Spruch
W261 2300114-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, vom 29.08.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 08.02.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 09.02.2024 fand seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er aus Hasaka stamme, der Volksgruppe der Araber angehöre und Muslim sei. Er habe die Schule nicht besucht und als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Eltern, drei Brüder und zwei Schwestern würden noch in Syrien leben. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er in Syrien den Militärdienst hätte machen müssen. Er habe Angst gehabt, im Krieg zu sterben und habe deshalb Syrien verlassen.
3. Am 19.03.2024 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen im Wesentlichen an, dass er gesund und nicht in medizinischer Behandlung sei. Er gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei sunnitischer Muslim. Er sei in XXXX geboren. Er habe sechs Jahre die Grundschule besucht und anschließend als Hilfsarbeiter am Gemüsemarkt, als Schafhirte und am Bau gearbeitet. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Er habe regelmäßigen Kontakt zu seinen in Syrien lebenden Familienangehörigen. Ein Cousin väterlicherseits sei in Österreich aufhältig, zwei weitere würden in Deutschland leben. Im Februar oder März 2023 sei er in die Türkei gegangen. Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer einen syrischen Personalausweis in Kopie vor.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er Syrien im Alter von 17 Jahren verlassen habe, damit er nicht bei einer Kontrolle bezüglich des Militärdienstes gefunden werde. Die kurdische Armee kontrolliere die Stadt, er habe nicht in diese eintreten wollen. Mit 17 Jahren sei man groß genug, dann würden sie einen mitnehmen. Mit 18 Jahren sei es egal, ob man groß oder klein sei, man würde mitgenommen. Er wolle den kurdischen Militärdienst nicht leisten, da die Kurden gegen die Regierung und die Türken kämpfen würden. Keiner wisse, was sie wollen und ab und zu würden sie auch gegeneinander kämpfen. Der Beschwerdeführer sei hinsichtlich des Militärdienstes nicht schriftlich kontaktiert, jedoch im Jahr 2022 auf der Straße vom kurdischen Militär angehalten worden. Man habe seinen Ausweis verlangt, worauf der Beschwerdeführer auf sein Familienbuch verwiesen habe. Nachdem sie dieses kontrolliert hätten, habe er weitergehen dürfen. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien habe der Beschwerdeführer Angst vor den Kurden und dem Regime.
4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 29.08.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer zwar wehrdienstpflichtig sei, sich aber vom Militärdienst freikaufen könne. Er habe keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gegen das syrische Regime gesetzt. Seine Herkunftsregion stehe unter Kontrolle der kurdischen Kräfte. Das syrische Regime könne dort keine Rekrutierungen durchführen. Der Beschwerdeführer sei in Syrien nicht politisch aktiv und kein Mitglied einer politischen Partei gewesen. Zudem sei er niemals ins Blickfeld der Regierung oder regierungsnaher Truppen gekommen. Er sei im Herkunftsstaat keiner Verfolgung bzw. Verfolgungsgefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt gewesen. Der Beschwerdeführer habe zudem nicht glaubhaft gemacht, eine oppositionelle Gesinnung gegenüber den kurdischen Behörden zu vertreten. Es habe auch aus den sonstigen Umständen keine Verfolgung aus konventionsrelevanten Gründen festgestellt werden können. Es sei ihm nicht gelungen, den vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft und in sich schlüssig darzulegen.
Es würden jedoch Gründe für die Annahme bestehen, dass im Fall einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung aufgrund der derzeitigen Lage in Syrien für den Beschwerdeführer eine nicht ausreichende Lebenssicherheit bestehe. Daher sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.
5. Mit Eingabe vom 25.09.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer im wehrdienstfähigen Alter befinde und seinen Grundwehrdienst noch nicht abgeleistet habe. Er lehne es aus Gewissensgründen ab, den Wehrdienst der syrischen Armee zu leisten und wolle sich nicht an einem völkerrechtswidrigen Krieg beteiligen. Sein Heimatort XXXX , im Gouvernement Al Hasaka, befinde sich unter Kontrolle der kurdischen Kräfte. Der Beschwerdeführer sei kurz vor seiner Ausreise an einem Checkpoint vom kurdischen Militär angehalten worden und habe sich ausweisen müssen. Im Falle seiner Rückkehr müsse der Beschwerdeführer den Selbstverteidigungsdienst der kurdischen Selbstverwaltungsgebiete ableisten. Er verweigere den Dienst und werde daher von den Kurden als Gegner betrachtet, was zu einer Festnahme und Haft bzw. möglicherweise zu einer zwangsweisen Rekrutierung führen könne. Auch vonseiten der Kurden werde ihm eine oppositionelle Haltung zugeschrieben. Im Falle einer Rückkehr drohe dem Beschwerdeführer daher asylrelevante Verfolgung sowohl vonseiten der kurdischen Opposition als auch vonseiten des syrischen Regimes. Durch die Teilnahme am Krieg in Syrien sei der Beschwerdeführer einer erheblichen Gefahr für sein Leben ausgesetzt und sei davon auszugehen, dass er zur Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit gezwungen sei. Zudem bestehe die Gefahr, aufgrund seiner illegalen Ausreise und seiner Asylantragstellung in Österreich vom syrischen Regime als Gegner gesehen und verfolgt zu werden. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, indem sie mangelhafte Länderfeststellungen getroffen und die beigezogenen Länderberichte nicht ausreichend gewürdigt habe. Auch die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides sei aus näher dargestellten Gründen mangelhaft.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem Beschwerdeführer daher internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen.
6. Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 01.10.2024 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo dieses am 03.10.2024 einlangte.
7. Mit Stellungnahme vom 04.11.2024 brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, dass sich sein Herkunftsort in unmittelbarer Nähe eines Rekrutierungslagers befinden würde, sodass von einer nachhaltigen und fortbestehenden Zwangsrekrutierungs- und Verfolgungsgefahr auszugehen sei. Zudem habe es in der Stadt Manbidsch im Jänner 2023 Zwangsrekrutierungen und Festnahmen vonseiten der kurdischen Milizen gegeben.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.11.2024 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung zu seinen persönlichen Umständen, seinen Fluchtgründen und der Situation im Falle einer Rückkehr befragt wurde. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil, die Verhandlungsschrift wurde ihr übermittelt. Der Beschwerdeführer legte keine weiteren Bescheinigungsmittel vor und verwies auf die bereits im bisherigen Verfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel. Das Bundesverwaltungsgericht legte die aktuellen Länderinformationen vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Die Niederschrift wurde der belangten Behörde nach der mündlichen Beschwerdeverhandlung übermittelt.
9. Nach dem Sturz des ASSAD Regimes im Dezember 2024 wies das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens auf die diesen vorliegenden Kurzinformationen der Staatendokumentation Syrien zur Sicherheitslage Dezember 2024 vom 10.12.2024 hin und räumte diesen die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer bestimmten Frist eine Stellungnahme abzugeben.
10. Der Beschwerdeführer führte in der Stellungnahme seiner Rechtsvertretung vom 20.12.2024 im Wesentlichen aus, dass er einen islamistischen undemokratischen und von den bisher dargelegten Prinzipien der HTS geprägten Staat ausdrücklich ablehnen würde. Die HTS sei als Terrororganisation eingestuft, es würde Indizien geben, dass diese ein Kalifat aufbauen würden. Zudem würden die von der Türkei gestützten SNA-Milizen weiterhin gegen die kurdisch-dominierten SDF vorgehen würden. Israel würde Syrien laufend angreifen. Die humanitäre Lage in Syrien habe sich in letzter Zeit dramatisch verschlechtert. Der Sachverhalt sei aktuell nicht entscheidungsreif. Voraussetzungen hierfür seien neue Länderberichte zu Syrien, auf deren Basis eine tragfähige Prognosebeurteilung im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalen Schutz durchgeführt werden könnten. Der Beschwerdeführer ersuche, diese zusätzlichen Informationen in sein Verfahren miteinzubeziehen.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.05.2025 eine weitere mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung zu seinen Fluchtgründen und der Situation im Falle einer Rückkehr im Hinblick auf die geänderte Situation in seinem Herkunftsstaat nach dem Sturz des ASSAD Regimes befragt wurde. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil, die Verhandlungsschrift wurde ihr übermittelt. Der Beschwerdeführer legte keine weiteren Bescheinigungsmittel vor und verwies auf die bereits im bisherigen Verfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel. Das Bundesverwaltungsgericht legte aktuelle Länderinformationen vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Die Niederschrift wurde der belangten Behörde nach der mündlichen Beschwerdeverhandlung übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in der Stadt XXXX (Stadtteil XXXX ) im Gouvernement Al-Hassaka in Syrien geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber sowie sunnitischer Muslim. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Seine Eltern heißen XXXX (ca. XXXX Jahre) und XXXX (ca. XXXX Jahre). Der Beschwerdeführer hat drei Brüder, XXXX (ca. XXXX Jahre), XXXX (ca. XXXX Jahre) und XXXX (ca. XXXX Jahre) sowie zwei Schwestern, XXXX und XXXX (Alter jeweils unbekannt). Seine Familie wohnt in seiner Heimatstadt, im Gouvernement Al-Hassaka in Syrien.
Zwei Cousins des Beschwerdeführers väterlicherseits leben in Deutschland.
Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen Kontakt mit seiner Familie.
Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise aus Syrien in seiner Heimatstadt. Er besuchte sechs Jahre lang die Grundschule. Danach arbeitete er an einem Marktplatz für Obst und Gemüse und im Bauwesen.
Der Beschwerdeführer leistete seinen Wehrdienst nicht ab.
Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, die Stadt XXXX im Gouvernement Al-Hassaka, befindet sich unter Kontrolle der kurdisch geführten PYD (Partei der Demokratischen Union, umfasst auch ihren militärischen Ableger YPG (Volksverteidigungseinheiten, der wiederum die militärische Dachorganisation SDF (Syrian Democratic Forces - Syrische Demokratischen Kräfte) der selbsternannten Selbstverwaltungsregion (auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES) kontrolliert).
Der – damals minderjährige – Beschwerdeführer verließ Syrien 2023 zu Fuß in Richtung Türkei. Er hielt sich unter anderem in Bulgarien, Serbien, Bosnien, Kroatien und Slowenien auf, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich ein und stellte am 08.02.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. In Syrien war bis vor Kurzem für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend.
Der Beschwerdeführer ist mit seinen XXXX Jahren im wehrfähigen Alter. Er leistete seinen Wehrdienst beim ehemaligen syrischen Militär bislang nicht ab. Es liegen keine Befreiungsgründe vor. Der Beschwerdeführer wurde in Syrien niemals vonseiten des ehemaligen syrischen Regimes konkret aufgefordert einen Wehrdienst abzuleisten.
Im Hinblick auf die aktuelle Situation nach dem Sturz des ASSAD-Regines im Dezember 2024 in Syrien ist eine Bedrohung des Beschwerdeführers durch das ehemalige syrische Regime auszuschließen.
1.2.2. Der Beschwerdeführer fällt mit seinen XXXX Jahren (Geburtsjahrgang XXXX ) in das aktuelle Rekrutierungsalter der PYD/SDF. Die kurdischen Autonomiebehörden unterstellen nicht sämtlichen Personen, die sich der „Selbstverteidigungspflicht“ entziehen, eine oppositionelle politische Gesinnung. Es haben sich auch im Fall des Beschwerdeführers keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben. Insbesondere weist der Beschwerdeführer keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen die kurdischen Autonomiebehörden oder gegen den Dienst an der Waffe an sich, auf. Er läuft auch nicht Gefahr, aufgrund dessen durch kurdische Milizen mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.3. Ihm droht bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien nicht wegen seiner illegalen Ausreise, der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich oder der Abstammung aus einem als oppositionell angesehenen Gebiet Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität.
1.2.4. Auch sonst ist der Beschwerdeführer nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11, 27.03.2024 (LIB)
- Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024, vom 10.12.2024 (Staatendokumentation)
- EUAA, Country Focus Syria, März 2025 (EUAA)
- UNHCR, Position on returns to the Syrian Arab Republic, Dezember 2024 (UNHCR)
- ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen vom 21.03.2025 (ACCORD)
1.3.1. Situation seit dem November/Anfang Dezember 2024
1.3.1.1. Die Machtübernahme
Nach monatelanger Vorbereitung und Training starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) die Operation „Abschreckung der Aggression“ und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende (Staatendokumentation).
Am 30.11.2024 nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 05.12.2024 einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort. Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 07.12.2024 auf 08.12.2024 (Staatendokumentation).
Am 06.12.2024 zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab. Russland forderte am 07.12.2024 seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen. Am 07.12.2024 begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein, nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten. Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab. Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 07.12.2024 Richtung Damaskus vor. Am frühen Morgen des 08.12.2024 verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt, die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen. Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Staatendokumentation).
Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad. Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (Staatendokumentation).
Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 06.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren, sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (Staatendokumentation).
Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo. Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ nahmen diese Gruppierungen am 09.12.2024 die Stadt Manbij ein. Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (Staatendokumentation).
Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten. Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen. Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (Staatendokumentation).
In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden. Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Staatendokumentation).
Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (Staatendokumentation).
1.3.1.2. Die Akteure bei der Machtübernahme:
Syrische Arabische Armee (SAA):
Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (Staatendokumentation).
Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten. In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert. Am 07.12.2024 flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak. Präsident al-Assad erhöhte am 04.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten. Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos. Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf. Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden. Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (Staatendokumentation).
Opposition:
Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war, haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (Staatendokumentation).
Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS):
Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet. Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen. Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union und der Türkei als Terrororganisation eingestuft. Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden. Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien. Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (Staatendokumentation).
Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (Staatendokumentation).
National Liberation Front (NFL):
Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (Staatendokumentation).
Ahrar al-Sham Movement:
Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (Staatendokumentation).
Jaish al-Izza: Jaish al-Izza:
Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (Staatendokumentation).
Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki):
Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (Staatendokumentation).
Milizen in Südsyrien:
Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand. In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Staatendokumentation).
Syrian Democratic Forces (SDF):
Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF. Sie werden von den USA unterstützt. Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (Staatendokumentation).
Syrian National Army (SNA):
Diese werden von der Türkei unterstützt und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei. Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (Staatendokumentation).
1.3.2. Regierungsführung unter der Übergangsregierung
1.3.2.1. Politischer Übergang
Nach dem Sturz der Regierung von Baschar al-Assad am 8. Dezember 2024 wurde eine Übergangsregierung eingesetzt. Der ehemalige Premierminister Mohammed al-Jalali übergab die Macht formell an Mohammed al-Bashir, den neu ernannten Übergangspremierminister, um die Fortführung der staatlichen Funktionen, wie Al-Jalali erklärte, einschließlich der Zahlung der Gehälter im öffentlichen Dienst, sicherzustellen. Al-Sharaa erklärte, die Organisation nationaler Wahlen könne aufgrund des notwendigen Wiederaufbaus der Wahlinfrastruktur bis zu fünf Jahre dauern. Er bekräftigte ferner, dass Syrien als „Republik mit einem Parlament und einer Exekutive“ strukturiert sein werde. Am 29. Dezember skizzierte Ahmad al-Sharaa einen mehrjährigen Fahrplan, der die Ausarbeitung einer neuen Verfassung innerhalb von drei Jahren und anschließende Wahlen sowie Pläne für eine Nationale Dialogkonferenz zur Förderung von Versöhnung und Inklusivität vorsieht. Als Teil des Übergangsprozesses betonte Al-Sharaa die Bedeutung der Wahrung der nationalen Einheit und lehnte den Föderalismus ab. Erste Verhandlungen fanden mit den SDF und dem Kurdischen Nationalrat (KNC) statt, um kurdische Fraktionen in den politischen Prozess einzubeziehen. Die ursprünglich für Anfang Januar geplante Nationale Dialogkonferenz wurde jedoch später verschoben, um ein breiter angelegtes Vorbereitungskomitee einzurichten, das alle Teile der syrischen Gesellschaft repräsentierte. Sie fand schließlich am 25. Februar 2025 statt, nachdem vorbereitende Workshops auf lokaler Ebene eingeleitet worden waren. Sie tagte mit rund 600 Teilnehmern in Damaskus. In ihrer Abschlusserklärung betonte sie die territoriale Integrität Syriens, verurteilte die israelischen Einfälle und forderte einen Rückzug. Sie sah außerdem die Verabschiedung einer vorläufigen Verfassungserklärung, die Bildung eines vorläufigen Legislativrates und die Ausarbeitung eines Entwurfs für eine dauerhafte Verfassung mit Schwerpunkt auf Menschenrechten und Freiheit vor. In der Abschlusserklärung wurde ferner die Bedeutung der Teilhabe von Frauen, der friedlichen Koexistenz und der Einrichtung kontinuierlicher nationaler Dialogmechanismen erwähnt. Die Konferenz wurde jedoch wegen ihrer übereilten Organisation und mangelnden Repräsentativität kritisiert. Ende Januar erklärte die Übergangsregierung die syrische Verfassung von 2012 für ungültig und löste das Parlament, das Militär und die Sicherheitsbehörden der ehemaligen Regierung auf. Al-Sharaa erklärte, er werde einen Übergangsgesetzgebungsrat einrichten, der die Regierung bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung unterstützen soll. (EUAA)
