JudikaturBVwG

W187 2303567-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
13. Mai 2025

Spruch

W187 2303566-1/8E W187 2303564-1/8E W187 2303567-1/8E W187 2303565-1/8E IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, 2.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, 3.) XXXX , geboren am XXXX und 4.) XXXX , geboren am XXXX , alle vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, jeweils gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 17.10.2024, zu 1.) XXXX , zu 2.) XXXX , zu 3.) XXXX und zu 4.) XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.4.2023 zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden jeweils als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer, im Folgenden Beschwerdeführer 1 bis Beschwerdeführer 4 sind syrische Staatsangehörige und reisten irregulär in das österreichische Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer 1 und die Beschwerdeführerin 2 sind verheiratet und die Eltern der Beschwerdeführerin 3 und der Beschwerdeführerin 4.

2. Die Beschwerdeführer stellten jeweils am XXXX erstmals im österreichischen Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz.

3. Im Rahmen der Erstbefragung des Beschwerdeführers 1 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab der Beschwerdeführer 1 an, in Syrien herrsche Krieg. Der Beschwerdeführer 1 sei zweimal verhaftet worden, weil er an Demonstrationen teilgenommen habe. Seine Heimat sei durch Raketenangriffe zerstört worden. Er habe Angst um mich und meine Familie.

4. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer 1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, er habe an Demonstrationen teilgenommen. Die Regierung habe die Demonstranten attackiert. Für die Beschwerdeführerin 3 und die Beschwerdeführerin 4 wurde angegeben, dass diese keine eigenen Fluchtgründe hätten.

5. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden vom 17.10.2024, XXXX , wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge des Beschwerdeführers 1, der Beschwerdeführerin 3 und der Beschwerdeführerin 4 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 jeweils ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 wurde ihnen jedoch jeweils der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

6. Im Rahmen der Erstbefragung der Beschwerdeführerin 2 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX , gab die Beschwerdeführerin 2 an, in Syrien herrsche Krieg. Ihr Mann sei zweimal grundlos verhaftet worden. Ihr Heimatdorf sei zerstört worden. Sie habe Angst um Leben und Familie.

7. Am XXXX wurde die Beschwerdeführerin 2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie im Wesentlichen an, ihr Mann sei 2011 bei einer Demonstration verletzt worden und in den Jahren 2011 und 2012 zweimal verhaftet worden. Zwischen 2012 und 2020 sei das Gebiet beschossen worden. Das syrische Militär sei näher zu umliegenden Dörfern gekommen. Die Beschwerdeführer hätten Angst bekommen und deshalb das Land verlassen.

8. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 17.10.2024, XXXX , wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführerin 2 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 wurde ihr jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr die befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

9. Gegen Spruchpunkt I. ihrer Bescheide richtet sich die jeweilige Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung für die Beschwerdeführer günstigere Bescheide erzielt worden wäre. Nach einer Darstellung des Sachverhaltes führen die gemeinsamen erhobenen Beschwerden im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer 1 drohe eine Einziehung zum syrischen Reservemilitärdienst. Dies begründe eine asylrelevante Verfolgungsgefahr.

10. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt. In einem beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde.

11. Mit Schriftsatz vom 10.4.2025, beim Bundesverwaltungsgericht am 11.4.2025 eingelangt, nahmen die Beschwerdeführer gleichlautend Stellung. Diese Stellungnahme übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde am selben Tag.

12. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht für den Beschwerdeführer 1 eine mündliche Verhandlung durch. Sie hatte folgenden Verlauf:

„…

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: XXXX , Syrien, XXXX heiße ich, am XXXX geboren.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer: Arabisch in Wort und Schrift.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Araber, sunnitischer Moslem, verheiratet.

Richter: Wie sind Sie verheiratet, traditionell, staatlich oder beides?

Beschwerdeführer: Sowohl als auch. Die Ehe wurde bei Gericht eingetragen.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer: Zwei.

Richter: Wer hat das Sorgerecht für Ihre Kinder?

Beschwerdeführer: Ich.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Syrien und der Türkei aufgehalten haben.

Beschwerdeführer: Ich habe in Syrien im Dorf XXXX seit der Geburt bis zur Ausreise aus Syrien gelebt. In der Türkei habe ich in der Provinz XXXX in XXXX gelebt. Ab XXXX bis ca. XXXX .

Richter: Wie haben Sie in Syrien und der Türkei gewohnt?

Beschwerdeführer: In meinem Heimatdorf habe ich mit meiner Familie zusammengelebt und ebenso in der Türkei.

Richter: In welchen Häusern oder Unterkünften haben Sie in Syrien und in der Türkei gewohnt?

Beschwerdeführer: In Syrien habe ich in meinem Haus gelebt. In der Türkei haben wir uns eine Unterkunft angemietet und nach dem Erdbeben wohnten wir in einem Zelt.

Richter: Was haben Sie in Syrien und der Türkei gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: Mein Vater hat in Syrien ein Geschäft für Gasflaschen gehabt und ich habe mit ihm gearbeitet und habe die Gasflaschen von Großhändlern abgeholt und an verschiedene Abnehmer zugestellt. In der Türkei habe ich als Bauarbeiter gearbeitet.

Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführer: Neun Jahre Grundschule.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: Aktuell lebt meine Familie in XXXX , im XXXX . Nachgefragt: Der Rest lebt im XXXX , in der Provinz XXXX .

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Ein-, zweimal im Monat.

Richter: Haben Sie in Syrien und der Türkei weitere Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen wie zB Freunde und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Wer beherrschte Ihre Heimatregion zum Zeitpunkt Ihrer Ausreise?

Beschwerdeführer: Die Al Nusra-Front.

Richter: Wer beherrscht Ihre Heimatregion jetzt?

Beschwerdeführer: Die Al Nusra-Front.

Richter: Haben sich die Verhältnisse in Ihrer Heimatregion seit dem Ende des Assad-Regimes geändert?

Beschwerdeführer: Nein, leider.

Richter: Können Sie sich nach dem Ende des Assad-Regimes vorstellen, in Ihre Heimatregion zurückzukehren?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei politisch betätigt?

Beschwerdeführer: Nein, aber wir haben an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen.

Richter: Waren Sie oder ein Familienmitglied in Syrien oder der Türkei Mitglied einer politischen Partei?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei religiös betätigt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei an Demonstrationen beteiligt und wenn ja, was war das und wie hat das ausgesehen?

Beschwerdeführer: Wir haben an Demonstrationen zu den Anfängen der syrischen Revolution teilgenommen.

Richter: Sind Sie in Syrien oder der Türkei vorbestraft?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Waren Sie in Syrien oder der Türkei in Haft?

Beschwerdeführer: Zu den Anfängen der syrischen Revolution wurde ich 2011 sowie Anfang 2012 inhaftiert. Wir haben an Demonstrationen teilgenommen. Bei einer dieser Demonstrationen haben Söldner des Regimes (sogenannte Schibiha) auf die Demonstranten geschossen. Meine Freunde haben mich zuerst medizinisch versorgt und dann ins Krankenhaus von XXXX gebracht. Dann kam eine Einheit, welche an einem Checkpoint stationiert war und überstellte mich ins Gefängnis von XXXX . Ich blieb ca. zwei Monate in Haft und dann erfolgte eine Amnestie und ich kehrte in mein Heimatdorf zurück. Anfang 2012 war ich auf dem Weg zum Markt in XXXX und die Söldner des Regimes (Schibiha) haben mich inhaftiert und dem Checkpoint von XXXX übergeben und wieder wurde ich in das Zentralgefängnis von XXXX überstellt. Ich blieb einen Monat in Haft und dann wurde ich freigelassen.

Richter: Warum wurden Sie Anfang 2012 bloß am Weg zum Markt festgenommen?

Beschwerdeführer: Die Söldner des Regimes waren aus dem gleichen Dorf wie ich und sie wussten, dass die Mehrheit der Dorfeinwohner gegen das Regime sind und sie haben jeden, der an Demonstrationen teilgenommen hat, entweder festgenommen oder die Checkpoints des Regimes über diesen verständigt.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei, abgesehen von dem geschilderten Vorfall, Probleme mit Behörden?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Bestehen gegen Sie in Syrien oder der Türkei Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief oder Ähnliches?

Beschwerdeführer: Ich wurde damals in Syrien für die Reserve einberufen. Aktuell gibt es keine Fahndungsmaßnahmen gegen mich.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wegen Ihrer Religion?

Beschwerdeführer: In Syrien ja. Mit der Al Nusra-Front. Sie haben sich direkt in unseren Glauben eingemischt. Zum Beispiel, was Frauen anziehen dürfen, wie Kinder zu erziehen sind. Frauen wurde nicht erlaubt, außer Haus zu gehen, außer in Begleitung eines männlichen Verwandten. Sie haben immer versucht, die Leute davon zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen und mit ihnen zu kämpfen.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wegen Ihrer Volkszugehörigkeit?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wie Blutfehden, Sippenhaftung, Racheakten oder Ähnliches mit Privatpersonen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie in Syrien oder der Türkei an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilgenommen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien wegen des Kontakts zu Islamisten Probleme?

Beschwerdeführer: Ich habe insofern ein Problem, dass sie immer wieder uns angesprochen haben und dazu ermutigt haben, sich ihnen anzuschließen und in den Jihad (heiliger Krieg) zu ziehen. Auch haben sie von uns Geld als Spende oder Unterstützung für die Kämpfer bzw. Mujaheddin verlangt, unter dem Deckmantel von Almosen.

Richter: Haben Sie in Syrien ein Militärbuch bekommen?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Wurden Sie in Syrien zum Militär einberufen?

Beschwerdeführer: Für die Reserve.

Richter: Wer hat Sie zum Militärdienst einberufen?

Beschwerdeführer: Über den Ortsvorsteher des Dorfes erfolgte die Einberufung.

Richter: Haben Sie in Syrien Ihren Militärdienst abgeleistet?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Wie wurden Sie beim Militär eingesetzt?

Beschwerdeführer: Ich war Fahrer.

Richter: Haben Sie beim Militär eine besondere Ausbildung erhalten?

Beschwerdeführer: Nein, ich war lediglich Fahrer.

Richter: Für wen haben Sie den Militärdienst abgeleistet?

Beschwerdeführer: Für das Regime.

Richter: Wurden Sie in Syrien zum Reservedienst einberufen?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Wer hat Sie in Syrien zum Reservedienst einberufen?

Beschwerdeführer: Über den Ortsvorsteher des Dorfes.

Richter: Wann wurden Sie in Syrien zum Reservedienst einberufen?

Beschwerdeführer: Mai 2015.

Richter: Wer hat Ihre Heimatregion beherrscht, als Sie zum Reservedienst einberufen wurden?

Beschwerdeführer: Die Al Nusra-Front.

Richter: Haben Sie Ihren Reservedienst abgeleistet?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Wie haben Sie es geschafft, sich dem Reservedienst zu entziehen?

Beschwerdeführer: Indem ich nicht eingerückt bin. Mein Heimatdorf war unter Kontrolle der Al Nusra-Front. Ich konnte nicht ins Regimegebiet gehen.

Richter: Haben Sie in Syrien versucht, sich vom Reservedienst freizukaufen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Wird Ihnen in Syrien eine oppositionelle Gesinnung unterstellt?

Beschwerdeführer: Ja, ich war ja gegen das Regime.

Richter: Wie schätzen Sie die derzeitige Regierung in Syrien ein? Haben sich die Verhältnisse in Syrien maßgeblich gegenüber dem Assad-Regime geändert?

Beschwerdeführer: Es hat sich nichts geändert.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Ich besuche einen Deutschkurs.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Haben Sie auch österreichische Freunde?

