfüge, einem Mehrheitsclan angehöre und gesund sei. Der Status eines subsidiär Schutzberechtigten sei dem BF aber aufgrund der derzeitigen schlechten Versorgungslage in Zusammenhang mit der vorherrschenden Dürre zuzuerkennen.

2. Mit Bescheid des BFA vom 13.02.2019 wurde dem BF zunächst der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aufgrund des Wegfalls der Umstände aberkannt, dieser Bescheid jedoch mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.02.2022 ersatzlos behoben, da keine nachhaltige Verbesserung der Lage eingetreten sei.

3. Mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 06.02.2024 wurde der BF wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, von denen 20 Monate für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt und ihm die Zahlung eines Teilschmerzengeldbetrages von 1.500,- Euro aufgetragen.

4. Mit Schreiben des BFA vom 26.03.2024 wurde der BF in Kenntnis gesetzt, dass aufgrund dieser Verurteilung ein Aberkennungsverfahren nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 gegen ihn eingeleitet wurde und ihm die Möglichkeit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Der BF ließ dieses Schreiben unbeantwortet.

5. Mit Bescheid des BFA vom 02.08.2024 wurde der dem BF mit Bescheid vom 22.05.2018 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß „§ 9 Abs. 2 AsylG 2005“ aberkannt (Spruchpunkt I.), sein Antrag vom 11.03.2024 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), die Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Somalia festgestellt (Spruchpunkt III.) und ihm eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt IV.).

6. Über die vom BF fristgerecht „gegen die Spruchpunkte I. und II.“ dieses Bescheides eingebrachte Beschwerde führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des BF und seiner Rechtsvertretung am 17.04.2025 eine mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Dem BF wurde mit Bescheid des BFA vom 22.05.2018 gemäß § 8 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Zuletzt beantragte der BF am 11.03.2024 die Verlängerung dieser befristeten Aufenthaltsberechtigung.

1.2.1. Am 19.02.2018 wurde der BF vom Landesgericht Korneuburg als Jugendlicher wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a und 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Diese Verurteilung ist inzwischen nach dem Tilgungsgesetz 1972 getilgt.

1.2.2. Am 04.04.2018 wurde der BF vom Landesgericht Korneuburg als Jugendlicher wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 22.10.2017 kam es in einer Flüchtlingsunterkunft in Niederösterreich in der Nacht zu einem Konflikt zwischen dem BF und seinem Zimmerkollegen (dem späteren Opfer), weil der BF sich auf seinem Laptop einen Film ansehen wollte, was dem späteren Opfer aufgrund der damit verbundenen Lautstärke störte. Die Interventionen der vom späteren Opfer gerufenen Betreuerin führten nur dazu, dass der BF die Lautstärke leiser drehte, was dem späteren Opfer aber zu wenig war. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung, bei der der BF die Beherrschung verlor, einen mit Geschirr und Besteck gefüllten Geschirrkorb nahm und ihn nach dem Opfer warf, das in seinem Bett lag. Das Opfer wurde von dem Geschirrkorb im Kopf- und Schulterbereich getroffen. Der BF nahm sodann ein im Zimmer befindliches Streichmesser, attackierte das Opfer damit und fügte ihm (leichte) Schnittverletzungen am Brustkorb, Kleinfinger und einer Zehe zu. Dem Opfer gelang es, den BF am Unterarm zu packen, woraufhin der BF das Messer zu Boden fallen ließ. Das Opfer verständigte daraufhin telefonisch die Polizei, wobei er der Betreuerin das Handy weitergab. Der BF war inzwischen in den Garten gegangen, worauf ihm das erzürnte Opfer mit den Worten „ich mache ihn fertig“ nachging. Im Garten kam es zu einer weiteren Rauferei zwischen den beiden, wobei das Opfer zunächst im Garten den BF angriff, sich dieser aber nicht auf die bloße Verteidigung beschränkte, sondern erneut auch offensiv gegen das Opfer vorging und ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, was einen Nasenbeinbruch zur Folge hatte. Ebenso schlug er mit einem Gürtel auf das Opfer ein. Als die Polizei im Garten eintraf, konnten beide Kontrahenten nebeneinander am Rücken liegend vorgefunden werden. Beide bewegten sich kaum, das Gesicht und der Oberkörper des Opfers waren blutverschmiert und es blutete stark aus der Nase, welche schief stand. Der BF hatte einen Stoffgürtel um den Hals, äußerliche Verletzungen konnten an ihm nicht wahrgenommen werden. Beim BF konnten im Rahmen einer Untersuchung lediglich minimale Kratzspuren festgestellt werden. Beim Opfer wurden neben den erwähnten Schnittverletzungen eine Nasenbeinfraktur, eine Gesichtsschädelfraktur links, eine Schädelprellung sowie eine Prellung des rechten Ellbogens diagnostiziert.

Bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren wurden vom Strafgericht bei der Strafbemessung mildernd gewertet der bisherige ordentliche Lebenswandel und die persönliche Lebenssituation des BF. Erschwerend waren unter Bedachtnahme auf das Urteil vom 19.02.2018 das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit zwei Vergehen sowie der Gebrauch einer Waffe im funktionellen Sinn, nämlich des Streichmessers. Eine diversionelle Erledigung war aufgrund des Gebrauchs eines Messers nicht möglich. Von der Anordnung einer Bewährungshilfe wurde aufgrund der sprachlichen Barriere Abstand genommen.

Der Vorfall hatte unmittelbar zur Folge, dass der BF aus der Flüchtlingsunterkunft weggewiesen wurde und er für die nächsten zwei Wochen buchstäblich „auf der Straße stand“. In diesem Zeitraum knüpfte er die Kontakte, die dazu führten, dass er in der Folge Suchtgift verkaufte, was zur Verurteilung vom 19.02.2018 führte. Die beiden Strafverfahren wurden irrtümlich aufgrund unterschiedlicher Namensschreibweisen nicht zusammen geführt.

Diese Verurteilung ist inzwischen nach dem Tilgungsgesetz 1972 getilgt.

1.2.3. Am 06.02.2024 wurde der BF vom Landesgericht Feldkirch wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, wovon 20 Monate für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt. Zudem wurde ihm die Zahlung eines Teilschmerzengeldbetrages von 1.500,- Euro an das Opfer aufgetragen.

Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 30.09.2023 gegen 05:20 Uhr in der Früh konsumierte das spätere Opfer mit zwei weiteren Kollegen in seiner Unterkunft in Vorarlberg Alkohol. Im Gang trafen sie auf den BF, worauf es zwischen dem späteren Opfer und dem BF zu einer verbalen Auseinandersetzung kam. Diese beiden Personen begaben sich dann in das Zimmer des späteren Opfers. Das spätere Opfer ging zur Küche, nahm ein Messer mit der Gesamtlänge von ca. 33 cm und einer Klingenlänge von 19 cm in die Hand. Anschließend kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, bei der der BF eine Schnittverletzung an seiner linken Wange erlitt. Der BF stieß das spätere Opfer daraufhin mit seinen beiden Händen gegen die Brust, worauf dieses auf das hinter ihm befindliche Bett fiel und mit dem Hinterkopf auf der Bettkante aufschlug. In weiterer Folge ergriff der BF das Messer, nahm es in seine rechte Hand, beugte sich über das am Bett liegende Opfer, hielt ihm mit der linken Hand am T-Shirt fest, holte mit dem Messer in der rechten Hand aus und fügte dem Opfer eine Stichverletzung unterhalb des linken Auges zu. Weiters fügte er ihm tiefe Schnittverletzungen an der linken Wange und in der Region der linken Achillessehne zu. Oberflächliche schnittartige Verletzungen fügte er dem Opfer an der rechten Brustkorbhälfte und im linken Oberbauchbereich sowie an der Handrückenseite des rechten Daumengelenks, Daumenendgelenks und des linken Mittelfingerendgelenks zu. Zudem erlitt das Opfer durch den Stich ins Gesicht einen Bruch des linken Augenhöhlenbogens. Mit den erlittenen Verletzungen war eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung verbunden und die Verletzungen waren an sich schwer. Dem BF kam es bei dieser Tathandlung gerade darauf an, das Opfer schwer am Körper zu verletzen. Das Opfer hatte aufgrund der erlittenen Verletzungen jedenfalls 20 Tage leichte körperliche Schmerzen in komprimierter Form. Der BF war zum Tatzeitpunkt alkoholisiert (ca. 1,37 Promille), sodass seine Zurechnungsfähigkeit gemindert war. Seine Dispositions- und Diskretionsfähigkeit war folglich eingeschränkt, er war allerdings durchaus in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Bei einem Strafrahmen von zwei bis zehn Jahren wurden vom Strafgericht bei der Strafbemessung mildernd gewertet das reumütige Geständnis des BF, der bisher ordentliche Lebenswandel, die verminderte Zurechnungsfähigkeit aufgrund von Alkoholeinfluss und die teilweise Schadenswiedergutmachung. Erschwerend waren hingegen die Verwendung einer Waffe zur Tatbegehung und die doppelte Qualifikation des § 84 Abs. 1 StGB.

Aus spezialpräventiver Sicht ging das Strafgericht davon aus, dass ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen werden konnte, weil die bloße Androhung der Vollziehung eines Teils der Freiheitsstrafe alleine genügen werde, um den BF von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und aufgrund der Tatumstände eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der BF keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.