1.3.2.2. Regierungsbildung
Nach der Machtübernahme in Damaskus setzte die HTS eine Übergangsregierung ein, die sich hauptsächlich aus Beamten der ehemaligen syrischen Heilsregierung (SSG) in Idlib zusammensetzte. Al-Sharaa bezeichnete dies als vorübergehende Maßnahme zur Wahrung der Stabilität und Wiederherstellung der Grundversorgung. Zunächst übernahmen Minister der SSG nationale Ministerposten, während einige Beamte und Staatsbedienstete der ehemaligen Regierung in ihren Positionen blieben, um die Kontinuität zu gewährleisten. Am 10. Dezember 2024 wurde Mohammed Al-Bashir, ein Ingenieur aus dem Gouvernement Idlib und ehemaliger Vorsitzender der SSG im Nordwesten Syriens, die zusammen mit der HTS gebildet wurde, zum Interimspremierminister ernannt. Seine Amtszeit und die der Übergangsregierung sollten am 1. März 2025 enden, doch Ende Januar 2025 gab es noch keinen Termin für Wahlen in Syrien. Inzwischen etablierte sich Ahmad Al-Sharaa, Vorsitzender der HTS, als De-facto-Führer Syriens. Am 29. Januar 2025 wurde Al-Sharaa für die Übergangszeit zum Präsidenten ernannt. Am 21. Dezember ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Shibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide waren bekannte Verbündete Al-Sharaas. Weitere Ernennungen umfassten Mohamed Abdel Rahman zum Innenminister, Mohammed Yaqoub Al-Omar zum Informationsminister, Mohamed Taha Al-Ahmad zum Minister für Landwirtschaft und Bewässerung, Nazir Mohammed Al-Qadri zum Bildungsminister und Shadi Mohammed Al-Waisi zum Justizminister. Alle drei hatten zuvor Positionen in der Heilsregierung innegehabt. Darüber hinaus übernahmen Fadi Al-Qassem, Mohamed Abdel Rahman Muslim, Hossam Hussein und Basil Abdul Aziz ihre jeweiligen Ämter als Entwicklungsminister, Minister für lokale Verwaltung und Dienstleistungen, Minister für Stiftungen und Wirtschaftsminister. Anas Khattab (auch bekannt unter seinem Kampfnamen Abu Ahmad Hudood), ein ehemaliger Anführer der Nusra-Front, wurde zum Chef des Allgemeinen Geheimdienstes ernannt. Die Ernennung von Maher Al-Sharaa zum Gesundheitsminister löste Kontroversen aus, da er der Bruder von Al-Sharaa ist. Zur neuen Regierung gehörte auch eine Frau, Aisha Al-Debs, als Direktorin des Büros für Frauenangelegenheiten. Im Januar nahm die Übergangsregierung ihre erste größere Kabinettsumbildung vor und ersetzte Mohammad Abdul Rahman durch Ali Kidda als Innenminister. Kidda war Berichten zufolge ein enger Vertrauter von Al-Sharaa. Laut BBC News gab es keinen transparenten Mechanismus für die Auswahl von Ministern, und es blieb unklar, ob diese Ernennungen im Rahmen einer Konsultation oder allein durch Al-Sharaa erfolgten. Diese Ungewissheit schürte Diskussionen über eine mögliche Erweiterung der Regierung um ausländische Oppositionsmitglieder und inländische Experten. (EUAA)
1.3.2.3. Militärreformen
Vor ihrem Einmarsch in Damaskus am 8. Dezember versprach die HTS, den institutionellen Rahmen Syriens aufrechtzuerhalten, und verkündete später eine Generalamnestie für syrische Armeesoldaten. Die Übergangsregierung leitete daraufhin einen Siedlungsprozess ein, der die Wiedereingliederung zahlreicher ehemaliger Regierungs- und Militärangehöriger, darunter hochrangiger Beamter, erleichterte. Einige von ihnen waren in schwere Kriegsverbrechen verwickelt, wie beispielsweise Fadi Saqr. Neben den freiwilligen Siedlungsverfahren spürte die Militäroperationsverwaltung (MOA), die Kommandozentrale der neuen, von der HTS geführten Übergangsregierung, Personen auf, die sich der Siedlung entzogen. Im Rahmen dieser Kampagnen wurden ehemalige Offiziere verhaftet, während andere freigelassen wurden, nachdem festgestellt wurde, dass sie nicht an Übergriffen beteiligt waren. Laut Etana gab es Bedenken hinsichtlich des fehlenden Prozesses, da Berichte auf Hinrichtungen von Milizionären niedriger Ebene hindeuten, die die Behörden als isolierte Akte gemeinschaftlicher Rache darstellen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR), eine in Großbritannien ansässige Überwachungsorganisation, berichtete Mitte Januar, dass innerhalb weniger Tage 8.000 Personen in den MOA-Zentren in Sallamiyah, Hama, Versöhnungsabkommen schlossen. Die Zahl der Offiziere und Angehörigen der Streitkräfte der vorherigen Regierung in Gefängnissen wie Adra, Hama und Harim stieg auf über 9.000, darunter 2.000, die aus dem Irak zurückgekehrt waren. Die meisten wurden festgenommen, nachdem sie bei Razzien oder Kontrollpunkten gefasst worden waren. Die Übergangsregierung schaffte außerdem die Wehrpflicht ab, außer in Situationen wie nationalen Notständen. Laut Samir Saleh, Mitglied des Militärkommandos im Umland von Damaskus, wird die syrische Armee eine Armee von Freiwilligen sein, an der sich die Bevölkerung beteiligen soll, um die Landesgrenzen zu sichern. Ehemalige Überläufer, wie Offiziere der Freien Syrischen Armee (FSA), erhalten je nach ihrer Expertise einen Sonderstatus innerhalb der Struktur des Verteidigungsministeriums. Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 neuen Militärkommandeuren veröffentlicht, darunter HTS-Mitglieder, desertierte Offiziere der syrischen Armee und mindestens sechs Nicht-Syrer; die sieben höchsten Positionen sollen mit HTS-Mitgliedern besetzt sein. Schließlich verpflichtete sich die Übergangsregierung, alle Rebellenfraktionen in das Verteidigungsministerium zu integrieren. Zwischen Januar und Februar 2025 bemühten sich die Übergangsministerien für Verteidigung und Inneres, alle bewaffneten Fraktionen zu einer einzigen Militär- und Polizeitruppe zu vereinen. Das Verteidigungsministerium berichtete, über 70 Fraktionen in sechs Regionen hätten sich zur Integration bereit erklärt, und es wurde ein Oberster Ausschuss eingerichtet, der die militärischen Mittel wie Personal, Stützpunkte und Waffen regeln soll. Am 29. Januar verkündete die Übergangsregierung offiziell die Auflösung aller Oppositionsparteien und Militärgruppen, wobei unklar blieb, inwieweit dies auch für die SDF galt. Die SDF widersetzten sich zunächst der Integration, insbesondere nachdem ihr Vorschlag, als halbautonome Einheit beizutreten, vom Verteidigungsministerium abgelehnt worden war, das ihnen Verzögerungstaktiken vorwarf. Anfang März wurde jedoch bekannt gegeben, dass die SDF eine Vereinbarung zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung unterzeichnet hatten. Bis Mitte Februar hatte die Übergangsregierung rund 100 bewaffnete Fraktionen, darunter die von den USA unterstützte Syrische Freie Armee, erfolgreich in ein neues syrisches Militär und Verteidigungsministerium integriert. Einige Fraktionen, wie die von Ahmad al-Awda in Südsyrien und verschiedene drusische Militärgruppen, leisteten jedoch weiterhin Widerstand. Die bewaffneten Fraktionen des Gouvernements Sweida blieben vollständig intakt; im Januar entstanden zwei neue Militärverbände. (EUAA)
1.3.2.4. Reformen im öffentlichen Sektor
In der Anfangsphase des Übergangs beabsichtigte die neue Regierung, wichtige staatliche Institutionen zu erhalten und zu reaktivieren, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten. Infolgedessen blieben viele wichtige staatliche Institutionen funktionsfähig. Im Berichtszeitraum leitete die neue Regierung einige institutionelle Reformen ein. Nach der Machtübernahme stellte die Übergangsregierung zuvor wegen ihrer Beteiligung an der syrischen Revolution entlassene öffentliche Angestellte wieder ein und entließ gleichzeitig im Rahmen einer Umstrukturierungsmaßnahme Hunderte von Angestellten einer einzigen Direktion mit dem erklärten Ziel, Institutionen zu verkleinern und ineffizientes Personal abzubauen. Während die Übergangsregierung wirtschaftliche Gründe für die Entlassungen angibt, werfen einige ehemalige Angestellte der neuen Regierung konfessionelle und politische Gründe vor. Katar kündigte an, die von der Übergangsregierung zugesagte 400-prozentige Lohnerhöhung im öffentlichen Sektor mitzufinanzieren. Die ausländische Finanzierung war zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch nicht bestätigt. Um die von der Baath-Partei ernannten Mitglieder der Anwaltskammer zu entfernen, ersetzte die Übergangsregierung den Rat der Zentralen Anwaltskammer Syriens durch Mitglieder der Freien Anwaltskammer aus Idlib. Khitam Haddad, seit 2023 stellvertretende Justizministerin, behielt ihr Amt und kündigte Anfang Januar an, dass Straf- und Zivilverfahren unter der Übergangsregierung wiederaufgenommen würden, während des vorherigen Regimes begangene Verbrechen jedoch noch nicht behandelt würden. Einige Anwälte kritisierten den nicht gewählten Anwaltsrat der Übergangsregierung als autoritär, während die Rechtsstrukturen aus der Assad-Ära, einschließlich des Terrorismusgesetzes, intakt blieben. Weitere Schritte der neuen Regierung umfassten die Übertragung der Kontrolle über Grenzübergänge zur Türkei – wie Bab Al-Salama, Al-Rai und Jarablus – an die Übergangsregierung sowie die Integration von Bildungseinrichtungen wie der Universität Aleppo in das Ministerium für Hochschulbildung und wissenschaftliche Forschung in Damaskus. Schließlich wurden die NGOs vom Ministerium für Soziales und Arbeit dazu verpflichtet, sich erneut registrieren zu lassen. Dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNPF) zufolge hat dies die Wiederherstellung zahlreicher Gesundheits- und Schutzeinrichtungen behindert und ihre Fähigkeit, weiterhin medizinische und soziale Dienste bereitzustellen, eingeschränkt. (EUAA)
1.3.2.5. Wirtschaftliche Reformen und Sanktionen
