JudikaturBVwG

W284 2297471-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 2025

Spruch

W284 2297471-1/21E W284 2297470-1/8E W284 2300457-1/8E

Schriftliche Ausfertigung des am 19.03.2025 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX 1998, 2. XXXX , geb. XXXX 2002 und 3. XXXX , geb. XXXX 2003 alias XXXX 2003, alle StA: Syrien, vertreten durch BBU, gegen die Bescheide des BFA vom 12.07.2024, Zl. 1370822900- XXXX (1.) und Zl. 1370825401- XXXX (2.) und vom 04.09.2024, Zl. 1370824807- XXXX (3.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.03.2025 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird jeweils als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer XXXX , der Zweitbeschwerdeführer XXXX und der Drittbeschwerdeführer XXXX sind Brüder und stellten je am 26.09.2023 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz, die sie alle gleichlautend in ihren Ersteinvernahmen am 29.09.2023 (Aktenseite = AS Erstbeschwerdeführer 11-18; Zweitbeschwerdeführer AS 3-9; Drittbeschwerdeführer AS 3-10) mit ihrer Angst vor dem Krieg und der Ableistung des Militärdienstes begründeten.

2. Am 27.06.2024 wurden der Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen (Erstbeschwerdeführer AS 47-62; Zweitbeschwerdeführer AS 67-81). Dabei blieben die Beschwerdeführer bei den in der Erstbefragung genannten Fluchtgründen (Erstbeschwerdeführer AS 58; Zweitbeschwerdeführer AS 77f.). Am 01.08.2024 wurde der Drittbeschwerdeführer vor dem Bundesamt im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen (Drittbeschwerdeführer AS 43-57) und blieb ebenso bei seinen Fluchtgründen (AS 53).

3. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheiden (Erstbeschwerdeführer AS 79-331; Zweitbeschwerdeführer AS 139-396; Drittbeschwerdeführer AS 67-284) wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils die Anträge der Beschwerdeführer hinsichtlich des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihnen den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihnen eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte II. und III.).

4. Mit fristgerecht erhobenen Beschwerden (Erstbeschwerdeführer AS 363-387; Zweitbeschwerdeführer AS 411-443; Drittbeschwerdeführer AS 305-339) gegen jeweils Spruchpunkt I. der Bescheide wiederholten die Beschwerdeführer ihr bisheriges Vorbringen.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.03.2025 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache und im Beisein der Vertretung der Beschwerdeführer eine öffentliche Verhandlung durch (Verhandlungsprotokoll = VP; Seitenanzahl bei allen Beschwerdeführern ident). Hierbei wurden die Beschwerdeführer (abermals) zu ihren persönlichen Lebensumständen in Syrien, zu den Fluchtgründen und ihren Rückkehrbefürchtungen befragt.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis wurden die Beschwerden nach Durchführung der Beschwerdeverhandlung abgewiesen.

6. Am Ende der mündlichen Verkündung und nach Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG und damit jedenfalls fristgerecht, beantragten die Beschwerdeführer je die schriftliche Ausfertigung des verkündeten mündlichen Erkenntnisses (VP S. 15).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Identität der Beschwerdeführer konnte nicht festgestellt werden, weshalb bloß Verfahrensidentität vorliegt. Alle sind Staatsangehörige Syriens, gehören der Volksgruppe der Araber an und bekennen sich zum muslimischen Glauben; sie beherrschen die arabische Muttersprache in Wort und Schrift (Erstbeschwerdeführer AS 11f; Zweitbeschwerdeführer AS 3f; Drittbeschwerdeführer AS 3f).

Die Beschwerdeführer wurden in Al Hasaka im gleichnamigen Gouvernment in Syrien geboren (Erstbeschwerdeführer AS 11-18; Zweitbeschwerdeführer AS 3-9; Drittbeschwerdeführer AS 3-10).