Beschwerdeführer: Ja. Im Kurs habe ich ja ausländische Freunde, Ukrainer zum Beispiel und ich habe Bekanntschaften mit den Nachbarn in der Wohngegend.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Österreich oder anderswo Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Nein, überhaupt nicht.

Richter: Haben Sie sich in Österreich oder anderswo an Demonstrationen beteiligt?

Beschwerdeführer: Ja. Es gab eine Demonstration, wo alle Syrer teilgenommen haben. Da war ich auch dabei. Wobei ich mich an den Platz, wo die Demonstration stattgefunden hat, nicht erinnern kann.

Richter: Besuchen Sie in Österreich eine Moschee?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Beten Sie regelmäßig?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Fasten Sie?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Mein Heimatdorf war unter Kontrolle der Al Nusra-Front. Es wurde viel Unrecht getan, es kam zu Vergewaltigungen. Regelmäßig sind sie zu den Leuten nach Hause gegangen, um sie für den Jihad zu gewinnen, haben Geld verlangt, unter dem Deckmantel der im Islam vorgesehenen Almosen, haben sich in unser privates Leben eingemischt und vor allem in unser Verständnis für Religion. Unsere Religion ist eine Religion des Friedens und der Liebe. Sie wollten uns von einer anderen Religion überzeugen. Das war die Zeit unter der Al Nusra-Front. Im XXXX ist das Regime in unser Dorf einmarschiert, also waren wir gezwungen, in die Türkei zu flüchten. Wir haben davor versucht, Syrien zu verlassen, jedoch erfolglos. Menschen, die versucht haben, über die Grenze zu gelangen, sind verschwunden. Man hat sie verschwinden lassen. Ich habe einen Cousin väterlicherseits, der versucht hat, in die Türkei zu gelangen und von ihm fehlt bis jetzt jede Spur. Als das Regime bei uns einmarschiert ist und die Menschen aus den Dörfern vertrieben wurden, ist es uns gelungen, in die Türkei einzureisen.

Richter: Warum haben Sie die Türkei verlassen?

Beschwerdeführer: Wegen dem Rassismus des türkischen Volkes gegenüber Syrern und wegen dem Erdbeben.

Richter: Hat Ihre Frau einen eigenen Fluchtgrund?

Beschwerdeführer: Sie hat den gleichen Fluchtgrund wie ich.

Richter: Haben Ihre Kinder eigene Fluchtgründe?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Können Ihre Kinder zu den Fluchtgründen etwas aussagen?

Beschwerdeführer: Das weiß ich nicht. Sie waren ziemlich jung damals. Sie haben von uns das eine oder andere gehört in Form einer Erzählung. Inwiefern sie das aufgenommen haben, das kann ich nicht sagen.

Richter: Ist es sinnvoll, Ihre Kinder über die Fluchtgründe, jetzt auch in der Verhandlung, zu vernehmen?

Beschwerdeführer: Es bleibt Ihnen überlassen. Wenn Sie es möchten, dann ist es OK.

Richter: Sind Sie in Syrien oder an einem anderen Ort jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführer: Die meisten Söldner des Regimes sind in das Dorf zurückgekehrt, laut meinen Angehörigen in Syrien. Es gibt immer persönliche Feindschaften oder Rachezüge. Persönlich wurde ich nicht bedroht oder angegriffen.

Richter: Wodurch sind Sie in Syrien aktuell bedroht?

Beschwerdeführer: Ich habe mein Grundstück verkauft und bin nach Österreich gekommen mit meiner Familie, auf der Suche nach einem sicheren Leben. Wir haben nie das Gefühl der Sicherheit verspürt und sind nach Österreich gekommen, um unsere Zukunft, aber auch die Zukunft der Kinder, abzusichern. Die Häuser im Dorf wurden zerstört, die Bäume abgeschnitten. Es gibt kein normales Leben mehr dort. Es gibt keine Perspektiven oder Chancen. Die wichtigsten überlebenswichtigen Sachen sind nicht vorhanden. Es kommt immer wieder zu persönlichen Racheaktionen. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass es keine Sicherheit gibt, keine Krankenhäuser, keine Schulen. Das Land ist ja zerstört.

Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Beschwerdeführer: Ich wurde geschleppt.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführer: Ich habe mein Grundstück verkauft.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: Ich habe das Gefühl gehabt, beziehungsweise gespürt, dass Unrecht in der ersten Entscheidung erfolgt ist und ich habe mir erhofft, durch die Beschwerde durch den Richter eine Chance zum Hierleben zu bekommen. Wir haben uns für Österreich entschieden, ein sicheres Land, wo die persönliche Freiheit auch gewahrt wird und ein friedliches Land. Wir wollten unsere sowie die Zukunft unserer Kinder absichern. Ich hoffe, man gibt uns eine Chance, hier mit den Kindern zu leben, damit wir für die Kinder eine Zukunftsperspektive schaffen können.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Syrien zurückkehren müssten?

Beschwerdeführer: Die terroristischen Organisationen, welche der Al Nusra-Front unterliegen, haben das ganze Land unter ihre Kontrolle gebracht. Jetzt sind sie mächtiger geworden, jetzt haben sie es geschafft, die Einnahmen des Staates zu kontrollieren. Wir wissen, dass sie extremistisch sind und dass sie Gewalt und Diskriminierung gegenüber anderen anwenden. Niemand kann ihre Befehle verweigern. Wir kennen die Al Nusra-Front. Einige von ihnen kommen ja aus unsere Dörfern und sie sind extremistisch. Bis jetzt herrscht Angst, weil man sie kennt. Sie lassen es nicht zu, dass sich jemand ihnen widersetzt, beziehungsweise den Befehlen, die sie erhalten, widerspricht. Früher haben sie einige inhaftiert, deren Schicksal bis jetzt ungewiss ist. Es kam zu einem Aufstand im westlichen Küstengebiet und sie haben mit Gewalt zurückgeschlagen. Leider muss ich sagen, dass Assad ein terroristisches Regime aufgebaut hat. Die Al Nusra-Front ist eine terroristische politische Gruppierung, welche zu Gewalt und Nachdruck aufruft. Wir sind ja gegen das Regime auf die Straße gegangen, haben Menschenrechte sowie Freiheit eingefordert. Wir haben aufgefordert, dass der neue Staat ein zivilrechtlicher Staat ist, wo alle Religionen bzw. Ethnien des syrischen Volkes vertreten sind. Das Assad-Regime war ein diktatorisches Regime, aber das aktuelle Regime ebenso. Sie haben die Macht an sich gerissen, ohne Wahlen, sprich bevor das eigene Volk sie wählt.

Der Beschwerdeführer bringt nichts mehr vor.

…“

12. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht für die Beschwerdeführerin 2 eine mündliche Verhandlung durch. Sie hatte folgenden Verlauf:

„…

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführerin: In XXXX geboren am XXXX .

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführerin: Arabisch und ich lerne jetzt Deutsch und Arabisch in Wort und Schrift.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführerin: Araberin, sunnitische Muslima und verheiratet.

Richter: Wie sind Sie verheiratet, traditionell, staatlich oder beides?

Beschwerdeführerin: Sowohl als auch, sprich traditionell und am Gericht.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführerin: Zwei Töchter.

Richter: Wer hat das Sorgerecht für Ihre Kinder?

Beschwerdeführerin: Ich und mein Mann.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Syrien und der Türkei aufgehalten haben.

Beschwerdeführerin: Zuerst waren wir in Syrien, in der Provinz XXXX , im Dorf XXXX . Dann haben wir auch im Dorf nach Ausbruch des Krieges lange Zeit gelebt und als das Regime unser Dorf gestürmt hat, sind wir Richtung Türkei geflüchtet.

Richter: Wie haben Sie in Syrien und der Türkei gewohnt?

Beschwerdeführerin: Mit meinem Ehemann. In Syrien haben wir in unserem Haus gelebt, in der Türkei waren wir auch in einem Miethaus. Das Haus wurde beim Erdbeben zerstört. Danach sind wir in einem Zelt untergekommen.

Richter: Was haben Sie in Syrien und der Türkei gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführerin: In Syrien habe ich ein wenig als Schneiderin von zu Hause aus gearbeitet, in der Türkei habe ich mich um die Kinder gekümmert.

Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführerin: Bis zur sechsten Klasse.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführerin: Bis jetzt in Flüchtlingscamps, in einem Dorf namens XXXX , nahe der Grenze. In Syrien, gleich an der türkischen Grenze.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführerin: Ja, aber wenig, weil die Internetverbindung ziemlich schlecht dort ist.

Richter: Haben Sie in Syrien und der Türkei weitere Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen wie zB Freunde und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführerin: Ganz wenig. Die Menschen sind ja in alle Länder geflüchtet. Manche sind nach Ägypten gegangen, andere nach Libyen und andere sind irgendwelchen Camps untergebracht.

Richter: Wer beherrschte Ihre Heimatregion zum Zeitpunkt Ihrer Ausreise?

Beschwerdeführerin: In Syrien? Die Al Nusra-Front. Es war die Al Nusra-Front und wir haben unter ihrer Herrschaft gelitten, vor der Ausreise.

Richter: Wer beherrscht Ihre Heimatregion jetzt?

Beschwerdeführerin: Mein Heimatdorf ist jetzt komplett zerstört. Es ähnelt einem Geisterdorf. Die Menschen, die von dort geflüchtet sind und in irgendwelche Camps untergekommen sind, sind nicht zurückgekehrt. 90 % der Dorfeinwohner sind nicht zurückgekehrt, weil die Häuser zerstört sind.

Richter: Haben sich die Verhältnisse in Ihrer Heimatregion seit dem Ende des Assad-Regimes geändert?

Beschwerdeführerin: Es ist alles zerstört. Niemand ist zurückgekehrt. Es gibt keine Elektrizität, keine Schulen, keine Krankenhäuser und kein sauberes Trinkwasser. Unser Haus wurde zerstört. Wir haben unser Grundstück verkauft, um uns die Reise nach Österreich zu finanzieren.

Richter: Können Sie sich nach dem Ende des Assad-Regimes vorstellen, in Ihre Heimatregion zurückzukehren?

Beschwerdeführerin: Nein, weil wir unter der Herrschaft der Al Nusra-Front auch lange gelitten haben. Sie vertreten eine andere Version des Islam als wir. Sie haben uns, speziell Frauen, auch kleine Mädchen, aufgefordert, einen Gesichtsschleier zu tragen. Auch forcieren sie die Beschneidung von Frauen und möchte nicht, dass man das meinen Töchtern antut.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei politisch betätigt?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Waren Sie oder ein Familienmitglied in Syrien oder der Türkei Mitglied einer politischen Partei?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei religiös betätigt?

Beschwerdeführerin: Nein, nein, überhaupt nicht. Wir sind Muslime, aber normale Muslime. Wir mögen Extremismus nicht. Die Al Nusra-Front war sehr extremistisch in ihrer Religionsauslegung und das ist auch mit ein Grund, warum wir nicht zurückkehren wollen.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder der Türkei an Demonstrationen beteiligt?

Beschwerdeführerin: Ja, als noch demonstriert wurde, haben wir teilgenommen. Gegen das Regime haben wir demonstriert.

Richter: Sind Sie in Syrien oder der Türkei vorbestraft?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Waren Sie in Syrien oder der Türkei in Haft?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme mit Behörden?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Bestehen gegen Sie in Syrien oder der Türkei Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief oder Ähnliches?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wegen Ihrer Religion?

Beschwerdeführerin: Nein. Nur Rassismus in der Türkei und aus der Türkei sind wir ausgereist wegen dem Rassismus und wegen dem Erdbeben.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wegen Ihrer Volkszugehörigkeit?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder der Türkei Probleme wie Blutfehden, Sippenhaftung, Racheakten oder Ähnliches mit Privatpersonen?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Haben Sie in Syrien oder der Türkei an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilgenommen?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien wegen des Kontakts zu Islamisten Probleme?