Die Übergangsverwaltung begann mit der Einleitung wirtschaftlicher Reformen, wobei HTS seine Absicht ankündigte, ein System der freien Marktwirtschaft umzusetzen. Institutionelle Reformen umfassten die Entlassungen von Staatsangestellten zur Verkleinerung staatlicher Institutionen, mit Plänen, ein Drittel aller Mitarbeiter im öffentlichen Sektor - einschließlich sogenannter "Gespenstermitarbeiter" - zu entlassen und zu einer Marktwirtschaft überzugehen. Maysaa Sabrine wurde zur Gouverneurin der Zentralbank ernannt, und der Übergangsfinanzminister Mohammed Abazeed stellte Pläne zur Umstrukturierung der Regierungsministerien für verbesserte Effizienz und Verantwortlichkeit vor, obwohl spezifische Modernisierungsmaßnahmen unklar blieben. Abazeed schlug auch eine Überarbeitung des Steuersystems vor. Um potenziellen Engpässen bei Gütern entgegenzuwirken, öffnete die Regierung den Grenzübergang Nasib zu Jordanien, eine wichtige Handelsroute, und wies die staatliche Syrische Petroleumgesellschaft an, den Betrieb wiederaufzunehmen. In der Zwischenzeit signalisierte die Türkei ihre Bereitschaft, in Syriens Wirtschaft zu investieren. Anfang Januar erließ die Vereinigten Staaten eine sechsmonatige Ausnahme von den Sanktionen, die bis zum 7. Juli wirksam ist, um humanitäre Hilfe nach dem Abgang Assads zu erleichtern. Die Ausnahme erlaubte spezifische Transaktionen mit Regierungsinstitutionen auf allen Ebenen, einschließlich Krankenhäusern, Schulen und Versorgungsunternehmen sowie Einrichtungen, die mit HTS in ganz Syrien verbunden sind. Während die Sanktionen selbst in Kraft blieben, erlaubte die Ausnahme Aktivitäten in Bezug auf den Verkauf, die Lieferung und die Lagerung von Energie, einschließlich Erdöl und Elektrizität, und ermöglichte persönliche Überweisungen sowie bestimmte energienahe Transaktionen zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung. Am 24. Februar beschloss der Rat der EU, verschiedene restriktive Maßnahmen, einschließlich solcher, die die Energie- und Transportsektoren betreffen, aufzuheben. Außerdem wurden vier Banken und die Syrische Arabische Fluggesellschaft von der Liste der vom Vermögenseinfrieren betroffenen Unternehmen ausgeschlossen und der Syrischen Zentralbank der Zugang zu finanziellen Ressourcen erlaubt. Darüber hinaus wurden Ausnahmen gemacht, um Bankbeziehungen zwischen syrischen Banken und Finanzinstitutionen innerhalb der Mitgliedstaaten zuzulassen. Die bestehende humanitäre Ausnahme wurde unbegrenzt verlängert, und eine neue Ausnahme wurde für den persönlichen Gebrauch hinsichtlich des Exportverbots für Luxusgüter nach Syrien eingeführt. (EUAA)
1.3.2.6. Politischer Übergang gemäß UN-Resolution 2254
Ahmad Al-Sharaa kritisierte internationale Organisationen, insbesondere die Vereinten Nationen, für ihre vermeintliche Ineffektivität bei der Bewältigung der humanitären Krisen in Syrien. Er betonte das Versagen der UN, in den letzten 14 Jahren die Freilassung von Gefangenen zu erreichen und die Rückkehr von Flüchtlingen zu erleichtern. Al-Sharaa betonte die Notwendigkeit nationaler Lösungen und forderte eine Aktualisierung der UN-Resolution 2254, die ursprünglich im Dezember 2015 verabschiedet wurde, um den politischen Übergang in Syrien zu lenken. Ihr Rahmen sei seit dem Sturz Bashar Al-Assads nicht mehr vollständig auf die Situation anwendbar. In einem Interview mit Al Arabiya bekräftigte Al-Sharaa seine Kritik an den UN und plädierte für einen alternativen Übergangsprozess. Er schlug vor, die Wahlen um bis zu vier Jahre zu verschieben, um die Entwicklung eines überarbeiteten politischen Rahmens zu ermöglichen. Bei einem Treffen mit UN-Sondergesandtem Geir Pedersen lehnte er das starre Festhalten an seiner Ansicht nach überholten Resolutionen ab und skizzierte seine Vision eines Übergangsprozesses, der die aktuellen Realitäten Syriens widerspiegelt. Trotz seiner Kritik bekräftigte Al-Sharaa, dass Syrien bereit sei, die Stationierung von UN-Truppen innerhalb der von den Vereinten Nationen eingerichteten Pufferzone entlang der israelischen Grenze zu akzeptieren. Am 6. Februar verlängerte die Übergangsregierung die UN-Ermächtigung, humanitäre Hilfe über den Grenzübergang Bab al-Hawa zu liefern, um weitere sechs Monate bis zum 7. August. (EUAA)
1.3.2.7. Mögliche Rückkehr nach Syrien:
Die UNHCR appelliert weiterhin an alle Staaten, syrische Staatsangehörige und Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, einschließlich Palästinenser, die sich früher in Syrien aufhielten, nicht gewaltsam nach Syrien zurückzuführen (UNHCR).
1.3.3. Gebiete unter der Kontrolle der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF)
Die SDF kontrollieren einen großen Teil des Territoriums im Nordosten Syriens, der fast ein Drittel der Landesfläche ausmacht. Diese Gebiete umfassen etwa 70 Prozent der syrischen Öl- und Gasfelder. Im Februar und März 2025 umfassten die von den SDF kontrollierten, besetzten oder eroberten Gebiete den größten Teil von Hasaka, etwa die Hälfte von Raqqa (einschließlich der Stadt Raqqa), die östlich des Euphrat gelegenen Teile von Deir Ez-Zor und Aleppo sowie einen schmalen Vorsprung am westlichen Euphratufer Aleppos, südlich des Assad-Sees und nahe dem Tischrin-Staudamm. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) und dem Critical Threats Project (CTP) waren einige kleine Gebiete westlich des Euphrat, südlich von Al-Bab und Manbij, zwischen den SDF und der SNA umkämpft. Zumindest unmittelbar nach der Einnahme Aleppos durch die bewaffnete Opposition kontrollierten die SDF weiterhin die beiden mehrheitlich kurdischen Stadtviertel Ashrafieh und Sheikh Maqsoud. Am 6. Dezember 2024 zog sich die ehemalige Assad-Regierung aus der Stadt Deir Ez-Zor und ihrer Umgebung zurück und die SDF drangen in diese Gebiete vor, um dieses Vakuum zu füllen. Als Assads Truppen begannen, Gebiete an die SDF zu übergeben, vertrieb die SNA mit ihrer eigenen Operation Dawn of Freedom im Norden und Osten Aleppos die kurdischen Streitkräfte von wichtigen Punkten am Westufer und nahm am 10. Dezember 2024 Tall Rifaat und die strategisch wichtige Stadt Manbij ein. Ende Dezember 2024 erzielten die SDF jedoch einige Gebietsgewinne im Osten Aleppos und schickten ab Januar 2025 erneut Einheiten tief in die ehemaligen Assad-Gebiete Deir Ez-Zor, Raqqa und Aleppo. (EUAA)
Ende Februar 2025 lieferten sich türkische Streitkräfte/die SNA und die SDF weiterhin schwere Kämpfe in Nordsyrien nahe der Qara-Qozak-Brücke und dem Tischreen-Staudamm. ISW und CTP vermuten, dass die Türkei möglicherweise versucht hat, die Versorgungslinien der SDF zu dem Damm am östlichen Euphratufer im Gouvernement Aleppo zu kappen. Darüber hinaus beschoss die Türkei im Berichtszeitraum SDF-Stellungen im gesamten Nordosten Syriens. Im Januar 2025 wurde festgestellt, dass die SDF, geschwächt durch Gebietsverluste und ihren Rückzug östlich des Euphrat, im Kampf um die Sicherung ihres autonomen Territoriums einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt waren. Gleichzeitig verstärkten die Streitkräfte der US-geführten Globalen Koalition im Berichtszeitraum ihre Militärpatrouillen und brachten militärisches Gerät zur Verstärkung ihrer Stützpunkte herein. (EUAA)
Während der Konflikt zwischen den SDF und der SNA im Nordosten Syriens nach wie vor zentral ist, sahen sich die SDF in Deir E-Zor mit Widerstand einiger arabischer Stammesfraktionen konfrontiert, und diese langjährigen Konflikte setzten sich auch im Berichtszeitraum fort. Bewaffnete Männer aus dem Umfeld von Scheich Ibrahim al-Hafel, einem Stammesführer, der dafür bekannt ist, Stämme in Deir Ez-Zor gegen die SDF zu mobilisieren, griffen Sicherheitszentralen und patrouillierende SDF-Truppen an. Im Januar 2025 wurden mehrere Zivilisten verletzt, als die SDF im Anschluss an eine Reihe solcher Angriffe auf junge Männer schossen. Gleichzeitig wurden im Zuge einer umfassenden Sicherheitskampagne im Umland von Deir Ez-Zor Dutzende mutmaßliche Assad-Anhänger, Milizionäre der Nationalen Verteidigungskräfte (NDF) und Anhänger von Scheich Ibrahim al-Hafel festgenommen. (EUAA)
In den von den SDF kontrollierten Gebieten wurden Zivilisten bei verschiedenen Vorfällen getötet oder verletzt, darunter Attentate, Stammes- und Familienstreitigkeiten, mehrere Angriffe türkischer Streitkräfte, Schüsse von SDF-Mitgliedern auf Demonstranten und (mutmaßliche) IS-Angriffe. Dutzende Zivilisten wurden bei mehreren türkischen Drohnenangriffen getötet oder verletzt, die angeblich auf zivile Ziele in der Nähe des Tischrin-Staudamms (Ost-Aleppo) gerichtet waren. (EUAA)
Laut ACLED-Daten waren die von den SDF kontrollierten bzw. umstrittenen Gebiete, die im Berichtszeitraum am stärksten von Sicherheitsvorfällen (Kämpfen, Explosionen/Ferngewalt, Gewalt gegen Zivilisten) betroffen waren, die Distrikte Deir Ez-Zor (258 Vorfälle) und Hasaka (229 Vorfälle). Dies entspricht etwa 56 % bzw. 57 % aller in den Gouvernements Deir Ez-Zor und Hasaka registrierten Sicherheitsvorfälle. (EUAA)
Im März 2025 unterzeichneten die SDF-Führer ein Abkommen zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung. Das Abkommen sieht eine vollständige Einstellung der Feindseligkeiten vor und verpflichtet die SDF, die Kontrolle über Grenzposten, den Flughafen sowie wichtige Öl- und Gasfelder aufzugeben. (EUAA)
1.3.4. Aktuelle Rekrutierungspraxis
1.3.4.1. Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung Zwangsrekrutierungen
Mehrere Quellen berichten im Februar 2025, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt hat, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft hat und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setzt. Anfang Februar 2025 wurde berichtet, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden. (ACCORD)
1.3.4.2. Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen; Zwangsrekrutierungen
1.3.4.2.1. Wehrpflichtgesetz der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ (LIB)
Auch aus den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten Syriens gibt es Berichte über Zwangsrekrutierungen. Im Nordosten des Landes hat die von der kurdischen Partei PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat, Partei der Demokratischen Union] dominierte „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ [Autonomous Administration of North and East Syria, AANES] 2014 ein Wehrpflichtgesetz verabschiedet, welches vorsah, dass jede Familie einen „Freiwilligen“ im Alter zwischen 18 und 40 Jahren stellen muss, der für den Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr in den YPG [Yekîneyên Parastina Gel, Volksverteidigungseinheiten] dient. Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“, das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen. Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit. Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war. Mit Stand September 2023 war das Dekret noch immer in Kraft (LIB).