Für den Erst- und Zweitbeschwerdeführer steht fest, dass sie bis 2004 in Al Hasaka und von 2004 bis 2012 in Damaskus lebten, weiters einen Monat vor der Ausreise im Jahr 2012 in Qamishli und von 2012 bis 2023 in der Türkei, ehe sie in Österreich ihren Asylantrag einbrachten.

Für den Drittbeschwerdeführer steht fest, dass er spätestens bis 2013 gemeinsam mit seiner Familie in Syrien lebte; er hat Syrien als 10-Jähriger gemeinsam mit seiner eigenen Familie Richtung Türkei verlassen und lebte dort, ehe er in Österreich Asyl beantragte.

Der genannte Herkunftsort der Beschwerdeführer steht seit 01.03.2015 bis dato XXXX bzw. seit 01.08.2016 bis dato (Stadt Al-Hasakah) unter Kontrolle der Syrian Democratic Forces (SDF); Damaskus seit 10.12.2024 bis dato unter Kontrolle der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS); Qamishli seit 10.12.2024 bis dato unter Kontrolle der SDF (syria.liveuamap.com).

Die Beschwerdeführer hatten vor dem Verlassen Syriens weder am Herkunftsort Al-Hasakah noch an den letzten behaupteten Aufenthaltsorten (Damaskus, Qamishli) eine sie unmittelbar konkret persönlich treffende individuelle Gefahr oder Bedrohung durch irgendeine Gruppierung zu gewärtigen. Auch zukünftig hätten die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr mit keiner konkreten Bedrohung - weder durch das syrische Regime noch durch die HTS, SDF oder sonstige Gruppen - zu rechnen.

Der Erstbeschwerdeführer besuchte in Syrien 5 Jahre lang die Grundschule (AS 12) und übte zuletzt den Beruf eines Fabrikarbeiters (AS 12, 54) aus. Er ist verheiratet und hat einen Sohn, seine Gattin und sein Kind leben in XXXX /Türkei, er steht mit ihnen in Kontakt (AS 56). Die Familienangehörigen des Erstbeschwerdeführers – somit auch seiner Brüder – leben teilweise in Syrien (AS 56: Onkel, Tanten ms und vs; VP S. 8: Vater lebt in Al-Hassaka; Bruder lebt in Damaskus). Ein weiterer Bruder befindet sich in Österreich (AS 13: XXXX ). Der Familie gehört ein Haus samt Grundstück in Qamishli (VP S. 8). Der Beschwerdeführer ist gesund (AS 49). Ihm kommt in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (AS 79 ff.).

Der Zweitbeschwerdeführer besuchte in Syrien 1 Jahr lang die Grundschule (AS 4) und übte zuletzt den Beruf eines Blumenverkäufers (AS 4) aus. Er ist ledig und kinderlos (AS 74). Es besteht regelmäßiger Kontakt mit der in Syrien und der Türkei verbliebenen Familie (AS 76). Auch er ist gesund (AS 69) und kommt ihm in Österreich ebenso der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (AS 139 ff.)

Der ledige und kinderlos (AS 49) Drittbeschwerdeführer besuchte in Syrien besuchte nur kurz die Grundschule (AS 4) und war zuletzt als Hilfsarbeiters (AS 4) tätig. Auch er ist subsidiär Schutzberechtigter (AS 67 ff.).

1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Alle Beschwerdeführer verließen Syrien einzig aufgrund der allgemein unsicheren Lage und des Bürgerkriegs (Erstbeschwerdeführer AS 16: „Meine Familie und ich haben damals Syrien wegen dem Krieg verlassen. Es herrscht immer noch Krieg. Jetzt muss ich zum Militär. Ich will aber niemanden töten und auch nicht getötet werden“; AS 58: „Ich flüchtete aus Syrien, weil unsere Region bombardiert wurde, mein Onkel kam dabei ums Leben. Deshalb verließen wir Syrien.“; Zweitbeschwerdeführer AS 8: „Wir haben Syrien wegen des Krieges verlassen. Jetzt müsste ich zum Militär.“; AS 77: „Ich flüchtete nach Österreich damit ich mich keiner Gruppierung anschließen muss und damit ich keine Waffe tragen und kämpfen muss.“; AS 78: „Ich habe Angst am Kampf teilnehmen und töten zu müssen.“; Drittbeschwerdeführer AS 8: „Meine Familie hat Syrien wegen des Krieges verlassen. Jetzt müsste ich in Syrien zum Militär. Das will ich nicht.“; AS 53: „Erstens herrscht Krieg in Syrien, damals wurde mein Bruder zum Militärdienst einberufen, mein Vater sagte, wir müssen das Land verlassen, weil wir zum Militärdienst eingezogen werden. Er wird eingezogen und sterben. Deshalb gingen wir in die Türkei.“; VP S.11: „Niemanden möchte ich töten.“), weshalb ihnen vom Bundesamt jeweils der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.