Beschwerdeführerin: Nein, ich war immer zurückhaltend und habe mich in nichts eingemischt, um keine Probleme zu bekommen.

Richter: Wird Ihnen in Syrien eine oppositionelle Gesinnung unterstellt?

Beschwerdeführerin: Natürlich, weil ich gegen das Regime war. Ich war gegen das Regime.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführerin: Ich habe ein schönes Leben, ich mache einen Deutschkurs, ich will unbedingt die Sprache lernen und ich hoffe, ich werde als Schneiderin arbeiten können.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Haben Sie auch österreichische Freunde?

Beschwerdeführerin: Keine Freunde, aber mit den Lehrern und Lehrinnen im Deutschkurs komme ich gut zurecht und man versteht sich. Man kommt ins Gespräch, man redet miteinander.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Hatten Sie in Österreich oder anderswo Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Haben Sie sich in Österreich oder anderswo an Demonstrationen beteiligt?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Besuchen Sie in Österreich eine Moschee?

Beschwerdeführerin: Ich nicht, aber meine Töchter lernen manchmal den Koran in der Moschee. Ich bringe sie halt manchmal in die Moschee und hole sie von dort ab.

Richter: Welche Moschee ist das?

Beschwerdeführerin: XXXX (übersetzt XXXX )

Richter: Wo ist die?

Beschwerdeführerin: In der Nähe unserer Wohnung im XXXX . Das ist eine kleine Moschee.

Richter: Beten Sie regelmäßig?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Fasten Sie?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführerin: Zuerst wegen dem Krieg. Wir wurden immer wieder bombardiert. Wir sind immer geflüchtet, um dem Krieg zu entkommen. Aber letztendlich, wo das Regime in unser Dorf einmarschiert, konnten wir nicht mehr bleiben. Wir haben gesehen, wie das Regime unser Dorf bombardiert hat und uns blieb nichts Anderes übrig, als zu flüchten. Wir sind in die Türkei geflüchtet und wegen des Rassismus und insbesondere nach dem Erdbeben haben wir keine andere Wahl gehabt als zu flüchten. Wir verkauften unser Grundstück und reisten aus. Aber noch bevor das Regime einmarschiert ist, litten wir unter den Repressalien der Al Nusra-Front, die mehrmals zu uns nach Hause gekommen sind und gesagt, dass mein Mann sich ihnen anschließen soll, dass ich ohne einen männlichen Verwandten das Haus nicht verlassen soll und mein Gesicht zu verdecken habe. Wir litten unter ihren Repressalien. Sie sind sehr radikal in ihrer Religionsauslegung und unser Verständnis vom Islam ist ein friedliches und wir wollen niemanden töten. Der Cousin meines Mannes väterlicherseits hat sich gegen die Al Nusra-Front aufgestellt und man hat ihn verschwinden lassen. Sie morden, vergewaltigen. Ihre Taten sind unvorstellbar. Man hat gesehen, zuletzt in Latakia, was passiert ist, es wurden viele Unschuldige umgebracht. Ich rede nicht nur von Latakia, sondern vom Küstengebiet, vom Westen Syriens. Kurz gesagt, jeder, der sich ihnen entgegenstellt, der wird umgebracht oder verschwindet.

Richter: Hat Ihr Gatte einen anderen Fluchtgrund als Sie?

Beschwerdeführerin: Auch er war Repressalien ausgesetzt, im Sinne von, dass man ihn aufgefordert hat, sich der Al Nusra-Front anzuschließen, beziehungsweise sie zu unterstützen und er wollte das nicht.

Richter: Können Sie etwas über die Verhaftung Ihres Ehemannes erzählen?

Beschwerdeführerin: Er hatte demonstriert, er wurde verwundet, man hat ihn verhaftet – zweimal. Einmal war er einen Monat in Haft, ein weiteres Mal zwei Monate.

Richter: Haben Ihre Kinder eigene Fluchtgründe?

Beschwerdeführerin: Die gleichen wie wir. Für uns gilt auch, dass wir Angst um die Kinder gehabt haben. Wir haben sehr viel Angst um die Kinder gehabt. Es gibt dort keine Zukunftsperspektive, keine Sicherheit.

Richter: Können Ihre Kinder zu den Fluchtgründen etwas aussagen?

Beschwerdeführerin: Sie wissen von unserer Erzählung, warum wir ausgereist sind, aber die Lebensumstände dort haben sie ja auch gesehen. Wenn man meine Töchter fragt, ob sie nach Syrien zurückkehren wollen, verneinen sie dies sofort.

Richter: Warum haben Sie die Türkei verlassen?

Beschwerdeführerin: Wegen des Erdbebens und wegen des Rassismus. Nach dem Erdbeben waren wir in einem Lager untergebracht. Dort waren die Lebensumstände sehr schwierig. Daher sind wir ausgereist.

Richter: Sind Sie in Syrien oder an einem anderen Ort jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Wodurch sind Sie aktuell in Syrien bedroht?

Beschwerdeführerin: Ich habe vor der Al Nusra-Front Angst. Sie vertreten eine radikale Religionsauslegung und haben auch eine Art der Auslegung der Religion, die wir so nie gekannt haben. Wir kannten davor lediglich einen gemäßigten Islam. Ich vertrete eine gemäßigte Auslegung meiner Religion. Sie erklärten uns, dass wir einen Gesichtsschleier tragen müssen, aber auch Handschuhe zu tragen haben. So eine radikale Sicht mag ich nicht und will ich mir auch nicht aneignen. Auch will ich nicht, dass meine Töchter damit aufwachsen.

Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Beschwerdeführerin: Wir wurden von der Türkei aus nach Griechenland geschleppt. Wir litten wirklich sehr viel bis zur Ankunft in Österreich. Wir überquerten unter anderem auch Wälder, wo wir auch Schwierigkeiten gehabt haben.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführerin: Wie gesagt, wir haben ein Grundstück gehabt, das haben wir verkauft, um uns die Reise zu finanzieren.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführerin: Wir haben das Gefühl gehabt, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend ist. Wir wollten, dass unsere Töchter in die Schule gehen und etwas lernen sollen. Meine Töchter lieben die Schule hier, das Leben hier und sie wollen und möchten hierbleiben.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Syrien zurückkehren müssten?

Beschwerdeführerin: Diese radikalen Ansichten, die dort herrschen, lehne ich grundlegend ab. Ich will nicht unter diesen radikalen Ansichten leben und möchte auch nicht, dass meine Töchter damit aufwachsen. Als sie damals noch nicht den Staat unter Kontrolle gehabt haben, litten wir unter ihren Repressalien. Ich will mir gar nicht ausdenken, wie sie jetzt geworden sind.

Die Beschwerdeführerin bringt nichts mehr vor.

…“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen

1. Feststellungen

1.1 Zu den Personen und Lebensumständen der Beschwerdeführer

1.1.1 Die Beschwerdeführer sind syrische Staatsangehörige. Der Beschwerdeführer 1 und die Beschwerdeführerin 2 sind verheiratet und Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin 3 und der minderjährigen Beschwerdeführerin 4. Die Beschwerdeführer sind sunnitische Moslem und Araber.

1.1.2 Die Beschwerdeführer sind unbescholten.

1.2 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer

1.2.1 Die Herrschaft Baschar al-Assads ist Anfang Dezember 2024 im Zuge einer monatelang vorbereiteten Offensive unter Führung der oppositionellen „Hay’at Tahrir ash-Sham“(HTS) binnen weniger Tage zusammengebrochen; Baschar al-Assad ist mit seiner Familie nach Russland geflohen. Die syrische Armee wurde von der HTS nach der Machtübernahme aufgelöst, die Soldaten entlassen (vgl hierzu die Feststellungen in Punkt 1.3.6). Eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers durch das gestürzte syrische Regime aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung oder aus anderen Gründen ist nicht maßgeblich wahrscheinlich, sie ist faktisch ausgeschlossen.

1.2.2 Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Syrien aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurden oder eine Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien zu befürchten hätten. Den Beschwerdeführern droht im Fall ihrer Rückkehr auch keine Übergriffe durch Privatpersonen, staatliche Stellen oder sonstige Akteure wegen ihrer Ausreise ins Ausland bzw ihrer Asylantragstellung in Österreich. Den Beschwerdeführern droht bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine asylrelevante Verfolgung aus den von ihnen geltend gemachten oder aus anderen Gründen.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer

XXXX

Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien

Letzte Änderung 2024-03-27 11:04

Anm.: Rekrutierungspraktiken durch die PKK oder die Revolutionäre Jugend, einem mutmaßlichen Teil der PKK, die nicht unter die „Selbstverteidigungspflicht“ fallen, werden hier nicht thematisiert. Informationen zu diesem Thema können u. a. dem Bericht „Syria – Military recruit-ment in Hasakah Governorate” des Danish Immigration Service (DIS) vom Juni 2022 entnommen werden.

Wehrpflichtgesetz der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“

Auch aus den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten Syriens gibt es Berichte über Zwangsrekrutierungen. Im Nordosten des Landes hat die von der kurdischen Partei PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat, Partei der Demokratischen Union] dominierte „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ [Autonomous Administration of North and East Syria, AANES] 2014 ein Wehrpflichtgesetz verabschiedet, welches vorsah, dass jede Familie einen „Freiwilligen“ im Alter zwischen 18 und 40 Jahren stellen muss, der für den Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr in den YPG [Yekîneyên Parastina Gel, Volksverteidigungseinheiten] dient (AA 2.2.2024). Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“, das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen (EB 15.8.2022; vgl. DIS 6.2022). Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit (ANHA, 4.9.2021). Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (DIS 6.2022). Mit Stand September 2023 war das Dekret noch immer in Kraft (ACCORD 7.9.2023).

Die Wehrpflicht gilt in allen Gebieten unter der Kontrolle der AANES, auch wenn es Gebiete gibt, in denen die Wehrpflicht nach Protesten zeitweise ausgesetzt wurde [Anm.: Siehe weiter unten]. Es ist unklar, ob die Wehrpflicht auch für Personen aus Afrin gilt, das sich nicht mehr unter der Kontrolle der „Selbstverwaltung“ befindet. Vom Danish Immigration Service (DIS) befragte Quellen machten hierzu unterschiedliche Angaben. Die Wehrpflicht gilt nicht für Personen, die in anderen Gebieten als den AANES wohnen oder aus diesen stammen. Sollten diese Personen jedoch seit mehr als fünf Jahren in den AANES wohnen, würde das Gesetz auch für sie gelten. Wenn jemand in seinem Ausweis als aus Hasakah stammend eingetragen ist, aber sein ganzes Leben lang z.B. in Damaskus gelebt hat, würde er von der „Selbsverwaltung“ als aus den AANES stammend betrachtet werden und er müsste die „Selbstverteidigungspflicht“ erfüllen. Alle ethnischen Gruppen und auch staatenlose Kurden (Ajanib und Maktoumin) sind zum Wehrdienst verpflichtet. Araber wurden ursprünglich nicht zur „Selbstverteidigungspflicht“ eingezogen, dies hat sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert (DIS 6.2022; vgl. NMFA 8.2023).

Ursprünglich betrug die Länge des Wehrdiensts sechs Monate, sie wurde aber im Jänner 2016 auf neun Monate verlängert (DIS 6.2022). Artikel zwei des Gesetzes über die „Selbstverteidigungspflicht“ vom Juni 2019 sieht eine Dauer von zwölf Monaten vor (RIC 10.6.2020). Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je nach Gebiet entschieden wird. Beispielsweise wurde der Wehrdienst 2018 aufgrund der Lage in Baghouz um einen Monat verlängert. In Afrin wurde der Wehrdienst zu drei Gelegenheiten in den Jahren 2016 und 2017 um je zwei Monate ausgeweitet. Die Vertretung der „Selbstverwaltung“ gab ebenfalls an, dass der Wehrdienst in manchen Fällen um einige Monate verlängert wurde. Wehrdienstverweigerer können zudem mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden (DIS 6.2022).