Die Wehrpflicht gilt in allen Gebieten unter der Kontrolle der AANES, auch wenn es Gebiete gibt, in denen die Wehrpflicht nach Protesten zeitweise ausgesetzt wurde. Es ist unklar, ob die Wehrpflicht auch für Personen aus Afrin gilt, das sich nicht mehr unter der Kontrolle der „Selbstverwaltung“ befindet. Vom Danish Immigration Service (DIS) befragte Quellen machten hierzu unterschiedliche Angaben. Die Wehrpflicht gilt nicht für Personen, die in anderen Gebieten als den AANES wohnen oder aus diesen stammen. Sollten diese Personen jedoch seit mehr als fünf Jahren in den AANES wohnen, würde das Gesetz auch für sie gelten. Wenn jemand in seinem Ausweis als aus Hasakah stammend eingetragen ist, aber sein ganzes Leben lang z.B. in Damaskus gelebt hat, würde er von der „Selbsverwaltung“ als aus den AANES stammend betrachtet werden und er müsste die „Selbstverteidigungspflicht“ erfüllen. Alle ethnischen Gruppen und auch staatenlose Kurden (Ajanib und Maktoumin) sind zum Wehrdienst verpflichtet. Araber wurden ursprünglich nicht zur „Selbstverteidigungspflicht“ eingezogen, dies hat sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert (LIB).
Ursprünglich betrug die Länge des Wehrdiensts sechs Monate, sie wurde aber im Jänner 2016 auf neun Monate verlängert. Artikel zwei des Gesetzes über die „Selbstverteidigungspflicht“ vom Juni 2019 sieht eine Dauer von zwölf Monaten vor. Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je nach Gebiet entschieden wird. Beispielsweise wurde der Wehrdienst 2018 aufgrund der Lage in Baghouz um einen Monat verlängert. In Afrin wurde der Wehrdienst zu drei Gelegenheiten in den Jahren 2016 und 2017 um je zwei Monate ausgeweitet. Die Vertretung der „Selbstverwaltung“ gab ebenfalls an, dass der Wehrdienst in manchen Fällen um einige Monate verlängert wurde. Wehrdienstverweigerer können zudem mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden (LIB).
Wehrdienstverweigerung
Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen. Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die „Militärpolizei“ unter seiner Adresse. Die meisten sich der „Wehrpflicht“ entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (LIB).
Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil. Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das „Selbstverteidigungspflichtgesetz“ auch mit Gewalt durchgesetzt, während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der „Wehrpflicht“ um einen Monat bestraft würden – zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft „für eine Zeitspanne“. Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden. Ähnliches berichteten ein von ACCORD befragter Experte, demzufolge alle Wehrdienstverweigerer nach dem Gesetz der Selbstverteidigungspflicht gleich behandelt würden. Die kurdischen Sicherheitsbehörden namens Assayish würden den Wohnort der für die Wehrpflicht gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleibe, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft. Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen. Einem von ACCORD befragten Syrienexperten zufolge hängen die Konsequenzen für die Wehrdienstverweigerung vom Profil des Wehrpflichtigen ab sowie von der Region, aus der er stammt. In al-Hasakah beispielsweise könnten Personen im wehrpflichtigen Alter zwangsrekrutiert und zum Dienst gezwungen werden. Insbesondere bei der Handhabung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht gegenüber Arabern in der AANES gehen die Meinungen der Experten auseinander. Grundsätzlich gilt die Pflicht für Araber gleichermaßen, aber einem Experten zufolge könne die Behandlung je nach Region und Zugriffsmöglichkeit der SDF variieren und wäre aufgrund der starken Stammespositionen oft weniger harsch als gegenüber Kurden. Ein anderer Experte wiederum berichtet von Beleidigungen und Gewalt gegenüber arabischen Wehrdienstverweigerern (LIB).
Eine Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht (LIB).
1.3.4.2.2. Aktuelle Entwicklungen SDF und SDF-nahe Kräfte (ACCORD)
Mitte März 2025 berichten Quellen von einer zwischen Ahmad Scharaa und Mazloum Abdi, dem Leiter der SDF, getroffenen Einigung, die Ende 2025 umgesetzt werden soll. Die Vereinbarung sieht vor, alle „zivilen und militärischen Einrichtungen“ in Nordost-Syrien der Verwaltung des syrischen Staates zu unterstellen. Der von CNN dazu interviewten Wissenschaftlerin am Center for Strategic and International Studies Natasha Hall zufolge sei zu dem Zeitpunkt unklar, wie die Integrierung der SDF in die Institutionen des syrischen Staates aussehen werde. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung ist es der SDF erlaubt, ihre Struktur und ihre Waffen zu behalten (ACCORD).
In einem arabischsprachigen Artikel von März 2025 von Al Jazeera wird ein Mann zitiert, der an den zu der Zeit bestehenden Protesten in Deir ez-Zor teilgenommen hat. Er hat unter anderem darauf hingewiesen, dass SDF-Kräfte Verhaftungskampagnen in den von der SDF kontrollierten Gebieten durchgeführt haben, in deren Rahmen Dutzende junge Männer unter dem Vorwurf der Gruppe Islamischer Staat (IS) beitreten zu wollen, verhaftet und zwangsrekrutiert wurden. In einem arabischsprachigen Artikel von Jänner 2025 zitiert Al Jazeera den Wissenschaftler Amir Al-Mithqal, dem zufolge die Demokratischen Kräfte Syriens (Syrian Democratic Forces, SDF) aufgrund eines Mangels an kurdischen Kräften ethnische Araber zwangsrekrutierten. Ende Jänner 2025 berichtet Syria TV, dass seit dem Sturz der Assad-Regierung über 5.000 Männer die SDF verlassen haben, indem sie übergelaufen oder geflohen sind. Einer der SDF nahestehenden Quelle zufolge besteht ein Mangel an Kräften in den Reihen der SDF und diese ist nicht imstande neue Rekrutierungskampagnen in der Region zu starten. Es werden nur begrenzt Rekrutierungsoperationen durchgeführt, und zwar hauptsächlich im Gouvernement Hasaka. Der Quelle zufolge prüft die SDF sämtliche Optionen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, unter anderem durch den Aufbau neuer Kräfte. Mitte Jänner hat die SDF die Demobilisierung von Wehrpflichtigen, die ihre Wehrpflicht bereits abgeleistet hätten, aufgrund des bedeutenden Anstiegs an Desertionen und Überläufen in ihren Kreisen gestoppt. Die SDF sieht für jeden Mann, der das Alter von 18 Jahren erreicht hat und zwischen 1998 und 2006 geboren ist, eine einjährige Wehrpflicht vor. Ein von der SDF zwangsrekrutierter Mann erzählte im Syria TV, dass er seinen Wehrdienst vor zwei Monaten erfüllt hat und die SDF sich ohne Angabe von Gründen weigert, ihn aus der Pflicht zu entlassen. Davon seien hunderte andere Personen betroffen (ACCORD).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und weiteren Sprachen, seinen Familienangehörigen, seinem Familienstand, seinem Aufwachsen in Syrien, seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf die diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben vor der Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen bzw. nachvollziehbar aktualisierten Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln. Zwar gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde an, ein Cousin väterlicherseits lebe in Österreich (vgl. AS 64), führte jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubwürdig aus, dies sei falsch protokolliert worden (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 12).