Alle Beschwerdeführer waren im Herkunftsstaat keiner aktuellen, unmittelbaren, persönlichen und konkreten Verfolgung aus Gründen ihrer politischen Gesinnung ausgesetzt und wären auch im Falle einer Rückkehr dorthin nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt.

Alle Beschwerdeführer haben den Wehrdienst für das syrische Regime nicht abgeleistet.

Alle Beschwerdeführer wollen nicht zum Militär und keinen Wehrdienst leisten, weil sie niemanden töten oder selbst getötet werden wollen. Alle Beschwerdeführer wechselten im Verfahren ihre Fluchtgründe aus (von Verfolgung durch das Regime – auf Verfolgung durch die Kurden).

Die Beschwerdeführer sind keine politisch interessierten Menschen. Sie haben sich nie politisch betätigt oder geäußert (Erstbeschwerdeführer AS 58; „LA: Haben Sie sich je, in Syrien oder auch in einem anderen Land, politisch betätigt? VP: Nein. … LA: Haben Sie sich in Syrien oder in einem anderen Land je politisch geäußert oder Ihre politische Einstellung bzw. Meinung öffentlich kundgetan? VP: Nein. … LA: Wurden Sie in Syrien jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt? VP: Nein.“; Zweitbeschwerdeführer AS 77; „LA: Haben Sie sich je, in Syrien oder auch in einem anderen Land, politisch betätigt? VP: Nein. … LA: Haben Sie sich in Syrien oder in einem anderen Land je politisch geäußert oder Ihre politische Einstellung bzw. Meinung öffentlich kundgetan? VP: Nein. … LA: Wurden Sie in Syrien jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt? VP: Nein.“; Drittbeschwerdeführer AS 52; „LA: Haben Sie sich je, sei es in Syrien oder auch in einem anderen Land, politisch betätigt? VP: Nein. … LA: Haben Sie sich in Syrien oder in einem anderen Land je politisch geäußert oder Ihre politische Einstellung/Meinung öffentlich kundgetan? VP: Nein.“ VP S. 11: „BF3: Ich habe nichts mit Politik zu tun.“;).

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformation der Staatendokumentation Syrien, Version 11 vom 27.03.2024 (vgl. VP S. 3), ergänzt am 10.12.2024 (vgl. VP S. 3), auszugsweise wiedergegeben:

[…]

Politische Lage

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018).

[…]

Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS)

Die HTS wurde 2011 als Ableger der alQaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im PostAssad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c). Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

Syrian Democratic Forces (SDF)

Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).

[…]

Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. [...]

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024). [...]

Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch فجر الحرية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b). [...]

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024). [...]

[…]

Sicherheitslage

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024). Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024). Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

[...]

Sozio-Ökonomische Lage

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024). Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024). Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024). Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024). Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).

[…]„

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, in den Gerichtsakt sowie in die vorgelegten Urkunden, weiters durch Befragung der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, wodurch die Richterin insbesondere einen persönlichen Eindruck der Beschwerdeführer gewinnen konnte. Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:

Die Identitäten der Beschwerdeführer konnten mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments nicht festgestellt werden, weshalb lediglich Verfahrensidentität angenommen wurde.

