Spruch
W165 2304443-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2024, ZI. 1406744703-241198641, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid wird behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige Syriens, reiste irregulär in das Bundesgebiet ein und stellte am 07.08.2024 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Zuvor war die BF am 14.07.2024 in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden (EURODAC-Treffermeldung der Kategorie „2“ zu Italien vom 14.07.2024).
Am 07.08.2024 fand eine polizeiliche Erstbefragung der BF statt.
Am 22.08.2024 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA), ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Italien.
Mit Schreiben vom 23.10.2024 setzte das BFA die italienische Dublin-Behörde über die eingetretene Verfristung und die daraus resultierende Zuständigkeit Italiens nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III- VO in Kenntnis.
Am 20.11.2024 fand eine Einvernahme der BF vor dem BFA statt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Italien zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Mit E-Mail des BFA vom 24.04.2025 wurde mitgeteilt, dass die Dublin-Überstellungsfrist mit 22.04.2025 abgelaufen sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang.
Ungeachtet der grundsätzlich vorliegenden Zuständigkeit Italiens zur Führung des Asylverfahrens der BF erfolgte deren Überstellung nicht fristgerecht, konkret bis zum Ablauf des (richtig) 23.04.2025.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des BFA, insbesondere dem mit Italien geführten Konsultationsverfahren, sowie aus aktuellen Abfragen des Zentralen Melderegisters (ZMR) und des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR). Überdies teilte das BFA dem Gericht mit, dass die Überstellungsfrist abgelaufen sei.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) idgF lauten:
§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:
Art. 29 Modalitäten und Fristen
(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme — oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat. (2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.“
Art. 42 Berechnung der Fristen
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:
a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.
b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten.
Aufgrund des Aufnahmegesuchs Österreichs an Italien vom 22.08.2024 und der eingetretenen Zuständigkeit Italiens aufgrund eingetretener Verfristung ist zwar grundsätzlich zunächst die Zuständigkeit Italiens zur Führung des Asylverfahrens der BF eingetreten. Allerdings ist die Überstellungsfrist nach Italien mit 23.04.2025 abgelaufen, ohne dass die BF innerhalb offener Frist nach Italien überstellt worden wäre.
Die Verfristungsbestimmungen der Dublin III-VO normieren einen Zuständigkeitsübergang auf den eine Überstellung während dieser Frist nicht durchführenden Mitgliedstaat. Ein Übergang der Zuständigkeit hat im gegenständlichen Verfahren somit stattgefunden und ist Österreich demnach nunmehr zur Führung des materiellen Verfahrens der BF zuständig. Dementsprechend war der gegenständliche, die Zuständigkeit Österreichs zurückweisende Bescheid zu beheben und das Verfahren zuzulassen.
Im gegebenen Zusammenhang bleibt anzumerken, dass die in Art 29 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO normierte Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat eine zwingende ist (siehe EuGH 25.10.2017, Rs C-201/16 Shiri), bei deren Nichteinhaltung die Zuständigkeit, ohne dass dies von der Reaktion des zuständigen Mitgliedstaates abhängig wäre, auf den ersuchenden Staat übergeht. Darauf kann sich auch ein Antragsteller berufen (VwGH 13.12.2017, Ra 2017/19/0081).
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Übrigen treffen Art. 29 Dub III-VO und § 21 Abs. 3 BFA-VG klare eindeutige Regelungen (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.