Die Feststellung, dass das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, die Stadt XXXX im Gouvernement Al-Hassaka, von der kurdisch geführten PYD (Partei der Demokratischen Union, umfasst auch ihren militärischen Ableger YPG (Volksverteidigungseinheiten, der wiederum die militärische Dachorganisation SDF (Syrian Democratic Forces - Syrische Demokratischen Kräfte) der selbsternannten Selbstverwaltungsregion (auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES) kontrolliert) kontrolliert wird, ergibt sich übereinstimmend aus den vorliegenden Länderberichten und den glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 5).
Der Zeitpunkt der Ausreise und die Aufenthalte in durchreisten Staaten ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 3 und Niederschrift vom 06.05.2025, S. 3). Seine Arbeitsfähigkeit folgt aus seinem Alter, seinem Gesundheitszustand und seiner bisherigen Erwerbstätigkeit in Syrien.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Das Asylverfahren bietet, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0143-8 wieder betonte, nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (vgl. VwGH 29.05.2006, Zl. 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist vor allem auf folgende Kriterien abzustellen: Das Vorbringen des Asylwerbers muss – unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten –genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
2.2.2. Zur behaupteten Zwangsrekrutierung und (zumindest) unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung vonseiten des ehemaligen syrischen Regimes:
Der Beschwerdeführer konnte sein Fluchtvorbringen, es drohe ihm eine Zwangsrekrutierung durch das ehemalige syrische Regime und aufgrund dessen die Unterstellung einer politisch oppositionellen Gesinnung, nicht glaubhaft machen. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der im Folgenden dargelegten beweiswürdigenden Erwägungen:
Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren unter anderem zusammengefasst vor, dass er Angst habe, den Militärdienst leisten zu müssen (vgl. AS 25). In Al-Hassaka gebe es ein Sicherheitsquadrat, dort sei das Regime (vgl. AS 68).
Der Beschwerdeführer fällt mit seinen XXXX Jahren grundsätzlich ins wehrdienstpflichtige Alter.
Das ehemalige syrische Regime wurde, wie aus den zitierten Länderinformationen zu entnehmen ist, am 08.12.2024 gestürzt.
Im Hinblick auf die aktuelle Lage in Syrien kann der Beschwerdeführer von Vertretern des ehemaligen syrischen Assad-Regimes nicht bedroht werden und geht das diesbezügliche Vorbringen daher ins Leere. Weitere Ausführungen konnten daher unterbleiben.
2.2.3. Zur behaupteten Zwangsrekrutierung vonseiten der PYD/SDF:
Betreffend eine Zwangsrekrutierung seitens der PYD/SDF, ist vorerst anzumerken, dass die AANES (Autonomous Administration of North and East Syria) im Juni 2019 ein Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“, das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den über 18-jährige-Männer im Gebiet der AANES ableisten müssen, ratifizierte. Am 04.09.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit. Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war. Mit Stand September 2023 war das Dekret noch immer in Kraft. Artikel zwei des Gesetzes über die „Selbstverteidigungspflicht“ vom Juni 2019 sieht eine Dauer von zwölf Monaten vor. Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. Es gibt aus den aktuellen Länderinformationen keine Hinweise, dass diese Regelungen aktuell nicht mehr in Geltung sind.
Der Beschwerdeführer wurde XXXX geboren und befindet sich mit seinen XXXX Jahren somit im gesetzlich vorgesehenen Alter für eine Selbstverteidigungspflicht.
Die Rekrutierungen erfolgen durch jährliche Aufrufe für die „Selbstverteidigungspflicht“ durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten beim „Büro für Selbstverteidigungspflicht“ ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des Wehrdiensts, beispielsweise die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung, dokumentiert wird. Es kommt jedoch zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen an der eigenen Wohnadresse.
Bezugnehmend auf eine Einberufung vonseiten der kurdischen Kräfte brachte der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde vor, dass die kurdische Armee seine Heimatstadt kontrolliere und führte aus, wenn man 17 Jahre alt und groß genug sei, würde man mitgenommen. Mit 18 Jahren sei es egal, ob man groß oder klein sei, man würde mitgenommen (vgl. AS 67). In der Beschwerde wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer müsse im Falle seiner Rückkehr den Selbstverteidigungsdienst der kurdischen Selbstverwaltungsgebiete ableisten, da er sich im wehrpflichtigen Alter befinde. Er verweigere den Dienst und werde daher von den Kurden als Gegner betrachtet, was zu seiner Festnahme und Haft sowie möglicherweise zu einer zwangsweisen Rekrutierung führen könne. Infolge der Wehrdienstverweigerung werde ihm zudem seitens der Kurden eine oppositionelle Haltung zugeschrieben, wodurch ihm die zwangsweise Rekrutierung oder eine unverhältnismäßige Bestrafung als Wehrdienstverweigerer drohe (vgl. AS 256). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer auf die Frage der erkennenden Richterin, aus welchen Gründen er nicht zum Militärdienst eingezogen werden wolle, lediglich vor: „Es gibt keine bestimmte anerkannte Regierung in Syrien. Es sind 3 unterschiedliche Parteien. Ich will mich diesen nicht anschließen. Nehmen wir mal an, man hat sich einer Gruppierung angeschlossen, gilt man aus Sicht der anderen Gruppierung als Verräter, ich meine, sollte eine der anderen Gruppierungen die Macht übernehmen, gäbe es Konsequenzen, weil man als Verräter angesehen wird“ (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 8). Weiters führte er aus, es gebe Kampfhandlungen zwischen den Kurden und dem Regime. Auf der anderen Seite stehe die FSA, unterstützt vonseiten der Türkei. Würde der Beschwerdeführer von einer dieser Gruppierungen eingezogen, so werde er an der Frontlinie eingesetzt und müsse gegen andere Gruppierungen kämpfen (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 8). Bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 06.05.2025 brachte der Beschwerdeführer vor, dass „er weder für sie in den Krieg ziehen, noch Wehrdienst für sie leisten“ möchte (vgl. Niederschrift vom ß06.05.2025, S. 5)
In der mündlichen Verhandlung danach befragt, ob die Kurden bereits an ihn herangetreten seien, um ihn zu rekrutieren, gab der Beschwerdeführer lediglich vage und ausweichend an: „Man wird nicht einberufen, sondern bei einer Kontrolle wird man einfach mitgenommen“ und weiters: „Es sind nur die Kurden dort an der Macht, aber von Seiten der Kurden gibt es keine Einberufungsbefehle. Wenn sie jemanden haben möchten, dann haben sie ihre Wege und Methoden“ (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 8). Während der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde noch angab, er sei vom kurdischen Militär auf der Straße angehalten und kontrolliert worden, erwähnte er dies in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht mit keinem Wort. Selbst bei Wahrheitsunterstellung ist jedoch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer auch vor der belangten Behörde ausführte, er habe ohne weiteres weitergehen dürfen (vgl. AS 67).
Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer zudem vor, die Kurden hätten 2021/2022 in seinem Heimatdorf einmal drei junge Männer mitnehmen wollen. Die Einwohner des Gebietes hätten sich versammelt und verhindert, dass die Leute eingezogen würden. Die Kurden hätten die Leute gehen lassen, schließlich aber auf diese geschossen. Der Beschwerdeführer habe gesehen, dass eine Person verletzt gewesen sei (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 10 und 11).
Abgesehen von den äußerst pauschal gehaltenen Schilderungen erscheint es unerklärlich, warum der Beschwerdeführer diesen Vorfall weder in der polizeilichen Erstbefragung noch in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vorbrachte, obwohl er zu seinen Fluchtgründen eingehend befragt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen im Allgemeinen nicht als glaubhaft anzusehen. Vielmehr muss grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (vgl. VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwN). In einer Gesamtschau der beweiswürdigenden Erwägungen und unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung konnte der Beschwerdeführer daher nicht glaubhaft machen, dass dieser Vorfall tatsächlich geschehen ist, zumal der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, ob die Kurden bereits herangetreten seien, um ihn zu rekrutieren, ausweichend antwortete und lediglich angab: „Man wird nicht einberufen, sondern bei einer Kontrolle wird man einfach mitgenommen“ (vgl. Niederschrift vom 08.04.2024, S. 9).