Nach dem abgeleisteten Wehrdienst gehören die Absolventen zur Reserve und können im Fall „höherer Gewalt“ einberufen werden. Diese Entscheidung trifft der Militärrat des jeweiligen Gebiets. Derartige Einberufungen waren den vom DIS befragten Quellen nicht bekannt (DIS 6.2022).

Einsatzgebiet von Wehrpflichtigen

Die Selbstverteidigungseinheiten [Hêzên Xweparastinê, HXP] sind eine von den SDF separate Streitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eigene Militärkommandanten verfügt. Die SDF weisen den HXP allerdings Aufgaben zu und bestimmen, wo diese eingesetzt werden sollen. Die HXP gelten als Hilfseinheit der SDF. In den HXP dienen Wehrpflichtige wie auch Freiwillige, wobei die Wehrpflichtigen ein symbolisches Gehalt erhalten. Die Rekrutierung von Männern und Frauen in die SDF erfolgt dagegen freiwillig (DIS 6.2022).

Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der „Selbsverteidigungspflicht“ erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hasakah, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa (DIS 6.2022).

Rekrutierungspraxis

Die Aufrufe für die „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim „Büro für Selbstverteidigungspflicht“ ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des Wehrdiensts dokumentiert wird – z. B.die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird (DIS 6.2022). Das Wehrpflichtgesetz von 2014 wird laut verschiedenen Menschenrechtsorganisationen mit Gewalt durchgesetzt. Berichten zufolge kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen von Jungen und Mädchen (AA 2.2.2024).

Wehrdienstverweigerung und Desertion

Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen (ÖB Damaskus 12.2022). Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die „Militärpolizei“ unter seiner Adresse. Die meisten sich der „Wehrpflicht“ entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (DIS 6.2022).

Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das Selbstverteidigungspflichtgesetz“ auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 2.2.2024), während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der „Wehrpflicht“ um einen Monat bestraft würden – zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft „für eine Zeitspanne“. Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden (DIS 6.2022). Ähnliches berichteten ein von ACCORD befragter Experte, demzufolge alle Wehrdienstverweigerer nach dem Gesetz der Selbstverteidigungspflicht gleich behandelt würden. Die kurdischen Sicherheitsbehörden namens Assayish würden den Wohnort der für die Wehrpflicht gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleibe, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft (ACCORD 6.9.2023). Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB Damaskus 12.2022). Einem von ACCORD befragten Syrienexperten zufolge hängen die Konsequenzen für die Wehrdienstverweigerung vom Profil des Wehrpflichtigen ab sowie von der Region, aus der er stammt. In al-Hasakah beispielsweise könnten Personen im wehrpflichtigen Alter zwangsrekrutiert und zum Dienst gezwungen werden. Insbesondere bei der Handhabung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht gegenüber Arabern in der AANES gehen die Meinungen der Experten auseinander. Grundsätzlich gilt die Pflicht für Araber gleichermaßen, aber einem Experten zufolge könne die Behandlung je nach Region und Zugriffsmöglichkeit der SDF variieren und wäre aufgrund der starken Stammespositionen oft weniger harsch als gegenüber Kurden. Ein anderer Experte wiederum berichtet von Beleidigungen und Gewalt gegenüber arabischen Wehrdienstverweigerern (ACCORD 6.9.2023).

Bei Deserteuren hängen die Konsequenzen abseits von einer Zurücksendung zur Einheit und einer eventuellen Haft von ein bis zwei Monaten von den näheren Umständen und eventuellem Schaden ab. Dann könnte es zu einem Prozess vor einem Kriegsgericht kommen (DIS 6.2022).

Eine Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht (DIS 6.2022; vgl. EB 12.7.2019).

Aufschub des Wehrdienstes

Das Gesetz enthält Bestimmungen, die es Personen, die zur Ableistung der „Selbstverteidigungspflicht“ verpflichtet sind, ermöglichen, ihren Dienst aufzuschieben oder von der Pflicht zu befreien, je nach den individuellen Umständen. Manche Ausnahmen vom „Wehrdienst“ sind temporär und kostenpflichtig. Frühere Befreiungen für Mitarbeiter des Gesundheitsbereichs und von NGOs sowie von Lehrern gelten nicht mehr (DIS 6.2022). Es wurden auch mehrere Fälle von willkürlichen Verhaftungen zum Zwecke der Rekrutierung dokumentiert, obwohl die Wehrpflicht aufgrund der Ausbildung aufgeschoben wurde oder einige Jugendliche aus medizinischen oder anderen Gründen vom Wehrdienst befreit wurden (EB 12.7.2019). Im Ausland (Ausnahme: Türkei und Irak) lebende, unter die „Selbstverteidigungspflicht“ fallende Männer können gegen eine Befreiungsgebühr für kurzfristige Besuche zurückkehren, ohne den „Wehrdienst“ antreten zu müssen, wobei zusätzliche Bedingungen eine Rolle spielen, ob dies möglich ist (DIS 6.2022).

Proteste gegen die „Selbstverteidigungspflicht“

Im Jahr 2021 hat die Wehrpflicht besonders in den östlichen ländlichen Gouvernements Deir ez-Zour und Raqqa Proteste ausgelöst. Lehrer haben sich besonders gegen die Einberufungskampagnen der SDF gewehrt. Proteste im Mai 2021 richteten sich außerdem gegen die unzureichende Bereitstellung von Dienstleistungen und die Korruption oder Unfähigkeit der autonomen Verwaltungseinheiten. Sechs bis acht Menschen wurden am 1.6.2021 in Manbij (Menbij) bei einem Protest getötet, dessen Auslöser eine Reihe von Razzien der SDF auf der Suche nach wehrpflichtigen Männern war. Am 2.6.2021 einigten sich die SDF, der Militärrat von Manbij und der Zivilrat von Manbij mit Stammesvertretern und lokalen Persönlichkeiten auf eine deeskalierende Vereinbarung, die vorsieht, die Rekrutierungskampagne einzustellen, während der Proteste festgenommene Personen freizulassen und eine Untersuchungskommission zu bilden, um diejenigen, die auf Demonstranten geschossen hatten, zur Rechenschaft zu ziehen (COAR 7.6.2021). Diese Einigung resultierte nach einer Rekrutierungspause in der Herabsetzung des Alterskriteriums auf 18 bis 24 Jahre, was später auf die anderen Gebiete ausgeweitet wurde (DIS 6.2022). Im Sommer 2023 kam es in Manbij zu Protesten gegen die SDF insbesondere aufgrund von Kampagnen zur Zwangsrekrutierung junger Männer in der Stadt und Umgebung (SO 20.7.2023).

Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes unter HTS- oder SNA-Dominanz

Letzte Änderung 2024-03-08 19:52

In Gebieten außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes ist die Lage von Justiz und Verwaltung von Region zu Region und je nach den örtlichen Herrschaftsverhältnissen unterschiedlich (AA 2.2.2024). In von oppositionellen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden unterschiedlich konstituierte Gerichte und Haftanstalten aufgebaut, mit starken Unterschieden bei der Organisationsstruktur und bei der Beachtung juristischer Normen. Manche Gruppen folgen dem (syrischen) Strafgesetzbuch, andere folgen dem Entwurf eines Strafgesetzbuches auf Grundlage der Scharia, der von der Arabischen Liga aus dem Jahr 1996 stammt, während wiederum andere eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und Scharia anwenden. Erfahrung, Expertise und Qualifikation der Richter in diesen Gebieten sind oft sehr unterschiedlich und häufig sind diese dem Einfluss der dominanten bewaffneten Gruppierungen unterworfen (USDOS 11.3.2020). Auch die Härte des angewandten islamischen Rechts unterscheidet sich, sodass keine allgemeinen Aussagen getroffen werden können (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Doch werden insbesondere jene religiösen Gerichte, welche in (vormals) vom Islamischen Staat (IS) und von Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: HTS wird von den Vereinigten Staaten aufgrund ihrer Verbindungen zu Al Qa’ida als ausländische Terrororganisation eingestuft (CRS 8.11.2022)] kontrollierten Gebieten Recht sprechen, als nicht mit internationalen Standards im Einklang stehend charakterisiert (ÖB Damaskus 1.10.2021). Die Gerichte extremistischer Gruppen verhängen in ihren religiösen Gerichten harte Strafen wegen in ihrer Wahrnehmung religiösen Verfehlungen (FH 9.3.2023). Urteile von Scharia-Räten der Opposition resultieren manchmal in öffentlichen Hinrichtungen, ohne dass Angeklagte Berufung einlegen oder Besuch von ihren Familien erhalten können (USDOS 20.3.2023).

Das Gebiet unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten syrischen Oppositionsgruppen wird von der „Syrischen Interimsregierung“ (Syrian Interim Government – SIG) verwaltet. Das Justizsystem ist hauptsächlich mit erfahrenem Personal als Richter, Staatsanwälte und Anwälte besetzt, aber die Justiz gilt als direkt und indirekt unter Einfluss der türkischen Streitkräfte und ihrer lokalen syrischen Verbündeten stehend. Implizit werden Korruption und Schikanen durch diese von der Justiz toleriert. Gleichzeitig wird gegen jegliche Opposition zur SIG oder der türkischen Präsenz strikt vorgegangen. Neben einem zivilen Justizsystem gibt es auch eine Militärjustiz, welche für militärische Strafverfahren und für das Militärpersonal zuständig ist (NMFA 5.2022).

In Idlib übernehmen quasi-staatliche Strukturen der sogenannten „Errettungs-Regierung“ der HTS Verwaltungsaufgaben (AA 2.2.2024) und verfügen auch über eine Justizbehörde. Die Gruppe unterhält auch geheime Gefängnisse. Die HTSunterwirft ihre Gefangenen geheimen Verfahren, den sogenannten „Scharia-Sitzungen“. In diesen werden die Entscheidungen von den Scharia- und Sicherheitsbeamten (Geistliche in Führungspositionen der HTS, die befugt sind, Fatwas [Rechtsgutachten] und Urteile zu erlassen) getroffen. Die Gefangenen können keinen Anwalt zu ihrer Verteidigung hinzuziehen und sehen ihre Familien während ihrer Haft nicht (NMFA 6.2021). Die COI(die von der UNO eingesetzte Independent International Commission ofInquiryon the SyrianArabRepublic) stellt in ihrem Bericht vom Februar 2022 fest, dass durch HTSund andere bewaffnete Gruppierungen eingesetzte, rechtlich nicht legitimierte Gerichte Urteile bis hin zur Todesstrafe aussprechen. Dies sei als Mord einzustufen und stelle insofern ein Kriegsverbrechen dar (AA 2.2.2024).

Für ganz Syrien gilt, dass nicht gewährleistet ist, dass justizielle und administrative Dienstleistungen allen Bewohnern und Bewohnerinnen in gleichem Umfang und ohne Diskriminierung zugutekommen (AA 2.2.2024). Willkürliche Verhaftungen, summarische Gerichtsverfahren und extralegale Strafen finden durch alle Kriegsparteien statt (FH 9.3.2023).

Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)

Letzte Änderung 2024-03-13 15:02

Manche Quellen berichten, dass die Rekrutierung durch regierungsfreundliche Milizen im Allgemeinen auf freiwilliger Basis geschieht. Personen schließen sich häufig auch aus finanziellen Gründen den National Defense Forces (NDF) oder anderen regierungstreuen Gruppierungen an (FIS 14.12.2018). Andere Quellen berichten von der Zwangsrekrutierung von Kindern im Alter von sechs Jahren durch Milizen, die für die Regierung kämpfen, wie die Hizbollah und die NDF (auch als „shabiha“ bekannt) (USDOS 29.7.2022). In vielen Fällen sind bewaffnete regierungstreue Gruppen lokal organisiert, wobei Werte der Gemeinschaft wie Ehre und Verteidigung der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung haben. Dieser soziale Druck basiert häufig auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft (FIS 14.12.2018). Oft werden die Kämpfer mit dem Versprechen, dass sie in der Nähe ihrer lokalen Gemeinde ihren Einsatz verrichten können und nicht in Gebieten mit direkten Kampfhandlungen und damit die Wehrpflicht umgehen könnten, angeworben. In der Realität werden diese Milizen aber trotzdem an die Front geschickt, wenn die SAA Verstärkung braucht bzw. müssen die Männer oft nach erfolgtem Einsatz in einer Miliz trotzdem noch ihrer offiziellen Wehrpflicht nachkommen (EUAA 10.2023). In manchen Fällen aber führte der Einsatz bei einer Miliz tatsächlich dazu, der offiziellen Wehrpflicht zu entgehen, bzw. profitierten einige Kämpfer in regierungsnahen Milizen von den letzten Amnestien, sodass sie nach ihrem Einsatz in der Miliz nur mehr die sechsmonatige Grundausbildung absolvieren mussten um ihrer offiziellen Wehrpflicht nachzugehen, berichtet eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums (NMFA 8.2023). Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023).

In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf als die SNA (DIS 12.2022). Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer „regulären Armee“ zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten „HTS-Wehrpflicht“ in ldlib liebäugelte, damit dem „Staatsvolk“ von ldlib eine „staatliche“ Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte (BMLV 12.10.2022). Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (SNHR 20.11.2023).

Ethnische und religiöse Minderheiten

Letzte Änderung 2023-07-17 13:20

Anm.: Einige der angeführten Minderheiten sind ethno-religiöse Minderheiten (z. B. armenische Christen, kurdische Jesiden) oder sie verfügen über kulturell bedingte eigene Interpretationen des Islams im Alltag (z. B. viele sunnitische Kurden). Dazu kommen winzige weitere Minderheiten, welche in den üblichen Überblickaufzählungen gar keine Erwähnung finden. Nähere Informationen zu einzelnen Minderheiten können nach Bedarf im Rahmen von Anfragebeantwortungen geboten werden.

Die anhaltende Vertreibung der syrischen Bevölkerung führt zu einem gewissen Grad an Unsicherheit in den demografischen Daten. Schätzungen der US-Regierung zufolge dürften die Sunniten 74 % der Bevölkerung stellen, wobei diese sich aus AraberInnen, KurdInnen, TscherkessInnen, TschetschenInnen und einigen TurkmenInnen zusammensetzen. Andere muslimische Gruppen, einschließlich AlawitInnen, IsmailitInnen und (Zwölfer) SchiitInnen machen zusammen 13 % aus, die DrusInnen 3 %. Verschiedene christliche Gruppen bilden die verbleibenden 10 %, wobei laut Berichten davon auszugehen ist, dass ihre Zahl mit geschätzten 2,5 % nun bedeutend geringer ist. Vor dem Bürgerkrieg gab es in Syrien ungefähr 80.000 JesidInnen (USDOS 2.6.2022).

Die alawitische Gemeinschaft [Anm.: zu der Bashar al-Assad gehört] genießt in Relation zu ihrem Bevölkerungsanteil weiterhin einen privilegierten politischen Status, auch durch die Dominanz in den Führungspositionen im Militär sowie den Sicherheits- und Geheimdiensten, wobei auch bei Alawiten gilt, dass, so wie bei Angehörigen den anderen Religionsgemeinschaften, nur diejenigen, welche zum inneren Machtzirkel um Bashar al-Assad gehören, politischen Einfluss besitzen. Auch einige Sunniten gehören zur politischen Elite (USDOS 2.6.2022). Familien und Netzwerke mit Verbindungen zur herrschenden Elite werden in Rechtsangelegenheiten bevorzugt behandelt und sind disproportional oft AlawitInnen, während AlawitInnen ohne solche Verbindungen weniger wahrscheinlich von solchen Vorteilen profitieren. Die bewaffnete Opposition ist hingegen in der überwältigenden Mehrheit arabisch-sunnitisch, und Mitglieder dieser Bevölkerungsgruppe sind wahrscheinlich Diskriminierung durch den Staat ausgesetzt, wenn sie nicht enge Verbindungen zum Regime genießen (FH 9.3.2023).

Daher lässt sich die konfessionalistische Dimension des Regimes besser als ein alawitischdominiertes säkulares Regime beschreiben, das auf Loyalitäten basierend auf regionale, tribale und familiäre Verbindungen sowie auf gesellschaftliche Kohäsion (’asabiya) aufbaut. Diese Kohäsion bezieht sich auf ein Gefühl der Gruppenzugehörigkeit einer beschränkten Zahl an AlawitInnen aus der alawitischen Gemeinschaft, aber nicht auf die Religionsgemeinschaft als Ganzes. Als Folge der konfessionellen Polarisierung, die durch das Regime selbst gefördert wurde, wie auch durch seine islamistischen und jihadistischen Feinde, waren viele AlawitInnen gezwungen, sich aus Angst vor sunnitisch-arabischen Vergeltungsschlägen auf die Seite des Regimes zu stellen (Al-Majalla 15.3.2023).

In einer Diktatur wie in Syrien kommt die Repression überall in den Gebieten unter der Kontrolle des Regimes zur Anwendung – auch in den ländlichen Gebieten mit alawitischer Bevölkerungsmehrheit. AlawitInnen unter Oppositionsverdacht werden im Allgemeinen inhaftiert, schwer unter Druck gesetzt oder getötet. Alawitische OpponentInnen der Assad-Herrschaft [Anm.: seit 1970] waren gelegentlich in einer schlimmeren Lage als sunnitische Oppositionelle, weil sie potenziell eine größere Bedrohung durch ihre Zugehörigkeit zur alawitischen Gemeinschaft darstellen (Al-Majalla 15.3.2023). So werden Berichten zufolge auch weiterhin alawitische oppositionelle AktivistInnen Opfer von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Mord durch die Regierung. AlawitInnen werden zudem aufgrund ihrer wahrgenommenen Unterstützung des Regimes zu Opfern von Angriffen durch aufständische extremistische Gruppen (USDOS 30.3.2023).

Im Zuge des Bürgerkriegs kam es zu verschiedenen konfessionalistischen Exzessen, welche die Möglichkeiten für eine Versöhnung zwischen den Kriegsparteien untergraben. Es gab Berichte über Massaker, konfessionalistische Säuberungsaktionen wie auch Entführungen und sexuelle Gewalt gegen AlawitInnen und ChristInnen und umgekehrt von Angehörigen der alawitischen

Glaubensgemeinschaft gegen Mitglieder der sunnitschen Bevölkerungsgruppe (Al-Majalla 15.3.2023). Religiöse bzw. interkonfessionelle Faktoren spielen auf allen Seiten des Konfliktes eine Rolle, doch fließen auch andere Faktoren im Kampf um die politische Vormachtstellung mit ein. Die Gewalt seitens des Regimes gegen Oppositionsgruppen aber auch Zivilisten weist sowohl konfessionelle Elemente als auch Elemente ohne konfessionellen Bezug auf. Beobachtern zufolge ist die Vorgehensweise der Regierung gegen Oppositionsgruppen, welche die Vormachtstellung der Regimes bedrohen, nicht in erster Linie konfessionell motiviert, doch zeigt sie konfessionelle Auswirkungen (USDOS 10.6.2020). So versucht die syrische Regierung, konfessionell motivierte Unterstützung zu gewinnen, indem sie sich als Beschützerin der religiösen Minderheiten vor Angriffen von gewalttätigen sunnitisch-extremistischen Gruppen darstellt. Manche Rebellengruppen bezeichnen sich in Statements und Veröffentlichungen explizit als sunnitische Araber oder sunnitische Muslime und haben Beobachtern zufolge eine fast ausschließlich sunnitische Unterstützerbasis (USDOS 2.6.2022). Der Einsatz von schiitischen Kämpfern durch den Iran, z. B. aus Afghanistan, um gegen die mehrheitlich sunnitische Opposition vorzugehen, verstärkt zusätzlich die konfessionellen Spannungen. Laut Experten stellen die Regierung und ihre Verbündeten Russland und Iran die bewaffnete Opposition und oppositionelle Protestierende sowie humanitäre Hilfsorganisationen auch als konfessionalistisch motiviert dar, indem sie diese mit extremistischen islamistischen Gruppen und Terroristen in Zusammenhang bringen, welche die religiösen Minderheiten sowie die säkulare Regierung eliminieren wollen (USDOS 10.6.2020).

Im Allgemeinen bestehen in Gebieten, die unter Regierungskontrolle stehen, keine Hindernisse für religiöse Minderheiten, insbesondere nicht für Christen. Schätzungen zufolge leben nur mehr 3 % (vor dem Konflikt über 10 %) Christen im Land; viele sind seit Ausbruch des Konflikts geflohen – ihre Rückkehr scheint unwahrscheinlich. In Rebellengebieten, die von sunnitischen Fraktionen kontrolliert werden, ist die Religionsausübung zwar möglich, aber nur sehr eingeschränkt. Zusätzlich erschwert wird die Situation der Christen dadurch, dass sie als regierungsnahe wahrgenommen werden. Sowohl aufseiten der regierungstreuen als auch aufseiten der Opposition sind alle religiösen Gruppen vertreten. Aufgrund ihrer starken Dominanz in der Regierung und im Sicherheitsapparat werden Alawiten aber grundsätzlich als regierungstreu wahrgenommen, während sich viele Sunniten (sie bilden die Mehrheit der Bevölkerung, vor Beginn des Konflikts waren es 72 %) in der (auch bewaffneten) Opposition finden. Aufgrund dieser Zugehörigkeit zur Opposition ist die Mehrheit der politischen Gefangenen und Verschwundenen sunnitisch. Bei der militärischen Rückeroberung der syrischen Armee von Gebieten wie Homs oder Ost- Ghouta wurden sunnitisch dominierte Viertel stark in Mitleidenschaft gezogen. Dadurch wurden viele Sunniten aus diesen Gebieten vertrieben und faktisch ein demografischer Wandel dieser Gebiete herbeigeführt. Die wirtschaftliche Implosion und die damit verbundene Verarmung weiter Teile der Bevölkerung unterminieren auch die Loyalitäten von als regimenah geltenden Bevölkerungsgruppen, inklusive der Alawiten (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Die Situation von Angehörigen religiöser und ethnischer Minderheiten ist von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich und hängt insbesondere von den Akteuren ab, die das Gebiet kontrollieren, von den Ansichten und Wahrnehmungen dieser Akteure gegenüber Angehörigen anderer religiöser und ethnischer Minderheitengruppen sowie von den spezifischen Konfliktentwicklungen in diesen Gebieten (UNHCR 3.2021). Im Zuge des Konflikts wurden Mitglieder religiöser Minderheiten wie auch SunnitInnen Ziel von verschiedenen Gruppen, welche von der UNO, den USA und anderen als Terrorgruppen eingestuft worden waren – darunter auch HTS, in Form von Morden, Entführungen, physischen Misshandlungen und Haft. Tausende tote und verschwundene ZivilistInnen waren die Folge (USDOS 2.6.2022).

Die syrische Regierung, kurdische Truppen, von der Türkei unterstützte oppositionelle Milizen und islamistisch-extremistische Gruppen haben alle versucht, die ethnische Zusammensetzung ihrer Gebiete zu verändern. Sie haben ZivilistInnen gezwungen, bei ihrer jeweiligen religiösen oder ethnischen Gemeinschaft Zuflucht zu suchen, was zu demografischen Änderungen durch den Bürgerkrieg beiträgt (FH 9.3.2023).