Eingangs muss bemerkt werden, dass die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführer bereits dadurch massiv erschüttert wurde, dass sie allesamt das wahre Geburtsdatum der Zweit- und Drittbeschwerdeführer nicht nennen wollten. Lediglich der Drittbeschwerdeführer räumte schließlich ein, am 01. Feb. 2003 geboren worden zu sein (VP S. 10). Mit Blick auf die mangelnde Mitwirkung betreffend die Identitätsfeststellung, müssen die im Verfahren angegebenen Jahreszahlen zumindest angezweifelt werden. Gerade im vorliegenden Asylverfahren (Syrien/Wehrpflicht) steht die Identität eines Beschwerdeführers im zentralen Fokus, zumal mit Blick auf eine behauptete Rekrutierung das Erreichen des wehrpflichtigen Alters Grundvoraussetzung ist und allfällige drohende Folgen überhaupt erst an die altersmäßig festgelegte Verpflichtung zur Ableistung des Dienstes anknüpfen können. Dies betrifft nicht nur die Frage des Erreichens des wehrpflichtigen Alters, sondern, gerade mit Blick auf das AANES-Gebiet etwa auch die Beurteilung eines Endes der Ableistung der Selbstverteidigungspflicht. Dass die Beschwerdeführer in seinem solchen Kontext nicht bereit sind, ihre Identität wahrheitsgemäß Preis zu geben, erschüttert sohin nicht bloß die allgemeine Glaubhaftigkeit ihrer Personen, sondern konkret auch die Kernelemente ihrer „Fluchtgeschichte“.

Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen-, und Religionszugehörigkeit, zu Familienstand und Muttersprache der Beschwerdeführer gründen auf ihren diesbezüglich gleichgebliebenen Angaben (Erstbeschwerdeführer AS 11ff.; Zweitbeschwerdeführer AS 3ff.; Drittbeschwerdeführer AS 3ff.).

Die Feststellungen zu den Herkunfts- und Aufenthaltsorten der Beschwerdeführer sowie zur Kontrolle dieser, beruhen auf deren gleichbleibenden Angaben bzw. der Einsichtnahme in die Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien (LIB) sowie der tagesaktuellen Syrien-Karte unter https://syria.liveuamap.com.

Dass sich die Beschwerdeführer bis zur Ausreise aus Syrien Richtung Türkei im Jahr 2012 in Qamishli aufhielten, basiert ebenfalls auf ihren Eigenangaben.

Abbildung 1 : Operation Dawn of Freedom

https://www.understandingwar.org/sites/default/files/Syria%20CoT%20Map%20January%207%2C%202025.png

Abbildung 2 : https://understandingwar.org/backgrounder/iran-update-january-7-2025

Abbildung 3 : https://syria.liveuamap.com/; abgerufen am 31.03.2025

Die Feststellungen zu den jeweiligen Sprachkenntnissen und Schulbildung, Berufserfahrung sowie zu den familiären Situationen beruhen auf den diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben der Beschwerdeführer hierzu im Laufe der Verfahren (Erstbeschwerdeführer AS 11-18, 47-62; Zweitbeschwerdeführer AS 3-9, 67-81; Drittbeschwerdeführer AS 3-10, 43-57).

Fest steht, dass es sich bei den Beschwerdeführern um volljährige Syrer handelt, die alle in Al Hasaka geboren wurden (Erstbeschwerdeführer AS 52: am XXXX 1998 in XXXX /Al-Hasakah; Zweitbeschwerdeführer AS 72: am XXXX 2002 in XXXX /Al Hasaka; Drittbeschwerdeführer AS 47: am XXXX 2003 in der Stadt Al Hasaka). Aktuell leben noch der Vater der Beschwerdeführer in Al-Hassaka/Syrien, ein weiterer Bruder in Damaskus, sowie Onkel und Tanten in Syrien.