1.2.4. Am 08.04.2025 wurde der BF polizeilich wegen einer Ordnungsstörung nach § 81 Abs. 1 SPG angezeigt, weil er vor einem Lokal herumgeschrien und Gäste beleidigt habe,

1.3. Der BF wurde mit Ende Februar 2024 nach fünf Monaten – somit nach Verbüßung der Hälftestrafe des Urteils vom 06.02.2024 – aus der Haft entlassen. Er besuchte während und nach Verbüßung der Haft zwischen November 2023 und dem August 2024 eine Gewaltberatung, welche nach 14 einstündigen Terminen positiv abgeschlossen werden konnte. Er befindet sich seit April 2024 in Bewährungshilfe und zeigt sich verlässlich und kooperativ. Seit März 2024 wird er durch einen integrativen Sozialverein bei der gesellschaftlichen Wiedereingliederung, der Arbeitssuche sowie auch in medizinischer und psychiatrischer Hinsicht unterstützt, wobei sich der BF auch hier verlässlich und kooperativ verhält. Er hat seit Juni 2024 an einem organisierten Ausbildungsprojekt zur Integration in den Arbeitsmarkt erfolgreich teilgenommen, hat im Dezember 2024 einen Basisbildungskurs (Deutsch als Zweitsprache, mathematische und digitale sowie Lernkompetenzen) ebenso erfolgreich absolviert und befindet sich nun seit Februar 2025 in einem Projekt zur Nachholung des Pflichtschulabschlusses. Sein Ziel ist, nach dem Pflichtschulabschluss eine Lehrstelle im Metallbereich aufzunehmen. Er ist in seinem neuen Umfeld sozial gut eingebunden. Er zahlt den ihm auferlegten Schmerzengeldbetrag verlässlich in monatlichen Raten ab. Er bezieht derzeit 700,- Arbeitslosenentgelt sowie 300,- Schulungszulage über das AMS. Der BF spricht sehr gut Deutsch. Er bereut seine Straftat und ist ehrlich bemüht, einen ordentlichen Lebenswandel zu führen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich zum einen aus dem unstrittigen Akteninhalt, nämlich insbesondere den strafgerichtlichen Urteilen (gegenständliches letztes Urteil: AS 487 ff), den polizeilichen Anzeigen (OZ 8) den vom BF vorgelegten Unterlagen (OZ 2, 4, 5; Beilagen ./1 – 4) und einem eingeholten Fremden-, Melderegister- und Strafregisterauszug. Zum anderen konnte sich die erkennende Richterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht selbst von den sehr guten Deutschkenntnissen des BF, von seiner Reue und seiner ehrlichen Bemühung um einen ordentlichen Lebenswandel überzeugen, welche von den vorgelegten Unterlagen entsprechend gestützt werden. Auch wenn der BF zuletzt wieder – wie er in der mündlichen Verhandlung von sich aus unumwunden ansprach – stark alkoholisiert war und die öffentliche Ordnung vor einem Lokal störte (Verhandlungsprotokoll S. 7 f; OZ 8), er somit seinen Alkoholmissbrauch augenscheinlich noch nicht gänzlich unter Kontrolle hat, kam es dabei doch zu keiner mit der abgeurteilten Straftat auch nur ansatzweise vergleichbaren Situation, zumal schon nicht zu gerichtlich strafbaren Handlungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Nach § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen (Z 1); er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 2) oder er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat gemäß Abs. 2 leg.cit. eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt (Z 1); der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 2) oder der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht (Z 3). In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

In der gegenständlichen Angelegenheit stützte das BFA die Aberkennung der subsidiären Schutzstatus des BF auf § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005, da er rechtskräftig wegen eines Verbrechens verurteilt worden sei.

Eine Aberkennung des subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht allein darauf gestützt werden, dass der Revisionswerber wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/18/0295, vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 13. September 2018, Ahmed, C-369/17, näher ausgeführt hat, ist bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob eine „schwere Straftat“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung sind auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen. Eine Prognose, ob infolge jener Handlungen, derentwegen ein Fremder rechtskräftig wegen eines Verbrechens verurteilt wurde, auch eine von ihm ausgehende Gefahr besteht, ist allerdings nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht vorzunehmen (VwGH 13.10.2023, Ra 2021/18/0393, Rn. 21 und 23).