Zwar wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ausreise und damit zum Zeitpunkt der von ihm geschilderten Vorfälle noch minderjährig war, jedoch können auch damit die widersprüchlichen, uneinheitlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers zu den vorgebrachten Geschehnissen nicht erklärt werden. Die vorstehend angeführten Gesichtspunkte der Beweiswürdigung stützten sich nicht bloß darauf, dass die Angaben des Beschwerdeführers – wie es im Fall von als Kind erlebten oder geschilderten Umständen denkbar erscheint – "detailarm" oder "sehr allgemein" waren (so zu Minderjährigen zB VfGH 27.06.2012, U 98/12, ähnlich auch VwGH 14.12.2006, 2006/01/0362), sondern auf Widersprüchlichkeiten bzw. Uneinheitlichkeiten in den Angaben sowie Unplausibilitäten. Auch geht es nicht – wie bei minderjährigen Flüchtlingen möglich – ausschließlich um Umstände oder Tatsachen, deren Kenntnis vom Beschwerdeführer angesichts seines Alters im Zeitpunkt des Aufenthalts im Herkunftsstaat nicht erwartet werden konnte (VwGH 16.04.2002, 2000/20/0200; 17.09.2003, 2001/20/0324). Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, die von ihm geschilderten Vorfälle hätten sich im Jahr 2021/2022 ereignet, also als der Beschwerdeführer 15 oder 16 Jahre alt war (vgl. Verhandlungsprotokoll, S. 10). Die Kenntnis der Umstände und Tatsachen konnte vom Beschwerdeführer mit einem Alter von 15 oder 16 Jahren im Zeitpunkt des Aufenthalts im Herkunftsstaat erwartet werden und wäre es ihm durchaus zumutbar gewesen, solch einschneidende vermeintliche Vorfälle bereits in früheren Einvernahmen zu erwähnen.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass es, wie beweiswürdigend ausgeführt, derzeit in Kurdisch dominierten Gebieten wie Deir ez-Zor und Manbij zu Kampfhandlungen kommt und sich die Lage in Syrien volatil darstellt. Jedoch lässt sich abgesehen von allfälligen Rekrutierungsversuchen den vorliegenden Länderberichten nicht entnehmen, dass die von der SDF rekrutierten Syrer aktuell an Menschenrechtsverletzungen teilnehmen müssten.
Unter Zugrundelegung der zitierten Länderberichte liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Wehrdienstverweigerern auch unter den aktuellen Verhältnissen in Syrien unverhältnismäßige Strafen drohen würden. Während laut verschiedenen Menschenrechtsorganisationen das Gesetz zur Wehrpflicht zwar auch mit Gewalt durchgesetzt wird, tritt anderen Quellen zufolge im Falle einer Weigerung lediglich eine Verlängerung der Wehrpflicht – mitunter auch verbunden mit einer vorübergehenden Haft – ein. Gemäß anderen Quellen werde bei Wehrdienstverweigerung nicht einmal eine Geld- oder Haftstrafe verhängt. Es ist auch nach der aktuellen Berichtslage in Syrien nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Verweigerung, den Wehrdienst abzuleisten, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gewalt oder im Falle einer Inhaftierung Folter oder sonstigen unmenschlichen Behandlungen ausgesetzt wäre.
Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die kurdischen Autonomiebehörden laut den vorliegenden Länderinformationen die Verweigerung der Leistung ihres Wehrdienstes nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung ansehen. Entgegen dem Vorbringen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 06.05.2025 (vgl. Niederschrift 06.05.2025, S. 8) kann nach der aktuellen Berichtslage zu Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, „dass die Schwelle für eine unterstellte oppositionelle politische Gesinnung niedriger sein wird als zuvor.“
Zudem brachte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren keine politisch (verinnerlichte) kritische Einstellung gegen die Kurden vor, zumal er auch vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht vorbrachte, dass er niemals politisch tätig gewesen sei (vgl. AS 66; Niederschrift vom 08.11.2024, S. 7). Zudem gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auf die Frage der erkennenden Richterin, aus welchen Gründen er nicht zum Militärdienst eingezogen werden wolle, lediglich an: „Es gibt keine bestimmte anerkannte Regierung in Syrien. Es sind 3 unterschiedliche Parteien. Ich will mich diesen nicht anschließen. Nehmen wir mal an, man hat sich einer Gruppierung angeschlossen, gilt man aus Sicht der anderen Gruppierung als Verräter, ich meine, sollte eine der anderen Gruppierungen die Macht übernehmen, gäbe es Konsequenzen, weil man als Verräter angesehen wird“ (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 8). Auf die Frage, ob er für die Kurden nicht dienen wolle, um nicht Gefahr zu laufen, von der FSA bzw. vom syrischen Regime als Verräter angesehen zu werden, wich der Beschwerdeführer aus und vermeinte lediglich: „Ich meine, es gibt keine einheitliche Machtübernahme von Seiten einer Partei über das ganze Syrien. Außerdem in der Stadt XXXX gibt es Kampfhandlungen und Kriegsauseinandersetzungen“ (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 8). Weiters gab er an, es gebe Kampfhandlungen zwischen den Kurden und dem Regime. Auf der anderen Seite stehe die FSA, unterstützt von der Türkei. Diese würde die Kurden rausschicken und die Kontrolle übernehmen wollen. Sollte er vonseiten einer der Gruppierungen eingezogen werden, so würde er an der Frontlinie eingesetzt und müsse gegen andere Gruppierungen kämpfen (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 8). Auf die Frage, wie er zu den Kurden stehe, gab der Beschwerdeführer lediglich unpräzise an: „Die machen ihre Sachen falsch, unrichtig“. Weiters gab er an: „Z.B. Soldaten bekommen schnell was sie brauchen. Wenn ich zum Bäcker gehe, um Brot zu kaufen, bekomme ich nicht was ich will. Ein Soldat bekommt, was er will. Außerdem im Zentrum von XXXX hat diese Partei ein gefährliches Gefängnis von Daesh. Das darf nicht in der Stadt sein, das soll woanders am Land verlegt werden“ (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 9). Zudem gab er an, er sei niemals öffentlich gegen die Kurden aufgetreten (vgl. Niederschrift vom 08.11.2024, S. 9).
Erstmals gab er bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 06.05.2025 etwas konkreter an, dass er „die PKK vehement ablehnen“ würde (vgl. Niederschrift vom 06.05.2025, S. 5). Er „möchte aber erwähnen, dass er nichts gegen die Kurden habe, im Gegenteil, er habe kurdische Freunde“ (vgl. ebd.). Es gehe „ihm um die PKK, weil wenn sie erfahren, dass er dort ist, ist es nur eine Frage der Zeit bis sie ihn einberufen“ (vgl. ebd.).
Der Beschwerdeführer spricht sich immer wieder gegen die „PKK“ aus. Bei der PKK handelt es sich um die Arbeiterpartei Kurdistans (Kurmandschi Partiya Karkerên Kurdistanê; PKK). Diese ist eine kurdische Untergrundorganisation mit sozialistischer Ausrichtung, die sich militanter Methoden bedient. Diese Partei hat ihren Ursprung in den kurdischen Siedlungsgebieten der Türkei.
In Syrien hingegen ist die Partiya Yekîtiya Demokrat (PYD), die Partei der Demokratischen Union, tätig. Diese ist eine kurdische Partei in Syrien und Mitglied der syrischen Oppositionsgruppe Nationales Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel. Diese Partei gilt als Schwesterpartei der PKK, aus der sie hervorgegangen ist.
Wie aus den zitierten Länderinformationen zu entnehmen, ist in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers die SDF, die Demokratischen Kräfte Syriens, ein Militärbündnis, welches im Jahr 2015 im Bürgerkrieg in Syrien gegründet wurde, das angeführt von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten das im Nord- und Ostsyrien liegende Autonomiegebiet verteidigt, aktiv.
Allein schon aus diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer das durchaus komplexe politische System seiner Herkunftsregion nicht nachvollziehen kann. Sein Vorbringen, dass der „die PKK vehement“ ablehnen würde, ist als übersteigertes Vorbringen beweiswürdigend zu werten, welches dazu dienen soll, eine politische Gesinnung zumindest zu behaupten. Selbst wenn man den Beschwerdeführer beim Wort nehmen würde, nämlich, dass er die in der Türkei tätige PKK tatsächlich vehement ablehnen würde, dann fehlt bei dieser Aussage ein Zusammenhang mit seiner Herkunftsregion in Syrien, in welcher die „PKK“ nicht aktiv ist. In der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist die PYD politisch verantwortlich, und nicht die PKK.
Eine gegen die PYD bzw. die SDF und ihre Verbündeten gerichtete, verinnerlichte politische Gesinnung ist dem pauschalen und undetaillierten Vorbringen des Beschwerdeführers damit aber insgesamt nicht glaubhaft zu entnehmen. Den Angaben des Beschwerdeführers ist somit auch keine glaubhafte verinnerlichte politische Überzeugung gegen die PYD oder SDF zu entnehmen.
Der Beschwerdeführer ist auch nicht prinzipiell gegen einen Dienst an der Waffe eingestellt, so brachte er bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 06.05.2025 vor: „Natürlich, wenn es irgendeinmal eine ordentliche syrische Armee gibt, werde ich meinem Land dienen, aber jetzt ist das nur ein Interessenskonflikt“ (vgl. Niederschrift vom 06.05.2025, S. 5).
Das Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner Erstbefragung bei der Landespolizeidirektion Wien am 09.02.2024 ist für die erkennende Richterin hingegen durchaus glaubhaft. So gab er damals an: „Ich hätte in Syrien den Militärdienst machen müssen. Ich habe Angst gehabt im Krieg zu sterben. Deshalb habe ich Syrien verlassen. Das sind alle meine Fluchtgründe.“ (vgl. AS 25).