Die sunnitisch-arabische Zivilbevölkerung traf die Hauptlast der Angriffe der alawitisch-geführten Regierung und ihrer Milizen. Von 2018 bis 2019 vertrieb das Regime 900.000 ZivilistInnen – meist sunnitische AraberInnen – aus den zurückeroberten Oppositionsgebieten durch Bombardierungen und Belagerungen in die Provinz Idlib (FH 9.3.2023).

Ende 2019 führte das türkische Militär eine Offensive in Nordost-Syrien durch, um eine Pufferzone zur Zurückdrängung seiner kurdischen Gegner aus dem Gebiet zu schaffen [siehe auch die jeweiligen relevanten Unterkapitel im Kapitel

Sicherheitslage] (FH 9.3.2023). Mitglieder religiöser und ethnischer Minderheiten, besonders vertriebene KurdInnen, JesidInnen und ChristInnen, z. B. in der Stadt Afrin, berichteten von Menschenrechtsverletzungen und Marginalisierung (USDOS 2.6.2023). Von der Türkei unterstützte Milizen wurden in Folge beschuldigt, Grundstücke und Häuser zu enteignen (FH 9.3.2023). Sie begingen u. a. auch Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Vergewaltigung und Plünderungen von Privatbesitz – besonders in kurdischen Gebieten – wie auch Vandalenakte gegen jesidische religiöse Stätten. Bezüglich in und um Afrin werden zusätzlich besonders auch Tötungen und willkürliche Verhaftungen von ZivilistInnen genannt. Besonders oft waren JesidInnen Ziel der Taten. Weiterhin werden von pro-türkischen Milizen verschleppte jesidische Frauen vermisst. Berichten zufolge leben in Afrin nur mehr 5.000 JesidInnen, während vor der türkischen Invasion von 2018 25.000 JesidInnen in 22 Dörfern ansässig waren (USDOS 2.6.2022).

Sunnitisch-islamistische und jihadistische Gruppen verfolgen oft religiöse Minderheiten und Muslime, welche sie der Pietätlosigkeit oder der Apostasie beschuldigen (FH 9.3.2023). Verschiedene islamistische Gruppen in Idlib legen Medienberichten zufolge ChristInnen die Anwendung der Scharia auf wie auch die Jizya, eine Steuer für Nicht-Muslime, um sie dazu zu zwingen, ihre Häuser zu verlassen. Die HTS verstärkte demnach den Druck auf ChristInnen in Idlib durch solche Restriktionen wie auch durch eine Erhöhung von Mieten von Häusern und Geschäften, weil die HTS den Immobilienbesitz von ChristInnen als Kriegsbeute ansieht. Die HTS beging zudem weitere Arten von Misshandlungen/Machtmissbrauch (’abuses’) auf Basis der konfessionellen Identität der Betroffenen (USDOS 12.5.2021). Für das Jahr 2021 werden weiterhin solche Restriktionen der HTS gegen ChristInnen in Idlib Stadt berichtet. Es wurde bekannt, dass HTS im Zeitraum Ende 2018 bis Ende 2019 Hunderte Immobilien, darunter mindestens 550 Häuser und Geschäfte in der Provinz Idlib, die vertriebenen ChristInnen gehörten, beschlagnahmt hatte (USDOS 2.6.2022).

Das Schicksal von 8,648 Personen, die vom IS seit 2014 verschleppt wurden, bleibt unbekannt (USDOS 2.6.2022). Nach Schätzung der Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic der Vereinten Nationen tötete oder entführte der sogenannte Islamische Staat (IS) allein mehr als 9.000 JesidInnen. Die UNO bewertete dies als „Kampagne des Genozids“ (USDOS 10.6.2020), wobei der IS ab 2014 ungefähr 6.000 großteils jesidische, aber auch christliche und turkmenische Frauen und Mädchen im Irak verschleppte (USDOS 10.6.2020). Diese wurden nach Syrien gebracht und als Sexsklavinnen verkauft, in nominelle Heiraten mit IS-Kämpfern gezwungen oder dienten als ’Geschenke’ für IS-Kommandanten. Von diesen Frauen und Kindern ist weiterhin der Verbleib von 2.763 Menschen unbekannt (USDOS 2.6.2022).

Trotz der territorialen Niederlage des IS berichteten Medien und NGOs, dass seine extremistische Ideologie weiterhin stark im Land präsent ist (USDOS 12.5.2021). Im Jahr 2022 nahmen gewalttätige Übergriffe durch IS-Überreste zu. Menschenrechtsorganisation berichten, dass diese häufig Zivilisten, Personen, welche der Zusammenarbeit mit Sicherheitskräften verdächtig sind, und Gruppen, die vom IS als Apostaten gesehen werden, ins Visier nehmen (USDOS 2.6.2022). Siehe dazu auch das Kapitel Sicherheitslage.

Kurdische Milizen werden beschuldigt, arabische und turkmenische Gemeinschaften vertrieben zu haben (FH 9.3.2023). Im Jahr 2021 vertrieben christlichen Anführern zufolge türkische Bombardierungen in Nordost-Syrien ChristInnen und andere Minderheiten aus Tel Tamer undumgebenden Dörfern südöstlich des Gebiets der türkischen Militäroperation ’Friedensquelle’ (siehe auch Kapitel Sicherheitslage) (USDOS 2.6.2022).

Für weitere Informationen siehe auch Unterkapitel Kurden sowie die jeweiligen Unterkapitel im Kapitel Sicherheitslage.

Bewegungsfreiheit

Bewegungsfreiheit innerhalb Syriens

Letzte Änderung 2024-03-13 16:23

Die Verfassung sieht Bewegungsfreiheit vor, ’außer eine gerichtliche Entscheidung oder die Umsetzung von Gesetzen’ schränken diese ein. Das Regime, HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) und andere bewaffnete Gruppen sehen Restriktionen bei der Bewegungsfreiheit in ihren jeweiligen Gebieten vor und setzen dazu zur Überwachung Checkpoints ein (USDOS 20.3.2023).

Regierungsangriffe auf die Provinz Idlib und Teile Südsyriens schränkten die Bewegungsfreiheit ein und führten zu Todesfällen, Hunger und schwerer Mangelernährung, während die Angst vor der Vergeltung der Regierung zur Massenflucht von ZivilistInnen und dem Zusammenbruch u. a. der humanitären Hilfe führte. Im Februar 2022 ergab eine UN-Umfrage, dass 51 Prozent der geprüften Gemeinschaften von Bewegungseinschränkungen betroffen waren (USDOS 20.3.2023). Checkpoints werden sowohl von Regimesicherheitskräften sowie lokalen und ausländischen Milizen unterhalten (USDOS 20.3.2023). In den Städten und auf den Hauptverbindungsstraßen Syriens gibt es eine Vielzahl militärischer Kontrollposten der syrischen Sicherheitsbehörden und bewaffneter Milizen, die umfassende und häufig ungeregelte Kontrollen durchführen. Dabei kann es auch zu Forderungen nach Geldzahlungen oder willkürlichen Festnahmen kommen. Insbesondere Frauen sind in diesen Kontrollen einem erhöhten Risiko von Übergriffen ausgesetzt (AA 8.12.2023). Auch können Passierende gewaltsam für den Militärdienst eingezogen werden (NFMA 5.2022).

Überlandstraßen und Autobahnen sind zeitweise gesperrt. Reisen im Land ist durch Kampfhandlungen vielerorts weiterhin sehr gefährlich. Es gibt in Syrien eine Reihe von Militärsperrgebieten, die allerdings nicht immer eindeutig gekennzeichnet sind. Darunter fallen auch die zahlreichen Checkpoints der syrischen Armee und Sicherheitsdienste im Land. Für solche Bezirke gilt ein absolutes Verbot, sie zu betreten. Der Begriff der militärischen Einrichtung wird von den syrischen Sicherheitsdiensten umfassend ausgelegt und kann neben klar erkennbaren Kasernen, Polizeistationen und Militärcheckpoints auch schwerer zu identifizierende Infrastruktur wie z. B. Wohnhäuser hochrangiger Personen, Brücken, Rundfunkeinrichtungen oder andere staatliche Gebäude umfassen (AA 8.12.2023). Zudem wurden Kontrollpunkte eingerichtet, um diejenigen, die außerhalb der von der Regierung kontrollierten Gebiete leben, am Zugang zu ihren Grundstücken oder Eigentumsdokumenten zu hindern. Es gibt auch Berichte über die Beschlagnahmung von Eigentumsdokumenten und anderen Ausweispapieren an Kontrollpunkten, einschließlich Heiratsurkunden. Dies birgt für Frauen ein besonders hohes Risiko, den Zugang zu ihrem Eigentum zu verlieren, falls das Eigentum auf den Namen des Ehemannes eingetragen ist (AA 2.2.2024). Die Regimesicherheitskräfte erpressen Leute an den Checkpoints (USDOS 20.3.2023) für eine sichere Passage durch ihre Kontrollpunkte. So werden z. B. an den Checkpoints an der Straße von der jordanisch-syrischen Grenze nach Dara’a üblicherweise Bestechungsgelder eingehoben (HRW 20.10.2021).

Die Kontrollpunkte grenzen die Stadtteile voneinander ab. Sie befinden sich auch an den Zugängen zu Städten und größeren Autobahnen wie etwa Richtung Libanon, Flughafen Damaskus, und an der M5-Autobahn, welche von der jordanischen Grenze durch Dara’a, Damaskus, Homs, Hama und Aleppo bis zur Grenze mit der Türkei reicht. Zurückeroberte Gebiete weisen eine besonders hohe Dichte an Checkpoints auf (HRW 20.10.2021). Die Vierte Division, angeführt von Maher al-Assad, dem Bruder von Bashar al-Assad, übernahm die Kontrolle über alle Transportrouten Richtung Libanon und Jordanien sowie alle Hauptverkehrswege in West- und Süd-Syrien. Eine große Rekrutierungskampagne für die Besatzungen der Kontrollpunkte ist im Gang. Die Checkpoints sichern die Drogentransitrouten [Anm.: Siehe Informationen zu Ceptagon in den jeweiligen Kapiteln] und sind dabei ein Monopol auf Bestechungsgelder für Reisen durch das Land zu schaffen (FP 1.2.2023).

Passierende müssen an den vielen Checkpoints des Regimes ihren Personalausweis und bei Herkunft aus einem wiedereroberten Gebiet auch ihre sogenannte ’Versöhnungskarte’ vorweisen. Die Telefone müssen zur Überprüfung der Telefonate übergeben werden. Es mag zwar eine zentrale Datenbank für gesuchte Personen geben, aber die Nachrichtendienste führen auch ihre eigenen Suchlisten. Seit 2011 gibt es Computer an den Checkpoints und bei Aufscheinen (in der Liste) wird die betreffende Person verhaftet (HRW 20.10.2021). Personen können beim Passieren von Checkpoints genaueren Kontrollen unterliegen, u. a. wenn sie z. B. aus früher oppositionell-kontrollierten Gebieten stammen oder auch wenn sie Verbindungen zu Personen in Oppositionsgebieten wie Nordsyrien oder zu bekannten oppositionellen Familien haben. Männer im wehrfähigen Alter werden auch hinsichtlich des Status ihres Wehrdienstes gesondert überprüft. Auch eine Namensähnlichkeit mit einer gesuchten Person kann zu Problemen an Kontrollpunkten führen (DIS/DRC 2.2019). Die Behandlung von Personen an einem Checkpoint kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem, wer ihn kontrolliert. Auch die Laune und die Präferenzen des Kommandanten können eine Rolle spielen (DIS 9.2019).

Die Regimesicherheitskräfte halten in einigen Fällen ZivilistenInnen von der Flucht aus belagerten Städten ab (USDOS 20.3.2023). Im Fall von Dara’a al-Balad im Jahr 2021 verletzte laut UN Commission of Inquiry for Syria die Belagerungstaktik der Pro-Regimekräfte die Bewegungsfreiheit und könnte auf eine Kollektivbestrafung hinauslaufen (USDOS 20.3.2023).