In der gegenständlichen Angelegenheit wurde der BF wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB verurteilt, welches bei einem Strafrahmen von zwei bis zehn Jahren abstrakt sicherlich als schwere Straftat zu beurteilen ist. Für eine solche Beurteilung spricht auch die Verwendung eines Messers mit einer Klingenlänge von 19 cm als Tatwaffe. Allerdings sprechen im konkret zu beurteilenden Einzelfall auch mehrere Umstände gegen die Subsumption als schwere Straftat. So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Auseinandersetzung zwischen dem BF und seinem Opfer – beide waren zum Tatzeitpunkt alkoholisiert – anfangs lediglich verbaler Natur war und es das Opfer war, welches den Streit durch das Holen der Tatwaffe aus seiner eigenen Küche und dem gegen den BF gerichteten Angriff mit diesem Messer auf die körperliche Ebene eskalierte. Das vermag zwar die folgende Straftat des BF nicht zu rechtfertigen (und wäre schließlich andernfalls der BF schon nicht verurteilt worden), ist für die gegenständlich vorzunehmende gesamtbetrachtende Beurteilung aber nicht unerheblich, ging die körperliche Eskalation und die Beiziehung der Tatwaffe damit doch nicht vom BF selbst, sondern von seinem Gegenüber aus. Ebenso maßgeblich ist, dass der BF im Strafverfahren ein reumütiges Geständnis abgab und den Schaden teilweise wiedergutmachte. Von dieser ehrlichen Reue des BF konnte sich die erkennende Richterin im gegenständlichen Verfahren in der durchgeführten mündlichen Verhandlung – das BFA sah von einer Einvernahme des BF ab – auch gewissenhaft selbst überzeugen und er zahlt auch den ihm auferlegten Schmerzengeldbetrag weiterhin ab. Dementsprechend wurde der BF letztlich – relativ zum Strafrahmen – nur zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, von denen 20 Monate bedingt nachgesehen wurden, verurteilt, und wurde der BF zudem bereits zur Hälftestrafe aus der Haft entlassen. Die verhängte Freiheitsstrafe orientierte sich somit deutlich am unteren Ende des Rahmens, zumal das Strafgericht in seiner Begründung selbst ausführte, dass „aufgrund der Tatumstände“ (!) eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der BF keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Damit überwiegen aber – anders als nach Meinung des BFA, welches sich mit der konkret relevanten Verurteilung vom 06.02.2024 zu oberflächlich auseinandersetzte – sowohl quantitativ als auch qualitativ insgesamt die Umstände, aufgrund derer im konkreten Einzelfall doch noch davon auszugehen ist, dass der BF keine derart schwere Straftat beging, welche die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach sich zieht.

Die Voraussetzungen für eine Aberkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 sind somit nicht erfüllt. Ebenso wenig haben sich Anhaltspunkte für die Annahme eines anderen Aberkennungsgrundes ergeben (zur Sache des Beschwerdeverfahrens, nämlich die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich, vgl. VwGH 29.06.2020, Ro 2019/01/0014), zumal insbesondere eine Lageänderung zuletzt bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.02.2022 verneint wurde und im gegenständlichen Bescheid auch vom BFA nicht angenommen wurde. Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass ein Vergleich der IPC-Karte von FSNAU für Jänner 2018 mit der letztaktualisierten Karte für Jänner bis März 2025 (einzusehen auf https://fsnau.org/ipc/ipc-map) keine (zumal nachhaltige) Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage erkennen lässt.

Auch wenn Spruchpunkt III. des gegenständlichen Bescheides in der Beschwerde ausdrücklich vom Anfechtungsumfang ausgenommen wurde, so muss aus der genannten höchstgerichtlichen Rechtsprechung, wonach Sache des Beschwerdeverfahrens die Aberkennung des Schutzstatus an sich – d.h. also sämtliche Gründe des § 9 AsylG 2005 – ist, die Untrennbarkeit des Ausspruchs über die Aberkennung (Spruchpunkt I.) und des Ausspruchs über die (Un-)Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III.) folgen, hängt doch der Ausspruch der Zulässigkeit oder aber Unzulässigkeit der Abschiebung gänzlich vom herangezogenen Aberkennungsgrund ab. Dementsprechend ist entgegen der Anfechtungserklärung in der gegenständlichen Beschwerde auch Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides vom Umfang des Beschwerdeverfahrens umfasst.

In Stattgabe der Beschwerde sind somit Spruchpunkt I. sowie infolge dessen auch der davon abhängige Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

3.2. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter auf Antrag zu verlängern, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen.

Da die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten weiterhin vorliegen, ist somit auch der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung für weitere zwei Jahre zu erteilen.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist nicht nur aus Anlass der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltsberechtigung subsidiär Schutzberechtigter, sondern in einer Konstellation, in der die Entscheidung nach Ablauf der in der zuvor erteilten Aufenthaltsberechtigung bestimmten Gültigkeitsdauer erging, auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung die Gültigkeitsdauer der zu erteilenden Berechtigung ausgehend vom Entscheidungszeitpunkt festzulegen (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281). Die zweijährige Verlängerung beginnt daher mit der Erlassung (d.h. mit schriftlicher Zustellung) des gegenständlichen Erkenntnisses zu laufen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Rückverweise