Damaskus, ehemaliges Regimegebiet, steht seit dem Sturz Assads unter Kontrolle der HTS. Die anderen festgestellten Aufenthaltsorte der Beschwerdeführer ( XXXX , Stadt Al-Hasakah, Qamishli) standen bereits vor dem Sturz Assads und auch seither unter Kontrolle der SDF.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer basiert auf ihren glaubhaften und nachvollziehbaren Eigenangaben sowie aus dem Umstand, dass keiner der Beschwerdeführer medizinische Unterlagen vorlegte, die Anderes nahelegen (Erstbeschwerdeführer AS 49; Zweitbeschwerdeführer AS 69; Drittbeschwerdeführer AS 44). Dass den Beschwerdeführern in Österreich der Status subsidiär Schutzberechtigter zukommt, ergibt sich aus den jeweiligen Bescheiden des Bundesamtes (Erstbeschwerdeführer AS 79ff.; Zweitbeschwerdeführer AS 139ff.; Drittbeschwerdeführer AS 67ff.).

2.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Glaubhaft ist, dass die Beschwerdeführer Syrien wegen der allgemein unsicheren Lage und wegen des Krieges (Erstbeschwerdeführer AS 16, 58; Zweitbeschwerdeführer AS 8, 77, 78; Drittbeschwerdeführer AS 8, 53; VP S. 11) bereits als Minderjährige verlassen haben. Aufgrund des Bürgerkrieges bzw. der in Syrien prekären allgemeinen Wirtschafts- bzw. Sicherheitslage haben die Beschwerdeführer bereits subsidiären Schutz erhalten. Es ist kein Grund erkennbar, an den hierauf bezogenen bzw. durch die Beschwerdeführer diesbezüglich getätigten, glaubhaften Eigenangaben der Beschwerdeführer zu zweifeln.

Bereits für den Zeitrahmen vor der grundlegenden Änderung der (Macht-)Verhältnisse in Syrien Anfang Dezember 2024, kann eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführer ausgeschlossen werden. An dieser Beurteilung war umso mehr nach dem Sturz Assads und der Machtübernahme durch die HTS festzuhalten.

Angesichts der Länderinformationen und dem „Profil“ der Beschwerdeführer (Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand, Familie etc.) ist davon auszugehen, dass diese grundsätzlich der (unter dem einstigen Machthaber Baschar al-Assad bestehenden) Wehrpflicht der Arabischen Republik Syrien unterworfen und von keinem generellen Ausnahme- bzw. Befreiungstatbestand erfasst waren.

Dass der Erst-, Zweit- oder Drittbeschwerdeführer den Wehrdienst bereits geleistet hätte ist nicht hervorgekommen, bzw. benannten sie die drohende Einberufung zum Militärdienst als Fluchtgrund. Die Beschwerdeführer bezogen sich im Verfahren überwiegend auf die Furcht, den Militärdienst für das Regime ableisten zu müssen und schlossen weitere Verfolgungsgründe trotz mehrmaliger Befragungen aus.

Die Beschwerdeführer verließen den Herkunftsstaat als Minderjährige und gaben nachvollziehbar und glaubhaft an, sie hätten keinen Wehrdienst geleistet. Für das erkennende Gericht ist es unzweifelhaft, dass die Beschwerdeführer in Zusammenhang mit dem Wehrdienst keinerlei Verfolgungshandlungen ausgesetzt waren und auch bei (theoretischer) Rückkehr nicht wären:

Da sich ergeben hat, dass der Vater der Beschwerdeführer nach wie vor unbehelligt in Syrien lebt, spricht bereits dieser Umstand gegen eine Verfolgung der Beschwerdeführer. Selbiges gilt für einen weiteren Bruder der Beschwerdeführer, der von der Türkei nach Syrien abgeschoben wurde und seither ebenfalls problemlos in Syrien, in Damaskus, lebt.