Ausländischen DiplomatInnen – einschließlich von der UNO und dem OPCW Investigation and Identification Team (IIT) (OPCW – Organization for the Prohibition of Chemical Weapons) – wurde von der syrischen Regierung der Besuch vieler Landesteile untersagt, und sie erhielten selten die Erlaubnis, außerhalb von Damaskus zu reisen (USDOS 20.3.2023).

Anm.: Zum dahinschwindenden öffentlichen Verkehrssystem und seinen gestiegenen Fahrpreisen siehe Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft.

XXXX

Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht

1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا – Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende.

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية – Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).

Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).

2. Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).

Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).

Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).

• Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

• National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).

• Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).

• Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).

• Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).

• Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).

• Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).

• Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).

3. Aktuelle Lageentwicklung

Sicherheitslage:

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

Sozio-Ökonomische Lage:

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).

1.3.3 Auszug aus EUAA, Country Guidance

3.4 Anti-government armed groups

The Syrian National Army (SNA) is an umbrella organisation of a loose formation of militias backed by Türkiye and several Gulf states.

In 2019, the SNA incorporated the National Liberation Front (NLF), also a Turkish-backed alliance of opposition-armed groups using the brand of the Free Syrian Army (FSA) into its ranks [Actors, 4.3, p. 56, 5.1, p. 58].

The SNA controls two areas adjoining the Turkish border: the first covers the northern countryside of Aleppo from Afrin to Jarablus, and the second one spans from Tall Abyad to Ras al-Ayn in the north of Raqqa and Hasaka governorates [Security 2023, 1.4.2, p. 26].

The SNA forces play an essential role in day-to-day matters in the areas under their control, ‘impacting everything from the security situation to real estate sales, business dealings, the work of NGOs, and local governance institutions’. The SNA is reportedly comprised of more than 40 factions with several sources reporting the group’s internal conflicts and rivalries as a major issue [Security 2023, 1.4.2, p. 26-27].

According to recent sources, abuses by the SNA against civilians continued, including extrajudicial killings, enforced disappearances, torture, including rape, and pillage. Looting, theft, occupation and expropriation of predominately Kurdish properties by SNA were also reported [Security 2023, 1.4.2, p. 28; Targeting 2022, 10.2, p. 92].

Hayat Tahrir al-Sham or Organisation for the Liberation of the Levant (HTS) is a coalition of Islamist Sunni anti-government armed groups which continues to be listed as a terrorist organisation by the EU, the UN and many states [Security 2023, 1.4.4, p. 30, Security 2021, 1.4.4, p. 25]. HTS is comprised of several armed factions, including Jabhat Fatah al-Sham (also known as Jabhat al-Nusrah and previously as the Al-Nusrah Front). It maintains its power through the Syrian Salvation Government, which has been as the group’s ‘political arm’. [Security 2022, 2.1.2, p. 69; Actors, 4.1.1, p. 50]

HTS exercised military and security control within its territory in Idlib governorate, parts of Aleppo’s western countryside and Latakia’s countryside as well as the Al-Ghab Plain located northwest of Hama and is considered as the dominant actor and military superior armed group in the area. In October 2022, HTS fighters took control of the city of Afrin and surrounding areas before a Turkish-brokered truce led to their withdrawal. HTS personnel, however, reportedly remained in the Afrin area, but avoided being publicly visible [Security 2023, 1.4.4, pp. 30-31, 2.1.2, p. 69, 2.2.3, p. 83].

HTS forces have been involved in extrajudicial killings, arbitrary arrests and unlawful detention of civilians [Security 2022, 1.4.4, p. 35, 1.4.5, p. 27, 2.1.2, p. 67]. Enforced disappearances, confiscation of property, harassment and intimidation against women were also reported [Targeting 2022, 8.2, p. 82, 11, p. 96, 13.4.2, pp. 118-119]. In recent times, the group attempted to publicly distance itself from al-Qaeda and portray it as a legitimate civilian authority. Despite its legitimisation efforts, HTS continued to commit serious human rights violations [Security 2023, 1.4.4, p. 31].

A number of other anti-GoS armed groups are also present in the Idlib area.

1.3.4 Auszug aus UNHCR: POSITION ON RETURNS TO THE SYRIAN ARAB REPUBLIC, Dezember 2024

While risks related to persecution by the former Government have ceased, other risks may persist or become more pronounced. In light of the rapidly changed dynamics and evolving situation in Syria, UNHCR is not currently in a position to provide detailed guidance to asylum decision-makers on the international protection needs of Syrians. UNHCR will continue to monitor the situation closely, with a view to providing more detailed guidance as soon as circumstances permit. In view of the current uncertainty of the situation in Syria, UNHCR calls on asylum States to suspend the issuance of negative decisions on applications for international protection by Syrian nationals or by stateless persons who were former habitual residents of Syria. The suspension of the issuance of negative decisions should remain in place until such time as the situation in Syria has stabilized and reliable information about the security and human rights situation is available to make a full assessment of the need to grant refugee status to individual applicants.

1.3.5 Auszüge aus den REGIONAL FLASH UPDATE: SYRIA SITUATION CRISIS, UNHCR

Flash Update #12, 30.01.2025:

This week, UN High Commissioner for Refugees, Filippo Grandi, traveled to Syria for the first time since the fall of the former government. His mission, which began in Lebanon, aimed to understand the challenges faced by refugees and host countries, by returnees inside Syria, and to assess the opportunities for expanding aid to those who are already deciding to return home.

While in Damascus, High Commissioner Grandi met with the leader of Syria’s caretaker authorities and newly appointed President, Ahmed Al-Sharaa, and traveled to border crossings with Lebanon and Türkiye to meet with returning families. He also visited Aleppo where returnees highlighted the lack of shelter, basic services and education opportunities in many parts of the city. Others struggled with lack of civil documentation, and some are relying on loans to survive.

The High Commissioner underlined the urgency for the international community to support not only the immediate humanitarian needs inside Syria but also to invest in longer-term recovery efforts. UNHCR teams met with refugee returnees in Sheikh Miskin in Dar’a Governorate who have recently come back on their own from Jordan, including some from Zaatari refugee camp. In focus group discussions, refugee men relayed how they had come without their families because they wanted to assess the state of their homes first. The reality they are facing is stark. Some were staying with relatives and friends, unable to find and pay for the materials needed to patch up their houses.

Others were concerned about the lack of services – in particular health and education. Their main costs had been transportation and paying off debts incurred in Jordan. Some had part of their debts still to pay

Flash Update #16, 27.02.2025:

As of 27 February 2025, UNHCR estimates that some 297,300 Syrians have returned to Syria via neighboring countries since early December 2024. The figures are based on a triangulation of sources from outside and inside Syria and include refugees registered with UNHCR and other Syrians returning from Türkiye, Lebanon, Jordan, Iraq and Egypt, as well those transiting from beyond the Region.

On 24 February, the European Council decided to suspend a number of restrictive measures onSyria as „part of the EU’s efforts to support an inclusive political transition in Syria, and its swift economic recovery, reconstruction, and stabilization”. This decision is a critical step forward as sanctions remain a major obstacle to large scale and sustainable voluntary return of refugees.

On 25 February, the Syrian National Dialogue Conference in Syria took place in Damascus. The final statement highlighted that dialogue among Syrians of all background will remain a continuous process in this new phase in Syria

As per the political developments in the country, on 25 February, the Syrian National Dialogue Conference was held in Damascus, bringing together around 600 participants. The closing statement of the conference focused on the territorial integrity and sovereignty of Syria; condemned Israeli incursions and demanded its withdrawal. The statement also highlighted the issuance of a temporary constitutional declaration; forming an interim legislative council and preparing a draft permanent constitution that promotes freedom and human rights. It further mentioned the importance of upholding human rights, promoting women’s participation in all sectors, promoting peaceful coexistence among all components of Syrian society, and fostering a culture of dialogue within Syrian society by continuing national discussions at various levels and establishing mechanisms for their implementation.

Regional Flash Update #18, 14 March 2025:

As of 14 March 2025, UNHCR estimates that some 354,900 Syrians have crossed back to Syria via neighboring countries since 8 December 2024. The figures are based on a triangulation of sources from outside and inside Syria and include refugees registered with UNHCR and other Syrians crossing from Türkiye, Lebanon, Jordan, Iraq and Egypt, as well those transiting from beyond the region.

On 13 March, the Caretaker Authorities signed a Constitutional Declaration, following the announcement on 10 March of the integration of the Syrian Democratic Forces (SDF) into Syrian State institutions. UN Special Envoy for Syria Geir Pedersen has welcomed the move toward restoring the rule of law and hoped the declaration can be a solid legal framework for a genuinely credible and inclusive political transition.

Since 6 March, escalating hostilities in the Tartous, Lattakia, Homs, and Hama have resulted in the death of scores of civilians, damage to property and infrastructure, as well as thousands of people displaced in the coastal areas

Country updates

Syria

As of 14 March 2025, UNHCR estimates that 354,900 Syrians have crossed back into Syria from neighboring countries since 8 December 2024. Most refugee returnees continue to cross from Lebanon, followed by Türkiye, Jordan, Iraq and Egypt.

Since 6 March, escalating hostilities in the Tartous, Lattakia, Homs, and Hama have resulted in the death of scores of civilians, damage to property and infrastructure, as well as thousands of people displaced in the coastal areas. On 13 March, Yasser al-Farhan, the Spokesperson for the Fact-Finding Committee on the Syrian Coastal Events, said that the committee is conducting its work on the ground and has lists of witnesses and potential suspects. Al-Farhan confirmed that the committee „will investigate all operations that took place on the coast,” noting that „the Syrian authorities' position was expressed through the formation of a committee to investigate the issue of violations against civilians.”

Due to the dire security situation, UNHCR-supported Community Centres (CCs) in the Coastal Areas have been forced to temporary suspend activities since 7 March. Nonetheless, as of 13 March, two CCs have been able to reopen, in Ras Al-Basit (Lattakia) and Tartous City, in order to provide assistance to the displaced families.

As per the political developments in the country, On 13 March, the Caretaker Authorities signed a Constitutional Declaration, following the announcement on 10 March of the integration of the Syrian Democratic Forces (SDF) into Syrian State institutions. UN Special Envoy for Syria Geir Pedersen welcomed the move toward restoring the rule of law and hoped the declaration can be a solid legal framework for a genuinely credible and inclusive political transition. Proper implementation will be key, along with continued efforts to ensure transitional governance in an orderly manner.

In terms of UNHCR’s response, the UN Refugee Agency continues to play a pivotal role in supporting displaced populations and returnees across Syria, ensuring access to essential services and protection. At key border crossing points, including Joussieh, Jdaidet Yabous, Nassib, Bab Al- Hawa, and Bab Al-Salama, UNHCR maintains a consistent presence to monitor return trends and provide crucial assistance. This includes offering information on available services at the destination, as well as facilitating basic services and transportation assistance to those approaching the posts.

UNHCR continues to identify and support IDPs, IDP returnees from Idleb, and Syrian refugee returnees from Lebanon, Türkiye, and Jordan through home visits and referrals to UNHCR- supported Community Centres, mobile teams, and outreach community volunteers (ORVs). The most pressing needs identified include civil documentation (such as identity cards and marriage authentication), core relief items, hygiene kits, cash assistance, and livelihood opportunities. Only this past week, over 300 newly returned families in Aleppo benefited from the pioneer Shelter Packages Intervention, and in Deir ez-Zor City, winter chortling and blankets were distributed to over 2,200 returnees. Across the country, some other thousands of dignity kits, medical devices and core relief items were distributed to people in need, in addition to livelihood programmes, Mine Risk Education sessions as part of the child protection curriculum, Gender-Based Violence prevention and response activities and mental health and psychosocial support (MHPSS) services that continue to be well received by all population groups in Syria.