So menschlich verständlich seine Angst im Bürgerkrieg zu sterben oder andere Menschen töten zu müssen auch sein mögen, kann unter Betrachtung der Gesamtumstände für bei einer allfälligen Weigerung des Beschwerdeführers, der „Selbstverteidigungspflicht“ in seinem Herkunftsgebiet nachzukommen, keine verinnerlichte politische Gesinnung gegen die PYD oder SDF erkannt werden. Ebenso wenig ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ihm diese seitens der PYD bzw. SDF aufgrund dieser Weigerung unterstellt werden würde, weswegen die entsprechenden Feststellungen getroffen werden.
2.2.4. Zur vorgebrachten Bedrohung aufgrund seiner illegalen Ausreise, seiner Herkunft aus einem ehemals oppositionellen Gebiet und seiner Asylantragstellung im Ausland:
Als weitere Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer leidglich in seiner Beschwerde vor, dass aufgrund der kumulativen Gefährdungsfaktoren Wehrdienstverweigerung, illegale Ausreise, Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich, Abstammung aus einem als oppositionell angesehenen Gebiet und Sippenhaftung jedenfalls davon auszugehen sei, dass er bei einer Rückkehr nach Syrien als in Opposition zur Regierung stehend angesehen werden würde und ihm somit Verfolgung im Sinne der GFK drohe (vgl. AS 267f).
Auch in diesem Zusammenhang ist, wie bereits ausgeführt, darauf hinzuweisen, dass das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers auch zum Zeitpunkt seiner Ausreise nicht unter Kontrolle der syrischen Regierung standund es im Übrigen eine Verfolgung durch das ehemalige syrische Regime im Hinblick auf die aktuelle Situation in Syrien aufgrund der Machtübernahme durch die HTS sowie den Sturz des syrischen Regimes nicht mehr geben kann.
Dem Beschwerdeführer droht daher auch aus diesen Gründen im Fall einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet kein Eingriff in seine körperliche Integrität.
2.2.5. Weitere Fluchtgründe
Weitere Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer nicht vor, auch ergab eine Einsicht in die aktuellen Länderinformationen keinen Hinweis darauf, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Bedrohung für Leib und Leben drohen könnte, weswegen die entsprechende Feststellung getroffen wird.
2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien aktuell.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
§ 3 (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
…“
3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.3. Wie festgestellt leistete der XXXX -jährige-Beschwerdeführer seinen verpflichtenden Wehrdienst beim syrischen Militär bislang nicht ab. Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers befindet sich unter der politischen Kontrolle der PYD (Partei der Demokratischen Union) bzw. unter der militärischen Kontrolle der kurdisch geführten SDF (Syrian Democratic Forces - Syrische Demokratischen Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES). Das ehemalige syrische Regime wurde zudem, wie beweiswürdigend ausgeführt, am 08.12.2024 gestürzt und kann daher nicht auf den Beschwerdeführer zugreifen.
3.1.4. In Bezug auf eine mögliche Gefahr vonseiten der kurdischen Streitkräfte rekrutiert zu werden ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zwar in das wehrdienstfähige Alter für die „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ fällt, der Beschwerdeführer jedoch, wie beweiswürdigend ausgeführt, keine verinnerlichte oppositionelle Gesinnung gegenüber den Kurden vertritt.
Der Vollständigkeit halber ist bezugnehmend auf den „Wehrdienst“ der kurdischen Selbstverteidigungskräfte folgendes anzumerken:
Das „Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien“ (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) ist ein de facto autonomes Gebiet im Nordosten von Syrien, das jedoch nicht anerkannt ist. Bereits aus diesem Grund liegt gegenständlich – mangels Militärdienstes eines souveränen Staates – im Hinblick auf die „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ der Tatbestand einer Verfolgungshandlung gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. e der Status-Richtlinie nicht vor.
Eine drohende Zwangsrekrutierung stellt jedoch keine asylrelevante Verfolgung per se dar, sondern ist auf den Einzelfall abzustellen, dies bestätigt auch EUAA (vgl. EUAA, Country Guidance Syria, April 2024, S. 46: „Auch wenn die Gefahr einer Zwangsrekrutierung als solche im Allgemeinen keinen Zusammenhang mit einem Verfolgungsgrund impliziert, könnten die Folgen einer Verweigerung je nach den individuellen Umständen einen solchen Zusammenhang unter anderem mit einer (unterstellten) politischen Meinung begründen.“ (freie Übersetzung aus dem Englischen)).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung von der – nicht asylrelevanten – Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei jene Verfolgung unterschieden, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung selbst kommt es in einem solchen Fall nicht an. Entscheidend ist daher, mit welchen Reaktionen durch die genannten Milizen die Revisionswerberin auf Grund ihrer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, rechnen müsste und ob in ihrem Verhalten eine – sei es auch nur unterstellte – politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0079, Rz 15 mwN; auch VfGH 25.02.2019, E4032/2018, Pkt. 2.1., mwN; auch VwGH 11.10.2023, Ra 2023/18/0258).
Eine Verbindung zwischen der drohenden Rekrutierung zu einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 genannten Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention ist nicht zu erkennen:
Eine Verbindung zum Konventionsgrund der politischen Gesinnung ist bei gesamthafter Betrachtung der Reaktionen der de facto Behörden der kurdischen Selbstverwaltung nicht herzustellen. Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, sehen die kurdischen Autonomiebehörden die Verweigerung der Ableistung des Wehrdienstes auch in der aktuellen politischen Situation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung. Der Beschwerdeführer brachte auch keine politische Gesinnung im gesamten Verfahren vor, bzw. wird dessen Vorbringen nicht als glaubhaft beweiswürdigend gewertet. Auf eine relevante bzw. besonderes Maß der individuellen (inneren) politischen Überzeugung, also insbesondere gerichtet gegen die Selbstverteidigungspolitik der kurdischen Selbstverwaltung, ist daraus nicht zu schließen, zumal er auch angab, niemals Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung gewesen zu sein.
Aus den zur Verfügung stehenden Länderberichten sind auch keine Hinweise für, auf Konventionsgründen beruhende, unverhältnismäßige Bestrafungen im Zusammenhang mit der Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ abzuleiten.
Abschließend ist bezugnehmend auf eine drohende Rekrutierung vonseiten der syrischen Regierung oder der PYD/SDF anzumerken, dass auch der Asylgrund der Zugehörigkeit zu einer „sozialen Gruppe“ („der Wehrdienstverweigerer“) im gegenständlichen Fall nicht vorliegt:
Zum Vorliegen einer sozialen Gruppe (iSd § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG iVm Art. 10 Abs. 1 lit. d Statusrichtlinie) bedarf es nach der Rechtsprechung der Erfüllung zweier kumulativer Voraussetzungen: Zum einen müssen die Mitglieder der Gruppe „angeborene Merkmale“ oder einen „Hintergrund, der nicht verändert werden kann“, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, „die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten“. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der als sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Eine soziale Gruppe kann nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (vgl. etwa VwGH 28.05.2020, Ra 2019/18/0421, Rn. 12 und 15, m.w.N. und insbesondere Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH).
Der Militärpflicht unterliegen zwar sämtliche männliche syrische Staatsangehörige eines bestimmten Alters – bezugnehmend auf die „Selbstverteidigungspflicht“ der SDF/AANES mit Wohnsitz im kurdischen Autonomiegebiet –, für die keine Befreiungsgründe gelten, jedoch sind insbesondere die beiden letztgenannten Merkmale nicht solche, die angeboren sind, nicht verändert werden können oder im Zusammenhang mit einer Glaubensüberzeugung stehen. So würde die Zugehörigkeit zum wehrpflichtigen Personenkreis bereits durch die Verlegung des Wohnsitzes nicht mehr bestehen, ebenso stellt das Vorliegen von Befreiungsgründen (etwa gesundheitlicher Natur) einen Umstand dar, der sich jederzeit verändern kann. Insofern ist bereits die erste Voraussetzung für die Annahme einer „sozialen Gruppe“ nicht erfüllt.
Aus den vorliegenden Länderinformationen lässt sich nicht ableiten, dass die Personen, die sich dem Dienst verweigern, von der sie umgebenden Gesellschaft als „andersartig“ betrachtet werden (vgl. im Gegensatz dazu etwa der Hinweis in Hembach/Thaler/Nedwed, Die „soziale Gruppe“ – ein „update“, Jahrbuch Asylrecht und Fremdenrecht 2021, S. 151 [169], auf das Urteil des EuGH vom 07.11.2013 in den Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12, X,Y,Z, worin der Gerichtshof es für die Beurteilung der abgegrenzten Identität einer Gruppe ausreichen ließ, dass – auf diese Gruppe [dort: Homosexuelle] abzielende – Strafbestimmungen existieren).
Schließlich ist auch den bereits zitierten Leitlinien von EUAA und UNHCR nicht zu entnehmen, dass im vorliegenden Zusammenhang ein Verfolgungskonnex aufgrund der Zugehörigkeit zu einer „sozialen Gruppe“ als gegeben angenommen wird.
3.1.5. Schließlich droht einer politisch nicht exponierten Person wie dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien auch nicht bloß wegen seiner illegalen Ausreise, der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich oder der Abstammung aus einem als oppositionell angesehenen Gebiet Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität.
Es liegt beim Beschwerdeführer zusammenfassen keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund vor.
3.1.6. Die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers erlaubt es auch nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.
3.1.7. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten oder sonstigen Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.
3.1.8. Die Beschwerde war daher betreffend Spruchpunkt I. und somit – da sie sich ausdrücklich nur gegen diesen richtete (vgl. AS 255) – zur Gänze als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.