Die von den Beschwerdeführern behauptete Verfolgung könnte denkmöglich nur an den in der GFK genannten Grund der politischen Gesinnung anknüpfen. In diesem Zusammenhang muss die Aussage des Drittbeschwerdeführers, wonach er (VP S. 11) „nichts mit Politik zu tun“ hat, dahin bewertet werden, dass eine Asylgewährung ohne jedwede politische Haltung von vornherein ausscheidet. Gleiches gilt auch für den Erst- und Zweitbeschwerdeführer, welche weder politische Betätigungen behauptetem noch politische Meinungen oder Einstellungen kundgetan haben, sogar selbst beide ausdrücklich eine Bedrohung aufgrund ihrer politischen Gesinnung ausdrücklich ausschlossen (Erstbeschwerdeführer AS 58: LA: Wurden Sie in Syrien jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt? VP: Nein; Zweitbeschwerdeführer AS 77: LA: Wurden Sie in Syrien jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt? VP: Nein).

Auch ist betreffend alle Beschwerdeführer hervorzuheben, dass ihr Vorbringen im Wesentlichen die Kriegssituation und die unzureichende Sicherheitslage in Syrien vor Augen hatte (Erstbeschwerdeführer AS 16: „Meine Familie und ich haben damals Syrien wegen dem Krieg verlassen. Es herrscht immer noch Krieg.; VP S. 5: „Syrien ist immer nicht sicher … das Land noch immer nicht sicher ist“; Zweitbeschwerdeführer AS 8: „Wir haben wegen dem Krieg Syrien verlassen.“ VP S. 9: „Der Bürgerkrieg ist immer noch nicht zu Ende“; Drittbeschwerdeführer AS 8: „Meine Familie hat Syrien wegen dem Krieg verlassen.).

Trotz Erörterung im Zuge der mündlichen Verhandlung, wobei mehrfach die Unterscheidung zwischen Asyl und subsidiärem Schutz erklärt wurde, hatten weder der Erst- noch der Zweitbeschwerdeführer Stichhaltiges vorzubringen (VP S. 7, 9).

Bereits in der durchgeführten Verhandlung war nämlich zentrales Thema die Frage, ob nicht die Fluchtgründe der Beschwerdeführer, nunmehr, da das Regime gefallen ist und die HTS die Kontrolle übernommen haben, obsolet wären. Dabei war auffallend, dass die Beschwerdeführer, mit dem Wegfall des Fluchtgrundes konfrontiert, versuchten, einen Zusammenhang zwischen der drohenden Einberufung/Verfolgung durch das syrische Regime und einer nunmehr drohenden Verfolgung durch die HTS und die SDF zu konstruieren.

Dabei ist zunächst neuerlich zu betonen, dass der Vater der Beschwerdeführer nach wie vor in Syrien am Herkunftsort der Familie unbehelligt leben kann ( XXXX in Al-Hasakah; VP S. 8). Somit bestehen auf SDF-kontrolliertem Gebiet jedenfalls keine Probleme für den Vater der Beschwerdeführer. Auch die Beschwerdeführer haben von sich aus keine eigenen Probleme mit den SDF oder auf SDF-kontrolliertem Gebiet genannt.

Auffallend war, dass alle Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung versuchten, ihre ursprünglich gleichlautenden Fluchtvorbringen - Bürgerkrieg und Militärdienst (Angst vor dem Assad Regime) - gegen neue, ebenfalls geleichlautende Fluchtvorbringen (Angst vor den Kurden/SDF) auszutauschen (Erstbeschwerdeführer VP S. 6f.; Zweitbeschwerdeführer VP S. 9f.; Drittbeschwerdeführer VP S. 10f.). Insbesondere die vagen, emotionslosen Angaben der Beschwerdeführer sowie ihr Unwissen das Kernvorbringen betreffend („ich kenne mich nicht aus“, „zuckt mit den Schultern“, …), waren nicht geeignet, die allgemein gehaltenen Verfolgungsbefüchtungen zu konkretisieren (vgl. VP S. 6, 9 und 10). Der Austausch der behaupteten „Verfolger“ widerlegt die Stichhaltigkeit der Angaben der Beschwerdeführer nachhaltig.