Following the recent agreement between the Caretaker Authorities and the SDF, UNHCR has started coordinating and assessing four CCs in areas that are potential for returns from Northeast Syria – Dayr Hafir, Maskaneh, Khafseh, and Rasm Haram El-Imam – to relaunch their services to assist returnees and their host communities.

1.3.6 Zusammenfassende Feststellung zu den verfahrensrelevanten Umständen des Umsturzes ab 27.11.2024 bzw 8.12.2024

Die ehemalige syrische Armee wurde zuerst von der Übergangsregierung außer Dienst gestellt und wurde schließlich formell aufgelöst, die Wehrpflicht in der (früheren) syrischen Armee ist gegenstandslos geworden. Seitens der Übergangsregierung bestehen bereits Bestrebungen eine neue syrische Armee zu formieren. So kündigte Syriens neuer Machthaber, Ahmed al-Scharaa, medial an, dass die HTS sowie alle bewaffneten Rebellenfraktionen im Konsens aufgelöst und unter dem Dach des Verteidigungsministeriums zusammengeführt werden. Zudem sollen die Geheimdienste der gestürzten Assad-Regierung aufgelöst werden, welche über Jahrzehnte hinweg maßgeblich an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Die neuen Machthaber haben jedenfalls die Häftlinge aus den berüchtigten Foltergefängnissen entlassen und diese für Angehörige von Inhaftierten, internationale Journalisten und Menschenrechtsorganisationen zugänglich gemacht.

Die neue Übergangsregierung unter der Führung von Ahmed al-Scharaa wird zudem von einer Reihe an hochrangigen Treffen ausländischer diplomatischer und politischer Vertreter legitimiert. Am 30.12.2024 besuchte der ukrainische Außenminister Andri Sibiha seinen neuen syrischen Amtskollegen, Asaad Hassan al-Shaibani, in Damaskus und sicherte Syrien Unterstützung zu. Gefolgt vom EU Diplomat, Michael Ohnmacht, reisten zuletzt die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock sowie ihr Amtskollege Jean-Noël Barrot in enger Absprache mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas im Auftrag der EU nach Damaskus, wodurch sich bereits ein politischer Neuanfang zwischen Syrien und Europa abzeichnete.

Auch Nachbarstaaten nahmen die Beziehungen zu Syrien wieder auf. Auf Einladung reiste Najib Mikati am 11.01.2025 als erster libanesische Premierminister seit 2010 nach Syrien, um sich mit Ahmed al-Sharaa in Damaskus zu treffen. Am 15.01.2025 besuchte der neue syrische Außenminister Asaad Hassan al-Shaybani gemeinsam mit dem syrischen Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra und Geheimdienstchef Anas Chattab erstmals die Türkei. Dabei fand ein Treffen mit dem türkischen Außenminister sowie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan statt.

Der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus wurde am 07.01.2025 wieder aufgenommen. Seit dem Machtwechsel am 08.12.2024 kehrten zuletzt – schätzungsweise 400.000 – insbesondere in benachbarte Staaten geflüchtete Syrer in ihre Heimat zurück.

Die Vereinigten Staaten von Amerika lockerten die Sanktionsbedingungen zur Erleichterung von humanitär Hilfe in Syrien für eine Dauer von sechs Monaten. Hilfsorganisationen und Firmen, die lebenswichtige Güter liefern, wird eine Ausnahmegenehmigung erteilt.

Kurz nach dem Machtwechsel am 08.12.2024 versammelten sich hunderte Männer und Frauen friedlich miteinander auf den Straßen Damaskus um ihre Meinung für ein vereintes Syrien, Demokratie, Frauenrechte, einer freien, pluralistischen Gesellschaft und einen säkularen Staat kundzutun. Diese Demonstrationen fanden insbesondere unter Anwesenheit patrouillierender HTS-Kämpfer statt, welche keinerlei Repressionsmaßnahmen gegen Demonstrierende setzten, sondern vielmehr um Entspannung bemüht waren.

Den Vertretern der HTS-Übergangsregierung ist bisher ein sehr gemäßigtes Auftreten beizumessen, zumal sich diese ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat. Sie spricht sich etwa für Minderheitenschutz aus, bekennt sich zu einer „nationalistisch-religiösen Haltung“ und zum endgültigen Bruch mit Organisationen wie al-Quaida oder dem IS.

2. Beweiswürdigung

2.1 Zu den persönlichen Angeben der Beschwerdeführer

2.1.1 Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer 1 bis Beschwerdeführer 4, zu ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und ihrer Muttersprache gründen sich auf den soweit glaubhaften Angaben der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung sowie im behördlichen Verfahren (vgl zB Verhandlungsschrift der Beschwerdeführers 1, S 3 ff und AS 82 ff des Behördenaktes des Beschwerdeführers 1 sowie Verhandlungsschrift der Beschwerdeführerin 2, S 3 und AS 59 ff des Behördenaktes der Beschwerdeführerin 2).

2.1.2 Die Unbescholtenheit ergibt sich den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszügen.

2.2 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer

2.2.1 Der Beschwerdeführer 1 und die Beschwerdeführerin 2 brachten vor Sturz des syrischen Regimes im behördlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen vor, dass dem Beschwerdeführer 1 eine Verfolgung aufgrund seiner politischen Aktivität gegen das syrische Regime drohe. Der Beschwerdeführer sei außerdem Reservist und habe einen Einberufungsbefehl erhalten.

Aus den Länderinformationen und den Medien ergibt sich, dass die islamistischen Regierungsgegner unter der Führung der HTS im Dezember 2024 im Zuge einer Großoffensive Regierungsgebiete eroberten und die Stadt Damaskus einnahmen, was den Sturz des Assad-Regimes bedeutete; Baschar Al-Assad floh im Dezember 2024 nach Moskau. Die neuen Machthaber der HTS haben die syrische Armee zuerst außer Dienst gestellt und dann in ihrer bisherigen Form aufgelöst. Die Wehrpflicht ist in Syrien faktisch abgeschafft. Dem Vorbringen einer (möglichen) Verfolgung (in Zusammenhang mit seiner Wehrdienstverweigerung) durch die Regierung Assad wurde durch den Zusammenbruch des syrischen Regimes die Grundlage entzogen.

2.2.2 In der mündlichen Verhandlung steigerten der Beschwerdeführer 1 und die Beschwerdeführerin 2 ihr Vorbringen dahingehend, dass jetzt auch konkrete Probleme mit der Al Nusra-Front bestanden hätten (vgl Verhandlungsschrift der Beschwerdeführers 1, S 6 ff und Verhandlungsschrift der Beschwerdeführerin 2, S 5 und S 9). Der Beschwerdeführer 1 sei sogar Repressalien ausgesetzt gewesen, weil er sich geweigert habe, die Al Nusra Front zu unterstützen (vgl niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin 2, S 8). Dazu inkonsistent gaben die Beschwerdeführer im behördlichen Verfahren an, der Beschwerdeführer 1 sei einmal von einem Checkpoint der Al Nusra Front kontrolliert worden zu sein. Probleme habe es aber keine gegeben (vgl AS 86 der Niederschrift der Vernehmung des Beschwerdeführers 1 und AS 64 der Niederschrift der Vernehmung der Beschwerdeführerin 2 jeweils vor der belangten Behörde).

Probleme wegen der Religionszugehörigkeit wurden von beiden verneint, obwohl das Gebiet nach eigenem Vorbringen unter der Kontrolle der Al Nusra Front stand (vgl AS 65 der Niederschrift der Vernehmung der Beschwerdeführerin 2 und AS 87 und AS 89 der Niederschrift der Vernehmung des Beschwerdeführers 1 jeweils vor der belangten Behörde). Dies sei plötzlich für das Gericht nicht nachvollziehbar anders. Aus den aktuellen Länderinformationen lässt sich eine systematische Verfolgung von Andersgläubigen durch die Al Nusra Front auch nicht ableiten. Dem gesteigerten Vorbringen, die Al Nusra Front würde das Tragen von Gesichtsschleiern und Handschuhen verlangen, fehlt außerdem die asylrelevante Eingriffsintensität (vgl die Verhandlungsschrift des Beschwerdeführers 1, S 6 und die Verhandlungsschrift der Beschwerdeführerin 2, S 9). Das Vorbringen ganz Syrien würde unter der Kontrolle der Al Nusra Front stehen ist auch nicht ganz stimmig, die derzeitigen Machthaber sind der HTS zugehörig. Das vorgebrachte Gefühl, das Schutzniveau des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei nicht ausreichend; die Töchter sollten hier zur Schule gehen und würden das Leben in Österreich lieben, ist nicht asylrelevant (vgl Verhandlungsschrift der Beschwerdeführerin 2, S 10). Ebenso der Wunsch, Zukunftsperspektiven der Kinder abzusichern (vgl Verhandlungsschrift des Beschwerdeführers 1, S 11). Die entscheidungsimmanente prekäre Sicherheits- und Versorgungslage ist Gegenstand des subsidiären Schutzes. Die minderjährigen Beschwerdeführerin 3 und Beschwerdeführerin 4 haben nach Angaben des Vaters, dem Beschwerdeführer 1, und Angaben der Mutter, der Beschwerdeführerin 2, keine eigenen Fluchtgründe (vgl Verhandlungsschrift des Beschwerdeführers 1, S 10 und Verhandlungsschrift der Beschwerdeführerin 2, S 9). In Summe ist den Beschwerdeführern nicht gelungen eine asylrelevante Verfolgungsgefahr darzulegen.

2.3 Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellungen stützen sich auf die zitierten Quellen. Angesichts der Aktualität, Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Quellen konnten daher allesamt dem Verfahren zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Zu Spruchpunkt A) – Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

3.1.1 Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art 9 der Statusrichtlinie [Richtlinie 2011/95/EU] verweist). Gemäß § 3 Abs 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

3.1.2 Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in der konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 22.3.2017, Ra 2016/19/0350, mwN). Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

3.1.3 Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 10.3.1994, 94/19/0056). In diesem Zusammenhang hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darzustellen (EGMR 7.7.1987, 12877/87, Kalema/Frankreich).

3.1.4 Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl VwGH 19.3.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.5.1998, 97/13/0051).

3.1.5 Wie bereits im Rahmen der Feststellungen unter 1.2 und der Beweiswürdigung unter 2.2 dargestellt wurde, wurden für die Beschwerdeführer keine asylrelevanten Fluchtgründe vorgebracht. Es ist den Beschwerdeführern daher nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann daher nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht. Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Die Beschwerdeführer konnten somit nicht glaubhaft machen, dass ihnen aufgrund der Eigenschaft als „Rückkehrer“ automatisch eine Verfolgung droht.

3.1.6 Im Umstand, dass im Heimatland der Beschwerdeführer Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche haben die Beschwerdeführer aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw dartun können.

3.1.7 Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann daher nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern aktuell in Syrien einer asylrelevanten Verfolgung aus einem in der GFK genannten Gründen droht. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide ist daher gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG 2005 abzuweisen.

3.1.8 Da dem Beschwerdeführer 1 und der Beschwerdeführerin 2 mit Erkenntnis vom heutigen Tag zu den Zahlen W187 2303566-1/8E und W 187 2303564-1/8E rechtskräftig kein Asylstatus zuerkannt wurde, kommt eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 34 Abs 2 iVm § 34 Abs 5 AsylG 2005 hinsichtlich der Beschwerdeführerin 3 und der Beschwerdeführerin 4 nicht in Frage. Diese haben keine eigenen Fluchtgründe.

Die Beschwerden waren daher im Ergebnis als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision

3.2.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen, wie sie in 2 und 3 dieses Erkenntnisses zitiert ist. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – sowie diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (zB VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0149, mwN).

Rückverweise