Dass einem der Beschwerdeführer eine (zwangsweise) Rekrutierung durch andere (am Bürgerkrieg beteiligte) Gruppierungen im Herkunftsstaat gedroht hätte, brachte keiner der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren selbst je vor. Alle bestätigten vielmehr, dass sie nie an Kampfhandlungen teilgenommen haben bzw. keiner Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt und nie in Haft waren oder festgenommen wurden (Erstbeschwerdeführer AS 91; Zweitbeschwerdeführer AS 76f.; Drittbeschwerdeführer AS 52f.). Erst die Vertretung der Beschwerdeführer brachte am Ende der getrennt voneinander durchgeführten Befragungen eine drohende zwangsweise Rekrutierung durch die Kurden im AANES-Gebiet auf (Erstbeschwerdeführer VP S. 7; Zweitbeschwerdeführer VP S. 9; Drittbeschwerdeführer VP S. 10f.). Hierzu ist nochmals zu betonen, dass keiner der Beschwerdeführer von sich aus diese Verfolgungsgefahr im gesamten vorangegangenen Verfahren (vor der Behörde) formulierte, weshalb sich dieses Vorbringen vom Parteiwillen entfernt. Näher zur sogenannten Selbstverteidigungspflicht befragt, verfügten die Beschwerdeführer (wie oben ausführlich zitiert und dargelegt) über keinerlei Detailwissen. Für das Gericht stellte es sich vielmehr so dar, dass sie einen „neuen“ Verfolger zu konstruieren versuchten, nachdem ihr eigentliches Fluchtvorbringen, die Gefahr vom Regime zwangsweise rekrutiert zu werden, nach der „Befreiung“ Syriens nicht mehr geeignet schien, eine bessere Position im Verfahren zu erlangen.

Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass das ASSAD-Regime im Dez. 2024 gestürzt wurde und die HTS die Kontrolle übernommen haben. Bemerkt werden muss dabei, dass die HTS, die nunmehr die Kontrolle über weite Teile Syriens ausübt, keine Zwangsrekrutierungen durchführt. Im Gegenteil: Potentiellen Rückkehrern wurde eine Generalamnestie zugesichert.

Während die HTS jedenfalls in Damaskus die Kontrolle hält, weisen im Kurdengebiet die Karten (siehe Karten) die SDF/YPG als maßgeblichen Kontrolleur im AANES-Gebiet aus. Nachdem letztere seit vielen Jahren die Kontrolle am Herkunftsort der Beschwerdeführer innehaben, wäre es somit an den Beschwerdeführern selbst gelegen, eine von dieser Seite drohende Zwangsrekrutierung bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren zu behaupten und konkret darzulegen. Zudem verfügt der militärische Arm der Kurden über keinen Mangel an Rekruten. Der Zustrom Freiwilliger ist nicht zuletzt durch entsprechende finanzielle Anreize gesichert.

Zur HTS wird bemerkt, dass der Erstbeschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung ausführte, dass sein Bruder seit der „Befreiung“ durch die HTS in Damaskus lebt (VP S. 6f.: BF1: Er ist derzeit in Damaskus. R: Seit wann ist er in Damaskus? BF1: Nach der Befreiung.) – und wird durch die Wortwahl des Erstbeschwerdeführers deutlich, dass er die Machtübernahme der HTS als Verbesserung im Herkunftsstaat ansieht, die HTS somit von den Beschwerdeführern nicht als Akteur angesehen wird, die eine „neue“ Bedrohung darstellen. Für alle Militärangehörigen, die während Assads Herrschaft zum Dienst verpflichtet wurden, kündigte die HTS, wie bereits erwähnt, eine Generalamnestie an, wobei Rückkehrern Sicherheit garantiert wird und jegliche Übergriffe auf sie untersagt werden (https://orf.at/stories/3378405/ [16.12.2024]). Dass die zur Ausreise aus Syrien noch Minderjährigen Beschwerdeführer mit Konsequenzen rechnen müssten, hat sich sohin nicht ergeben. Umso weniger, als sich dem Vorbringen aller Beschwerdeführer in ihrer Gesamtheit keine politische Note oder gar Überzeugung entnehmen hat lassen, sondern sie die Ableistung des Wehrdienstes (für das Regime) aus Furcht vor Krieg/Kampf im Allgemeinen und nicht aufgrund einer bestimmten politischen Überzeugung ablehnten.

2.3. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur aktuellen Lage in Syrien stützen sich auf die Länderinformationen vom 27.03.2024 (Version 11 vgl. VP S. 3), ergänzt am 10.12.2024 (vgl. VP S. 3) und die abgefragten Karten betreffend die Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure im Herkunftsgebiet der Beschwerdeführer in Syrien. Somit hat sich ergeben, dass XXXX sowie Al-Hasakah und Qamishli nicht unter der Kontrolle des Regimes, sondern der SDF und Damaskus unter Kontrolle der HTS stehen. Noch bevor Assad gestürzt wurde, hatten die Beschwerdeführer im SDF-Gebiet schon zuvor auch keine Probleme. Der Ankündigung der HTS zu einer Generalamnestie für frühere Wehrdienstverweigerer folgend, war im Fall der Beschwerdeführer (Wehrdienstentzug oder Verweigerung) keine wie immer geartete Gefahr aus den Länderberichten abzuleiten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

§ 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

Die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes rechtfertigt für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling. Der Verwaltungsgerichtshof geht von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art 1 Abschn A Z 2 FlKonv angeführten Gründen erfolgt, in denen der Asylwerber damit rechnen müsste, dass er hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (VwGH 11.10.2000, 2000/01/0326).

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht. Vgl. mwN VwGH 31.10.2024, Ra 2023/14/0250. Zur Thematik einer etwaigen Zwangsrekrutierung ist anzumerken, dass von der – nicht asylrelevanten – Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei jene Verfolgung zu unterscheiden ist, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird; vgl. VwGH mwN z. B. VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0089.

Im Lichte dieser Rechtsprechung ist eine asylrelevante Verfolgung im Zusammenhang mit einem (allfälligen) Wehrdienst und einer (allfälligen zwangsweisen) Rekrutierung zu verneinen: Dass die Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit, noch vor dem Fall Assads, einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wären, konnte ausgeschlossen werden, weil für die bei der Ausreise aus Syrien im Jahr 2012 noch minderjährigen Beschwerdeführer noch gar keine Verpflichtung zum Wehrdienst bestand, sie sohin auch durch Ausreise nicht den „Makel“ eines Oppositionellen/Wehrdienstverweigerers auf sich gezogen haben konnten. Auch trat bei ihnen keine den Konventionsgründen zuordenbare – individuelle, innere Überzeugung (politische Gesinnung) zutage. Bereits unter der Herrschaft Baschar al-Assads wurde Wehrdienstverweigerung nicht zwangsläufig als oppositionsnahe angesehen, sondern war einzelfallbezogen zu beurteilen, ob ein Beschwerdeführer, auch abhängig von seinem persönlichen Risikoprofil, auffiel und dadurch als oppositionell eingestuft würde, was sich im Fall der drei Brüder aber nicht ergeben hat. Die aktuellen Machthaber, die HTS, haben Rückkehrern mit Blick auf behauptete Wehrdienstverweigerung eine Generalamnestie zugesagt, weshalb auch in der Machtübernahme („Befreiung“) durch diese kein Grund einer Asylzuerkennung liegen kann. Die Beschwerdeführer wurden im Herkunftsstaat nicht verfolgt und sie haben diesen auch nicht aus wohlbegründeter Furcht vor einer Verfolgung im oben genannten Sinn verlassen. Weder ergab sich eine (auch nur unterstellte) konkrete und glaubhafte oppositionelle oder politische Einstellung der Beschwerdeführer gegen das syrische Regime noch gegen die HTS. Auch eine von den Beschwerdeführern spät im Verfahren aufgebrachte Bedrohung durch die SDF (in Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht im AANES-Gebiet) wurde nicht glaubwürdig dargetan. Die schon zuvor durch die SDF gehaltene Führung am Aufenthaltsort der Beschwerdeführer diente vielmehr als Rückzugsmöglichkeit vor dem früheren Regime, weshalb eine asylbegründende Verfolgung auszuschließen und die erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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